Hilda (Hildegard, Hilde) Clara Abraham wurde in Zürich geboren und wuchs in Berlin auf. Sie war die Tochter Karl Abrahams, des Psychiaters und Pioniers der deutschen Psychoanalyse, und seiner Frau Hedwig geb. Bürgner. Weil Hilda als Kind eine ausgeprägte Neigung zu Tagträumen zeigte, unternahm ihr Vater mit seiner siebenjährigen Tochter eine Analyse nach dem Vorbild von Sigmund Freuds Analyse des "kleinen Hans". Als sich ihre Konzentrationsprobleme nicht legten, schickte er sie 1922 zu dem niederländischen Psychoanalytiker Johan van Ophuijsen in die Analyse, der zu der Zeit in Berlin war. Nachdem ihr Vater 1925 gestorben war, setzte sie ihre Analyse bei van Ophuijsen in Den Haag fort.
Hilda Abraham studierte Medizin in Berlin, Heidelberg und Wien und legte 1932 ihr Staatsexamen in Berlin ab, wo sie 1934 auch promoviert wurde. 1933 begann sie am Berliner Psychoanalytischen Institut noch eine Lehranalyse bei Werner Kemper, bevor sie nach Hitlers Machtergreifung mit ihrer Mutter und ihrem Bruder Gerd (Grant Allan) nach England emigrierte. Sie machte eine weitere Analyse bei Hilde Maas, absolvierte eine psychoanalytische Ausbildung am Londoner Institute of Psychoanalysis und wurde Mitglied und Lehranalytikerin der British Psycho-Analytical Society. Sie praktizierte als Psychoanalytikerin in London und war viele Jahre lang als Psychiaterin am British Hospital for Functional Nervous Disorders (Camden Clinic) und nach deren Schließung 1962 an der Paddington Clinic and Day Hospital tätig.
Wie ihre Freundin Dinora Pines zählte Hilda C. Abraham zu den Anhänger:innen Anna Freuds. Obwohl Karl Abraham der Mentor Melanie Kleins in Berlin gewesen war, blieb seine Tochter immer eine entschiedene Gegnerin der Klein'schen Ideen. Ihr Interesse galt besonders der Psychologie der Frau. 1955 referierte Hilda Abraham auf dem Internationalen Psychoanalytischen Kongress in Genf über die psychotherapeutische Behandlung von Frauen am South London Hospital for Women, deren sexuelle Probleme sich in einer "nicht vollzogenen Ehe" manifestierten. Ihre Ergebnisse schilderte sie in den Aufsätzen Therapeutic and psychological approach to cases of unconsummated marriage und A contribution to the problems of female sexuality.
Darüber hinaus widmete sich Hilda Abraham der Herausgabe und Übersetzung des Werks ihres Vaters. Gemeinsam mit Ernst Freud gab sie 1965 den Briefwechsel zwischen Sigmund Freud und Karl Abraham heraus. Ihre Biografie Karl Abrahams blieb jedoch unvollendet, als sie 65-jährig nach längerer Krankheit in London starb. (Artikelanfang)
Lou Andreas-Salomé war bereits eine bekannte Schriftstellerin, als sie sich im Alter von fünfzig Jahren der Psychoanalyse zuwandte. Geboren und aufgewachsen war Louise von Salomé in St. Petersburg als jüngere Schwester von fünf Brüdern. Ihr Vater Gustav von Salomé war ein wohlhabender Baltendeutscher hugenottischen Ursprungs, ihre Mutter Luise Wilm die Tochter eines reichen Hamburger Zuckerfabrikanten.
Louise von Salomés erster geistiger Mentor war Hendrik Gillot, ein unorthodoxer niederländischer Prediger. Sein Heiratsantrag, den sie ablehnte, zerstörte die Beziehung. 1880 ging Lou von Salomé nach Zürich, um Theologie, Philosophie und Kunstgeschichte zu studieren. Zwei Jahre später lernte sie in Rom die Philosophen Paul Rée und Friedrich Nietzsche kennen, die sich beide in sie verliebten. Nachdem ihr Traum eines geschwisterlich-intellektuellen Dreierbunds gescheitert war, ließ sich Lou von Salomé 1882 mit Rée in Berlin nieder. 1887 heiratete sie den Göttinger Orientalistikprofessor Friedrich Carl Andreas (1846-1930), mit dem sie eine lebenslange platonische Ehe führte. 1897 begegnete sie Rainer Maria Rilke, ihre Liebesbeziehung dauerte einige Jahre und mündete dann in eine Freundschaft.
Lou Andreas-Salomé wählte die Laufbahn einer freien Schriftstellerin und wurde eine bekannte Persönlichkeit der literarischen Welt von Berlin und München. Liebe, Sexualität und neue Möglichkeiten weiblicher Selbstfindung standen im Mittelpunkt vieler ihrer Romane und Erzählungen, darunter Fenitschka, die Lobpreisung einer spontanen, von den Zwängen der Ehe befreiten Sexualität. In ihren Essays zeichnete Lou Andreas-Salomé die Frau als in sich ruhende Einheit von Geist, Intellekt, Körper und Gefühlen, während der differenziertere Mann von Unzufriedenheit angetrieben sich ständig neu zu beweisen sucht.
1911 nahm Lou Andreas-Salomé am Psychoanalytischen Kongress in Weimar teil, im Jahr darauf reiste sie nach Wien, um sich von Sigmund Freud zur Psychoanalytikerin ausbilden zu lassen. Von 1912 bis 1913 nahm sie an den wöchentlichen Sitzungen der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung (WPV) teil. Ihre Eindrücke aus dieser Zeit hielt sie in ihrem Tagebuch In der Schule bei Freud fest. Es entwickelte sich bald eine freundschaftliche Beziehung zwischen Andreas-Salomé und Freud, der in ihr eine "Versteherin par excellence" sah. Die zweihundert Briefe, die sie im Laufe von 25 Jahren wechselten, bezeugen ihre gegenseitige Sympathie. Auf Sigmund Freuds Bitte hin unterstützte sie ihn bei der Analyse seiner Tochter Anna Freud, deren "mütterliche Freundin" sie wurde.
Nachdem Lou Andreas-Salomé 1913 ihre erste psychoanalytische Arbeit Vom frühen Gottesdienst veröffentlicht hatte, eröffnete sie eine eigene psychoanalytische Praxis in Göttingen. 1922 wurde sie ordentliches Mitglied der WPV. 1923/24 praktizierte sie auch in Königsberg, wo sie Otto Bruns beim Aufbau einer psychoanalytischen Poliklinik half und Analysen mit Ärzten durchführte.
Geschlechterbeziehung und Narzissmus sind die zentralen Themen in Lou Andreas-Salomés Schriften, deren poetisch-metaphorische Sprache ihr das Attribut "Dichterin der Psychoanalyse" eintrug. Ihre wichtigsten Aussagen über Psychoanalyse und Weiblichkeit sind in ihrem Aufsatz Zum Typus Weib enthalten, worin sie für die Anerkennung der Differenz zwischen den Geschlechtern plädierte. Als ihre bedeutendste psychoanalytische Abhandlung gilt der Essay Narzißmus als Doppelrichtung. Ihr eigener Narzissmus spielte eine wichtige Rolle in ihren Sitzungen mit Freud, dem sie für seinen 1914 erschienenen Aufsatz Zur Einführung in den Narzißmus als Modell diente.
Das von Freud gezeichnete positive Bild der narzisstischen Frau entspricht Andreas-Salomés eigener Sicht der Frau als Narzisstin par excellence, das heißt als unabhängiges, selbstgenügsames und beneidenswertes Wesen. Im Narzissmus sah Lou Andreas-Salomé nicht nur eine Entwicklungsstufe oder einen pathologischen Zustand, sondern auch eine Kraft, die zur Gefühlsidentifizierung mit der Welt und zur Fusion mit dem anderen antreibt. In diesem Narzissmus, so Andreas-Salomé, habe jede Kulturtat ihren Ursprung.
Trotz schwerer Krankheiten - Diabetes, Brustkrebs und Erblindung - war Lou Andreas-Salomé bis zu ihrer Krebsoperation 1935 als Psychoanalytikerin tätig. Sie starb zwei Jahre später an Nierenversagen. (Artikelanfang)
Thea Bauriedl, die Begründerin der Beziehungsanalyse, wurde in Berlin geboren. Sie besuchte Schulen in Tirol, Oberbayern und München und studierte nach dem Abitur 1956 Musik in München und Sprachen in Genf. 1960 heiratete sie den Musikverleger Ruprecht Bauriedl (1927-2018). Aus ihrer Ehe, die 1975 wieder geschieden wurde, gingen zwei Töchter hervor.
Von 1966 bis 1970 studierte Thea Bauriedl Psychologie, Philosophie und Psychopathologie an der Universität München und war dort anschließend Assistentin am Institut für Psychologie, bis sie 1975 über Theoretische Probleme der ichpsychologischen Diagnostik promovierte (Habilitation 1985). Ihre psychoanalytische Ausbildung absolvierte sie von 1971 bis 1978 an der Akademie für Psychoanalyse und Psychotherapie in München (APPM). 1982 heiratete sie den Psychoanalytiker Friedrich Wölpert (1949-2018), von dem ihr Sohn stammt.
Seit 1989 war Thea Bauriedl als Dozentin, Lehranalytikerin und Supervisorin an der APPM tätig. Von 1981 bis 1995 und erneut ab 1999 leitete sie die von ihr und Friedrich Wölpert gegründete Abteilung für Analytische Paar- und Familientherapie an der APPM. Von 1995 bis 1999 war sie Vorsitzende der APPM und danach Ehrenmitglied. 1986 gründete sie mit Kolleg:innen das von ihr geleitete private Institut für Politische Psychoanalyse in München, dessen Zeitschrift Anmerkungen aus dem Institut für Politische Psychoanalyse München sie mitherausgab. Außerdem war sie Begründerin und Leiterin des Arbeitskreises Beziehungsanalyse München (AKBAM) und saß im wissenschaftlichen Beirat von Fachzeitschriften sowie politischen Institutionen wie Attac und Humanistische Union.
Zu Thea Bauriedls Schwerpunkten zählen die wissenschaftstheoretischen Grundlagen der Psychoanalyse, angewandte Psychoanalyse, insbesondere Paar- und Familientherapie, politische Psychoanalyse und psychoanalytische Friedens- und Konfliktforschung. Auf der Basis der psychoanalytischen Objektbeziehungstheorie entwickelte sie ab 1970 ihr Konzept der Beziehungsanalyse. In deren Zentrum stehen die unbewussten Verschmelzungs-, Abgrenzungs- und Austauschprozesse zwischen Personen, ihr Anwendungsgebiet ist die Beziehungsdynamik in Familien, Gruppen und Institutionen sowie in Gesellschaft und Politik. In der Beziehungsanalyse kommt der symmetrisch-interaktiven unbewussten Beziehung zwischen Analytiker und Analysand eine besondere Bedeutung zu.
Thea Bauriedl betonte das dialektisch-emanzipatorische Prinzip der Psychoanalyse und deren kulturkritisches Potenzial. Ihr Ziel war es, mithilfe psychoanalytischer Erkenntnisse über unbewusste Prozesse in Politik und Gesellschaft aufzuklären, kollektive Verdrängungen bewusst zu machen und auf diese Weise Veränderung zu ermöglichen.
Thea Bauriedl-Wölpert starb im Alter von 84 Jahren in München. (Artikelanfang)
Sophinette Becker wurde in Lindau geboren als einziges Mädchen von sechs Kindern der deutsch-französischen Kinder- und Jugendbuchautorin Antoinette Mathis und des Juristen und Bildungsforschers Hellmut Becker. Nach dem Besuch eines Nonneninternats begann sie 1968 ein Jurastudium in Berlin, wechselte dann aber zur Psychologie nach Frankfurt/Main, wo sie sich auf Psychosomatik spezialisierte und 1978 ihr Diplom machte.
Von 1979 bis 1988 war sie Assistentin an der von Alexander Mitscherlich gegründeten und seit 1968 von Walter Bräutigam geleiteten Psychosomatischen Klinik der Universität Heidelberg. Ihre Lehranalysen absolvierten die Assistent:innen der Klinik am Institut für Psychoanalyse und Psychotherapie Heidelberg-Mannheim, das 1969 als Ausbildungsseminar der Deutschen Gesellschaft für Psychotherapie und Tiefenpsychologie (DGPT) gegründet worden war. Dem synoptisch ausgerichteten Heidelberger Institut gehörte auch Sophinette Beckers Lebensgefährtin, die Psychiaterin und Psychoanalytikerin Waltraud Kruschitz, an.
1988 wurde Sophinette Becker Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung. Ein Jahr später trat sie eine Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin an dem von Volkmar Sigusch begründeten Institut für Sexualwissenschaft (IfS) der Universitätsklinik Frankfurt an, wo auch Reimut Reiche und Martin Dannecker arbeiteten. Von 1994 bis 2011, über die Schließung des IfS im Jahr 2006 hinaus, leitete sie dort die Sexualmedizinische Ambulanz. Danach war sie in freier Praxis tätig.
Sophinette Becker, die der Frankfurter Schule und der Independent Group der britischen Psychoanalyse nahestand, plädierte für eine gesellschaftskritische Verbindung von Sexualwissenschaft und Psychoanalyse. Ihre Schwerpunkte waren Geschlechtsidentität, Transsexualität, Perversionen und der gesellschaftliche Wandel von Sexualität. 2006 promovierte sie über Die Unordnung der Geschlechter. Klinische und sozialpsychologische Beiträge zur Geschlechtsidentität und ihren Störungen. Sie war seit 1988 Mitherausgeberin der Zeitschrift für Sexualforschung und seit 2012 der sexualwissenschaftlichen Fachbuchreihe Beiträge zur Sexualforschung. (Artikelanfang)
Therese Benedek, eine Pionierin der psychoanalytisch orientierten Psychosomatik, wurde in der ungarischen Kleinstadt Eger geboren. Sie war das dritte von vier Kindern des jüdischen Kaufmanns Ignatz Friedmann und seiner Frau Charlotte geb. Link. 1898 zog die Familie nach Budapest, wo Teréz Friedmann von 1911 bis 1916 Medizin studierte. Sie besuchte Vorträge von Sándor Ferenczi und verkehrte in linksintellektuellen Kreisen, denen auch die späteren Analytiker:innen Barbara Lantos, Imre Hermann und Jenö Harnik angehörten. Nach Beendigung ihres Studiums spezialisierte sie sich in Budapest und Bratislava auf Kinderheilkunde. 1918/19 absolvierte sie eine fünfmonatige Psychoanalyse, einige Sitzungen hatte sie auch bei Ferenczi. 1919 heiratete sie den Dermatologen Tibor Benedek (1892-1974), aus ihrer Ehe gingen zwei Kinder, Thomas (*1926) und Judith (*1929), hervor. Mit Beginn des reaktionären Regimes von Miklos Horthy verließen Therese und Tibor Benedek Ungarn und emigrierten 1920 nach Deutschland.
Sie ließen sich in Leipzig nieder, wo Therese Benedek von 1920 bis 1925 als Assistenzärztin an der psychiatrischen Universitätsklinik arbeitete. 1921 begann sie als erste Psychoanalytikerin in Leipzig zu praktizieren. Sie nahm an den Sitzungen der Berliner Psychoanalytischen Vereinigung teil und wurde dort 1923 als außerordentliches, 1924 als ordentliches Mitglied aufgenommen. Von 1922 bis 1935 leitete sie die Leipziger psychoanalytische Arbeitsgemeinschaft, die unter ihrem Einfluss neu gestaltet und 1927 der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft (DPG) angegliedert wurde. Zu ihren Analysanden zählten in dieser Zeit so unterschiedliche Persönlichkeiten wie Gerhart Scheunert, der 1933 Mitglied der NSDAP wurde, Ewald Roellenbleck, Fritz Riemann und die links orientierte Barbara Lantos.
Ab 1933 gehörte Therese Benedek als Lehr- und Kontrollanalytikerin der DPG dem Berliner Psychoanalytischen Institut an. Zwei Jahre nach Hitlers Machtübernahme wurde in der DPG das "freiwillige" Ausscheiden der jüdischen Mitglieder beraten, um auf diese Weise die deutsche Psychoanalyse zu "retten". Therese Benedek wies dieses Ansinnen zunächst entschieden zurück, musste aber wie ihre acht jüdischen Kolleg:innen 1935 ihren Austritt aus der DPG erklären.
1936 emigrierten die Benedeks in die USA nach Chicago, wo Therese Benedek die Nachfolge Karen Horneys als Lehranalytikerin am Chicago Institute for Psychoanalysis antrat, das von Franz Alexander geleitet wurde. Dessen psychosomatische Orientierung kam ihren eigenen Interessen entgegen. Hier entstanden ihre Studien zur Psychosexualität der Frau, durch die Therese Benedek international bekannt wurde. Von 1958 bis 1959 war sie auch Präsidentin der Chicago Psychoanalytic Society.
Sie erforschte den Einfluss hormoneller Faktoren auf die psychische Befindlichkeit und vertrat die Auffassung, dass die weibliche Identität in einem biologischen Bedürfnis, Kinder zu gebären, verankert ist. Anders als Sigmund Freud meinte sie, dass nicht der vaginale Orgasmus der Gradmesser für die psychosexuelle Reife der Frau sei, sondern die Mutterschaft bzw. die Ausbildung von Mütterlichkeit. 1949 verwendete sie als erste den Begriff "Symbiose" für die primäre Mutter-Kind-Einheit. Sie selbst war kein gutes Beispiel für ihre psychobiologische Theorie, denn um die Erziehung ihrer beiden Kinder kümmerte sie sich weitgehend nicht selber.
Weitere Schwerpunkte ihrer Schriften waren das Konzept der depressiven Konstellation, die Eltern-Kind-Beziehung im Rahmen einer sich wandelnden Familienstruktur und die Phasen einer lebenslangen Persönlichkeitsentwicklung. Ihre wichtigsten Arbeiten sind in dem 1973 veröffentlichten Sammelband Psychoanalytic Investigations enthalten.
Im Alter wurde Therese Benedek zunehmend durch eine Verminderung ihrer Hörfähigkeit beeinträchtigt, was sie sehr belastete, da sie weiterhin Psychoanalysen durchführte. Drei Jahre nach dem Tod ihres Mannes starb sie an einem Herzinfarkt. (Artikelanfang)
Die gebürtige Rheinländerin Ina Böhlendorf war Lehrerin, bevor sie in Berlin Medizin studierte. Ihr Staatsexamen legte sie 1939 ab und erhielt ein Jahr später ihre Approbation. Gleichzeitig absolvierte sie eine psychoanalytische Ausbildung am Deutschen Institut für Psychologische Forschung und Psychotherapie ("Göring-Institut"). Ihr Lehranalytiker war Carl Müller-Braunschweig, bei dem sie von 1935 bis 1939 in Analyse war. Wahrscheinlich machte sie auch noch eine jungianische Analyse. Anfang der 1940er Jahre gab sie am Göring-Institut Kurse für Fürsorgerinnen und hielt Vorlesungen in der kindertherapeutischen Abteilung.
Nach dem Krieg beteiligte sich Ina Böhlendorf an der Neugründung der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft und am Wiederaufbau psychoanalytischer Institute in Berlin und Stuttgart. Von 1948 bis 1950 war sie Leiterin der Poliklinik für Erwachsene an dem 1948 gegründeten und von Hermann Gundert, Felix Schottlaender und Wilhelm Bitter geführten Stuttgarter Institut für Psychotherapie und Tiefenpsychologie. In dieser Zeit interessierte sie sich besonders für die Entwicklung einer Arbeitstherapie.
Ende 1951 zog Ina Böhlendorf nach Hannover, wo sie entscheidend an der Etablierung der psychoanalytischen Ausbildung beteiligt war. Sie wurde 1952 als Dozentin und Lehranalytikerin an das Psychotherapeutische Institut mit Erziehungsberatungsstelle für das Land Niedersachsen (Child Guidance Clinic) berufen, das 1951 nach dem Vorbild der Londoner Tavistock-Klinik gegründet worden war (später hieß es Institut für Analytische Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie für das Land Niedersachsen). Ina Böhlendorf baute die Ausbildungsabteilung am Institut auf und leitete bis 1964 die Weiterbildung in psychoanalytischer Therapie, insbesondere von Ärzten und Psychologen. 1958 und 1959 war sie auch Vorstandsmitglied der DGPT.
1958 gründete Ina Böhlendorf die Ärztliche Arbeitsgemeinschaft für Psychotherapie und schuf damit eine weitere Voraussetzung für die Institutionalisierung der Aus- und Fortbildung zum analytischen Psychotherapeuten in Hannover, die 1965 in die Gründung eines eigenständigen Lehrinstituts für Psychoanalyse und Psychotherapie mündete. Im gleichen Jahr führten jedoch jahrelange Kompetenzstreitigkeiten mit der Institutsleitung zu Ina Böhlendorfs Entlassung, nachdem sie 1964 bereits ihren Posten als Ausbildungsleiterin an Ilsabe von Viebahn abgeben musste. Sie starb im Alter von 84 Jahren vereinsamt in Hannover. (Artikelanfang)
Viveka Böök wurde in Lund in Südschweden geboren als jüngstes der fünf Kinder von Fredrik Böök, Professor für Literaturgeschichte, und seiner Frau Tora geb. Olsson. 1938 heiratete sie den Arzt Birger Axelsson Ekman (1915-?), von dem ihre drei Söhne Hampus, Pontus und Lukas stammen. Die Ehe wurde vor 1955 geschieden.
Viveka Böök studierte Soziologie bei Margaret Mead in den USA. 1951 ging sie nach München und absolvierte eine sechsjährige Analyse bei Fritz Riemann am Münchner Institut für psychologische Forschung und Psychotherapie. Anschließend machte sie eine Lehranalyse bei dem Schweizer Psychoanalytiker Harold Winter und wurde Mitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Psychoanalyse. In den 1960er Jahren gehörte sie dem Arbeitskreis um Fritz Friedmann an, der sich in kritischer Distanz zu dem an einer synoptischen Tiefenpsychologie orientierten Riemann-Institut um eine "authentische" Psychoanalyse bemühte. Aus diesem Kreis ging 1973 die Psychoanalytische Arbeitsgemeinschaft München (Institut der DPV) hervor, deren Mitglied und Lehranalytikerin Viveka Böök 1978 wurde.
Bööks literarisches Interesse bekundet ihr Aufsatz "Negative capability" bei Keats und bei Bion. Darin behandelt sie den von dem englischen Dichter John Keats geprägten und von dem Psychoanalytiker Wilfred R. Bion übernommenen Ausdruck einer "negativen Fähigkeit", was bedeutet, dass jemand fähig ist, Unsicherheiten, Geheimnisse und Zweifel auszuhalten, ohne sie unbedingt aufklären zu wollen.
Viveka Böök starb kurz vor ihrem 100. Geburtstag in Lund. (Artikelanfang)
Gertrud Bondy wurde in eine großbürgerliche jüdische Familie in Prag geboren als jüngste Tochter des Textilunternehmers Gustav Wiener und seiner Frau Olga Lauer. Nach dem Tod ihres Vaters 1907 zog sie mit ihrer Mutter nach Wien, wo sie, obwohl sie ursprünglich Konzertpianistin werden wollte, 1914 ein Medizinstudium begann. 1916 heiratete sie ihren Cousin, den in Hamburg geborenen deutsch-jüdischen Reformpädagogen Max Bondy (1892-1951). 1918 bzw. 1921 wurden ihre Töchter Annemarie und Ursula geboren, 1924 ihr Sohn Heinz. 1919 zogen die Bondys nach Erlangen, wo Max Bondy in Kunstgeschichte und Gertrud Bondy 1921 in Medizin promovierte. Noch in Wien hatte Gertrud Bondy Vorlesungen von Sigmund Freud gehört und mit einer psychoanalytischen Ausbildung begonnen. 1921 machte sie eine Analyse bei Otto Rank, die jedoch nicht beendet wurde.
