Psychologie und Psychiatrie in Russland standen seit Ende des 19. Jahrhunderts unter dem Vorzeichen eines naturwissenschaftlichen Verständnisses psychischer Prozesse, für das die Namen Iwan Setschenow, Wladimir Bechterew und Iwan Pawlow stehen. Trotzdem konnte die Psychoanalyse hier schon früh Fuß fassen, wozu wesentlich der in Wien ausgebildete Psychiatriereformer Wladimir Serbski beitrug. Seine Schüler Iwan Ermakow und Nikolaj Ossipow zählten zu den ersten Psychoanalytikern in Russland, ebenso die Psychiater Leonid Drosnés, Tatiana Rosenthal und Mosche Wulff.
Ermakow, ab 1911 Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik in Moskau, wurde vor allem durch psychoanalytische Studien zu Kunst und Literatur bekannt. Ossipow leitete ein psychoanalytisch arbeitendes Ambulatorium an der Moskauer Psychiatrischen Universitätsklinik, er gehörte zu den Initiatoren einer psychoanalytischen Diskussionsgruppe, der sog. Kleinen Freitage, und gründete 1911 die Moskauer Psychoanalytische Gesellschaft. Seit 1909 gab er gemeinsam mit Nikolai Wyrubow die Zeitschrift Psichoterapija heraus, die bis zu ihrer Einstellung 1915 psychoanalytische Essays (mit überwiegend adlerianischer Tendenz) veröffentlichte. Mosche Wulff, der seine psychoanalytische Ausbildung in Berlin erhalten hatte, gab in Odessa eine Buchreihe zu psychoanalytischen Fragen heraus und prägte wie Ossipow mit seinen Übersetzungen zahlreicher Werke Sigmund Freuds die russische psychoanalytische Terminologie. Drosnés, der Therapeut des "Wolfsmanns" Sergej Pankejeff, und Tatiana Rosenthal, die seit 1911 der Wiener und der Berliner Psychoanalytischen Vereinigung angehörte, waren in den 1910er Jahren als Psychoanalytiker in Petersburg tätig. Rosenthal übernahm 1919 die Leitung der Poliklinik am Bechterewschen Forschungsinstitut für Gehirnpathologie in Petersburg und führte dort Psychoanalysen mit neurotischen Patienten durch.
Die Oktoberrevolution 1917 versetzte die russische psychoanalytische Bewegung zunächst in Aufbruchstimmung. Die Bolschewiki standen der Lehre Freuds anfangs aufgeschlossen gegenüber, denn sie erwarteten von der psychoanalytischen Pädagogik einen wichtigen Beitrag für die Erziehung des "neuen Sowjetmenschen". Ermakow und Wulff gründeten 1921 in Moskau die psychoanalytische Vereinigung zur Erforschung des künstlerischen Schaffens. Die Pädagogin Vera Schmidt eröffnete im gleichen Jahr in Moskau das Kinderheim-Laboratorium Detski Dom - ab 1922 "Internationale Solidarität" genannt -, wo marxistisch und psychoanalytisch inspirierte pädagogische Methoden angewendet wurden.
1922 rief der Arzt und spätere Neuropsychologe Alexander Lurija eine psychoanalytische Gesellschaft in Kasan ins Leben, bestehend aus Ärzt:innen - darunter Rosa Awerbuch - Pädagog:innen, Psycholog:innen und einer Historikerin, die über Freuds Schriften und die Vereinbarkeit von Psychoanalyse und Marximus diskutierten. Ebenfalls 1922 gründeten Iwan Ermakow und Mosche Wulff in Moskau, unterstützt vom Volkskommissariat für Aufklärung (Narkompros), die Russische Psychoanalytische Vereinigung (RPV) sowie 1923 das Staatliche Institut für Psychoanalyse. Im gleichen Jahr schlossen sich einige Mitglieder der Kasaner Gruppe der RPV an. Später entstanden psychoanalytische Gruppen in Kiew - mit Aron Salkind -, Odessa und Rostow.
Ebenfalls 1923 wurde in Moskau ein psychoanalytisches Ambulatorium eröffnet, in dem neben Ermakow und Wulff Sabina Spielrein, eine Analysandin C. G. Jungs und Mitglied der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung, sowie Rosa Awerbuch arbeiteten. Die RPV wurde 1924 von der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung (IPV) anerkannt, sie zählte damals zwanzig Mitglieder, darunter Ermakow (als Präsident), Spielrein, Wulff, Lurija, Otto und Vera Schmidt, Awerbuch, Pawel Blonski, Jurij Kannabich, Boris Friedmann und Stanislas Chatski. In dieser Zeit erreichte die psychoanalytische Bewegung, für die sich auch viele avantgardistische Intellektuelle wie z. B. der Filmemacher Sergej Eisenstein interessierten, in Russland ihren Höhepunkt.
Eine Besonderheit der sowjetischen Psychoanalyse während der 1920er Jahre war ihre Nähe zur politischen Macht, die sie für die sozialistische Erziehung (Stichwort: Pädologie) einzusetzen versuchte. Mit der Etablierung des stalinistischen Regimes wurde jedoch eine marxistisch-leninistisch unterfütterte Pawlowsche Reflexpsychologie zum alleinigen Maßstab der materialistischen Wissenschaft vom "neuen Menschen". Während noch Trotzki für eine Integration der Psychoanalyse als Sonderfall der Theorie des bedingten Reflexes in die materialistische Psychologie plädierte, geriet sie Mitte der 1920er Jahre immer mehr in die Kritik. Angegriffen wurden vor allem der "Idealismus" der Freudschen Metapsychologie, ihr "bürgerlicher Individualismus" und die zentrale Rolle der Sexualität. Russische Freudomarxisten wie Lurija versuchten die Psychoanalyse mit der Reflexologie Pawlows für vereinbar zu erklären, sofern man die Sexualtheorie aufgäbe.