1920 gründete Max Bondy zusammen mit Ernst Putz die Freie Schul- und Werkgemeinschaft Sinntalhof in Brückenau, eine private Reformschule, zu deren Mitarbeiter:innen neben Gertrud Bondy auch der spätere Psychoanalytiker Harald Schultz-Hencke gehörte. Drei Jahre später gründeten Max und Gertrud Bondy in Niedersachsen die Schulgemeinde Gandersheim, die 1929 nach Marienau (Kreis Lüneburg) umzog. Die Schulgemeinde auf Gut Marienau zählte damals zu den progressivsten Schulversuchen, die von der deutschen Jugendbewegung inspiriert als Gegensatz zum autoritären Schulsystem konzipiert waren. Gertrud Bondy setzte dabei eine Verbindung psychoanalytischer Erkenntnisse mit pädagogischen Methoden um, wobei es ihr um eine "Pädagogik der Freundlichkeit" ging. Die Psychoanalytiker in Berlin zeigten sich allerdings wenig begeistert über eine solche "Verquickung der analytischen Bestrebungen mit den unerquicklichsten Formen der Jugendbewegung".*
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde Max Bondy 1937 die Leitung von Marienau entzogen. Die Bondys gingen zunächst in die Schweiz und bauten in Gland die Schule Les Rayons auf. 1939 emigrierten sie in den USA, wo sie die Windsor Mountain School gründeten und ihre reformpädagogische Arbeit zunächst in Windsor und Manchester, Vermont, und dann ab 1944 in Lenox, Massachusetts, fortsetzten. (Artikelanfang)
Karen Brecht wurde in Hamburg geboren. Nachdem ihre Eltern früh gestorben waren - ihre Mutter kam 1943 bei der Bombardierung Hamburgs ums Leben -, wuchs sie bei ihrer Tante und Großmutter auf. Sie ließ sich nach dem Abitur zur Fremdsprachenstenotypistin ausbilden, begann dann aber 1957 in Hamburg ein Medizinstudium. Nach dem Vorphysikum wechselte sie nach Homburg im Saarland, 1960 dann nach Heidelberg. Hier lernte sie ihren Mann Thomas Brecht (1933?-2000) kennen, der später zu den führenden Angiologen zählte. Ihre 1961 geborene Tochter Judith starb 1976 an Leukämie.
Von 1967 bis 1973 studierte Karen Brecht Psychologie an der Universität Heidelberg, anschließend absolvierte sie von 1974 bis 1981 eine psychoanalytische Ausbildung am Sigmund-Freud-Institut in Frankfurt. Sie eröffnete eine private Praxis in Heidelberg und wurde 1990 ordentliches Mitglied, 1994 Lehr- und Kontrollanalytikerin der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung (DPV). Karen Brecht war Dozentin am Psychoanalytischen Institut Heidelberg-Karlsruhe und arbeitete dort in verschiedenen Gremien. Sie war Vorsitzende des örtlichen Weiterbildungsausschusses und gehörte der Ethikkommission der DPV an.
Einen Schwerpunkt Karen Brechts bildete die Beschäftigung mit der jüngeren psychoanalytischen Geschichte und der jüdisch-deutschen Problematik. Sie stand in engem Austausch mit emigrierten Analytiker:innen in England, Holland, Israel und den USA und beteiligte sich an der berühmten Ausstellung zur Geschichte der Psychoanalyse in Deutschland "Hier geht das Leben auf eine sehr merkwürdige Weise weiter...", die erstmals 1985 anlässlich des 34. Psychoanalytischen Kongresses in Hamburg gezeigt wurde. (Artikelanfang)
Hildegard Buder-Schenck wurde in Bonn geboren als Tochter des Botanikprofessors Heinrich Schenck und seiner Frau Marie geb. Schwarz. Sie studierte von 1914 bis 1916 in Marburg und Berlin Philologie und Nationalökonomie und setzte ihr Studium nach Kriegsende in Heidelberg fort, wo sie 1921 promovierte. Nach Tätigkeiten in der Erwachsenenbildung und Fabrikfürsorge unterrichtete Hildegard Schenck von 1925 bis 1932 an der Wohlfahrtsschule Verein Jugendheim in Berlin-Charlottenburg und leitete dort das 1928 gegründete Soziale Institut. 1931 heiratete sie den Diplomlandwirt Raimund Buder (1901-1974), 1928 wurde ihre Tochter Marianne geboren. Die Ehe wurde später wieder geschieden.
Von 1929 bis 1933 machte Hildegard Buder-Schenck eine Ausbildung am Berliner Psychoanalytischen Institut (BPI). Sie absolvierte ihre Lehranalyse bei Theodor Reik und Jenö Hárnik, mit anschließender Fortbildung bei Therese Benedek und Werner Kemper.* 1936 wurde sie Mitglied der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft. Nachdem das BPI 1936 im gleichgeschalteten Deutschen Institut für Psychologische Forschung und Psychotherapie aufgegangen war, war Hildegard Buder-Schenck dort Mitarbeiterin in der Abteilung des für die Ausbildung der „behandelnden Psychologen“ zuständigen Gustav Richard Heyer. Sie wandte sich der Richtung C. G. Jungs zu und machte eine zusätzliche Ausbildung in Analytischer Psychologie bei dem Jungianer Wolfgang M. Kranefeldt.
1944 flüchtete sie mit ihrer Tochter Marianne aus dem zerstörten Berlin zunächst zu ihrer Schwester nach Stuttgart, dann nach Tübingen, wo sie 1946 die Tübinger Arbeitsgruppe für Psychotherapie gründete. Sie war - neben dem Jungianer Adolf Weizsäcker - Lehrbehandlerin der Tübinger Gruppe und Dozentin am 1948 gegründeten Stuttgarter Institut für Psychotherapie. Wie die anderen Mitglieder um Wilhelm Bitter vertrat sie einen synoptischen Standpunkt und strebte eine Zusammenführung der Freudschen und der Jungschen Lehre an. In ihrem Aufsatz Goethes Traum vom Fasanenkahn verglich sie z. B. eine psychoanalytische mit einer jungianischen Deutung. Zu ihren Lehranalysanden in Tübingen zählte Ulrich Ehebald, der spätere Direktor des Hamburger Michael-Balint-Instituts.
1949 wechselte Hildegard Buder nach Bremen, wo ihr Heinrich Schulte, der Direktor der Städtischen Nervenklinik, eine Stelle als Assistentin und Lehranalytikerin angeboten hatte. Unter ihrer Federführung fand erstmals an einer psychiatrischen Klinik in Deutschland psychotherapeutische Ausbildung statt. Sie initiierte den Aufbau des Instituts für Psychotherapie und beteiligte sich 1951 an der Gründung der Bremer Arbeitsgruppe für Psychotherapie. Bis 1961 war sie geschäftsführende Vorsitzende der Arbeitsgruppe und Leiterin des 1952 eröffneten Instituts. Sie war auch Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Analytische Psychologie.
Hildegard Buder lebte ab 1972 wieder in Stuttgart und starb 88jährig in Darmstadt. (Artikelanfang)
Die in Brüssel geborene Suzanne Aimée Cassirer war die Tochter des bekannten Berliner Kunsthändlers und Verlegers Paul Cassirer und dessen erster Frau Lucie Oberwarth. Nach der Trennung ihrer Eltern 1904 lebte sie bei ihrem Vater. Ihre Mutter, in zweiter Ehe mit Ermanno Ceconi verheiratet, war Autorin mehrerer Bücher über die italienische Kultur. Suzanne (Suse) Cassirer studierte Philosophie und Kunstgeschichte in Marburg und Hamburg, später Medizin in Berlin. 1923 heiratete sie den Philosophen und Kunsthistoriker Hans Paret (1896-1973), von dem ihre beiden Kinder Peter (*1924) und Renate (*1926) stammten. Die Ehe wurde 1932 geschieden.
In Berlin begann Suzanne Cassirer-Paret eine Lehranalyse bei Hanns Sachs, die sie nach dessen Emigration von 1932 bis 1934 bei Sigmund Freud in Wien fortsetzte. Ihre Kontrollanalyse bei Siegfried Bernfeld (1892-1953) wurde abgebrochen, nachdem sie sich in ihn verliebt hatte. Obwohl Freud Bernfeld mit Ausschluss aus der WPV drohte, wurden sie ein Paar und heirateten 1934.
Ende desselben Jahres emigrierten Suzanne und Siegfried Bernfeld mit den Kindern aus ihren früheren Ehen zunächst nach Frankreich, dann 1937 über London, New York und Chicago nach Kalifornien. Sie ließen sich schließlich in San Francisco nieder, wo sie als nicht medizinisch ausgebildete "Laienanalytiker" nur Ehrenmitglieder der San Francisco Psychoanalytic Society wurden, an deren Aufbau Siegfried Bernfeld maßgeblich beteiligt war. Suzanne Bernfeld erhielt außerdem keine Ernennung zur Lehranalytikerin, weil sie ihre psychoanalytische Ausbildung in Europa nicht hatte formal abschließen können.
1944 erschien die erste der biografischen Studien zu Sigmund Freud von Suzanne und Siegfried Bernfeld, mit denen sie die Grundlagen für eine wissenschaftliche Freud-Biografik schufen. Als Ernest Jones Anfang der 1950er Jahre an seiner dreibändigen Freud-Biografie arbeitete, gehörten die Bernfelds neben Anna Freud und James Strachey zu seinen wichtigsten Ansprechpartnern. (Artikelanfang)
Frances Deri wurde als Franziska Hertz in Wien geboren, Tochter des aus Hamburg stammenden jüdischen Kaufmann Otto Hertz und seiner in Perchtoldsdorf bei Wien beheimateten Frau Franziska geb. Neußer. Ihr älterer Bruder Friedrich Otto Hertz wurde in England als Wirtschaftswissenschaftler und Soziologe bekannt. Franziska Hertz studierte in Wien Psychologie und Soziologie und promovierte 1902. Anschließend ging sie nach Berlin und gründete dort eine Fürsorgeorganisation, deren Direktorin sie elf Jahre lang war. In Berlin heiratete sie den Kunsthistoriker Max Deri (1878-1938), der sich für psychoanalytische Kunstinterpretation interessierte und zu diesem Thema u. a. in der Zeitschrift Imago publizierte.
Nach einer persönlichen Analyse 1921/22 bei Karl Abraham begann Franziska Deri 1926 eine Ausbildung am Berliner Psychoanalytischen Institut (BPI). Sie absolvierte ihre Lehranalyse von 1926 bis 1930 bei Hanns Sachs, Kontrollanalytikerin war Karen Horney. Von 1930 bis 1932 arbeitete Deri als Analytikerin in dem von Ernst Simmel geleiteten psychoanalytischen Sanatorium Schloss Tegel. Sie war Mitglied der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft, wo sie zum Kreis um Otto Fenichel gehörte, und der von Siegfried Bernfeld am BPI eingerichteten Pädagogischen Arbeitsgemeinschaft.
Als die Nationalsozialisten in Deutschland an die Macht kamen, emigrierte Franziska Deri 1933 nach Prag. Dort organisierte sie gemeinsam mit den ebenfalls emigrierten Analytikerinnen Annie Reich und Steff Bornstein den Aufbau der Prager Psychoanalytischen Arbeitsgemeinschaft, deren Leiterin sie bis 1935 war. Die Prager Gruppe wurde der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung angeschlossen, in die Deri 1934 als Mitglied übernommen wurde. Sie begann Sigmund Freuds Schriften ins Tschechische zu übersetzen, hielt Vorträge in Prag und in Brünn und leitete ein wissenschaftliches Symposium bei der Vierländertagung 1935 in Wien. Zu ihren Analysanden zählte auch Emanuel Windholz, der Pionier der psychoanalytischen Bewegung in der Tschechoslowakei.
1935 emigrierte Frances Deri in die USA. Auch ihr Mann und ihre beiden Söhne, von denen der jüngere kurze Zeit in einem Konzentrationslager interniert war, konnten in die USA auswandern. Einer Einladung Ernst Simmels folgend, ging Deri 1936 nach Los Angeles und schloss sich der Los Angeles Psychoanalytic Study Group an, die 1942 der neu gegründeten San Francisco Psychoanalytic Society (SFPS) angegliedert wurde. Als "Laienanalytikerin" ohne medizinische Ausbildung war sie nur Ehrenmitglied der SFPS.
1946 wurde das Los Angeles Psychoanalytic Institute (LAPSI), das Laienanalytikern gegenüber aufgeschlossener war, offiziell eigenständig. Frances Deri, die als klassische Freudianerin die Ausrichtung des LAPSI bis zu dessen Spaltung Anfang der 1950er Jahre mitprägte, praktizierte als Lehr- und Kontrollanalytikerin in Los Angeles, wo sie bis zu ihrem Tod lebte. (Artikelanfang)
Käthe Dräger kam als ältestes von drei Kindern in Berlin zur Welt, ihr Vater Friedrich Dräger war Mittelschullehrer und linksliberal eingestellt. Sie wurde selbst Lehrerin und arbeitete in der ersten Hälfte der 1920er Jahre als Hauslehrerin in Mecklenburg, danach unterrichtete sie von 1926 bis 1933 an einer Reformschule in Berlin-Neukölln. In dieser Zeit trat sie der KPD bzw. nach ihrem Ausschluss der KPD(Opposition) bei, die nach Hitlers Machtübernahme in den Untergrund ging.
1931 begann Käthe Dräger ihre Ausbildung am Psychoanalytischen Institut in Berlin und wurde 1936 Mitglied der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft (DPG). Ihre Lehranalytikerin war Ada Müller-Braunschweig. 1937 übernahm Dräger eine leitende Funktion im Berliner Komitee der KPD(O), hielt dies jedoch vor ihren Psychoanalytiker-Kollegen geheim, da die DPG ihren Mitgliedern politische Abstinenz auferlegt hatte.
Als sich die DPG 1938 auflösen musste, setzte Käthe Dräger ihre psychoanalytische Arbeit am Deutschen Institut für Psychologische Forschung und Psychotherapie ("Göring-Institut") und in privater Praxis fort. Nach wie vor als Lehrerin tätig, wurde sie 1942 wegen "politischer Unzuverlässigkeit" nach Kattowitz im besetzten Polen strafversetzt und konnte erst 1944 wieder in Berlin als Psychotherapeutin arbeiten.
Nach dem Krieg engagierte sich Käthe Dräger zunächst in Ostberlin, geriet jedoch bald mit der SED in Konflikt. 1950 beendete sie ihre Unterrichtstätigkeit am Friedrich-Fröbel-Haus in Berlin-Pankow und übernahm die Leitung der Erziehungsberatungsstelle des Westberliner Jugendamts Charlottenburg, wo sie bis zu ihrer Pensionierung 1961 blieb.
Als Carl Müller-Braunschweig 1950 die Deutsche Psychoanalytische Vereinigung (DPV) als klassisch-freudianische Alternative zu der nach dem Krieg wieder ins Leben gerufenen DPG gründete, zählte Käthe Dräger zu den Gründungsmitgliedern. John Rickman von der British Psycho-Analytical Society, der 1946 führende DPG-Mitglieder auf ihre politische Einstellung und fachliche Eignung hin überprüfte, bescheinigte Käthe Dräger wie auch Margarete Steinbach charakterliche Integrität und Eignung für den psychoanalytischen Beruf - anders als Carl Müller-Braunschweig und Felix Boehm, die er beide für untauglich befand.
Käthe Dräger war von 1956 bis 1964 Leiterin des Unterrichtsausschusses der DPV, und von 1964 bis 1968 übte sie dieses Amt am Berliner Psychoanalytischen Institut aus. Seit 1960 war sie außerdem Mitherausgeberin des Jahrbuchs der Psychoanalyse. Von 1968 bis 1970 amtierte sie als stellvertretende Vorsitzende der DPV. Manche halten sie für die zu ihrer Zeit bedeutendste Figur der DPV. International bekannt wurde sie durch ihren Aufsatz Bemerkungen zu den Zeitumständen und zum Schicksal der Psychoanalyse und der Psychotherapie in Deutschland zwischen 1933 und 1949. Einen Schwerpunkt ihrer theoretischen und praktischen Arbeit bildete die Dissozialität von Kindern und Jugendlichen. (Artikelanfang)
Annemarie Dührssen wurde in Berlin als Tochter einer alteingesessenen großbürgerlichen Familie geboren. Ihr Vater war Jurist. Sie studierte Medizin in Berlin, Bonn und München, legte 1940 das Staatsexamen ab und spezialisierte sich anschließend an der Charité in Berlin als Fachärztin für Innere Medizin. 1943 promovierte sie bei Richard Siebeck. Nach Abschluss ihrer internistischen Weiterbildung absolvierte sie auch eine psychiatrische Facharztweiterbildung an der Charité.
Ihre psychoanalytische Ausbildung erhielt Annemarie Dührssen von 1942 bis 1945 am Deutschen Institut für Psychologische Forschung und Psychotherapie ("Göring-Institut"), wo insbesondere der Neoanalytiker Harald Schultz-Hencke ihr psychoanalytischer Lehrer wurde. 1945 schloss sie sich der von Schultz-Hencke im selben Jahr gegründeten Neopsychoanalytischen Vereinigung an und wurde Mitglied der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft (DPG).
Von 1949 an war sie Mitarbeiterin des Zentralinstituts für psychogene Erkrankungen der Versicherungsanstalt Berlin, wo sie 1951 die Leitung der Abteilung für Kinder und Jugendliche übernahm und von 1965 bis 1984 die Leitung des gesamten Instituts innehatte. Sie lehrte am Berliner Institut für Psychotherapie und war Mitgründerin der Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie (1952) und der Zeitschrift für psychosomatische Medizin und Psychoanalyse (1954). Von 1971 bis 1975 amtierte sie als Vorsitzende der DPG, und von 1976 bis zu ihrer Emeritierung 1985 war sie Professorin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Klinikum Charlottenburg der FU Berlin.
Annemarie Dührssen entwickelte in den 1950er Jahren die Dynamische Psychotherapie, eine Sonderform der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie, die vom Alltagserleben der Klient:innen ausgeht und eher an den aktuellen Konflikten als an der Übertragungsbeziehung arbeitet. Dührssens Interesse galt besonders der Kinderpsychiatrie sowie der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie, ihr 1954 erschienenes Lehrbuch Psychogene Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen wurde zu einem Standardwerk auf diesem Gebiet. Weitere Schwerpunkte Dührssens waren die vergleichende Psychotherapieforschung und die Entwicklung eines Risiko-Index zur Entstehung psychogener Erkrankungen. Ihre katamnestischen Studien zur Effizienz psychotherapeutischer Behandlungen trugen wesentlich dazu bei, dass diese 1967 in den Katalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgenommen wurden.
1994 erschien ihr letztes Buch Ein Jahrhundert Psychoanalytische Bewegung in Deutschland. Darin warf sie der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung (DPV) die Vertuschung der NS-Vergangenheit von Mitgliedern vor, äußerte aber zugleich die Ansicht, die deutsche Psychoanalyse habe sich während der Zeit des Nationalsozialismus von den Beschränkungen einer spezifisch jüdischen Wissenschaft befreien können. Nach heftigen Kontroversen über ihr Buch verzichtete Annemarie Dührssen 1997 auf ihre Ehrenmitgliedschaft in der DPG. (Artikelanfang)
Marianne von Eckardt-Jaffé* wurde in Heidelberg in eine illustre Familie geboren. Ihre Mutter Else von Richthofen promovierte bei Max Weber und war die erste Fabrikinspektorin in Deutschland. Ihr Vater, der Nationalökonom Edgar Jaffé, Sohn wohlhabender jüdischer Eltern, war Mitherausgeber des Archivs für Sozialwissenschaften und Sozialpolitik und 1918-1919 Finanzminister in der kurzlebigen Münchner Räterepublik.
Marianne Jaffé begann in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre ein Medizinstudium in Heidelberg. 1931 heiratete sie den in Riga geborenen Hans von Eckardt (1890-1957), der seit 1927 Professor für Staatswissenschaften und Leiter des Instituts für Zeitungswesen an der Universität Heidelberg war. Aus ihrer Ehe gingen drei Kinder hervor. Als die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kamen, verlor Hans von Eckardt seine Lehrbefugnis und Marianne von Eckardt-Jaffé durfte ihr Studium nicht fortsetzen. Sie blieb mit ihrem Mann in Deutschland und begleitete 1938/39 als Mitarbeiterin einer Hilfsstelle für Christen jüdischer Herkunft zwei Gruppen der Kindertransporte nach England.
Nach dem Krieg beendete Marianne von Eckardt ihr Studium und gehörte zu den Mitarbeiter:innen der 1949 von Alexander Mitscherlich gegründeten Abteilung für Psychosomatische Medizin der Klinischen Universitätsanstalten Heidelberg. Sie war Mitscherlichs erste Assistentin und machte eine Lehranalyse bei ihm. Von 1952 bis 1958 war sie Mitglied der Redaktion der Zeitschrift Psyche.
Marianne von Eckardt trat formell keiner psychoanalytischen Vereinigung bei. 1988 beteiligte sie sich an der Gründung der Zeitschrift Psychoanalyse im Widerspruch des Instituts für Psychoanalyse und Psychotherapie Heidelberg-Mannheim. Sie übersetzte zahlreiche psychoanalytische Schriften aus dem Englischen, u. a. von Erik H. Erikson, Heinz Hartmann und David Rapaport. Durch ihre deutsche Übersetzung von Eriksons "basic trust" prägte sie den Begriff des "Urvertrauens". Sie war auch die Übersetzerin von Herbert Marcuses Triebstruktur und Gesellschaft (1957). (Artikelanfang)
Charlotte "Lotte" Feibel stammte aus Posen und legte 1921 in Berlin ihr Examen als Jugendfürsorgerin an der Sozialen Frauenschule von Alice Salomon ab. Danach arbeitete sie als Fürsorgerin am Bezirksamt Prenzlauer Berg, als Erzieherin in einem Heim für schwer erziehbare Kinder und von 1925 bis 1933 als Fürsorgerin beim Bezirksamt Neukölln. Während dieser Zeit absolvierte sie eine Ausbildung am Berliner Psychoanalytischen Institut (BPI), die sie 1932 abschloss. Sie gehörte zu den Mitgliedern der von Siegfried Bernfeld geleiteten Pädagogischen Arbeitsgemeinschaft am BPI. Ihre Lehranalyse machte sie vermutlich bei Otto Fenichel oder Edith Jacobson, Kontrollanalytiker war Max Eitingon.
Als die Nationalsozialisten die Macht übernahmen, emigrierte Charlotte Feibel 1933 nach Frankreich. Nachdem sie ihren Einführungsvortrag Un cas de masturbation obsessionnelle gehalten hatte, wurde sie 1938 außerordentliches Mitglied der Societé Psychanalytique de Paris (SPP) und praktizierte als Psychoanalytikerin in Paris. Nach dem deutschen Einmarsch und einer sechswöchigen Internierung floh sie in die unbesetzte Zone nach Südfrankreich. Sie war zwei Monate im Emergency Rescue Committee von Varian Fry aktiv, bevor sie im Juni 1941 in die USA emigrierte.
Charlotte Feibel praktizierte bis an ihr Lebensende als Mitglied der SPP in New York. U. a. führte sie Gruppentherapien mit Alkoholikern am Department für Psychiatrie des New York University Medical Center durch. Sie analysierte Kinder von Überlebenden der NS-Verfolgung und beteiligte sich 1971 an dem Workshop „Children of Survivors“ der American Psychoanalytic Association und der Association for Child Psychoanalysis.
Während einer Ferienreise in die Karibik, die Lotte Feibel mit ihrer Freundin Cläre Fenichel unternahm, starb sie durch Ertrinken. (Artikelanfang)
Grete Frankenstein (ab 1941 Greta Frankley) wurde in Hamburg geboren als Tochter des Kaufmanns Robert Frankenstein und seiner Frau Henriette geb. Fleck. Sie studierte von 1913 bis 1919 Medizin in Berlin, Heidelberg und München und absolvierte anschließend ihr Praktisches Jahr am Eppendorfer Krankenhaus in Hamburg. Während dieser Zeit war sie mit Sigmund Freuds Tochter Sophie Halberstadt befreundet. Ab 1920 war Grete Frankenstein an der Heidelberger psychiatrischen Universitätsklinik, dem Frankfurter Neurologischen Institut und der psychiatrischen Universitätsklinik der Charité Berlin tätig, bevor sie 1923 in die USA ging. Sie arbeitete zunächst als Ärztin in einem staatlichen Tuberkulose-Sanatorium in North-Dakota und dann am Michael Reese Dispensary in Chicago.
1926 kehrte sie aus familiären Gründen nach Berlin zurück, wo sie nach einer Tätigkeit in der psychiatrisch-neurologischen Abteilung des Hufeland-Krankenhauses ab 1928 als Bezirksschulärztin im Wedding arbeitete und dort eine "Psychopathen-Fürsorge" einrichtete. Seit 1927 gehörte sie dem Verein Sozialistischer Ärzte an. Ihre Ausbildung am Berliner Psychoanalytischen Institut (BPI), die sie 1923 mit einer Lehranalyse bei Felix Boehm begonnen hatte, setzte sie nun mit einer Lehranalyse bei Franz Alexander von 1927 bis 1928 fort; Kontrollanalytiker war Max Eitingon. Grete Frankenstein nahm an den Kursen und Seminaren des BPI teil und gehörte dort zum Kreis um Otto Fenichel. In der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft wurde bis zu ihrer Emigration als "ständiger Gast" geführt. Ihre Kontrollanalytikerinnen in den 1930er Jahren waren Edith Jacobssohn und Therese Benedek.
1933 wurde sie wegen ihrer jüdischen Herkunft vom Bezirksamt Wedding entlassen und emigrierte 1936 endgültig in die USA. Nachdem sie in den USA ihre License to Practice Medicine erlangt hatte, arbeitete sie von 1936 bis 1939 im Home for Crippled Children in New York. Von 1939 bis 1941 machte sie eine weitere Analyse bei Annie Reich am New Yorker Psychoanalytischen Institut, wo sie 1944 ihre Ausbildung abschloss. 1945 wurde sie außerordentliches und 1946 ordentliches Mitglied der New York Psychoanalytic Society.
1945 heiratete Greta Frankley den 1936 ebenfalls in die USA emigrierten gebürtigen Berliner Karl Gerstenberg (1891-1965), der bis 1933 Direktor der Karstadt AG Hamburg war. Greta Frankley-Gerstenberg praktizierte als niedergelassene Psychoanalytikerin in New York und war Mitglied verschiedener psychoanalytischer und psychiatrischer Gesellschaften in den USA. (Artikelanfang)
© Erich-Fromm-Archiv
In Karlsruhe als älteste Tochter orthodox jüdischer Eltern geboren, wuchs Frieda Reichmann in Königsberg auf, wohin die Familie 1893 gezogen war. Ihr Vater Adolf Reichmann war Personaldirektor einer Bank, ihre Mutter Klara geb. Simon eine ausgebildete Lehrerin. Dank eines privat organisierten Realgymnasialkurses ihrer Mutter konnte Frieda Reichmann das Abitur ablegen und wurde 1908 als eine der ersten Frauen in Königsberg zum Medizinstudium zugelassen. Sie wählte die Psychiatrie als Schwerpunkt und schloss 1913 mit einer Dissertation Über Pupillenstörungen bei Dementia praecox bei Kurt Goldstein ab.
Während des Ersten Weltkriegs leitete sie ein neurologisches Lazarett in Königsberg, wo sie Soldaten mit Hirnverletzungen behandelte und mehrere Studien zu diesem Thema verfasste. Nach dem Krieg war sie Assistentin von Kurt Goldstein an dessen Frankfurter Institut zur Erforschung der Folgeerscheinungen von Hirnverletzungen. Goldsteins ganzheitlicher Ansatz wurde ihr zum Vorbild für ihre eigene Arbeit. Von 1920 bis 1923 arbeitete sie in dem von Johannes Heinrich Schultz geleiteten Dresdner Privatsanatorium "Weißer Hirsch" und führte hier ihre ersten Psychotherapien mithilfe autogenem Training durch.
1922 begann Frieda Reichmann bei Wilhelm Wittenberg eine Analyse, die sie ab 1923 als Lehranalyse bei Hanns Sachs am Berliner Psychoanalytischen Institut fortsetzte. 1924 eröffnete sie in Heidelberg ein psychoanalytisches Privatsanatorium für Patienten aus orthodox-jüdischen Familien. Dieses "Therapeuticum" wurde wegen der strikten Beachtung religiöser Vorschriften scherzhaft auch "Thorapeuticum" genannt. Es scheiterte 1928 am inneren Zwiespalt von Religion und Psychoanalyse sowie an Geldmangel. Reichmanns wichtigster Mentor in dieser Zeit war der "wilde Analytiker" Georg Groddeck.
1926 heiratete Frieda Reichmann ihren Analysanden Erich Fromm (1900-1980). Ihre Ehe zerbrach 1931 und wurde 1942 in den USA geschieden. Sie blieben jedoch zeitlebens befreundet, und Frieda Fromm-Reichmann übernahm auch Erich Fromms neofreudianische Theorie. Beide gehörten zu den Gründungsmitgliedern der 1926 institutionalisierten, später mit der Südwestdeutschen identischen Frankfurter Psychoanalytischen Arbeitsgemeinschaft. 1929 gründete dieser Kreis mit Karl Landauer das Frankfurter Psychoanalytische Institut, wo Frieda Fromm-Reichmann Seminare über Traum- und Märchenpsychologie sowie psychoanalytische Trieblehre abhielt. Unter ihrer Federführung wurde 1930 die Südwestdeutsche Psychoanalytische Arbeitsgemeinschaft wiederbelebt, sie selbst machte um 1931 eine dritte Analyse bei Philipp Sarasin in Basel.
Nach Hitlers Machtübernahme musste das Frankfurter Institut schließen. Frieda Fromm-Reichmann emigrierte 1933 zusammen mit ihrer Freundin Gertrud Jacob zunächst nach Straßburg, ein Jahr später nach Palästina und schließlich 1935 in die USA. Ihre neue Wirkungsstätte fand sie als Director of Psychotherapy in der psychoanalytischen Privatklinik Chestnut Lodge in Rockville, Maryland, wo sie die nächsten 20 Jahre tätig war und gemeinsam mit Harry Stack Sullivan die Therapie von Schizophrenen revolutionierte. Sie wurde Lehranalytikerin am Washington-Baltimore Psychoanalytic Institute, lehrte an der Washington School of Psychiatry und trug maßgeblich zur Einführung der Psychoanalyse in die amerikanische Psychiatrie bei.
Wie Karen Horney und Clara Thompson gehörte Frieda Fromm-Reichmann der neofreudianischen Schule an. Sie betrachtete ihren Ansatz als eine Weiterentwicklung der Ideen Sigmund Freuds, meinte jedoch, dass Sullivans interpersonale Theorie und Erich Fromms Sozialpsychologie der gesellschaftlichen Natur des Menschen besser gerecht werden als Freuds Triebtheorie. Eine wichtige Rolle spielte daher die von ihr in Chestnut Lodge geschaffene therapeutische Gemeinschaft mit familienähnlichen, demokratischen Strukturen. In Anlehnung an Sullivan, jedoch stärker psychoanalytisch orientiert als dieser, entwickelte sie ihre eigene psychoanalytische Psychotherapie für Schizophrene, die sie in ihrem Buch Intensive Psychotherapie beschrieb. Bekannt wurde besonders der von ihr geprägte Ausdruck der - zugleich ablehnenden wie überfürsorglichen - "schizophrenogenen Mutter".
Für die Therapie von Schizophrenen verwarf Frieda Fromm-Reichmann die von Freud geforderte Distanziertheit des Analytikers und verlangte vom Therapeuten eine einfühlende, akzeptierende ("mütterliche") Haltung. Freie Assoziation und Traumdeutung hielt sie bei Psychotikern ebenfalls für ungeeignet. Die Art und den Erfolg ihres Vorgehens beschrieb Joanne Greenberg (Hannah Green), eine ehemalige Patientin von ihr, in ihrer autobiografischen Erzählung Ich habe dir nie einen Rosengarten versprochen.
Frieda Fromm-Reichmann starb im Alter von 67 Jahren an einem Herzinfarkt. (Artikelanfang)
Die Neoanalytikerin Adelheid Fuchs-Kamp wurde in Oldenburg als Tochter des Gymnasiallehrers Heinrich Kamp und seiner Frau Frieda geboren. Sie begann 1912 ein Studium Generale, vorrangig Volkswirtschaft, aber auch Psychologie und Kunstgeschichte, zuerst in Heidelberg, dann in München und Freiburg. 1914 heiratete sie den Rechtsanwalt Hermann Fuchs (1891-1917), ein Jahr später kam ihre Tochter Dorothea zur Welt, die ebenfalls Psychoanalytikerin wurde. Nach dem Tod ihres Mannes, der im Ersten Weltkrieg gefallen war, studierte Adelheid Fuchs-Kamp ab 1925 in Köln Psychologie mit den Nebenfächern Pädagogik und Psychiatrie. 1928 promovierte sie zum Dr. phil. mit einer Dissertation über Lebensschicksal und Persönlichkeit ehemaliger Fürsorgezöglinge, die im wesentlichen auf ihrer Tätigkeit in der psychiatrischen Beobachtungsstation der Fürsorgeerziehungsanstalt Flehingen in Baden in den Jahren 1924 und 1925 basierte.
Sie zog dann nach Berlin und unterrichtete von 1928 bis 1930 Fürsorgerinnen und Kindergärtnerinnen in Psychologie und Pädagogik am Sozialpädagogischen Seminar des Vereins Jugendheim Charlottenburg. Anschließend übernahm sie eine Forschungsstelle im Deutschen Verein zur Fürsorge für jugendliche Psychopathen und veröffentlichte mehrere Aufsätze zu diesem Thema. In ihrem 1934 erschienen Aufsatz Zur aktiven Therapie des schwererziehbaren Kindes plädierte sie für einen Mittelweg zwischen einem offenen Erziehungsstil und rigider Disziplinierung.
Ihre psychoanalytische Ausbildung erhielt Adelheid Fuchs-Kamp ab 1932 am Berliner Psychoanalytischen Institut (BPI). Sie hatte bereits 1931 eine Lehranalyse bei dem Individualpsychologen Arthur Kronfeld begonnen, setzte sie aber von 1933 bis 1934 bei Harald Schultz-Hencke fort, dessen neoanalytischen Ansatz sie übernahm. Sie wurde Mitglied des 1936 aus dem BPI hervorgegangenen Deutschen Instituts für Psychologische Forschung und Psychotherapie ("Göring-Institut") und war dort in der Abteilung für Erziehungshilfe tätig. Durch ihre Mitarbeit im Unterrichtsausschuss und Vorstand prägte sie das Institut entscheidend mit. Themen ihrer Seminare waren u. a. Probleme der Verwahrlosung, Störungen intentionaler Bezogenheit und Die Psychopathologie in der Literatur von Dostojewski. 1935 eröffnete sie in Berlin die Pflegestelle für psychologische Sonderbetreuung, eine offene psychotherapeutische Kinderstation, wo sie schwer gestörte Kinder behandelte, von denen einige sonst vielleicht der Euthanasie zum Opfer gefallen wären.
Nach dem Krieg beteiligte sich Adelheid Fuchs-Kamp als enge Mitarbeiterin von Schultz-Hencke am Aufbau der Poliklinik des Instituts für Psychopathologie und Psychotherapie, das 1946 in Zentralinstitut für psychogene Erkrankungen bei der Versicherungsanstalt Berlin umbenannt wurde, und des 1947 gegründeten Instituts für Psychotherapie e. V. Berlin. Sie gehörte wie Margarete Seiff und Annemarie Dührssen der 1945 von Harald Schultz-Hencke ins Leben gerufenen Neoanalytischen Vereinigung an. Obwohl ihre Ärztekollegen ihr als Laienanalytikerin die Qualifikation dazu absprachen, spezialisierte sich Adelheid Fuchs-Kamp auf die Behandlung von Psychosen. Sie praktizierte bis zu ihrem achtzigsten Lebensjahr als Psychoanalytikerin in Berlin. Ihre Tochter Dorothea Fuchs-Kamp wurde ebenfalls Psychoanalytikerin. (Artikelanfang)
Gertrud Fuhge wurde in Königsberg geboren, als Tochter des Justizrats Fuhge und seiner Ehefrau Constanze geb. Zancke. Sie machte 1909 in Königsberg ihr Abitur und studierte anschließend Medizin in Königsberg, Heidelberg und München. Ihr Staatsexamen legte sie 1914 in Königsberg ab. 1916 promovierte sie bei Ernst Moro in Heidelberg über einen Fall angeborener Hauterkrankung. Nachdem sie 1917 als Hilfsärztin am Stadtkrankenhaus in Dresden gearbeitet hatte, ließ sie sich 1919 als Ärztin in Berlin nieder. 1930 erhielt sie ihre Anerkennung als Fachärztin für Nervenkranke.
Gertrud Fuhge machte von 1926 bis 1931 eine Lehranalyse bei Karen Horney. Sie nahm an den Sitzungen der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft (DPG) und des "Kinderseminars" teil und hielt Sprechstunden an der Poliklinik des Berliner Psychoanalytischen Instituts (BPI) ab. Nach 1936 war sie Mitglied des gleichgeschalteten Deutschen Instituts für Psychologische Forschung und Psychotherapie ("Göring-Institut"), in dem das BPI aufgegangen war. Als Freudianerin gehörte sie zur "Arbeitsgruppe A" des Instituts und trug dort im April 1940 ein Referat über Karen Horney vor.
Nach dem Krieg gehörte Gertrud Fuhge zunächst der wiederbelebten DPG an und war Mitglied in dem von Werner Kemper und Harald Schultz-Hencke geleiteten Zentralinstitut für psychogene Erkrankungen. Dann schloss sie sich aber der 1950 von Carl Müller-Braunschweig gegründeten Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung an, wo sie bis 1962 als Mitglied geführt wurde. Gertrud Fuhge praktizierte als niedergelassene Fachärztin für Nervenkranke und Psychotherapie in Berlin.
Gertrud Goebel (Göbel) absolvierte in den 1920er Jahren ihre psychoanalytische Ausbildung am Berliner Psychoanalytischen Institut (BPI). Ihr Lehranalytiker war der Freudomarxist Siegfried Bernfeld, Kontrollanalytiker der aus Budapest nach Berlin emigrierte Jenö Hárnik. 1933 wurde Gertrud Goebel außerordentliches, 1935 ordentliches Mitglied der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft (DPG). Nachdem das BPI 1936 im "arisierten" Deutschen Institut für Psychologische Forschung und Psychotherapie ("Göring-Institut") aufgegangen war, gehörte Gertrud Goebel zur "Arbeitsgruppe A", d. h. zu den Freudianern im Institut.
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs war Gertrud Goebel ab 1946 wieder Mitglied der DPG. Als Carl Müller-Braunschweig und sieben andere DPG-Mitglieder 1950 die DPG verließen und die Deutsche Psychoanalytische Vereinigung gründeten, gehörte Gertrud Goebel zu den Analytiker:innen, die in der DPG verblieben. Über ihren weiteren Lebensweg ist nichts bekannt.
Erna Göring wurde als Erna Hildegard Charlotte Zambona in Brandenburg an der Havel geboren. Sie war die drittjüngste Tochter des Fabrikanten Heinrich Emil Zambona und dessen erster Frau Helene geb. Dynse. 1895 starb Ernas Mutter, ihr Vater ging eine zweite Ehe ein und bekam noch drei Töchter. Die älteste dieser Halbschwestern Ernas, Edith, war mit Heinrich Carl Göring, einem Halbbruder des Reichsmarschalls Hermann Göring, verheiratet, die jüngste, Ilse Jutta, mit dem Schriftsteller Erich Maria Remarque.
Erna Zambona war ursprünglich von Beruf Operationsschwester. 1907 heiratete sie den Nervenarzt Matthias Heinrich Göring (1879-1945), ebenfalls ein Verwandter von Hermann Göring. Aus ihrer Ehe gingen drei Kinder hervor. Wie ihr Mann machte sie eine Analyse bei dem Adlerianer Leonhard Seif und war seit 1927 als Kindertherapeutin in eigener Praxis tätig. Sie wurde Mitglied des "arisierten" Deutschen Instituts für Psychologische Forschung und Psychotherapie in Berlin ("Göring-Institut"), das Matthias H. Göring von 1936 bis 1945 leitete. Erna Göring war anfangs eine entschiedene Gegnerin der Freudschen Lehre, die am Göring-Institut in der "Arbeitsgruppe A" vertreten wurde. Ihre anti-freudianische Haltung änderte sich mit ihrer Ausbildung zur Psychagogin und einer mehrjährigen Lehranalyse bei dem Freudianer Werner Kemper. Auch ihr Sohn Ernst absolvierte eine freudianische Analyse, während Matthias Göring ein Anhänger der Individualpsychologie Alfred Adlers blieb.
1945 wurde Matthias Göring von den Russen interniert, er starb nur wenige Wochen später an Typhus. Erna Göring stellte 1948 bei dem neugegründeten Münchner Institut für Psychologische Forschung und Psychotherapie einen Antrag auf Wiederaufnahme als Mitglied. Dieser wurde mit dem Hinweis auf die ungeklärte berufsständische Situation nichtärztlicher Psychotherapeuten abgelehnt. (Artikelanfang)
Die Psychoanalytikerin Ilse Grubrich-Simitis war eine international anerkannte Autorität auf dem Gebiet der Freud-Forschung. Sie studierte von 1955 bis 1959 an der Abteilung Information der Ulmer Hochschule für Gestaltung und erwarb dort mit ihrer Arbeit Zur Theorie der Propaganda und der Werbung das Diplom.
Nach Abschluss ihres Studiums wurde sie Lektorin beim S. Fischer Verlag, wo sie seit den 1960er Jahren für die Edition der Werke Sigmund Freuds zuständig war. Außerdem war sie Mitherausgeberin des Bands Sigmund Freud. Sein Leben in Bildern und Texten (1977), der zweibändigen Werkausgabe Freuds (1978), des Ergänzungsbands zur Studienausgabe (1975) und des Nachtragsbands zu den Gesammelten Werken (1987) Freuds sowie der fünf Bände der Brautbriefe Sigmund Freuds und seiner Verlobten Martha Bernays (2011-).
Ihre psychoanalytische Ausbildung erhielt Ilse Grubrich-Simitis zwischen 1972 und 1978 an dem von Alexander Mitscherlich geleiteten Sigmund-Freud-Institut in Frankfurt (SFI), supervidiert wurde sie von Lutz Rosenkötter. Sie war Mitglied, Lehranalytikerin und Supervisorin der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung und führte eine private Praxis in Frankfurt am Main. Neben ihrer Auseinandersetzung mit den Nachwirkungen der Shoah in der zweiten Generation galt ihr Interesse vor allem der Freud-Biografik und der Historiografie der Psychoanalyse. So ermöglichte sie z. B. in ihrem Buch Zurück zu Freuds Texten neue Einblicke in die "Werkstatt" des Begründers der Psychoanalyse, indem sie anhand von wenig beachteten und oft unbekannt gebliebenen Originalmanuskripten Sigmund Freuds - handschriftliche Notizen, Entwürfe, Reinschriften und Textvarianten - die Entwicklung seines Denkens nachzeichnete.
Ilse Grubrich-Simitis war Mitglied in zahlreichen Fachvereinigungen und Mitherausgeberin des Jahrbuchs der Psychoanalyse. 1998 erhielt sie den Mary S. Sigourney Award und den Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Sie war mit dem Rechtswissenschaftler Spiros Simitis (1934-2023) verheiratet und lebte zuletzt in Königstein im Taunus. (Artikelanfang)
Irene Hänel-Guttmann [in den USA: Haenel] wurde in Stuttgart als Tochter von Jacob Süßkind und Hedwig Capauner geboren. Sie war in erster Ehe mit dem Psychiater Erich Guttmann (1896-1948) verheiratet, von dem ihre beiden Kinder Renate und René stammten. Irene Guttmann studierte Medizin und promovierte 1924 in Breslau. 1928 beteiligte sie sich als Mitarbeiterin der Deutschen Forschungsanstalt für Psychiatrie am Kaiser Wilhelm-Institut in München an einem Projekt zur Epilepsieforschung.
Mitte der 1920er Jahre machte Irene Guttmann eine Lehranalyse bei Sándor Radó am Berliner Psychoanalytischen Institut. Ihr zweiter Ehemann, der Arzt Joachim Hänel (1902-1987), war bei Otto Fenichel in Analyse. Nachdem sie 1934 einen Vortrag zur "Therapie der Schizophrenie" gehalten hatte, wurde Irene Hänel-Guttmann im gleichen Jahr außerordentliches Mitglied der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft (DPG). Sie war Assistentin von Ernst Simmel an der von ihm zwischen 1927 und 1931 geleiteten psychoanalytischen Klinik Schloss Tegel in Berlin. Nach deren Schließung im Jahr 1931 war sie wie Simmel in den Schlomerschen Kuranstalten tätig, einer privaten Nervenklinik im Berliner Westend, bis diese 1937 "arisiert" wurde.
1935 musste Irene Hänel-Guttmann wie die übrigen verbliebenen jüdischen Mitglieder "freiwillig" aus der DPG austreten. Irene und Joachim Haenel emigrierten 1938 mit ihren Kindern in die USA und ließen sich in Los Angeles nieder. Beide schlossen sich der Los Angeles Psychoanalytic Study Group an, die unter der Regie der Topeka Psychoanalytic Society stand. Sie gehörten zum Freundeskreis um Otto Fenichel, bis es wegen der ablehnenden Haltung der Haenels zur Laienanalyse zu einem Zerwürfnis kam.
Irene Haenel führte eine florierende Privatpraxis in LA, zu ihren Analysand:innen gehörte auch Jean Lyle, die spätere zweite Ehefrau von Karl Menninger. Sie war Mitinitiatorin der San Francisco Psychoanalytic Society, deren offizielle Gründung 1942 sie jedoch nicht mehr erlebte: Ein Jahr zuvor - ihr jüngster Sohn war gerade ein halbes Jahr alt - starb sie an Krebs. (Artikelanfang)
Clara Happel, die in Berlin geborene Tochter einer jüdischen Kaufmanns- und Bankiersfamilie, kam vermutlich schon während ihres Medizinstudiums im Ersten Weltkrieg mit Sigmund Freud in Kontakt. Sie erhielt ihre Approbation 1915 und promovierte 1920 in Berlin. Ein Jahr zuvor hatte sie den Internisten Paul Happel (1893-1971) geheiratet, von dem ihre Kinder Peter und Erika stammten.
Von 1915 bis 1920 arbeitete sie als Ärztin in Berlin am Augusta-Hospital sowie an der Charité. 1920 begann sie eine Ausbildung an der Berliner Psychoanalytischen Poliklinik - ab 1923: Berliner Psychoanalytisches Institut (BPI) - und wurde 1921 in die Berliner Psychoanalytische Vereinigung (BPV) aufgenommen. Ihr Lehranalytiker war Hanns Sachs. Anschließend ging sie nach Frankfurt und beteiligte sich 1926 an der Gründung der Frankfurter psychoanalytischen Arbeitsgemeinschaft. Während dieser Zeit machte Fritz Perls seine Lehranalyse bei ihr. Von 1928 bis 1930 arbeitete Clara Happel am BPI, bevor sie 1931 nach Hamburg zog. Hier baute sie gemeinsam mit August Watermann und Nathan Costa eine erste psychoanalytische Arbeitsgruppe auf.
Clara Happel gehörte zu den wenigen, die den Selbstgleichschaltungskurs der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft nach 1933 scharf kritisierte. 1934 ließ sich Paul Happel von ihr scheiden, wohl aus Furcht, als Ehemann einer Jüdin seine Stelle als leitender Oberarzt am Barmbeker Krankenhaus zu riskieren. Zur gleichen Zeit starben innerhalb von sechs Monaten ihre Schwester, ihre Mutter und ihr Vater. 1936 emigrierte Clara Happel mit ihren beiden Kindern in die USA.
Sie ließ sich in Detroit nieder, eröffnete eine eigene Praxis und hielt Vorträge und Seminare in der Detroit Psychoanalytic Society. Sie hatte nur wenig Patienten und litt unter Heimweh, Isolation und dem antisemitischen Klima in Detroit. 1941 wurde sie als "feindliche Ausländerin" verhaftet und verbrachte sechs Wochen im Gefängnis, nachdem sie von einem schizophrenen Patienten als angebliche Spionin denunziert worden war.
Nach ihrer Entlassung wurde ihre finanzielle Situation noch schwieriger. Ende 1943 konsultierte sie wegen einer depressiven Krise Therese Benedek in Chicago. Sie übersiedelte nach New York und versuchte sich dort ab 1944 als niedergelassene Psychoanalytikerin zu etablieren. Da die deutschen Abschlüsse in den USA nicht anerkannt wurden, plante sie eine Anmeldung für das amerikanische Medizinexamen. Dazu kam es jedoch nicht mehr: Am 16. September 1945 setzte Clara Happel mit einer Überdosis Schlaftabletten ihrem Leben ein Ende.