1925 wurde das psychoanalytische Kinderheim Vera Schmidts vom Großen Rat der Volkskommissare liquidiert, einige Monate später das Staatliche Institut für Psychoanalyse geschlossen. 1927 emigrierte Mosche Wulff, damals Präsident der RPV, nach Deutschland, sein Nachfolger wurde Kannabich. 1930 wurde die RPV offiziell aufgelöst (die bis 1937 in der IZP aufgeführten Mitgliedslisten der RPV sind lediglich Übernahmen des Verzeichnisses von 1930). 1936 verbot Stalin die Lehre Freuds, seine Schriften landeten in den Giftschränken der Bibliotheken.
Während der Zeit des kalten Kriegs nach 1945 galt die Psychoanalyse in der Sowjetunion als eine im Dienst des amerikanischen Imperialismus stehende reaktionäre Ideologie - ein Urteil, das auch die kommunistischen Parteien anderer Länder übernahmen. Bis in die 1970er Jahre blieben Psychologie und Psychiatrie für die Psychoanalyse weitgehend verschlossen. Neurosen und Psychosen erfuhren auf der Grundlage der Reflexologie eine rein physiologische Erklärung, entsprechend reduzierte sich ihre Behandlung vor allem auf Hypnose - eine traditionell in Russland bevorzugte Therapieform - und Chemotherapie.
Eine wichtige Rolle für die Rehabilitierung der Psychoanalyse spielte ein von der georgischen Akademie für Wissenschaften 1979 in Tiflis organisiertes Symposium über das Unbewusste, an dem sowjetische Wissenschaftler und westliche Psychoanalytiker, Philosophen und Linguisten teilnahmen. Die Politik der Perestroika in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre begünstigte das Wiederaufleben der russischen psychoanalytischen Bewegung. 1989 wurden alle Werke Freuds neu übersetzt und veröffentlicht, 1988 entstand unter der Leitung von Pawel Sneshnewski eine psychoanalytische Sektion in der Vereinigung praktizierender Psychologen. 1996 unterzeichnete Präsident Boris Jelzin einen Erlass zur Wiederbelebung der Psychoanalyse in Russland.
1989 wurde in Moskau die Sowjetische Psychoanalytische Vereinigung Советская психоаналитическая ассоциация (СПА) gegründet, die im selben Jahr von der IPA den Status einer Guest Study Group erhielt. Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde sie 1991 in Russische Psychoanalytische Gesellschaft Русского психоаналитического общества (RPO) umbenannt und existierte bis 1995. Ihr erster Präsident war der Psychiater Aron I. Belkin. Auch in St. Petersburg (1990), Rostow (1991) und Jekaterinburg entstanden psychoanalytische Vereinigungen. 1991 erschien mit Rossiyskiy psikhoanaliticheskiy vestnik [Russisches psychoanalytisches Bulletin] wieder eine psychoanalytische Zeitschrift in Russland.
1991 wurde in St. Petersburg auch das Osteuropäische Institut für Psychoanalyse Восточно-Европейский Институт Психоанализа (ВЕИП) ins Leben gerufen, die erste post-sowjetische Ausbildungsstätte für Psychoanalytiker:innen aus ganz Russland (Direktor: Michail Reshetnikov). 2016 wurde dem Institut aus unklaren Gründen die staatliche Akkreditierung entzogen, wogegen es bei verschiedenen Gerichten Klage eingereicht hat.
1995 konstituierte sich aus der psychoanalytischen Sektion der Vereinigung praktizierender Psychologen die Moskauer Psychoanalytische Gesellschaft Московское Психоаналитическое Общество (MПО). Ihr erster Präsident war bis 1998 Sergej Agrachev. Die MПО wurde 2011 provisorisches und 2015 Vollmitglied der IPA, mit Tatiana Alavidze als Präsidentin. Der derzeitige Präsident der MПО ist Zimin Vitaly Alexandrowitsch. Seit 2014 erscheint unter der Leitung von Natalia Kholina jährlich das Bulletin der Moskauer Psychoanalytischen Gesellschaft Вестник Московского психоаналитического общества.
1997 entstand die Moskauer Gesellschaft der Psychoanalytiker Московское Общество Психоаналитиков (МОП), die aus dem lacanianisch orientierten Russischem Kreis der Europäischen Schule der Psychoanalyse Российский Круг Европейской Школы Психоанализа hervorgegangen war, die von 1991 bis 1995 existierte. Präsidentin der МОП von 2000 bis 2005 und von 2009 bis 2010 war Victoria Potapova, derzeitiger Präsident ist Pavel Katchalov. Beide absolvierten ihre psychoanalytische Ausbildung am Institut de Psychanalyse in Paris.
Die Kinderpsychoanalyse konnte sich ebenfalls in Russland etablieren. 1998 wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Londoner Anna Freud Centre die St. Petersburger Gesellschaft für Kinderpsychoanalyse Санкт-Петербургское Общество Детского Психоанализа gegründet, deren erste Präsidentin Nina Leonidovna Vasilyeva war; derzeitige Präsidentin ist Valentina Ivanova. Die St. Petersburg Society of Child Psychoanalysis ist seit 2005 Vollmitglied der European Federation of Psychoanalytic Psychotherapy (EFFP). In Moskau gründeten Mitglieder und Kandidaten der MПО und der IPA 2019 die Gesellschaft für Kinderpsychoanalytische Psychotherapie Общество детской психоаналитической психотерапии (ОДПП). Die Moscow Society of Child Psychoanalytic Psychotherapy ist außerordentliches Mitglied der EFFP. Ihre derzeitige Präsidentin ist Margarita Nesterenko.