Von Clara Happel liegen drei psychoanalytische Publikationen vor, darunter der Aufsatz Der Mann in der Kloake. Darin greift sie den Fall eines Mannes auf, der nach einer Liebesenttäuschung verschwand und jahrelang im Pariser Kanalisationssystem lebte. Sie deutet dessen unterirdische Existenz als einen Versuch, in den schützenden Mutterleib zurückzukehren. Eine Arbeit über Pinocchio, die sie in Detroit fertigstellte, ist nicht mehr auffindbar. (Artikelanfang)
Annelise Heigl-Evers wurde in Einbeck geboren. Sie studierte von 1938 bis 1944 zunächst Germanistik und Kunstgeschichte, dann Medizin in Jena, Tübingen, Gießen und Göttingen, wo sie 1944 Zur Frage der ärztlichen Fahrlässigkeit promovierte. Danach war sie als Kardiologin tätig, wandte sich aber bald der Psychosomatik zu. Während ihrer Tätigkeit als Ärztin am psychosomatisch ausgerichteten Niedersächsischen Landeskrankenhaus Tiefenbrunn bei Göttingen begann sie 1959 als Mitarbeiterin von Werner Schwidder mit der Durchführung von Gruppenpsychotherapien. Von 1957 bis 1962 absolvierte sie in Göttingen ihre psychoanalytische Ausbildung und wurde Mitglied der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft (DPG).
1959 heiratete sie den Psychoanalytiker Franz Heigl (1920-2001), mit dem sie in den 1960er Jahren das "Göttinger Modell" der Anwendung der Psychoanalyse in Gruppen entwickelte. 1967 rief Annelise Heigl-Evers den Deutschen Arbeitskreis für Gruppenpsychotherapie und Gruppendynamik (DAAG) ins Leben, dessen erste Vorsitzende sie war und dessen Zeitschrift Gruppenpsychotherapie und Gruppendynamik sie mitherausgab. Seit 1969 war sie Lehr- und Kontrollanalytikerin in der DGPT.
1974 wurde sie als Professorin an die Universität Göttingen berufen und leitete dort von 1974 bis 1977 die Forschungsstelle für Gruppenprozesse. Von 1977 bis 1986 war sie Professorin für Psychotherapie und Psychosomatik an der Universität Düsseldorf, wo sie 1978 die Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie gründete, deren ärztliche Direktorin sie bis 1989 war. 1981 konstituierte sich unter ihrer Leitung in Düsseldorf das Weiterbildungsinstitut für Psychoanalyse und Psychotherapie, und 1985 gehörte sie zu den Gründer:innen der Arbeitsgemeinschaft für die Anwendung der Psychoanalyse in Gruppen.
Annelise Heigl-Evers war die Wegbereiterin für die psychoanalytische und gruppenanalytische Suchtkrankenbehandlung. Sie konzentrierte sich besonders auf Patient:innen mit strukturellen Persönlichkeitsstörungen wie präpsychotische, Borderline- und schwere narzisstische Störungen sowie Abhängigkeits- und Suchterkrankungen, für deren Behandlung sie die "psychoanalytisch-interaktionelle Methode" entwickelte. Sie ist auf das Verhalten des Patienten in sozialen Situationen fokussiert und hat die Fähigkeit zu entwicklungsförderlichen zwischenmenschlichen Beziehungen zum Ziel. (Artikelanfang)
Hanna Heilborn wurde in Berlin geboren, ihr Vater Ernst Heilborn war stellvertretender Direktor der AEG. Nach dem Besuch eines Privat-Lyzeums und der Sprengelschen Frauenschule in Berlin absolvierte sie eine Ausbildung am Sozialpädagogischen Seminar im Verein Jugendheim Charlottenburg, die sie 1916 abschloss. Danach arbeitete sie mehrere Jahre in der Wohlfahrtsplege, bevor sie das Abitur nachholte und 1922 an der Technischen Hochschule Charlottenburg Elektrotechnik zu studieren begann. 1923 wechselte sie zum Studium der Chemie an die Friedrich-Wilhelms-Universität und promovierte dort 1932 in diesem Fach.
Anfang der 1930er Jahre war Hanna Heilborn Ausbildungskandidatin am Berliner Psychoanalytischen Institut. 1933 emigrierte sie nach Paris und von dort ein Jahr später nach Prag, wo sie ihre Ausbildung bei der Prager Psychoanalytischen Arbeitsgemeinschaft fortsetzte. Ihre Lehranalytikerin war vermutlich Frances Deri, Kontrollanalytiker war Otto Fenichel (1897-1946), ihr späterer Ehemann. Im März 1938 wurde sie Mitglied der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung, ihren Aufnahmevortrag hielt sie über das Thema Zur Problematik der archaischen Objektbeziehungen.
Nach dem "Anschluss" Österreichs emigrierte Hanna Heilborn 1938 in die USA und ließ sich in Los Angeles nieder. 1940 heiratete sie Otto Fenichel, nachdem dieser sich von seiner ersten Frau Cläre Fenichel getrennt hatte. Hanna Heilborn-Fenichel wurde Mitglied und Lehranalytikerin der für Laienanalytiker offenen Los Angeles Psychoanalytic Study Group. Sie spezialisierte sich auf dem Gebiet der frühkindlichen Entwicklung. Nach ihr wurde das 1975 von der San Diego Psychoanalytic Society gegründete Hanna Fenichel Center for Child Development benannt. (Artikelanfang)
Else Pauline Fuchs wurde in Berlin geboren, als Tochter des deutsch-jüdischen Sanitätsrats Paul Fuchs und seiner Frau Gertrud geb. Boas. Sie arbeitete als Krankenpflegerin und Entbindungsschwester und war Heilpädagogin, bevor sie Ende der 1920er Jahre eine Ausbildung am Berliner Psychoanalytischen Institut (BPI) begann. Ihre Lehranalyse absolvierte sie bei Jenö Harnik. Sie nahm an der von Siegfried Bernfeld geleiteten Pädagogischen Arbeitsgemeinschaft des BPI teil und referierte dort über Neid und Freßgier. Sigmund Freud, dessen Sohn Oliver mit Else Fuchs' älterer Schwester Henny verheiratet war, setzte sich 1930 für ihre Aufnahme in die Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft ein, deren außerordentliches Mitglied sie 1933 wurde. Ihre ersten Vorträge hielt sie dort über die Themen "Zur Psychoanalyse de Stotterns" (1933) und "Narkose und Erstickungserlebnis" (1934).
Nach Hitlers Machtübernahme wurde das Leben in Deutschland gefährlich für sie und ihren ebenfalls jüdischen Lebensgefährten, den in Wien geborenen Chemiker, Journalist und Reklamefachmann Edmund Heilpern (1892-1980). Als dieser 1934 wegen "staatsfeindlicher Einstellung" aus Deutschland ausgewiesen wurde, ging das Paar nach Wien, wo sie noch im gleichen Jahr heirateten. Else Heilpern wurde 1935 als ordentliches Mitglied in die Wiener Psychoanalytische Vereinigung übernommen. Nach dem Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland 1938 emigrierte sie mit ihrem Mann und Tochter Gertrud in die USA.
Sie ließen sich in Topeka, Kansas, nieder, und Else Heilpern arbeitete bis 1940 an der Menninger-Klinik. Anschließend eröffnete sie eine eigene psychoanalytische Praxis in Topeka. Außerdem war sie als Consulting Psychologist für die Friends University in Wichita, Kansas, tätig. Ihr Spezialgebiet Ess- und Sprachstörungen bildete auch in den USA den Hauptgegenstand ihrer Artikel und Vorträge. Unter anderem hielt sie 1939 als Gast in der Chicagoer Psychoanalytic Society einen Vortrag über „Psycho-analytic study of a case of stuttering“. Über eine Mitgliedschaft in einer psychoanalytischen Gesellschaft in den USA ist nichts bekannt. (Artikelanfang)
Karen Horney gehörte wie Erich Fromm, Frieda Fromm-Reichmann und Clara Thompson der kulturalistischen bzw. neofreudianischen Schule der Psychoanalyse an, die die Libido-Theorie Sigmund Freuds verwarf und den Einfluss von Gesellschaft und Kultur auf die Entwicklung der Persönlichkeit betonte. Sie wurde in Hamburg geboren, ihr Vater Berndt Wackels Danielsen kam aus Norwegen und war Kapitän der HAPAG, ihre Mutter Clotilde Marie van Ronzelen stammte aus einer wohlhabenden holländischen Familie. Von der Mutter unterstützt und gegen den Willen des Vaters begann Karen Danielsen gemeinsam mit ihrer Freundin Josine Ebsen 1906 ein Medizinstudium in Freiburg, das sie in Göttingen und Berlin fortsetzte, wo sie 1911 das Staatsexamen ablegte.
1909 heiratete sie den Wirtschaftswissenschaftler und Stinnes-Manager Oskar Horney (1882-1947). 1926 wurde die Ehe wieder geschieden. Ihre drei Töchter - die älteste, Brigitte, wurde eine berühmte Schauspielerin, die mittlere, Marianne, Psychoanalytikerin wie ihre Mutter - zog sie neben ihrer Berufsausbildung auf. Karen Horney spezialisierte sich als Nervenärztin und absolvierte 1912 ihr praktisches Jahr großenteils in den Lankwitzer Heil- und Pflegeanstalten. 1915 promovierte sie bei Karl Bonhoeffer über posttraumatische Psychosen nach Kopfverletzungen.
Als sie nach dem Tod ihrer Mutter unter Depressionen litt, begab sich Karen Horney 1910 für ein Jahr zu Karl Abraham in die Analyse. In den folgenden Jahren beteiligte sie sich am Aufbau des Berliner Psychoanalytischen Instituts und eröffnete 1919 eine eigene Praxis in Berlin. Sie absolvierte 1920 eine Lehranalyse bei Hanns Sachs und arbeitete bis 1932 als Lehrbeauftragte und Lehranalytikerin am BPI.
1922, auf dem Berliner Psychoanalytischen Kongress, hielt Karen Horney ihren Vortrag Zur Genese des weiblichen Kastrationskomplexes und wandte sich darin gegen die von Karl Abraham in seinem Aufsatz Äußerungsformen des weiblichen Kastrationskomplexes vertretenen Ansichten. Erstmals stellte sie auch die Vorstellungen Sigmund Freuds in Frage, indem sie die Ansicht vertrat, dass der Penisneid lediglich ein kulturelles Phänomen ist und den Privilegien des Mannes gilt. Freud reagierte 1925 mit seinem Aufsatz Einige psychische Folgen des anatomischen Geschlechtsunterschieds und eröffnete damit die sog. Freud-Jones-Debatte über die weibliche Sexualität, in der sich in Wahrheit Freud und Karen Horney - unterstützt durch Ernest Jones und andere - als Hauptkontrahenten gegenüberstanden.
In ihren zwischen 1922 und 1936 entstandenen Aufsätzen zur Psychologie der Frau identifizierte Karen Horney die psychoanalytische Weiblichkeitstheorie als eine Männerphantasie, die durch die verleugnete Angst vor der Vagina bzw. den Neid auf die Gebärfähigkeit der Frau motiviert werde. In diesem männlichen Neid sah Horney einen entscheidenden Impuls zur Schaffung kultureller Werte und zur Entwertung bzw. Überhöhung der Frau. Durch die kulturellen Normen zur Verleugnung ihres Wissens um die Vagina gezwungen, verzichte die Frau auf Selbstentfaltung und übernehme die kulturell festgeschriebenen männlichen Werte. Auf diese Weise entstehe weiblicher Masochismus, der daher ein gesellschaftliches und kein biologisches Phänomen, wie Helene Deutsch meinte, sei.
1932 ging Karen Horney in die USA, wo Franz Alexander ihr die Beteiligung am Aufbau eines psychoanalytischen Instituts in Chicago angeboten hatte. Nach Meinungsverschiedenheiten mit Alexander übersiedelte sie 1935 nach New York und wurde Mitglied und Lehranalytikerin der New York Psychoanalytic Society (NYPS). Dort bildete sie zusammen mit Clara Thompson, Erich Fromm, Harry Stack Sullivan und anderen den sog. Zodiac Club. Als Karen Horney 1940 wegen ihrer Differenzen zu den orthodoxen Freudianern ihres Amtes als Lehranalytikerin enthoben wurde, trat die Gruppe gemeinsam mit ihr aus der NYPS aus und gründete 1941 die Association for the Advancement of Psychoanalysis (AAP). Auch eine neue Lehranstalt wurde etabliert, das American Institute for Psychoanalysis (AIP), und die Zeitschrift American Journal of Psychoanalysis.
1943 kam es erneut zu einer Abspaltung: Clara Thompson und Erich Fromm verließen die AAP, nachdem der Nichtmediziner Fromm - auf Betreiben von Horney, die die Laienanalyse ablehnte - dort keine Lehrerlaubnis bekommen hatte, und schufen gemeinsam mit Sullivan das New Yorker Institut der Washington School of Psychiatry (ab 1946 William Alanson White Institute).
In den USA entfernte Karen Horney sich immer weiter von Freuds Positionen: Sie kritisierte nicht nur seine Weiblichkeitskonzeption, sondern seine Triebtheorie insgesamt; die Idee des Unbewussten behielt sie jedoch bei. Für die Entstehung von Neurosen waren ihrer Ansicht nach kulturelle Faktoren ausschlaggebend. Ein Neurotiker sei von seinem "wahren Selbst" entfremdet, er habe in seiner Kindheit kulturbedingte Schwierigkeiten in besonders starker Form erfahren, mit denen er nicht oder nur unter Beeinträchtigung seiner Persönlichkeit fertig werden konnte. Ziel der Analyse ist nach Horney die Selbsterkenntnis des Patienten als Einsicht in konkrete Beziehungsgefüge und in die soziale Unvereinbarkeit erworbener Haltungen. Diese Ansichten trugen ihr auch den Vorwurf ein, sie betreibe "konformistische Psychologie". Die ökonomische und politische Dimension der Kultur thematisierte Horney - anders als Wilhelm Reich - nicht.
Karen Horney war bis zu ihrem Tod - sie starb an Darmkrebs - Vorsitzende des AIP und Dozentin an der New School of Social Research in New York. (Artikelanfang)
Die Künstlerin und Psychoanalytikerin Gertrud Jacob wurde in Kiel als älteste von fünf Töchtern eines deutsch-jüdischen Arztes geboren. Nach einem Studium der Kunst bei Georg Burmester in Kiel und Lovis Corinth in Berlin studierte sie von 1919 bis 1924 Medizin in Kiel, Berlin und Göttingen und promovierte 1925 in Kiel. Sie arbeitete ab 1926 als Assistenzärztin an der psychiatrisch-neurologischen Universitätsklinik in Heidelberg und erhielt 1930 ihre Zulassung als Nervenärztin. Während dieser Tätigkeit und eines Krankenhausaufenthalts in Hamburg entstanden die meisten ihrer Bilder von psychotischen Patienten, durch die Gertrud Jacob bekannt wurde. Weitere Porträts fertigte sie zwischen 1936 und 1939 an.
Von 1929 bis 1930 machte sie in Heidelberg eine Lehranalyse bei Frieda Fromm-Reichmann, mit der sie auch befreundet war. Ihre Kontrollanalytiker waren Max Eitingon in Berlin und Clara Happel in Hamburg. 1930 eröffnete sie in Hamburg eine Privatpraxis als Psychiaterin und Psychoanalytikerin und schloss sich der psychoanalytischen Studiengruppe um August Watermann und Clara Happel an. 1933, wenige Tage bevor Hitler an die Macht kam, zog sie ins Elsass, um ein Jahr später mit ihrer Freundin Frieda Fromm-Reichmann zunächst nach Palästina und 1935 in die USA zu emigrieren.
In New York arbeitete Gertrud Jacob zunächst als Psychoanalytikerin in einem psychiatrischen Privatsanatorium in Peoria, Illinois, bevor sie im Oktober 1935 eine Stelle an der Menninger-Klinik in Topeka, Kansas, antrat. Anfang 1936 wurde jedoch eine tuberkulöse Infektion wieder akut, die sie sich vermutlich während ihrer Tätigkeit in der Heidelberger Klinik zugezogen hatte. Sie zog nach Rockville zu ihrer Freundin Frieda Fromm-Reichmann, erholte sich wieder und behandelte ab 1937 Patienten in der psychoanalytischen Privatklinik Chestnut Lodge in Maryland. 1938 wurde sie, nach ihrem Vortrag Notes on a manic depressive, Mitglied der Washington-Baltimore Psychoanalytic Society und ein Jahr später in den Ausbildungsausschuss gewählt.
In der Hoffnung auf ein gesünderes Klima zog Gertrud Jacob 1939 nach Santa Fe in New Mexico und baute dort eine psychoanalytische Praxis auf. Anfang 1940 erlitt sie jedoch einen weiteren Tb-Rückfall, an dessen Folgen sie im April starb. (Artikelanfang)
Edith Jacobssohn - nach ihrer Emigration nannte sie sich Jacobson - ist eine der wichtigsten Vertreter:innen der Theorie der Objektbeziehungen in der Ich-Psychologie. Sie stammte aus Haynau in Niederschlesien, ihr Vater Jacques Jacobssohn war Arzt, ihre Mutter Pelagia geb. Pulvermann eine begabte Musikerin. Edith Jacobssohn studierte ab 1917 Medizin in Jena, Heidelberg und München, wo sie 1922 ihr Staatsexamen ablegte. Sie spezialisierte sich in Heidelberg als Kinderärztin und promovierte 1923 über Säuglings- und Kleinkindertuberkulose, danach als Nervenärztin an der neurologischen Poliklinik und der psychiatrischen Klinik Charité in Berlin (1925-1927). 1929 eröffnete sie eine Privatpraxis als Nervenärztin in Berlin.
Ihre psychoanalytische Ausbildung begann Edith Jacobssohn 1925 am Berliner Psychoanalytischen Institut (BPI), ihr Lehranalytiker war Otto Fenichel. Sie gehörte wie ihre Freunde Annie Reich und Wilhelm Reich zum Kreis marxistischer Psychoanalytiker:innen um Fenichel. 1930 wurde sie außerordentliches, 1931 ordentliches Mitglied und 1933 Lehranalytikerin der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft (DPG). Im Zentrum ihres Aufnahmevortrags Beitrag zur asozialen Charakterbildung stand der Fall eines überängstlichen siebenjährigen Jungen. Von 1930 an lehrte Jacobssohn außer am BPI am Sozialen Institut des Vereins Jugendheim in Charlottenburg und arbeitete mit Wilhelm Reich zusammen in dessen sexualpädagogischen Beratungsstelle für Jugendliche in Charlottenburg. Ihre in dieser Zeit publizierten psychoanalytisch-pädagogischen Arbeiten begründeten ihren Ruf als eine wichtige Pionierin der Kinderanalyse.
Edith Jacobssohn war eine der wenigen jüdischen Analytiker:innen, die nach der Machtübernahme Hitlers 1933 zunächst in Deutschland blieben. Sie organisierte eine Diskussionsgruppe linker Freudianer, und obwohl die DPG ihren Mitgliedern politische Abstinenz verordnet hatte, behandelte sie Regimegegner und unterstützte die Widerstandsgruppe "Neu Beginnen". Nachdem die Gestapo im Archiv dieser Gruppe auf ihren Namen gestoßen war, wurde sie 1935 verhaftet und zu zweieinviertel Jahren Zuchthaus verurteilt. Ihre Aufzeichnungen während dieser Zeit im Gefängnis wurden kürzlich wiederentdeckt und 2015 veröffentlicht. Als Edith Jacobson 1938 wegen Krankheit Hafturlaub erhielt, konnte sie mit Hilfe eines weltweiten Netzes um Thomas Rubinstein (Annie Reichs Ehemann) und Otto Fenichel nach Prag fliehen und schließlich über Paris in die USA emigrieren.
Noch im Gefängnis verfasste Edith Jacobssohn ihren Aufsatz Wege der weiblichen Über-Ich-Bildung, in dem sie Sigmund Freuds Weiblichkeitstheorie kritisierte. Ihrer Ansicht entwickelt eine Frau ein stabiles Ich und selbständiges Über-Ich nicht durch die Übernahme des Über-Ichs des Mannes, sondern indem sie ihr weibliches Genital als wertvoll akzeptieren lernt und einen Weg zurück zu mütterlichen Ich- und Über-Ich-Identifizierungen findet.
Edith Jacobson ließ sich 1938 in New York nieder und wurde 1941 Mitglied, ein Jahr später Lehranalytikerin der New York Psychoanalytic Society (NYPS), deren Präsidentin sie von 1954 bis 1956 war. In den Vereinigten Staaten entstanden ihre wichtigsten Schriften, durch die sie international bekannt wurde. In ihren Arbeiten stehen nicht die Triebschicksale, sondern die intrapsychischen Strukturen im Zentrum, wobei sie sich von Sándor Radós Unterscheidung zwischen "guten" und "schlechten" Objekten und der Ich-Psychologie Heinz Hartmanns inspirieren ließ.
Ihr 1964 erschienenes Buch The Self and the Object World, in dem sie eine Integration von Triebtheorie und Objektbeziehungstheorie vornahm, gilt als eines der wichtigsten Werke der psychoanalytischen Literatur. Anhand von Fallgeschichten beschreibt sie darin, wie Regressionsvorgänge bei depressiven und Borderline-Patienten zu schweren Beeinträchtigungen der Objektbeziehungen und der Ich- und Über-Ich-Funktionen führen, begleitet von der Auflösung identitätsbildender Identifizierungen.
Diese Prozesse geben Jacobson zufolge gleichzeitig Aufschluss über die normale Entwicklung der Identität. Ausgehend von einer Untersuchung der Triebmanifestationen des Säuglings auf der Stufe einer noch undifferenzierten psychosomatischen Ich-Es-Matrix, dem "frühesten psychophysischen Selbst", zeigte Edith Jacobson, wie die Selbst- und Objektrepräsentanzen des Kindes errichtet werden und welche Rolle sie für die Entwicklung von Objektbeziehungen und bei der Identitätsbildung spielen.
Ebenfalls zu den Klassikern der Psychoanalyse zählt Edith Jacobsons Buch über Depression. Ihr zufolge liegt allen depressiven Zuständen ein durch Frustrationen ausgelöster narzisstischer Konflikt zwischen der wunschbestimmten Selbstimago und der Imago eines scheiternden, entwerteten Selbst zugrunde. Die Schwere der Depression hängt vom Grad der Frustration und von der Art und Intensität der am Konflikt beteiligten Triebe ab. Bei einer psychotischen Depression vermutete Jacobson außerdem eine zugrunde liegende neurophysiologische Störung.
Edith Jacobson blieb unverheiratet und kinderlos. Sie starb am 8. Dezember 1978 in Rochester, New York. (Artikelanfang)
Eva-Maria Jaeggi wurde als älteste Tochter einer gutbürgerlichen Familie in Wien geboren. Ihr Vater Benno Schaginger verlor nach dem Anschluss Österreichs 1938 an das Deutsche Reich seine Stelle als Jurist im Postdienst und wurde kurzzeitig in Dachau interniert, weil er im Widerstand aktiv war. Nach dem Krieg war er Generaldirektor der Post- und Telegraphenverwaltung Österreichs.
Eva Schaginger studierte von 1952 bis 1957 Psychologie, Geschichte und Philosophie an der Universität Wien und promovierte dort 1957. Anschließend war sie als wissenschaftliche Assistentin an der Sozialforschungsstelle Dortmund beschäftigt. 1961 heiratete sie den Schweizer Soziologen Urs Jaeggi (1931-2021) und zog mit ihm nach Bern, wo sie. In Bern war sie als Betriebspsychologin und bei der Akademischen Berufsberatung tätig. 1966 wurde ihre Tochter Rahel geboren. Nachdem ihr Mann Soziologieprofessor an der Ruhr-Universität Bochum geworden war, arbeitete Eva Jaeggi von 1967 bis 1972 in der Psychologischen Beratungsstelle der Universität Bochum. 1972 wechselten die Jaeggis an die FU Berlin, wo Eva Jaeggi Assistenzprofessorin am Psychologischen Institut war und sich 1978 habilitierte. Noch im selben Jahr folgte sie einem Ruf an die Technische Universität Berlin und lehrte dort als Professorin für Klinische Psychologie bis zu ihrer Emeritierung im Jahr 1999. Ihre Ehe wurde Anfang der 1980er Jahre geschieden.
Eva Jaeggi, die seit den 1970er Jahren auch als niedergelassene Psychotherapeutin tätig ist, konzentrierte sich auf die Theorie und Praxis der Verhaltenstherapie, bis sie von 1987 bis 1992 in Berlin eine Weiterbildung zur Psychoanalytikerin absolvierte. Ihren Weg von einer Verhaltenstherapeutin zur Psychoanalytikerin beschrieb sie 1991 in ihrem Buch Neugier als Beruf. Sie wurde Dozentin, Lehranalytikerin und Supervisorin am Berliner Institut für Psychotherapie und Psychoanalyse und leitete von 1997 bis 2012 den Ausbildungsschwerpunkt "Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie" an der Berliner Akademie für Psychotherapie.
Schwerpunkte ihrer fachlichen Veröffentlichungen bilden der Vergleich verschiedener psychotherapeutischer Ansätze sowie Fragen zum Beruf des Psychotherapeuten. Ihre populäreren Sachbücher handeln von Themen wie Liebe und Älterwerden. (Artikelanfang)
Marie Willms wurde in Dötlingen in Oldenburg geboren als Tochter des Pfarrers Emil Willms und seiner Frau Johanne geb. Wieting. Sie wuchs in Berlin auf, wo sie sich zunächst für Kunstgeschichte und neuere Sprachen einschrieb, bevor sie von 1911 bis 1916 in Freiburg, Jena und München Medizin studierte. Nach dem Staatsexamen war sie Medizinalpraktikantin an der Königlichen Universitäts-Nervenklinik und der Inneren Abteilung der Städtischen Krankenanstalt in Königsberg und promovierte 1918 mit einer Arbeit über Herzhypertrophie. In diese Zeit fiel auch ihre Heirat mit dem ostpreußischen Landwirt Friedrich Wilhelm Fabian Kalau vom Hofe (1891-?); 1919 kam ihre Tochter Etta-Marie zur Welt. Die Ehe wurde später (vor 1945) geschieden.
Marie (auch Maria) Kalau vom Hofe war drei Jahre lang in der Hamburger psychiatrischen Staats-Krankenanstalt Friedrichsberg tätig, bevor sie sich in Berlin als Ärztin niederließ. Seit 1926 arbeitete sie an der Nervenklinik der Charité sowie als Gerichtspsychiaterin für das Berliner Polizeipräsidium. 1924 begann sie bei Sándor Radó am Berliner Psychoanalytischen Institut eine zweieinhalbjährige Lehranalyse, die sie dann bei Felix Boehm* fortsetzte. 1934 wurde sie Mitglied der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft (DPG). Im Jahr darauf erklärte sie offiziell ihren Austritt, weil sie ihre Stellung als Polizeiärztin gefährdet sah, solange die DPG noch jüdische Mitglieder hatte, insbesondere nachdem ihre Kollegin Edith Jacobssohn verhaftet worden war.
1937 trat sie ihre Tätigkeit am nunmehr "arisierten" Deutschen Institut für Psychologische Forschung und Psychotherapie in Berlin an, dem sog. Göring-Institut, wo sie zur "Arbeitsgruppe A", also den Freudianern, zählte. Als Leiterin der Abteilung für kriminalpsychologische Forschung und forensische Psychiatrie am Institut fiel auch die Begutachtung und Behandlung von Homosexuellen in ihre Zuständigkeit, von denen sie offenbar einige vor dem Konzentrationslager bewahren konnte.
1945 gehörte Kalau vom Hofe zu den Gründungsmitgliedern der neu ins Leben gerufenen DPG sowie 1949 der Deutschen Gesellschaft für Psychotherapie und Tiefenpsychologie (DGPT). Am 1947 gegründeten Institut für Psychotherapie Berlin war sie für die Ausbildung von Psychagogen zuständig. Wie einige andere ärztliche Psychotherapeuten forderte sie damals das Verbot einer Psychotherapie durch Nichtärzte. Anfang der 1950er Jahre ließ sie sich als Nervenärztin in Hamburg nieder. Sie war als Psychotherapeutin beim Osdorfer Heim des Jugendamts tätig und Leiterin einer Erziehungsberatungsstelle. Bei der "steinernen Gräfin", wie sie genannt wurde, waren all jene in Analyse, die sich in den ersten Nachkriegsjahren in Hamburg für Psychoanalyse interessierten, darunter so bekannte Persönlichkeiten wie Arthur Jores und Hans Bürger-Prinz. (Artikelanfang)
Die Psychoanalytikerin und Nervenärztin Ingeborg Kath wurde in Berlin geboren, wo sie 1932 das medizinische Staatsexamen ablegte. Ihr Medizinalpraktikantenjahr absolvierte sie in der Inneren Abteilung, dem Pathologischen Institut und der Infektionsabteilung des Rudolf-Virchow-Krankenhauses in Berlin-Wedding. Ab 1933 arbeitete sie als Assistenzärztin in der Heil- und Pflegeanstalt Berlin-Buch und von 1939 bis 1943 in der Neurologischen Abteilung des Ludwig-Hoffmann-Hospitals in Berlin-Buch, wo sie 1944 promovierte. Während dieser Tätigkeit war sie in das nationalsozialistische Euthanasieprogramm involviert, wobei sie nach eigener Aussage die ihr vorgelegten Diagnosen änderte und nur alte Patient:innen auswählte, die "sowieso bald gestorben wären". Von 1945 bis 1947 war sie an der Neurologischen Klinik am Hansaplatz als wissenschaftliche Assistentin unter der Leitung Heinrich Schellers tätig. Danach war sie Chefärztin der Neurologischen Abteilung am Krankenhaus Tempelhof.
Ihre psychoanalytische Ausbildung erhielt Ingeborg Kath vermutlich am Berliner Psychoanalytischen Institut bzw. nach dessen Auflösung 1936 am gleichgeschalteten Deutschen Institut für Psychologische Forschung und Psychotherapie ("Göring-Institut"). Einer ihrer Lehranalytiker war Felix Boehm. Nach dem Krieg war sie zunächst Mitglied der wiederbelebten Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft. 1950 gehörte sie dann - mit Carl Müller-Braunschweig, Ada Müller-Braunschweig, Gerhard Scheunert, Käthe Dräger, Hans March, Marie Luise Werner und Margarete Steinbach - zu den Gründungsmitgliedern der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung (DPV). Sie war Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Psychotherapie und Tiefenpsychologie und lebte seit Mitte der 1960er Jahre in Celle. (Artikelanfang)
Salomea Kempner wurde als die ältere von zwei Töchtern einer jüdischen Apothekersfamilie in Plotzk in Russisch-Polen geboren. Nach einem Examen als Hauslehrerin studierte sie von 1899 an (mit einer mehrjährigen Unterbrechung) in Zürich und Bern Medizin und promovierte 1909 an der Universität Zürich über Versuche zum mikroskopischen Nachweis der Narkose der Nerven zum Dr. med. - im gleichen Jahr wie ihre zwei Jahre jüngere Schwester Felicja Kempner. Danach war sie in verschiedenen Kliniken in Deutschland und der Schweiz tätig, bevor sie von 1912 bis 1921 als Assistenzärztin in der Kantonalen Irrenanstalt in Rheinau in der Schweiz arbeitete. Hier lernte sie den Schweizer Arzt und Psychoanalytiker Philipp Sarasin (1888-1968) kennen, der ihr ein lebenslanger Freund und Lebensgefährte wurde.
1911 wurde Salomea Kempner Mitglied der IPV-Ortsgruppe Zürich, die sich jedoch 1914 auflöste. 1919 machte sie eine kurze Analyse bei Hanns Sachs in Zürich und zählte im gleichen Jahr zu den Gründungsmitgliedern der Schweizerischen Gesellschaft für Psychoanalyse, der sie bis 1921 angehörte. In diesem Jahr ging sie mit Sarasin nach Wien, wo beide eine Lehranalyse bei Sigmund Freud absolvierten. 1922 wurde Salomea Kempner in die Wiener Psychoanalytische Vereinigung aufgenommen und hielt dort im Jahr darauf einen Vortrag zum Thema Der orale Sadismus, der 1925 unter dem Titel Beitrag zur Oralerotik in der IZP erschien. Darin berichtete sie über die erfolgreiche Behandlung einer 25-jährigen Medizinstudentin, die an hysterischem Erbrechen litt. Die Neigung dieser Patientin zur Identifizierung mit ihrem geliebten, früh verstorbenen Vater und mit der männlichen Rolle führte Kempner in der Analyse auf eine Regression zum prägenitalen oralen Sadismus zurück.
Im Herbst 1923 zog Salomea Kempner nach Berlin und begann mit ihrer Tätigkeit als Psychoanalytikerin an der Poliklinik des Berliner Psychoanalytischen Instituts. 1925 wurde sie Mitglied der Berliner Psychoanalytischen Vereinigung. Zu ihren Analysand:innen gehörten u. a. Adelheid Koch, Hjordis Simonsen und Nic Waal. Zusammen mit W. Zaniewicki besorgte sie die polnische Übersetzung von Freuds Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse [Wstęp do psychoanalizy], die 1935 in Warschau erschien.
Salomea Kempner hielt bis Ende 1933 ihre Sprechstunden in der Berliner Poliklinik ab, dann wurde ihr dies als "ausländischer Jüdin" untersagt. Nach anfänglichem Widerstand stimmte sie schließlich Ende 1935 dem "freiwilligen Austritt" zu, den die Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft im Zuge der Selbstgleichschaltung ihren jüdischen Mitgliedern abverlangte. Sie wurde von 1937 bis 1941 als Direktmitglied der IPV gelistet und führte bis 1938 noch Kontrollanalysen in ihrer Berliner Wohnung durch.
Nachdem alle Bemühungen um eine Emigration nach Paris oder in die Schweiz gescheitert waren, musste Salomea Kempner 1939 in das von den Deutschen besetzte Warschau übersiedeln. Hier ist sie, wie Philipp Sarasin 1946 berichtete, am 29. Januar 1943 an einer akuten Lungenentzündung gestorben. (Artikelanfang)
Lotte Köhler wurde in Darmstadt geboren als Tochter des wohlhabenden Fabrikanten Wilhelm Köhler und der Ärztin Irma geb. Schmidt. 1943 begann sie ein Medizinstudium, das sie nach dem Krieg in Heidelberg fortsetzte und 1949 mit der Promotion abschloss. Danach studierte sie Chemie an der Technischen Universität Darmstadt. Parallel dazu war sie als Generalbevollmächtigte der Gesellschafterversammlung einer Verpackungsdruckerei tätig.
Nach zwei gescheiterten Ehen begann sie Ende der 1950er Jahre eine Analyse bei Fritz Riemann am Institut für Psychologische Forschung und Psychotherapie in München, die sie dann als Lehranalyse fortsetzte. Ab 1957 arbeitete sie bei Paul Matussek in der psychiatrischen Abteilung des Münchner Max-Planck-Instituts. 1960 lernte Lotte Köhler ihren Lebensgefährten Hans Kilian (1921-2008) kennen, den späteren Professor für Sozialpsychologie und Angewandte Psychoanalyse, der zu der Zeit ebenfalls bei Riemann in Analyse war. Als dies zu Komplikationen führte, setzte sie ihre Analyse ab 1963 bei Hilde Troidl fort. In der gleichen Zeit übernahm sie die Verantwortung für die Maschinenfabrik Goebel, die ihr Vater geleitet hatte, und war bis 1986 Geschäftsführerin von deren Muttergesellschaft.
Von 1962 bis 1969 gehörte Lotte Köhler dem Riemannschen Institut an, dessen Struktur und inhaltliche Ausrichtung an einer aus NS-Zeiten herrührenden eklektischen Tiefenpsychologie ihr jedoch missfielen. Nach der Vertuschung der "Schelkopf-Affäre" - Lotte Köhler hatte die NS-Vergangenheit von Anton Schelkopf, dem Kandidaten für das Amt des Geschäftsführers aufgedeckt - verließ sie 1969 das Münchner Institut und ging nach Zürich. Hier absolvierte sie eine zweite Lehranalyse bei Paul Parin und wurde 1974 Mitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Psychoanalyse. 1973 beteiligte sich Lotte Köhler an der Gründung der Psychoanalytischen Arbeitsgemeinschaft München, die später als Institut der DPV anerkannt wurde. Dort war sie bis 1996 als Lehr- und Kontrollanalytikerin tätig.
Lotte Köhler trug maßgeblich dazu bei, die Selbstpsychologie von Heinz Kohut und die Erkenntnisse der modernen Säuglings- und Entwicklungsforschung im deutschsprachigen Raum bekanntzumachen. Auf der Grundlage der Kohutschen Selbstpsychologie, der Entwicklungspsychologie von René A. Spitz, der Säuglingsforschung von Daniel Stern sowie der Bindungstheorie von John Bowlby erforschte sie die Entstehung des Gedächtnisses beim Kleinkind und die Entwicklung der Selbst- und Objektrepräsentanzen. Anstelle der psychoanalytischen Auffassung des Kleinkindes als eines "polymorph-perversen Triebbündels", das den Nirwanazustand anstrebt, vertrat sie die Annahme einer Entwicklungslinie wechselseitiger Objektbeziehungen, die bereits im Säuglingsalter beginnt.
2014 wurde an der Ruhr-Universität Bochum das Kilian-Köhler-Centrum etabliert, das seit 2021 zusammen mit dem Sigmund-Freud-Institut in Frankfurt den Lotte Köhler-Preis für psychoanalytische Entwicklungs-, Kultur- und Sozialpsychologie vergibt. (Artikelanfang)
Gisela Gerda Krichhauff kam in Hamburg zur Welt als Tochter des Wirtschaftsprüfers Otto Friedrich Krichhauff und der in Chile geborenen Hamburger Kaufmannstochter Anna Maria Luise Strack. Sie studierte Medizin und promovierte 1943 in Berlin.
Nach Kriegsende absolvierte sie eine Lehranalyse bei der Neoanalytikerin Adelheid Fuchs-Kamp, mit der sie auch befreundet war. Möglicherweise war sie auch eine Analysandin des Freudianers Werner Kemper (1899-1975), der 1948 nach Brasilien emigrierte. Sie arbeitete als Psychoanalytikerin im Zentralinstitut für psychogene Erkrankungen der Versicherungsanstalt Berlin, das 1945 von Werner Kemper und Harald Schultz-Hencke gegründet worden war, sowie in dem zwei Jahre später gegründeten schulenübergreifenden Institut für Psychotherapie (IfP).
Aus dieser Arbeit gingen ihre Aufsätze über einen Stotterfall (1951), die Innenwelt des Asthmatikers (1955) und chronifizierte endogene Ekzeme (1956) hervor. Bei den von ihr behandelten Asthmatiker:innen beobachtete sie eine starke Hemmung der Fähigkeit, orale und retentive Impulse zu realisieren, und bei Ekzempatient:innen stellte sie als wichtigste Ursache eine hochgradige Flüssigkeitsbeschränkung in der frühen Mutter-Kind-Beziehung fest. Die Ekzematiker wollten, so Krichhauff, ursprünglich mit ihrem Kratzen die Brust der Mutter aufreißen, um zu trinken, diese sadistischen Impulse haben sich dann auf die eigene Haut verschoben.
Gisela Krichhauff nahm 1957 am Zweiten Internationalen Kongress für Gruppenpsychotherapie in Zürich teil und führte in den 1960er Jahren zusammen mit Dorothea Fuchs-Kamp am IfP Seminare zur Gruppenpsychotherapie durch. Sie übersetzte psychoanalytische Texte aus dem Spanischen, darunter Übertragung und Gegenübertragung von Heinrich Racker (1978). Nach 1967 lebte sie mit Werner Kemper zusammen, der sich von seiner Frau
Anna Kattrin Kemper getrennt hatte und aus Brasilien nach Deutschland zurückgekehrt war. (Artikelanfang)
Ursula Laessig (auch Laessig-Arnold) steht für eine Verbindung von Tiefenpsychologie und Christentum. Sie wurde in Wuppertal-Elberfeld als Tochter einer protestantischen Familie geboren, ihr Vater war Rechtsanwalt, ihre Mutter künstlerisch sehr interessiert. Von 1920 an studierte Ursula Graf in Göttingen Philosophie und Kunstgeschichte, ihre Neigung galt jedoch der Theologie. In dieser Zeit schloss sie sich der Jugendbewegung an. Sie promovierte 1926 in Göttingen über Das Problem der weiblichen Bildung und war Dozentin an dem 1928 gegründeten Sozialen Institut des Vereins Jugendheim in Berlin-Charlottenburg. Nach der Übernahme des Vereins 1934 durch die NS-Volkswohlfahrt arbeitete Ursula Laessig am Pestalozzi-Fröbel-Haus in Berlin.
Wegen einer Depression begab sie sich 1927 in eine Psychotherapie bei dem Adlerianer Arthur Kronfeld, der sie erfolgreich behandelte. Ende 1930 begann sie eine Lehranalyse bei Edith Jacobssohn und eine Ausbildung am Berliner Psychoanalytischen Institut. Nach Jacobssohns Verhaftung 1935 setzte sie ihre Analyse bei Werner Kemper fort und wurde 1936 Mitglied der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft (DPG). Nach deren Auflösung 1938 gehörte sie dem Deutschen Institut für Psychologische Forschung und Psychotherapie (Göring-Institut) an.
1937 kam ihre Tochter aus der kurzen Ehe mit einem Berliner Opernsänger zur Welt. Ursula Laessig absolvierte eine weitere, vierjährige Analyse bei der Jungianerin Hildegard Buder-Schenck und nahm 1938 an einem von Fritz Riemann veranstalteten Kursus für Astrologie teil, die ein wichtiges Erkenntnismittel für sie wurde.
Nach Kriegsende gehörte sie in Berlin der wiedergegründeten DPG an. 1948 übersiedelte sie nach Stuttgart und war die nächsten dreißig Jahre als Lehranalytikerin und Dozentin am Institut für Psychotherapie und Tiefenpsychologie tätig, dessen synoptische Ausrichtung an Freud und Jung ihren Interessen entgegenkam. 1949 gründete Ursula Laessig, die drei Jahre später zum Katholizismus konvertierte, gemeinsam mit Wilhelm Bitter den Verein "Arzt und Seelsorger", aus dem später die Internationale Gesellschaft für Tiefenpsychologie entstand. (Artikelanfang)
Eva Landauer wurde in Heilbronn als ältestes von drei Geschwistern geboren. Ihre Eltern waren der aus einer orthodox-jüdischen Bankiersfamilie stammende Arzt und Psychoanalytiker Karl Landauer und seine Frau Karoline "Lins" Kahn, die auch als seine Forschungsassistentin fungierte. 1919 zog die Familie nach Frankfurt am Main, wo Karl Landauer ab 1929 das Frankfurter Psychoanalytische Institut leitete. Die Landauers waren mit Sigmund Freud befreundet, den sie regelmäßig in Wien besuchten.
Nach der Machtübernahme Hitlers flohen die Landauers noch 1933 über Schweden nach Amsterdam, wo Eva Landauer ein Medizinstudium begann, das sie nach der Besetzung Hollands durch die Deutschen abbrechen musste. 1943 wurde die ganze Familie Landauer von der Gestapo verhaftet. Während ihre beiden jüngeren Geschwister Paul und Suse noch auf dem Sammelplatz entkommen konnten, wurde Eva Landauer mit ihren Eltern 1943 in das niederländische Lager Westerbork und 1944 in das KZ Bergen-Belsen deportiert. Karl Landauer starb dort ein Jahr später an Unterernährung. Eva Landauer und ihre Mutter wurden mit anderen Häftlingen im April 1945 in einem kleinen Dorf an der Elbe ausgesetzt, wo die Rote Armee sie aufsammelte und den Amerikanern übergab. Eine Zeitlang lebten sie als "displaced persons" bei Freunden in Amsterdam und emigrierten dann in die Vereinigten Staaten.
Eva Landauer ließ sich 1947 in New York nieder, wo sie einen Masterabschluss in Sozialarbeit an der Columbia University erwarb. Sie arbeitete als psychiatrische Sozialarbeiterin in einer Familienagentur und einer psychiatrischen Klinik für Vorschulkinder, bevor sie 1955 in London bei Anna Freud am Hampstead Child Therapy Course and Clinic eine Ausbildung zur Kinderanalytikerin machte und an der London School of Economics studierte.
Zurück in New York wurde Eva Landauer Mitglied der New York Society of Freudian Psychologists (später New York Freudian Society), einer 1959 von Gisela Barinbaum gegründeten Vereinigung von nicht-ärztlichen "Laienanalytiker:innen", und war dort Lehranalytikerin und Supervisorin für Kinder- und Jugendlichenanalyse. Außerdem gehörte sie der Association for Child Psychoanalysis an und war lange Jahre für die Jewish Board of Family and Children's Services tätig, zunächst im Child Development Center und später als leitende Supervisorin im Advanced Training Program. (Artikelanfang)
Marianne Leuzinger-Bohleber wurde in Davos geboren und wuchs in einem Bergdorf im Schweizer Kanton Glarus auf. Sie studierte von 1968 bis 1975 Medizin, Germanistik und Klinische Psychologie (Diplom 1975) an der Universität Zürich. Anschließend war sie dort bis 1981 Assistentin von Ulrich Moser am Psychologischen Institut und promovierte 1980 über Kognitive Prozesse bei der Indikation psychotherapeutischer Verfahren.
Ihre Ausbildung umfasste eine Verhaltens-, Gesprächs- und Musiktherapie, bevor sie sich - nach einer persönlichen Psychotherapie - für die Psychoanalyse entschied. Ihre psychoanalytische Ausbildung erhielt sie in den 1970er Jahren am Psychoanalytischen Seminar Zürich. Sie wurde 1981 außerordentliches und 1987 ordentliches Mitglied der Schweizer Gesellschaft für Psychoanalyse.
1981 zog sie nach Stuttgart und heiratete den Psychoanalytiker und Psyche-Herausgeber Werner Bohleber (*1942). Im gleichen Jahr wurde ihr Sohn Pascal geboren, 1984 ihre Tochter Laura. Marianne Leuzinger-Bohleber wurde 1982 außerordentliches, 1994 ordentliches Mitglied der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung (DPV) und lehrte am Institut Stuttgart-Tübingen der DPV, bis sie 1988 mit ihrer Familie nach Frankfurt/Main übersiedelte.
Von 1988 bis 2015 war Marianne Leuzinger-Bohleber Professorin für psychoanalytische Psychologie an der Universität Kassel und gründete dort 1996 das Institut für Psychoanalyse, das sie bis 2002 leitete. Seit 2002 ist sie Lehranalytikerin und Supervisorin der DPV und lehrt am Frankfurter Psychoanalytischen Institut der DPV sowie am Alexander-Mitscherlich-Institut der DPV in Kassel. Von 2002 bis 2016 war sie geschäftsführende Direktorin des Sigmund-Freud-Instituts in Frankfurt.
Über ihre zahlreichen und vielfältigen beruflichen und wissenschaftlichen Aktivitäten gibt ihr Curriculum Vitae Auskunft. Zu ihren wissenschaftlichen Schwerpunkten zählen klinische, konzeptionelle und empirische Forschung in der Psychoanalyse, Psychotherapieforschung und Ergebnisforschung in der Psychoanalyse, Entwicklungsforschung, Traumaforschung, Depression und ADHS, Frühprävention sowie Psychoanalyse und Neurowissenschaften und Psychoanalyse und Bioethik. An Auszeichnungen erhielt Marianne Leuzinger-Bohleber unter anderen den Mary Sigourney Award 2016 und das Robert S. Wallerstein Fellowship (2022-2027). (Artikelanfang)
Die Nervenärztin und Kinderanalytikerin Lotte Kirschner (ab 1930 Liebeck-Kirschner bzw. Liebeck, nach 1940 Bernstein) studierte Medizin an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin. Nach dem Staatsexamen war sie 1923 Medizinalpraktikantin an der Charité-Nervenklinik und promovierte 1924 über Die motorische Unruhe der Kinder. In den 1920er Jahren absolvierte sie eine Ausbildung am Berliner Psychoanalytischen Institut (BPI), ihr Lehranalytiker war Otto Fenichel. Sie nahm auch an den Kinderanalyse-Seminaren teil, die Anna Freud während ihrer Berlin-Aufenthalte zwischen 1928 und 1930 abhielt. 1927 wurde Lotte Kirschner außerordentliches, 1929 ordentliches Mitglied und danach Lehranalytikerin der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft (DPG). Als die Lehrtätigkeit am BPI 1936 auf "arische" Dozenten beschränkt wurde, boten Lotte Liebeck-Kirschner, Edith Jacobsohn und Salomea Kempner ihre Lehrveranstaltungen als inoffizielle "Lesezirkel" für Freud-Schriften an.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde Lotte Liebeck-Kirschner wie alle jüdischen Ärzt:innen von der Rechnungserstattung ausgeschlossen. Als 1935 Edith Taglicht, eine Lehranalysandin von ihr, als Kommunistin verdächtigt und verhaftet wurde, geriet sie selbst in Gefahr. Mit Hilfe von Werner Kemper gelang es ihr, zunächst nach Kopenhagen und dann nach Oslo zu fliehen. Sie wurde 1935 als DPG-Mitglied und Lehranalytikerin in die Dansk-Norsk Psykoanalytisk Forening übernommen. In Oslo schloss sie sich dem dänisch-norwegischen Arbeitskreis an, den Wilhelm Reich im Exil aufgebaut hatte. Ihre Sympathie mit Reichs Ideen stieß jedoch bald an Grenzen, wie dieser 1937 in seinem Tagebuch notierte.
Um nach der Besetzung Norwegens durch die Deutschen in Oslo bleiben zu können, ging Lotte Liebeck eine Proforma-Ehe mit dem norwegisch-jüdischen Psychiater Paul Bernstein (1903-1943) ein, der Kandidat der Dansk-Norsk Psykoanalytisk Forening war. Er wurde 1942 verhaftet, deportiert und in Auschwitz ermordet, während Lotte Bernstein 1942 nach Schweden fliehen konnte. Sie lehrte Psychologie an der Universität Stockholm und wurde 1947 Mitglied der Svenska Psykoanalytiska Förenigen. 1951 zog sie in die USA und schloss sich der Chicago Psychoanalytic Society an. Sie ließ sich in Louisville, Kentucky, nieder, wo sie Klinische Direktorin der Child Guidance Clinic war und an der University of Louisville School of Medicine Psychiatrie lehrte.
Lotte K. Bernstein starb im Alter von 74 Jahren an Herzversagen. (Artikelanfang)
© Boston Psychoanalytic
Society & Institute
Helena (Yelena) Herschkowitsch wurde in Jena geboren, wo ihr aus Russland stammender Vater Matvei Herschkowitsch Direktor der Firma Carl Zeiss war. Sie studierte in Jena, München und Heidelberg Medizin und machte 1929 in Berlin das Staatsexamen. Anschließend spezialisierte sie sich auf die Kinderheilkunde und arbeitete in der Kinderfürsorge und der psychiatrischen Klinik der Charité.
Yelena Herschkowitsch heiratete ihren Studienkollegen Heinrich Löwenfeld (1900-1985), der seit 1929 Oberarzt am Krankenhaus Lankwitz in Berlin war; 1930 wurde ihr Sohn Andreas Frank geboren. Heinrich und Yela Löwenfeld begannen eine Ausbildung am Berliner Psychoanalytischen Institut, wo sie zum Kreis um Otto Fenichel gehörten.
Nach der Machtübernahme Adolf Hitlers verließen die Löwenfelds 1933 Berlin und flohen über Frankreich und die Schweiz in die Tschechoslowakei. Dort schlossen sie sich der Prager Psychoanalytischen Arbeitsgemeinschaft an. Yela Löwenfeld begann eine Lehranalyse bei Annie Reich, die sie später in New York beendete. Nach dem Anschluss Österreichs löste sich die Prager Gruppe auf, und die Löwenfelds emigrierten im Mai 1938 in die Vereinigten Staaten.
Sie ließen sich in New York nieder, wo Yela und Henry Lowenfeld 1942 Mitglieder der New York Psychoanalytic Society and Institute wurden. Yela Lowenfeld spezialisierte sich auf die Analyse von Kindern und Jugendlichen, eröffnete 1939 gemeinsam mit ihrem Mann eine psychoanalytische Privatpraxis und war außerdem am Mount Sinai Hospital tätig. Während der 1960er Jahre gehörte sie dem Intake Commitee of the Treatment Center am New Yorker Institut an, das für die Auswahl von Klienten für Ausbildungskandidaten zuständig war.
Das Schwergewicht ihrer Publikationen liegt auf Beiträgen zur Psychoanalyse des Jugendalters, wobei Yela Lowenfeld auch die sozialen Aspekte in der Entstehung von Krankheiten berücksichtigte. Auf große Resonanz stieß ihr 1970 gemeinsam mit ihrem Mann verfasster Aufsatz über Die permissive Gesellschaft und das Über-Ich, in dem sie sich mit der Studentenbewegung auseinandersetzten.
Anhand von Beispielen aus Yela Lowenfelds Praxis belegten sie die These, dass erhöhte Permissivität der Eltern und eine Abschwächung des Inzest-Tabus zu einem unvollständig entwickelten Über-Ich der Jugendlichen führt. Auf diese Weise werde deren Ablösung von den Eltern erschwert, so dass viele Jugendliche ihr Ich durch ideologische Orientierung und Gruppenbildung stützten oder, zur Liebe unfähig, ihr Glück im Rausch suchten.
Nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1985 zog Yela Lowenfeld sich immer mehr aus Fach- und Freundeskreisen zurück. Sie überlebte ihn um drei Jahre. (Artikelanfang)
Die deutsch-jüdische Ärztin Hilde (Hildegard) Maas absolvierte in den 1920er/1930er Jahren eine psychoanalytische Ausbildung am Berliner Psychoanalytischen Institut. Ihr Lehranalytiker war Hanns Sachs, Kontrollanalytikerin war Karen Horney. Sie war mit Ernst Simmel befreundet und wie dieser Mitglied im Verein Sozialistischer Ärzte. Von 1929 bis 1933 war sie auch Dozentin für das Fach Neurosen und Psychopathien an der Deutschen Akademie für soziale und pädagogische Frauenarbeit in Berlin. Zu ihrer Aufnahme in die Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft kam es nicht mehr, weil Hilde Maas kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten nach England emigrierte. Noch im November 1933 wurde sie außerordentliches Mitglied der British Psycho-Analytical Society.
Nach dem "Anschluss" Österreichs gehörte sie dem Hospitality Committee for Colleagues from Austria zur Unterstützung österreichischer Emigrant:innen an. Margaret Mahler, die sich auf ihrem Weg in die USA für kurze Zeit in England aufhielt, analysierte 1938 Hilde Maas' ungefähr achtjährigen Sohn Heino. Zu den Analysandinnen von Hilde Maas zählte - neben der Psychoanalytikerin Ilse Seglow, der Tänzerin Agnes de Mille und der Künstlerin Margaret Gardiner - auch Hilda Abraham, die Tochter Karl Abrahams, die ebenfalls nach England emigriert war. Ihr half sie, Karl Abrahams Klinische Beiträge zur Psychoanalyse aus den Jahren 1907-1920 ins Englische zu übersetzen [Clinical Papers and Essays on Psycho-Analysis (1954)] und die letzten Kapitel der unvollendet gebliebenen Biografie ihres Vaters fertigzustellen.
1956 verfasste Hilde Maas den Beitrag zu Sigmund Freuds 100. Geburtstag für die von der Association of Jewish Refugees in Great Britain herausgegebene Zeitschrift AJR Information. (Artikelanfang)
Die Psychologin und Psychoanalytikerin Veronica Mächtlinger wurde in der südafrikanischen Provinz Natal als Tochter einer einheimischen Mutter und eines englischen Vaters geboren. Nach ihrem Studium der Psychologie mit Masterabschluss an der Universität von Natal ging sie 1954 nach England, um an der London University ein Postgraduiertendiplom in Clinical Psychology zu erwerben. Von 1956 bis 1960 absolvierte sie eine kinderanalytische Ausbildung bei Anna Freud an der Hampstead Clinic. Danach wurde Veronica Thompson Mitglied der Association of Child Psychotherapists und arbeitete als Psychotherapeutin in London.
Anfang der 1960er Jahre kehrte sie aus familiären Gründen nach Südafrika zurück, wo sie an der Universität Durban als Dozentin für Entwicklungspsychologie lehrte und forschte. Nach ihrer Heirat mit Dieter Mächtlinger kam sie 1973 nach Berlin und bildete sich am Berliner Psychoanalytischen Institut (BPI) zur Psychoanalytikerin für Erwachsene weiter. 1977 wurde sie außerordentliches, 1982 ordentliches Mitglied der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung und war bis 2012 als Lehranalytikerin und Supervisorin am BPI bzw. Karl-Abraham-Institut tätig, von 1992 bis 1994 als federführendes Mitglied des Ausbildungsausschusses. Nach der Gründung des IPA Committee on Child and Adolescent Psychoanalysis (COCAP) 1986 erstellte sie eine Enquete zum Stand der Kinderpsychoanalyse in Europa, für deren Anerkennung in der IPA sie sich als Leiterin der European Section von COCAP einsetzte.
Veronica Mächtlinger vertritt einen klassisch-freudianischen Ansatz in der Tradition von Anna Freud. (Artikelanfang)
Auguste "Gustel" Marcinowski wurde in Ostpreußen in eine fromme kinderreiche Familie geboren. Sie war diplomierte Krankenschwester, als sie 1908 in das private Sanatorium Haus Sielbeck am Ukleisee in Holstein kam, das ein Jahr zuvor von dem Arzt Jaroslaw Johannes Marcinowski (1868-1935) gegründet worden war. Sie wurde dessen enge Mitarbeiterin und 1915 seine zweite Frau. Aus ihrer Ehe gingen drei Söhne hervor: Hans Jürgen, Wulfdietrich und Gernot.
Marcinowskis Sanatorium wurde von Sigmund Freud als erste psychoanalytisch orientierte Anstalt in Deutschland gewürdigt. Johannes Marcinowski war von 1912 bis 1919 Mitglied der Berliner und von 1919 bis 1925 der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung (WPV), obwohl unklar ist, ob bzw. bei wem er eine eigene Analyse absolviert hatte. Auguste Marcinowski konnte eine Lehranalyse 1912 und 1913 bei dem WPV-Mitglied Bernhard Dattner vorweisen, gehörte aber keiner psychoanalytischen Vereinigung an. Psychoanalytische Behandlungen in Haus Sielbeck wurden zum Teil vom Ehepaar Marcinowski gemeinsam durchgeführt.
1919 zogen die Marcinowskis nach Bad Heilbrunn und führten dort bis 1928 das Sanatorium Haus Sonnblick, wo Auguste Marcinowski nun eigenständig als Psychotherapeutin arbeitete. Zu der 1920 geplanten Gründung einer IPV-Ortsgruppe in München mit Johannes und Auguste Marcinowski, Hans von Hattingberg und anderen kam es nicht. Karl Abraham zufolge war die Psychoanalyse à la Marcinowski "mit einem Gebräu von Mystik und allem möglichen vermengt". 1929 eröffnete Marcinowski das Ärztliche Genesungsheim Waldhausen bei Tübingen, das Auguste Marcinowski nach dem Tod ihres Mannes 1935 bis in die 1950er Jahre allein weiterführte. Ab 1936 gehörte sie dem Deutschen Institut für Psychologische Forschung und Psychotherapie an, das eine schulenübergreifende "Deutsche Seelenheilkunde" vertrat. Nach dem Krieg war Auguste Marcinowski Mitglied der 1946 von Hildegard Buder-Schenck gegründeten Tübinger Arbeitsgruppe für Psychotherapie. (Artikelanfang)
Edeltrud Meistermann-Seeger wuchs als jüngstes Kind einer Lehrerfamilie in Nordrhein-Westfalen auf, ihr Vater unterrichtete Geschichte, ihre Mutter Handarbeiten. Gegen ihren Wunsch musste sie mit siebzehn eine Lehre als kaufmännische Angestellte antreten. Sie heiratete den Syndikus ihrer Lehrfirma und wurde Mutter von vier Kindern. Nach dem Scheitern der Ehe machte sie sich mit einem Zucker-Großhandel selbständig. Sie holte das Abitur nach und begann 1942 in Köln ein Psychologiestudium, das sie mit einer Dissertation über den Rorschach-Test abschloss. 1947 heiratete sie den Maler Georg Meistermann (1911-1990) (Abb.).
Von 1956 an war Edeltrud Meistermann-Seeger Lehrbeauftragte bei René König an der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Köln. Parallel zu ihrer Arbeit an der Universität absolvierte sie eine psychoanalytische Ausbildung und schloss 1958 ihre Lehranalyse bei Michael Balint in London ab. Seit 1963 lehrte sie in Köln "Psychoanalytische Probleme der Soziologie" und wurde Leiterin der Psychoanalytischen Abteilung am Forschungsinstitut Soziologie. 1965 gründete sie die Deutsche Gesellschaft für Sozialanalytische Forschung (DGSF), deren Präsidentin sie bis 1974 war. 1974 zählte sie zu den MitgründerInnen der Psychoanalytischen Arbeitsgemeinschaft Köln-Düsseldorf als Institut der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung, wo sie auch eine der ersten Lehranalytiker:innen war.
Edeltrud Meistermann-Seegers besonderes Interesse galt der Sozialanalyse, also der Anwendung des psychoanalytischen Modells auf gesellschaftliche Fragen. Einer ihrer Schwerpunkte Ende der 1960er Jahre war die Gastarbeiterproblematik, die sie im Auftrag der damaligen EWG mit psychoanalytischen Verfahren untersuchte. Darüber hinaus entwickelte sie auf der Grundlage der Balintschen Fokaltherapie ihre eigene Form der Kurztherapie und ein Fokaltraining für Analytiker. Im Zentrum ihres Therapieansatzes steht Balints Konzept der primären Liebe, deren Kennzeichen Strukturlosigkeit und freundliche Weiten sind. Eine solche Form der Liebe, d. h. die Bereitschaft, mit dem fremden Objekt zu verschmelzen bei gleichzeitiger Fähigkeit zur Distanz, betrachtete sie als das wichtigste therapeutische Instrument. (Artikelanfang)
Luise Meyer wurde in Kiel geboren als Tochter des Schuldirektors Heinrich Meyer und seiner Frau Anna geb. Doose. 1927 schloss sie in Kassel ihre Ausbildung zur Gewerbelehrerin ab und ging 1929 nach Berlin. Sie war in der Gefährdetenfürsorge tätig und unterrichtete ab 1931 in der hauswirtschaftlichen Berufsschule in Berlin-Köpenick sowie ab 1943 im Friedrich-Fröbel-Haus, der Kinderpflegerinnenschule der Stadt Berlin. 1943 begann sie eine psychotherapeutische Fortbildung am Deutschen Institut für Psychologische Forschung und Psychotherapie ("Göring-Institut") und machte von 1944 bis 1946 eine Lehranalyse bei Hans March, Freudianer und Mitglied der "Arbeitsgruppe A“.
Nach dem Krieg gab sie die Leitung einer Gewerbeschule in Berlin-Karlshorst auf und wurde Mitarbeiterin an dem von Werner Kemper und Harald Schultz-Hencke gegründeten Zentralinstitut für psychogene Erkrankungen bei der Versicherungsanstalt Berlin. Ihre ersten Patienten waren verwahrloste und neurotische Kinder, ab 1946 behandelte sie auch Erwachsene. Ihre Fälle wurden von Adelheid Fuchs-Kamp, Felix Boehm, Schultz-Hencke und Hans Schneider-Kassel supervidiert. Bei Schneider-Kassel machte sie 1947 eine weitere Analyse und wurde wie er Mitglied und später Lehranalytikerin der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft (DPG). 1947 war sie auch Gründungsmitglied des Instituts für Psychotherapie Berlin (IfP), das von Schultz-Hencke geleitet wurde und wie das "synoptische" Göring-Institut eine schulenübergreifende Ausrichtung hatte. Luise Meyer lehrte u. a. am IfP und wurde 1968 pensioniert. (Artikelanfang)
Margarete Mitscherlich, die wohl populärste deutsche Psychoanalytikerin, wurde bekannt vor allem durch ihr feministisches Engagement und ihre Veröffentlichungen über die Frau in der patriarchalischen Gesellschaft. Sie kam in Gravenstein/Gråsten an der Ostsee als jüngste Tochter des dänischen Arztes Nils Peter Nielsen und der deutschen Lehrerin Grete Leopold zur Welt. Ihre Mutter gehörte der deutschen Frauenbewegung um Gertrud Bäumer an. Margarete Nielsen studierte zunächst Germanistik, Anglistik, Geschichte und Kunstgeschichte in München, mit dem Ziel, Lehrerin zu werden. 1938, nach dem Tod ihres Vaters, wechselte sie in die Medizin und legte 1944 in Heidelberg ihr Staatsexamen ab.
1947 ging Margarete Nielsen in die Schweiz, wo sie in Rudolf-Steiner-Sanatorien und an einer orthopädischen Klinik arbeitete. Während ihrer Assistenzärztinnenzeit in Zürich vertiefte sich ihre Beziehung zu dem Arzt und Psychoanalytiker Alexander Mitscherlich (1908-1982), durch dessen Einfluss sie sich der Psychoanalyse zuwandte. 1949 kam ihr gemeinsamer Sohn Matthias zur Welt.
1950 promovierte Margarete Nielsen an der Tübinger Universität zum Dr. med. und arbeitete ab 1952 als Wissenschaftliche Assistentin in der psychotherapeutischen Abteilung für Kinder und Jugendliche an der von Mitscherlich gegründeten Psychosomatischen Klinik in Heidelberg. Ihre erste Analyse machte sie 1950 bei der aus Rumänien stammenden Psychoanalytikerin Vilma Popescu. Danach folgte eine weitere Analyse bei Felix Schottlaender. Weil sie die deutsche Psychoanalyse als veraltet empfand, ging sie 1954 nach London und machte eine dritte Analyse bei Michael Balint (1954 und 1958/59). 1955 heiratete sie Alexander Mitscherlich. Als dieser 1960 Leiter des neugegründeten Frankfurter Instituts und Ausbildungszentrums für Psychoanalyse und Psychosomatik, des späteren Sigmund-Freud-Instituts, wurde, gehörte Margarete Mitscherlich-Nielsen zu seinen Mitarbeiter:innen.
1967 erschien ihr gemeinsames Buch über Die Unfähigkeit zu trauern, in dem die Mitscherlichs die Tendenz der bundesrepublikanischen Gesellschaft, ihre NS-Vergangenheit zu verdrängen und zu verleugnen, analysierten. Aus Furcht vor einer depressiven Phase seien viele Deutschen unfähig, über das Verlorene und Nicht-wieder-Gutzumachende zu trauern, und setzten sich damit der Gefahr eines Wiederholungszwangs aus. Die psychischen Ursachen und Folgen des Nationalsozialismus untersuchte Margarete Mitscherlich-Nielsen auch in späteren Arbeiten, indem sie z. B. eine Nähe von faschistischen und männlichen Werten feststellte.
Margarete Mitscherlich versuchte - bei aller Kritik an Sigmund Freuds Weiblichkeitsvorstellungen - eine Brücke zwischen Feminismus und Psychoanalyse zu schlagen. Zu ihren wichtigsten Arbeiten gehört das 1979 erschienene Buch Die friedfertige Frau, in dem sie die These aufstellte, Frauen seien nicht von Natur aus friedfertiger als Männer, sondern aufgrund ihrer Erziehung zur Weiblichkeit verdrängten sie ihre Aggressionen und wendeten sie gegen sich selbst. Frauen leisteten mit ihrer anerzogenen Anpassungs- und Unterwerfungsbereitschaft ihren eigenen Beitrag zu Gewalt, Krieg und Faschismus. Statt in einer masochistischen Vorwurfs- und Opferhaltung zu verharren, sollten sie ihre Trauerarbeit nach außen wenden, als Kritik an männlicher Herrschafts- und Gewaltanmaßung. Für eine menschlichere Gesellschaft, so lautet Margarete Mitscherlichs These in Die Zukunft ist weiblich, sollten möglichst viele Männer und Frauen "weibliche" Eigenschaften wie Einfühlungsvermögen und Mitleid entwickeln.
Margarete Mitscherlich war Lehranalytikerin und Ausbildungsleiterin der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung. Von 1982 bis 1997 war sie Herausgeberin der Zeitschrift Psyche, wo sie auch zahlreiche Artikel veröffentlichte. Bis in ihr hohes Alter praktizierte sie noch und war als Gastwissenschaftlerin am Frankfurter Sigmund-Freud-Institut tätig. (Artikelanfang)
Melitta Mitscherlich wurde in Würzburg geboren als Tochter von Valentin Behr und Erna geb. Schlingmann. Ihr Vater, ein naturheilkundlich orientierter Arzt, führte in Bad Kissingen ein Sanatorium. Melitta Behr studierte Medizin in Frankfurt, Freiburg und München, wo sie 1931 promovierte. Im gleichen Jahr zog sie nach Berlin und heiratete 1932 Alexander Mitscherlich (1908-1982), damals ein abgebrochener Geschichtsstudent und Buchhändler. Auf ihre Anregung hin begann er ebenfalls Medizin zu studieren. Ihre Töchter Monika (i.e. Monika Seifert, "Mutter der antiautoritären Kinderläden") und Barbara wurden 1932 und 1933 geboren. 1934 trennte sich das Paar und ließ sich zwei Jahre später scheiden.
Melitta Mitscherlich zog 1934 mit ihren Töchtern nach Bad Kissingen, wo sie gemeinsam mit ihrem Vater das Sanatorium leitete. Sie ging eine neue Beziehung ein und bekam 1936 noch einen Sohn. Während der Kriegsjahre studierte sie in den Wintersemestern Philosophie bei Martin Heidegger in Freiburg. Nach dem Krieg spezialisierte sie sich als Neurologin und Psychiaterin am Landeskrankenhaus Tiefenbrunn bei Göttingen. Ihre psychoanalytische Ausbildung erhielt sie am Göttinger Institut für Psychoanalyse und Psychotherapie, das 1954 von Anhängern des Neoanalytikers Harald Schultz-Hencke gegründet worden war.
Melitta Mitscherlich wurde Mitglied der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft und ließ sich in Düsseldorf nieder. 1958 beteiligte sie sich an der Gründung des Instituts für analytische Psychotherapie im Rheinland. Sie widmete sich erfolgreich der Behandlung psychosomatischer Krankheiten, die sie auf eine missglückte Symbolisierung in der frühen Mutter-Kind-Interaktion zurückführte. Bekannt wurde sie vor allem durch ihre Theorie und Therapie des Schiefhalses (Torticollis), den sie als präödipale Konversionshysterie bzw. präverbales Symbol deutete: Der Patient regrediere auf einen Zustand, in dem ihm nur motorische Ausdrucksweisen zur Verfügung stehen, wobei der Torticollis die Ambivalenz einer Hinwendung zur Mutterbrust bei gleichzeitiger Abwendung von ihr symbolisiere. Als eine Pionierin der Psychosomatik wurde Melitta Mitscherlich zur Honorarprofessorin für dieses Fach an die Universität Düsseldorf berufen.
Sie war außerdem aktives Mitglied der Humanistischen Union und unterstützte die Gründung einer Freien Internationalen Hochschule 1974 durch Josef Beuys. (Artikelanfang)
Die Nervenärztin und Psychoanalytikerin Emma Moersch wuchs in Kehl als älteste Tochter eines Eisenbahnarbeiters und einer streng religiösen Mutter auf. Nach dem Krieg war sie zunächst Wohlfahrtspflegerin und besuchte gleichzeitig die Stuttgarter Akademie für Tiefenpsychologie. Nach einer Analyse bei einer Jungianerin begann Emma Moersch Ende 1953 in Heidelberg ein Psychologiestudium, wechselte dann zur Medizin und promovierte 1960 in Heidelberg. Dort absolvierte sie auch ihre Medizinalassistentenzeit an der von Alexander Mitscherlich geleiteten Psychosomatischen Klinik. Sie arbeitete in der Nervenklinik in Freiburg, bevor sie 1966 zu Lucien Israël an die Psychiatrische Universitätsklinik in Straßburg ging. Hier kam sie zum ersten Mal mit der Psychoanalyse Jacques Lacans in Berührung.
Ihre Lehranalyse begann Emma Moersch bei Wolfgang Auchter in Freiburg und setzte sie bei Clemens de Boor in Heidelberg fort. Von 1967 bis 1969 arbeitete sie wieder an der Heidelberger Psychosomatischen Klinik, und ab 1970 war sie ca. zwanzig Jahre lang am Sigmund-Freud-Institut in Frankfurt tätig, zunächst als Alexander Mitscherlichs Assistentin und danach als Leiterin der Abteilung Klinische Psychoanalyse. Außerdem beteiligte sie sich am Aufbau des 1974 gegründeten Psychoanalytischen Seminars Freiburg. Sie war Mitarbeiterin der Zeitschrift Psyche und in den 1970er Jahren Vorstandsmitglied der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung (DPV) sowie Vizepräsidentin für die deutschsprachigen Länder in der Europäischen Psychoanalytischen Föderation.
Emma Moersch setzte sich besonders für die Vermittlung der französischen Psychoanalyse in Deutschland ein und übertrug 1973 Das Vokabular der Psychoanalyse von Jean Laplanche und Jean-Bertrand Pontalis ins Deutsche. (Artikelanfang)
Ada Schott, die zu den Pionierinnen der Kinderanalyse zählte, kam in Winkel in Thüringen als Tochter des Pfarrers Walter Schott und seiner Frau Elisabeth geb. Lang zur Welt. Während sie ihren Vater idealisierte, war ihr Verhältnis zu ihrer psychisch labilen Mutter eher problematisch. Nach der Mittleren Reife machte sie eine Ausbildung zur Kindergärtnerin und begann 1914 eine therapeutische Analyse bei Carl Müller-Braunschweig, die dann in eine Lehranalyse überging. 1919/20 besuchte sie in Wien einen Kursus in "Psychoanalytischer Heilpädagogik" bei Hermine Hug-Hellmuth und erlernte bei dieser die Analyse von Kindern, was eine Eigenanalyse einschloss. Von 1920 bis 1921 arbeitete sie im Pestalozzi-Fröbel-Haus mit vorschulpflichtigen Kindern.
Ada Schott wurde 1923 außerordentliches, 1926 ordentliches Mitglied der Berliner Psychoanalytischen Vereinigung (BPV) und eröffnete eine eigene psychoanalytische Praxis. Sie zählte 1924 zu den ersten fünf Teilnehmer:innen des von Otto Fenichel initiierten "Kinderseminars", eines Diskussionszirkels jüngerer Mitglieder und Kandidat:innen der BPV. Bereits seit 1922 war Ada Schott an der Berliner Psychoanalytischen Poliklinik für die Kinderanalyse verantwortlich. Wie Josine Müller-Ebsen praktizierte und lehrte Ada Schott die Kinderanalyse schon, bevor Melanie Klein nach Berlin kam, und verwendete noch vor ihr Spielzeug und Kinderzeichnungen als Deutungsgrundlage.
1925 heiratete Ada Schott ihren Lehranalytiker Carl Müller-Braunschweig (1881-1958), nachdem dieser sich von seiner ersten Frau Josine Müller-Ebsen hatte scheiden lassen. Zunächst widmete sie sich der Erziehung ihrer beiden, 1926 und 1927 geborenen Kinder; ein neurotisches Symptom ihres Sohnes Hans (der später selbst Psychoanalytiker wurde) nahm sie zum Thema ihres Aufsatzes Ein Fall von Schattenangst und Fragezwang (bei einem dreijährigen Knaben).
Von 1933 an führte sie wieder Lehranalysen durch, unter anderem mit Käthe Dräger. Sie hielt pädagogische Seminare am Berliner Psychoanalytischen Institut (BPI) ab, das nach der Emigration Max Eitingons von Carl Müller-Braunschweig und Felix Boehm geleitet wurde. Nach der Eingliederung des BPI in das 1936 gegründete Deutsche Institut für Psychologische Forschung und Psychotherapie ("Göring-Institut") war Ada Müller-Braunschweig dort unter dem Titel "Behandelnder Psychologe" tätig.
Beeinflusst durch eine 1940 bei der Jungianerin Käthe Bügler begonnene Fortbildungsbehandlung, wandte sich Ada Müller-Braunschweig stärker der jungianischen Richtung zu - im Unterschied zu ihrem Mann, der die Analytische Psychologie C. G. Jungs ablehnte. Nachdem Carl Müller-Braunschweig 1938 am Göring-Institut wegen eines mitfühlenden Briefs an Anna Freud in Ungnade gefallen war, übernahm Ada Müller-Braunschweig viele Lehr- und Kontrollanalysen, allerdings ausschließlich mit Frauen.
Nach dem Krieg schloss sie sich dem von Käthe Bügler initiierten Berliner Jungianischen Arbeitskreis an. Sie gehörte dann aber zu den ersten Mitgliedern der 1950 von ihrem Mann gegründeten Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung, für die sie in den folgenden Jahren als Lehranalytikerin tätig war.
Die als scheu und zurückhaltend beschriebene Ada Müller-Braunschweig veröffentlichte wenig, sie hielt lieber kleine Seminare ab statt großer Vorlesungen. Interviews, die sie nach dem Krieg in einem Frauen-Jugendgefängnis durchführte, mündeten nie in eine wissenschaftliche Arbeit. Sie erlag mit 62 Jahren, ein Jahr nach dem Tod ihres Mannes, einer Lungenentzündung. (Artikelanfang)
Josine Müller-Ebsen war eine der ersten Kinderanalytikerinnen in Deutschland. Sie wurde in Hamburg als Tochter des Kaufmanns Hermann Ebsen geboren. Ihre Mutter starb bald nach ihrer Geburt, wodurch eine starke Bindung an den Vater entstand. Gemeinsam mit ihrer Freundin Karen Horney begann Josine Ebsen 1906 in Freiburg ein Medizinstudium. Hier lernte sie Carl Müller-Braunschweig, den späteren Leiter des Berliner Psychoanalytischen Instituts, kennen, den sie 1913 heiratete.
1911 legte sie das Staatsexamen ab und war anschließend als Medizinalpraktikantin in der Kinderheilstätte Hohenlychen und am Berliner Städtischen Krankenhaus am Urban tätig. 1912 promovierte sie, danach war sie von 1913 bis 1919 Assistenzärztin am Krankenhaus Friedrichshain. Von 1915 bis 1916 absolvierte sie am Sanatorium Berolinum in Lankwitz eine neurologisch-psychiatrische Facharztausbildung.
Ihre Lehranalyse machte Josine Müller-Ebsen von 1912 bis 1913 bei Karl Abraham. Zehn Jahre später, von 1923 bis 1926, ging sie noch einmal zu Hanns Sachs in die Analyse. 1921 wurde sie Mitglied der Berliner Psychoanalytischen Vereinigung und war zusammen mit Ada Schott an der Poliklinik des BPI für die Kinderanalyse zuständig. 1925 ließ sich Carl Müller-Braunschweig von ihr scheiden, um Ada Schott zu heiraten. Ein Grund für das Scheitern der Ehe soll in ihrer Kinderlosigkeit gelegen haben. Von 1926 bis zu ihrem frühen Tod 1930 praktizierte Josine Müller-Ebsen als niedergelassene Fachärztin für Nervenkrankheiten in Berlin. Lehranalysand:innen von ihr waren Steff Bornstein, Käthe Misch-Frankl und Kilian Bluhm.
Josine Müller-Ebsen war eine Verfechterin der Frauenemanzipation und befasste sich neben der Kinderanalyse auch mit Fragen der weiblichen Sexualität. In ihrem 1931 veröffentlichten Beitrag zur Frage der Libidoentwicklung des Mädchens in der genitalen Phase vertrat sie - ähnlich wie Karen Horney, auf die sie sich bezog - die von Sigmund Freud abweichende Ansicht, dass die Vagina schon sehr früh libidinös besetzt wird und für das kleine Mädchen die wichtigste erogene Zone und das erste Sexualorgan darstellt. Diese frühe Besetzung der Vagina werde zugunsten der Klitoris unterdrückt, woraus eine narzisstische Kränkung resultiere, die den Penisneid begünstigt.
Diese viel beachteten Ausführungen, die später von Janine Chasseguet-Smirgel in ihrer Einleitung zu dem Sammelband Psychoanalyse der weiblichen Sexualität wieder aufgegriffen wurden, bildeten das Exposé für eine von Josine Müller-Ebsen geplante größere Arbeit über "Die infantile Weiblichkeit im Narzißmus". Sie konnte jedoch ihre Forschungen nicht zu Ende führen, da sie auf einer Schiffsreise zu den Kanarischen Inseln an einer Lungenentzündung starb. (Artikelanfang)
Elisabeth Naef wurde in Minsk in Weißrussland geboren als älteste Tochter von Simon (Shimshon) Rosenbaum und Johanna geb. Wolf. Ihr Vater war Rechtsanwalt, Zionist und Politiker, 1906 Mitglied der ersten Reichs-Duma und später Minister für jüdische Angelegenheiten im unabhängigen Litauen. Elisabeth Rosenbaum ging in Berlin und Zürich zur Schule, wo sie 1909 die Matura ablegte. 1907 heiratete sie den Schweizer Zoologen und Paläontologen Adolf Naef (1883-1949), im gleichen Jahr wurde ihre Tochter Gerda geboren. Die Ehe wurde 1910 wieder geschieden.
Elisabeth Naef studierte von 1909 bis 1914 in Zürich und Berlin Medizin und war nach dem Studium als Assistentin in verschiedenen Kliniken tätig: den Kantonsspitälern Münsterlingen und Schaffhausen, der Chirurgischen Privatheilanstalt von Albert Krecke in München, der Psychiatrischen und Nervenklinik der Universität Königsberg und der Neurologischen Poliklinik in Berlin. In Königsberg arbeitete sie während des Ersten Weltkriegs mit Frieda Reichmann zusammen, die eine Zeitlang ihre Tochter Gerda als Pflegekind bei sich aufnahm, als Elisabeth Naef sich wegen ihrer Morphiumabhängigkeit nicht um diese kümmern konnte.
1923 promovierte Elisabeth Naef an der medizinischen Fakultät der Friedrich-Wilhelm-Universität in Berlin, ihre Dissertation trug den Titel Ueber einen Fall von linksseitigem Stirnhirntumor mit psychischen Störungen. Zur gleichen Zeit begann sie ihre Tätigkeit als Nervenärztin an der Poliklinik der Berliner Psychoanalytischen Vereinigung (BPV) – zusammen mit Salomea Kempner, mit der sie auch befreundet war.
Sie absolvierte eine Ausbildung am Berliner Psychoanalytischen Institut, wo sie zum Freundeskreis um Otto Fenichel gehörte und 1924 zu den ersten Teilnehmer:innen des "Kinderseminars", eines Diskussionszirkels jüngerer Mitglieder und Kandidat:innen, zählte. Ihre Lehranalyse machte sie bei Karl Abraham. 1926 wurde Elisabeth Naef außerordentliches und ein Jahr später ordentliches Mitglied der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft (DPG). Neben Rezensionen, die sie in den 1920er Jahren für die Zeitschriften IZP und Imago verfasste, übersetzte sie Wera Schmidts Aufsatz Die Entwicklung des Wißtriebes bei einem Kinde aus dem Russischen, der 1930 in Imago erschien. Eine Analysandin von ihr war die amerikanische Journalistin und Schriftstellerin Agnes Smedley.
1933, nach Hitlers Machtübernahme, wurde sie im Zuge der Selbstgleichschaltung der DPG wie Salomea Kempner als „ausländische Jüdin“ von ihrer Tätigkeit in der Poliklinik entbunden. Während die meisten jüdischen Mitglieder Deutschland verließen, sah Elisabeth Naef in der Emigration für sich keine Lösung und nahm sich 1934 das Leben. (Artikelanfang)
Laura Perls, bekannt als Mitbegründerin der Gestalttherapie, wurde als Tochter einer jüdischen Juweliersfamilie in Pforzheim geboren. 1923 begann sie ein Jurastudium in Frankfurt, wechselte dann aber 1926 zur Psychologie und Philosophie. Sie besuchte Lehrveranstaltungen der Gestaltpsychologen Max Wertheimer, Kurt Goldstein und Adhemar Gelb sowie von Edmund Husserl, Paul Tillich und Martin Buber und promovierte 1932 bei Gelb über visuelle Wahrnehmung. 1926 lernte sie Fritz Perls (1893-1970) kennen, der damals Assistent von Goldstein war und Anfang der 1930er Jahre seine psychoanalytische Ausbildung mit einer Lehranalyse bei Wilhelm Reich abschloss.
Lore Posner begann ihre psychoanalytische Ausbildung 1927 in Frankfurt bei Karl Landauer, ihre Lehranalyse machte sie bei Frieda Fromm-Reichmann. Außerdem studierte sie Ausdruckstanz und lernte bei Elsa Gindler sensitive Körper- und Bewegungsarbeit. 1930 heirateten Laura und Fritz Perls und zogen nach Berlin. Ihre Kinder Renate und Steve wurden 1931 bzw. 1935 geboren. Ab 1932 praktizierte Laura Perls in Berlin als Psychoanalytikerin unter der Supervision von Otto Fenichel. Wie ihr Mann war sie im antifaschistischen Widerstand aktiv. Nach Hitlers Machtübernahme emigrierten beide 1933 nach Holland und ein Jahr später nach Südafrika.
In Johannesburg widmeten sie sich dem Aufbau des ersten Südafrikanischen Instituts für Psychoanalyse und verfassten gemeinsam das Buch Ego, Hunger, and Aggression (1942) - als Autor wird jedoch nur Fritz Perls genannt. Darin unternahmen sie eine phänomenologisch und ganzheitlich inspirierte Revision der Freud'schen Analyse, die die Grundlage für die Entwicklung der Gestalttherapie bildete. In deren Zentrum steht die "Wahrnehmung" (im doppelten Sinne) seiner selbst und die Befriedigung seiner Bedürfnisse in einem flexiblen Gleichgewicht mit der Umwelt. Laura Perls Mitwirkung an dem 1951 erschienenen Buch Gestalt Therapy von Fritz Perls, Paul Goodman und Ralph Hefferline, blieb ebenfalls unerwähnt.
1947 wanderten Laura und Fritz Perls in die USA aus und eröffneten eine Privatpraxis in New York. 1952 gründeten sie mit Paul Goodman das New York Institute for Gestalt Therapy, das von Laura Perls geleitet wurde, nachdem Fritz Perls seinen Schwerpunkt nach Kalifornien verlegt hatte. 1976 gab sie ihre Privatpraxis auf und widmete sich nur noch der Ausbildungstätigkeit. Laura Perls übte einen großen Einfluss auf die Entwicklung der Gestalttherapie aus, veröffentlichte selbst jedoch nur wenig. Von 1969 bis 1989 reiste sie jeden Sommer nach Europa und leitete Workshops in England, Holland und Belgien, später auch in Deutschland.
1990 kehrte sie nach Pforzheim zurück und lebte dort bis zu ihrem Tod in einem Altenheim. (Artikelanfang)
Vilma Popescu stammte aus Rumänien, wo sie ihre psychoanalytische Ausbildung bei einem Karl Abraham- und einem Sándor Ferenczi-Schüler erhielt. Nach Kriegsende verließ sie Rumänien und ging nach Deutschland. Sie arbeitete als Lehranalytikerin in Stuttgart und gehörte zu den Freudianer:innen am Stuttgarter Institut für Psychotherapie und Tiefenpsychologie, das 1948 von Felix Schottlaender, Hermann Gundert und Wilhelm Bitter gegründet worden war. Vilma Popescu zählt zu den Schüler:innen Schottlaenders, in dessen Haus sie eine Zeitlang lebte. In einem Seminar über Kinderträume entwickelte sie damals eine eigene Methode, Träume von Kindern kindgemäß zu deuten, indem sie sie zu Märchen umarbeitete. Zu ihren Analysand:innen zählten Anfang der 1950er Jahre Margarete Mitscherlich und Tobias Brocher.
Sie war mit dem Richter Aurel Popescu verheiratet, mit dem sie einen Sohn hatte. Als ihr Mann wegen politischer Schwierigkeiten gezwungen war, Deutschland zu verlassen, emigrierte sie 1953 mit ihm nach Kanada. Sie ließen sich in Montreal nieder, und Vilma Popescu wurde Mitglied der Canadian Psychological Association und der Canadian Psychoanalytic Society (CPS). Von ihrer inhaltlichen Arbeit ist aus dieser Zeit ein Vortrag über "A case of identical twins with secondary amenorrhea" aktenkundig, den sie 1960 vor der CPS in Montreal hielt.
Zu Beginn der 1970er Jahre kehrte Vilma Popescu mit ihrem Mann nach Deutschland zurück. Auf Einladung von Helmut Thomä war sie bis ungefähr 1975 als Lehranalytikerin der Psychoanalytischen Arbeitsgemeinschaft Ulm (Institut der DPV) tätig und vertrat dort einen ich-psychologischen Ansatz. Danach ging sie wieder nach Kanada, wo ihre Familie lebte. (Artikelanfang)
Die Lacanianerin Jutta Prasse kam im südbadischen Schopfheim als Tochter von Max Prasse und seiner Frau Dora geb. Trefzer zur Welt. Ab 1960 studierte sie Germanistik, Romanistik und Linguistik in Freiburg, Wien und Paris, 1966 legte sie in Freiburg ihr Staatsexamen ab und promovierte dort 1971.
1966 ging sie nach Mailand, wo sie als Lehrerin am Goethe-Institut und als freie Mitarbeiterin mehrerer italienischer Verlage tätig war. Dann wandte sie sich der Psychoanalyse zu, wobei sie sich als Literaturwissenschaftlerin besonders von Jacques Lacan und seiner These von der sprachlichen Struktur des Unbewussten angesprochen fühlte. Sie absolvierte in Mailand und Paris ihre psychoanalytische Ausbildung und begann Mitte der 1970er Jahre als Psychoanalytikerin in Mailand zu praktizieren.
1978 gehörte Jutta Prasse zu den Gründer:innen der Sigmund-Freud-Schule in Berlin, wohin sie drei Jahre später übersiedelte. Nach der Auflösung dieses ersten deutschsprachigen Lacan-Kreises beteiligte sie sich an der Gründung der Berliner Psychoanalytischen Assoziation "Die Zeit zum Begreifen" (1988) - deren Präsidentin sie auch war -, der Assoziation für die Freud'sche Psychoanalyse (1993) und der Freud-Lacan-Gesellschaft Berlin (1998).
Von ihren zahlreichen psychoanalytischen Texten sind vierzehn in dem posthum erschienenen Band Sprache und Fremdsprache versammelt, in denen sie anhand literarischer Texte dem weiblichen und männlichen Begehren, dem Mutterideal und der Frage von Sexualität und Wissen nachgeht. Daneben übersetzte sie unter dem Pseudonym Dora Winkler auch Romane aus dem Italienischen, Englischen und Französischen. (Artikelanfang)
Edith Raisich, aus Oberschlesien stammende jüngste Tochter eines Molkereidirektors, besuchte eine klösterliche Internats-Oberschule, bevor diese während der NS-Zeit schließen musste. 1945 floh sie mit ihrer Schwester vor der sowjetischen Armee nach Oberösterreich und begann im gleichen Jahr in Innsbruck Medizin zu studieren. Sie beendete ihr Studium 1952 in Münster und promovierte mit einer Arbeit in der pathologischen Anatomie. Durch ihre Tätigkeit in einer Tuberkuloseheilstätte erkannte die bis dahin naturwissenschaftlich orientierte Medizinerin die Bedeutung des körperlich-seelischer Zusammenspiels und entschied sich für eine internistische und psychotherapeutische Facharztausbildung an der Medizinischen Poliklinik in München.
1956 begann sie eine Analyse bei Fritz Riemann, die während ihrer Ausbildung am Münchner Institut für Psychologische Forschung und Psychotherapie in eine Lehranalyse umgewandelt wurde. 1958/59 war sie als Internistin in der von Johannes Cremerius geleiteten psychosomatischen Abteilung der Münchner Poliklinik tätig. 1961 ging sie nach London, um sich an der Tavistock-Klinik bei Michael Balint weiterzubilden, dessen ganzheitliche patientenzentrierte Sichtweise anstelle einer krankheitszentrierten Medizin ihr zum Vorbild wurde. Sie nahm am Seminar Anna Freuds teil und machte eine zweite Analyse bei Eva Rosenfeld.
Danach setzte Edith Raisich ihre Ausbildung am Hamburger Psychoanalytischen Institut fort und war von 1962 bis 1964 als Assistentin an der Psychosomatischen Klinik Hohenkamp der Städtischen Nervenklinik in Bremen tätig. 1963 wurde sie Mitglied der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung (DPV), ein Jahr später eröffnete sie eine eigene psychoanalytische Praxis in Düsseldorf. Seit 1971 ist Edith Raisich Lehr- und Kontrollanalytikerin der DPV.
1974 kehrte sie nach Bremen zurück und beteiligte sich an der Gründung der Psychoanalytischen Arbeitsgemeinschaft Bremen der DPV, der späteren Bremer Psychoanalytischen Vereinigung. Während dieser Zeit lernte sie auch ihren Mann, den Psychologen und Psychoanalytiker Heinrich Jordt (1927-1984), kennen. (Artikelanfang)
Ellen Katharina Reinke wurde in Offenbach als Tochter des Fotografen Josef Schott und seiner Ehefrau Antonie geboren. Sie arbeitete als Fremdsprachenkorrespondentin, bevor sie 1970 auf dem Hessenkolleg Frankfurt/M. das Abitur nachholte. Anschließend studierte sie von 1971 bis 1976 Psychologie und Soziologie in Frankfurt am Main und promovierte 1981 in Bremen mit ihrer Arbeit Zur methodischen Wiedereinführung individueller Subjektivität in der Sozialforschung. Von 1978 bis 1985 war sie Mitinitiatorin und Forschungsleiterin des Modellprojekts "Soziotherapie mit Delinquenten" in Frankfurt, woraus ihre Habilitations-Schrift (1988) und ihr Buch Psychotherapie und Soziotherapie mit Straftätern (1997) hervorging. Darin beschreibt sie die Rehabilitation von Straftätern, die ein dissoziales Syndrom aufwiesen. Zur Anwendung kam dabei die Sozioanalyse, ein - im Sinne Alfred Lorenzers - psychoanalytisch orientierter Ansatz, der objektive, individuell-subjektive und szenische Ebenen integriert.
Parallel zu diesem Forschungsprojekt absolvierte Ellen Reinke ab 1981 am Sigmund-Freud-Institut in Frankfurt ihre Fortbildung zur Psychoanalytikerin und machte eine Lehranalyse bei Marianne Grabhorn. 1987 wurde sie Mitglied der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung und ist seitdem als niedergelassene Psychoanalytikerin tätig. Von 1991 bis zu ihrer Emeritierung im Jahr 2007 lehrte sie als Professorin für Psychologie an der Universität Bremen. Unter anderem war sie Leiterin des Transfer-Instituts "DIALOG - Zentrum für Angewandte Psychoanalyse", Mitglied des Forschungskollegs der IPV und (Mit-) Herausgeberin mehrerer Schwerpunkthefte der Zeitschrift Psychosozial.
Neben ihrem Schwerpunkt Soziotherapie mit Delinquenten publizierte Ellen Reinke zu Themen wie die Theorie der weiblichen Sexualität, Verbindungen zwischen Psychoanalyse und Bindungsforschung, die transgenerationelle Übermittlung von Traumen im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus sowie Forschungsmethoden.
Ellen Reinke ist mit dem Soziotherapeuten Roland Lehmann verheiratet. Ihr Sohn Klaus Rainer stammt aus ihrer vorherigen Ehe mit Wolfgang Köberer. (Artikelanfang)
Hannah Ries begann ihre Laufbahn als Psychoanalytikerin mit therapeutischen Analysen bei Kilian Bluhm (von 1929 bis 1933) und Felix Boehm in Berlin. Ihre 1934 bei Boehm begonnene Analyse wurde in eine Lehranalyse umgewandelt und 1938 abgechlossen. Kontrollanalytikerin war Ada Müller-Braunschweig. 1939 emigrierte Hannah Ries, die jüdischer Herkunft war, nach England, wobei Felix Boehm sie unterstützte. Sie rechnete dies ihrem Lehranalytiker hoch an und nahm ihn später stets in Schutz, als er in Emigrantenkreisen wegen der "Arisierung" der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft (DPG) unter seinem Vorsitz hart angegriffen wurde.
In London wurde Hannah Ries 1940 außerordentliches Mitglied der British Psycho-Analytical Society (BPAS) und erlangte mit ihrem im November 1945 gehaltenen Vortrag über "An 'unwelcome child and her death instinct'" 1946 die ordentliche Mitgliedschaft. Diese ein Jahr später in der DPG vorgetragene Arbeit löste bei Carl Müller-Braunschweig und Felix Boehm harsche Kritik an der analytischen Kompetenz der BPAS und ihrer Kandidatin aus. Ein Grund für ihre Erregung könnte, wie Regine Lockot vermutet, auch in dem Thema liegen: Es konfrontierte die analytischen "Eltern" in Deutschland mit ihrer Schuld an der Vertreibung ihrer jüdischen "unerwünschten Kinder". Käthe Dräger und Margarete Steinbach machten Müller-Braunschweig und Boehm in diesem Zusammenhang auf Fehlinterpretationen und falsche Zitate aufmerksam, und John Rickman wies auf mögliche Neidgefühle gegenüber der von der BPAS geschätzten Kollegin Hannah Ries hin.
Hannah Ries war eine Anhängerin von Anna Freud, ihr Ansehen in London beruhte auf ihrem guten klinischen Gespür und ihrer Integrität. Trotz der feindseligen Reaktion ihrer deutschen Kollegen hing sie an ihrer Heimat und vermisste im englischen Exil die Spontaneität, die sie am alten Berliner Psychoanalytischen Institut so geschätzt hatte. Um 1964 übersiedelte Hannah Ries in die USA nach Los Angeles, wo sie im Alter von 88 Jahren starb. (Artikelanfang)
Christa Rohde-Dachser wurde in Kempten im Allgäu als älteste Tochter des Speditionsunternehmers Thomas Dachser geboren. Ihre Mutter, ebenfalls Kauffrau, arbeitete im Büro der Speditionsfirma ihres Mannes. Mit dem Ziel des Eintritts in die väterliche Firma studierte Christa Dachser von 1956 bis 1961 Betriebswirtschaftslehre in München und Freiburg (Diplom in München), wechselte dann aber zur Soziologie und promovierte 1967 in diesem Fach an der Universität München. Am Soziologischen Institut in München lernte sie auch ihren ersten Mann kennen, den Medizinsoziologen Johann Jürgen Rohde (1929-2001), von dem ihre drei Kinder stammen.
1967 zog die Familie nach Hannover, wo Christa Rohde-Dachser nach einer Familienpause sich am Lehrinstitut für Psychotherapie und Psychoanalyse der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft (DPG) bewarb und von 1971 bis 1976 eine psychoanalytische Ausbildung absolvierte. Ihre Lehranalyse machte sie bei Ilsabe von Viebahn. Anschließend war sie bis 1987 Dozentin an diesem Institut, 1981 wurde sie zur Lehranalytikerin der DPG ernannt. 1982 schloss sie eine Weiterbildung zur Psychodramatherapeutin am Moreno-Institut in Überlingen ab.
Parallel dazu war sie von 1972 bis 1987 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Psychiatrischen Poliklinik der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). 1976 übernahm sie dort die Leitung der psychotherapeutischen Weiterbildung für Ärzte und Psychologen. 1981 wurde sie mit einer Schrift über Das Borderlinesyndrom an der MHH habilitiert und 1986 zur außerplanmäßigen Professorin berufen. Ein Jahr später erhielt sie den ehemaligen Lehrstuhl Alexander Mitscherlichs am Institut für Psychoanalyse im Psychologischen Fachbereich der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt und lehrte dort bis zu ihrer Emeritierung im Jahr 2002.
Die Ablehnung, die sie durch die in Frankfurt dominierende Deutsche Psychoanalytische Vereinigung (DPV) erfuhr, bewegte Christa Rohde-Dachser 1994 dazu, das Institut für Psychoanalyse der DPG in Frankfurt zu gründen, dessen Vorsitzende sie zehn Jahre lang war. 2005 erhielt sie die Anerkennung als Lehranalytikerin der IPV. Von 1992 bis 2012 war sie Mitherausgeberin der Zeitschrift Psyche. Als Reaktion auf die Verdrängung der Psychoanalyse durch die Verhaltenstherapie an deutschen Universitäten gründete sie 2009 mit Jürgen Körner die International Psychoanalytic University, eine staatlich anerkannte private psychoanalytische Hochschule in Berlin.
Besonders bekannt wurde Rohde-Dachser mit ihrer Studie zu Borderline-Störungen sowie durch ihr 1991 erschienenes Buch Expedition in den dunklen Kontinent. Sie zeigt darin die kollektiven unbewussten Phantasien auf, welche den Weiblichkeitsdefinitionen der patriarchalischen Gesellschaft und zugleich auch dem psychoanalytischen Diskurs der Geschlechterdifferenz zugrunde liegen. Zu ihren wissenschaftlichen Schwerpunkten zählen neben klinischen Fragestellungen die Beziehungen der Psychoanalyse zu Kultur, Religion, Kreativität und Film. Unter anderem verfasste sie gemeinsam mit ihrem zweiten Mann, dem Psychoanalytiker Wolfgang Gephart (1943-2017), eine psychoanalytische Interpretation von Jim Jarmuschs Film Dead Man. (Artikelanfang)
Die in Krefeld geborene und aufgewachsene Psychoanalytikerin Lore Schacht studierte von 1954 bis 1959 Medizin in Freiburg und München und spezialisierte sich anschließend als Fachärztin für Psychiatrie. Sie erhielt zwischen 1965 und 1969 ihre psychoanalytische Ausbildung und wurde Mitglied und Lehranalytikerin der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung (DPV). Sie war Assistentin Alexander Mitscherlichs in dessen Psychosomatischer Klinik in Heidelberg, bevor sie 1970 für dreieinhalb Jahre nach London ging, um eine kinderanalytische Zusatzausbildung am British Institute of Psychoanalysis zu absolvieren. Sie machte eine zweite Analyse bei Paula Heimann und lernte Donald W. Winnicott kennen, dessen Objektbeziehungsansatz von entscheidender Bedeutung für ihre Arbeit wurde.
Zurück in Deutschland arbeitete Lore Schacht von 1973 bis 1975 in der Psychosomatischen Klinik der Universität Ulm. Seit 1975 ist sie in freier Praxis tätig, zunächst in Ulm, dann seit 1977 in Emmendingen bei Freiburg. Außerdem lehrte sie an dem 1974 gegründeten Psychoanalytischen Seminar Freiburg. Als erste weibliche DPV-Vorsitzende von 1990 bis 1992 setzte sie sich für eine Annäherung der seit 1950 verfeindeten DPV und Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft (DPG) ein. Von 1989 bis 1999 war sie außerdem Vorsitzende der Sigmund-Freud-Stiftung. Als Mitglied des IPA-Vorstands organisierte sie 1993 zusammen mit Anne-Marie Sandler den Internationalen Psychoanalytischen Kongress in Amsterdam.
Die Fähigkeit zu kreativer Symbolisierung, die im Mittelpunkt ihrer psychoanalytischen Arbeit mit Kindern stand, gewann auch in ihrem eigenen Leben an Bedeutung, als sie sich mit 65 Jahren stärker der Malerei zuwandte.
Die Neoanalytikerin Margarete Seiff kam 1896 in Shanghai zur Welt als ältestes von vier Kindern des deutschen Missionars Paul Kranz und der in Kanada als Tochter eines englischen Schneiders geborenen Emma Algar. 1911 kehrte die Familie Kranz nach Deutschland zurück und ließ sich in Bielefeld nieder. Margarete Kranz begann 1917 in München ein Jurastudium, wechselte dann aber nach Jena, wo sie Nationalökonomie und/oder Philosophie und Psychologie studierte. Anfang der 1920er Jahre heiratete sie in Jena ihren Kommilitonen, den Agrarwissenschaftler Rudolf Seiff (1892-?). Ihre sechs Kinder kamen zwischen 1922 und 1938 zur Welt.
1930 begab sich ihr Mann, der zeitweise unter Depressionen litt, zu dem Neoanalytiker Harald Schultz-Hencke in Analyse. Margarete Seiff hatte Schultz-Hencke bereits 1919 in Jena kennengelernt und absolvierte von 1931 bis 1933 in Berlin eine Lehranalyse bei ihm. Weitere Fortbildungsbehandlungen erhielt sie bei Edith Weigert-Vohwinkel, die 1935 emigrierte. Margarete Seiff wurde 1935 Mitglied der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft (DPG). An dem "arisierten" Deutschen Institut für Psychologische Forschung und Psychotherapie ("Göring-Institut"), das ab 1936 alle psychotherapeutischen Richtungen unter dem Dach der "Deutschen Seelenheilkunde" vereinte, war sie Mitarbeiterin in der Abteilung Erziehungshilfe und ab 1940 Dozentin und Lehranalytikerin. Ihr Mann, damals Regierungsrat in der Senatsverwaltung Berlin, machte ab 1941 eine Ausbildung als Beratender Psychologe am Göring-Institut.
Nach Kriegsende gehörte Margarete Seiff - neben Adelheid Fuchs-Kamp, Otto Haseloff, Werner Schwidder, Annemarie Dührssen und Julie Cellarius - zu den engsten Mitarbeiter:innen Harald Schultz-Henckes, mit denen dieser 1945 die Neoanalytische Vereinigung gründete. Sie beteiligte sich 1947 am Wiederaufbau des schulenübergreifenden Instituts für Psychotherapie in Berlin, wo sie Vorlesungen abhielt und Lehr- und Kontrollanalysen duchführte. Als freie Mitarbeiterin am Berliner Zentralinstitut für psychogene Erkrankungen führte Margarete Seiff 1949 die bis dahin in Deutschland unbekannte analytische Gruppentherapie ein und stellte 1950 die erste Therapiegruppe zusammen.
Nach ihrem Umzug 1951 nach Bonn, wo Rudolf Seiff im Bundesministerium für Wohnungsbau die Stelle eines Regierungsdirektors erhalten hatte, war Margarete Seiff maßgeblich am Aufbau psychoanalytischer Institute der DPG beteiligt: des Instituts für Psychoanalyse und Psychotherapie in Göttingen am Landeskrankenhaus Tiefenbrunn (1954) und des Instituts für analytische Psychotherapie im Rheinland e. V. in Köln (1958). Durch Lehr- und Kontrollanalysen unterstützte sie indirekt auch die Konstituierung der Institute in Hannover und Freiburg. (Artikelanfang)
Anna Margarete Stegmann, Nervenärztin, Psychoanalytikerin und Reichstagsabgeordnete, kam als zwölftes Kind eines Landwirts in Zürich-Enge zur Welt und wurde mit 16 Jahren Vollwaise. Sie war in ihrem ersten Beruf Postbeamtin und erwarb die Hochschulreife über den zweiten Bildungsweg. Anschließend studierte sie in Zürich und Bern Medizin und promovierte 1910 mit einer Arbeit über die Psychologie des Kindsmords. Darin ergriff sie Partei für die Kindsmörderin, die ihrer Meinung nach ein Opfer der Männer und der sozialen Umstände ist. Ihre Assistenzärztinnenzeit absolvierte sie an der Berliner Charité. Nachdem sie 1920 die deutsche Approbation erhalten hatte, eröffnete sie in Dresden eine Praxis als Allgemein- und Nervenärztin.
1909 heiratete Margarete Meier (auch: Meyer) den Gerichtsarzt und Psychiater Arnold Stegmann (1872-1914). Die Ehe blieb kinderlos und wurde bald wieder geschieden. Über ihren Mann, der von Sigmund Freud analysiert worden war, kam Margarete Stegmann mit der Psychoanalyse in Berührung. 1911 gehörte sie neben Mira Gincburg, Tatjana Rosenthal und Karen Horney zu den ersten Frauen, die als ordentliche Mitglieder in die Berliner Psychoanalytische Vereinigung aufgenommen wurden. Ihre Lehranalyse machte sie vermutlich bei Karl Abraham.
Unter ihren psychoanalytischen Publikationen ist vor allem ihr Beitrag über Die Psychogenese organischer Krankheiten und das Weltbild bemerkenswert, in dem sie als eine der ersten eine Psychoanalyse der Krebserkrankung entwarf. Ebenfalls als Pionierarbeit auf dem Gebiet der Psychosomatik von Epilepsien gilt ihr 1913 erschienener Aufsatz über die Darstellung epileptischer Anfälle im Traum. Darüber hinaus veröffentlichte sie zwischen 1913 und 1915 in der IZP mehrere Rezensionen über sexualwissenschaftliche Arbeiten.
1918 trat Margarete Stegmann in die SPD ein. Ab 1920 war sie eine der ersten Stadträtinnen in Dresden und gehörte von 1924 bis 1932 als SPD-Abgeordnete dem Deutschen Reichstag an. Sie war Mitglied im Verein sozialistischer Ärzte und in der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit. Insbesondere setzte sie sich 1924 in der Debatte um den § 218 für das Recht der Frauen auf Abtreibung ein. Ihre Ansichten waren allerdings nicht frei vom rassehygienischen Gedankengut ihrer Zeit, indem sie die Abtreibung auch aus eugenischen Gründen befürwortete. (Artikelanfang)
Margarete (auch Margarita) Steinbach legte 1914 ihr Lehrerinnenexamen ab und unterrichtete von 1921 bis 1926 an der Deutschen Schule in Madrid. Danach kehrte sie nach Deutschland zurück, um an der Berliner Universität bei Wolfgang Köhler und Kurt Lewin Psychologie zu studieren. Gleichzeitig begann sie eine Ausbildung am Berliner Psychoanalytischen Institut und machte eine Lehranalyse bei dem Schweizer Psychiater Gustav Bally, der zwischen 1926 und 1932 in Berlin praktizierte. 1936 wurde sie Mitglied der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft (DPG). Nachdem diese sich 1938 aufgelöst hatte, war sie ab 1939 Mitglied des Deutschen Instituts für Psychologische Forschung und Psychotherapie ("Göring-Institut").
Nach dem Krieg war Margarete Steinbach eine der deutschen Analytiker:innen, die John Rickman von der British Psycho-Analytical Society auf ihre politische Einstellung und fachliche Eignung hin überprüfte. Er bescheinigte ihr ebenso wie Käthe Dräger charakterliche Integrität und erklärte beide als für den psychoanalytischen Beruf geeignet - im Gegensatz zu Carl Müller-Braunschweig und Felix Boehm, die er beide für untauglich befand.
1950 gehörte Margarete Steinbach zu den Psychoanalytikern um Carl Müller-Braunschweig, die die Deutsche Psychoanalytische Vereinigung (DPV) gründeten. Als Müller-Braunschweig von den spanischen Psychiatern Jerónimo Molina Nuñez und Ramón del Portillo (der in Berlin gerade eine Analyse bei Steinbach machte) um Unterstützung bei der Gründung einer psychoanalytischen Gruppe im frankistischen Spanien gebeten wurde, empfahl er ihnen Margarete Steinbach, die von ihrer Madrider Lehrtätigkeit her fließend spanisch sprach. 1951 ging sie also nach Madrid und unternahm dort die psychoanalytische Ausbildung - die erste IPA-Analytikerin in Spanien seit Ángel Garma das Land 1936 verlassen hatte.
In den folgenden drei Jahren führte Margarita Steinbach Lehranalysen mit zehn Ärzt:innen (darunter Júlia Coromines und Carolina Zamora), einem Psychologen und einer Pädagogin (María Teresa Ruiz) durch. Darüber hinaus übernahm sie die Kontrollanalysen, die theoretischen Lehrveranstaltungen und psychotherapeutische Behandlungen. Die von ihr mitgegründete Asociacion Psicoanalìtica Española wurde kurz vor ihrem Tod vom spanischen Innenministerium anerkannt, hatte jedoch ohne ihre Lehranalytkerin keine Zukunft.
Offenbar sind die näheren Umstände ihres Todes ungeklärt geblieben. Ihre Situation als einzige Lehranalytikerin war nicht einfach und wurde außerdem überschattet von den Anfeindungen Molinas, der sich mit der Madrider Gruppe zerstritten hatte und alles daransetzte, Steinbachs Person und ihre Arbeit zu diffamieren. (Artikelanfang)
Edith (Edita) Taglicht wurde in Gainfarn in Niederösterreich geboren als Tochter des Wiener Rabbiners Israel Taglicht und seiner Frau Rosa geb. Rapaport. Ihr Vater war von 1933 bis 1938 Oberrabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Wien und konnte 1939 nach England fliehen.
Edith Taglicht promovierte 1925 an der Universität Wien im Fach Germanistik mit einer Dissertation über Das Purimspiel von König Ahasveros bei Schudt. Zwei Jahre später ging sie nach Berlin, wo sie von 1928 bis 1935 als Religionslehrerin in Schulen der Jüdischen Gemeinde unterrichtete. Sie wurde als Ausbildungskandidatin am Berliner Psychoanalytischen Institut angenommen und begann noch Ende 1934 eine Lehranalyse bei Lotte Liebeck-Kirschner.
Edith Taglicht war in Berlin wie Edith Jacobssohn Mitglied der marxistischen Widerstandsgruppe "Neu Beginnen" (Deckname „Ted“). Sie stellte ihre Wohnung (eigentlich die Wohnung von Siegfried und Suzanne Bernfeld) für Treffen zu Verfügung, versteckte Gefährdete und leistete Kurierdienste. 1935 wurde sie verhaftet und wegen Hochverrats vor Gericht gestellt. Nach Intervention des Wiener Erzbischofs und der österreichischen Botschaft wurde sie 1936 freigesprochen.
Anschließend emigrierte sie über Wien und Prag im Oktober 1938 nach New York. 1941 heiratete sie dort den Berliner Fritz (Frederic) Schmidt (1902-?), der ebenfalls Mitglied von "Neu Beginnen" war. Edith Taglicht Schmidt war Gründerin und Direktorin des Educational Institute for Learning and Research, einer Privatschule für lernbehinderte Schüler in New York, die von 1940 bis 1989 existierte. Sie war als Psychologin an der Columbia Universität und am Caroline Zachry Institute of Personality Development tätig und war Mitglied der American Orthopsychiatric Association. (Artikelanfang)
Hilde Troidl war Studienrätin und in den 1930er Jahren Mitarbeiterin des Adlerianers Leonhard Seif in der Erziehungsberatungsstelle der Münchner Arbeitsgemeinschaft für Gemeinschaftspsychologie. Sie begann bei Leonhard Seif eine Lehranalyse, die sie dann bei dem Freudianer bzw. Neoanalytiker Fritz Riemann beendete. Später wandte sie sich der Charakteranalyse Wilhelm Reichs zu, was offenbar zu einem Loyalitätskonflikt mit Riemann führte. Hilde Troidl war an der 1952 in Kooperation mit der Universitäts-Kinderpoliklinik München gegründeten Erziehungsberatungsstelle in Erding tätig, deren Leitung sie 1954 übernahm. Seit 1954 war sie außerdem Lehranalytikerin am Münchner Institut für psychologische Forschung und Psychotherapie. Zu ihren Lehranalysand:innen zählte auch Lotte Köhler.
1963 wurde ihre Freundin, die Psychotherapeutin Marie Renner, von einem psychotischen Patienten ermordet. Noch während der Gerichtsverhandlung zu diesem Mord erkrankte Hilde Troidl an einer paranoiden Psychose, und Fritz Riemann ließ sie in eine Nervenklinik einweisen. Nach ihrer Erkrankung, die möglicherweise durch einen (damals nicht unüblichen) LSD-Selbstversuch ausgelöst worden war, zog sie sich aus ihrer psychoanalytischen Tätigkeit zurück. (Artikelanfang)
Die Neoanalytikerin Ruth Vanselow wurde in Berlin als jüngste Tochter von Ernst Vanselow und Elisabeth von Ziegler geboren. Ihr Vater war Marineoffizier und hatte 1918 den Waffenstillstandsvertrag mit unterzeichnet. Nach dem Krieg wurde er Jurist. Ruth Vanselow verbrachte ihre Kindheit in Freiburg, bevor die Familie 1926 wieder nach Berlin zog. Sie besuchte eine Landfrauenschule und absolvierte von 1938 bis 1940 in Berlin eine Ausbildung zur chemisch-biologischen Assistentin. Danach arbeitete sie im Hormonforschungslaboratorium der Schering AG. Während des Zweiten Weltkriegs erwarb sie über den zweiten Bildungsweg die Hochschulreife und studierte dann von 1951 bis 1957 Psychologie in Göttingen.
1957 begann sie ihre psychoanalytische Ausbildung am Niedersächsischen Landeskrankenhaus Tiefenbrunn bei Göttingen, wechselte jedoch bald nach Berlin. Ihre bei der Elly Achelis-Lehbert in Göttingen begonnene Lehranalyse setzte sie in Berlin bei dem Freudianer Hans Schneider-Kassel und schließlich bei dem Jungianer Julius Schirren fort. 1961 trat Ruth Vanselow ihre Stelle als Psychotherapeutin am Institut für analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie für das Land Niedersachsen (Child Guidance Clinic) in Hannover an. Nachdem sie 1965 ihre Prüfung zur psychoanalytischen Psychotherapeutin am Lehrinstitut für Psychoanalyse und Psychotherapie in Hannover abgelegt hatte, war sie bis 1979 als Dozentin und Lehranalytikerin am Institut für analytische Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie tätig, wo sie eng mit Ilsabe von Viebahn zusammenarbeitete. Bis zu ihrer Pensionierung praktizierte sie in Hannover als niedergelassene Psychoanalytikerin für Kinder und Jugendliche. (Artikelanfang)
Die Neoanalytikerin Ilsabe von Viebahn wuchs auf einem kleinen Gut in der Nähe von Dresden auf. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Kindergärtnerin, bevor sie von 1942 bis 1945 Psychologie und Pädagogik in Heidelberg und Leipzig studierte. Nach Kriegsende erhielt sie 1946 eine Stelle als Dozentin für Psychologie und Pädagogik am Pestalozzi-Fröbel-Haus in Berlin, wo sie bis 1960 Kindergärtnerinnen, Jugendleiterinnen und Fürsorgerinnen unterrichtete.
1948 begann Ilsabe von Viebahn eine psychoanalytische Ausbildung am Berliner Institut der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft (DPG). Ihre Lehranalyse machte sie bei Werner Schwidder, einem Mitarbeiter Harald Schultz-Henckes, und anschließend bei Margarete Seiff. Sie fühlte sich von dem eher psychologischen Denken des Neoanalytikers Schultz-Hencke stärker angezogen als von der orthodox-freudianischen Psychoanalyse. 1954 schloss sie diese Ausbildung ab und wurde Lehr- und Kontrollanalytikerin der DPG sowie Dozentin am Berliner Institut für Psychotherapie. 1956 promovierte sie an der FU Berlin über Fröbels Pädagogik des frühen Kindesalters im Aspekt der Freud'schen Psychoanalyse.
Von 1960 an arbeitete sie in Hannover als Psychotherapeutin und Lehranalytikerin am Psychotherapeutischen Institut mit Erziehungsberatungsstelle für das Land Niedersachsen (Child Guidance Clinic), später Institut für Analytische Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie für das Land Niedersachsen. Sie war maßgeblich am Aufbau des Lehrinstituts für Psychoanalyse und Psychotherapie in Hannover beteiligt und von 1964 bis 1973 als Nachfolgerin von Ina Böhlendorf Ausbildungsleiterin in diesem Institut. Von 1966 bis 1972 saß sie als Vertreterin der Psychologen im Vorstand der DGPT.
Ilsabe von Viebahn widmete sich in ihren Publikationen vor allem Fragen der kindertherapeutischen Praxis. Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt war der Vergleich tiefenpsychologischer Auffassungen mit den Positionen der Pädagogen Friedrich Fröbel, Heinrich Pestalozzi und Jean-Jacques Rousseau. (Artikelanfang)
Die Psychologin Else Voigtländer wurde in Kreuznach geboren als Tochter des Verlagsbuchhändlers Robert Voigtländer und seiner Frau Pauline geb. Federhaff. Nachdem ihre Eltern 1888 nach Leipzig übergesiedelt waren, besuchte sie dort private höhere Mädchenschulen und anschließend Gymnasialkurse für Frauen. 1905 ging sie nach München, um bei Theodor Lipps und Alexander Pfänder Psychologie und Philosophie zu studieren. 1909 gehörte sie zu den ersten Frauen, die in Deutschland zum Dr. phil. promovierten - wie auch ihre Zwillingsschwester Emmy Voigtländer, die drei Jahre später in Leipzig über Anselm Feuerbach promovierte. In ihrer von Alexander Pfänder betreuten Dissertation, die 1910 unter dem Titel Vom Selbstgefühl veröffentlicht wurde, beschrieb Else Voigtländer mit Hilfe der phänomenologischen Methode Eigenschaftstypen des Charakters, die sie als Selbstgefühle bezeichnete, und lieferte damit eine der ersten Phänomenologien über Gefühle.
1912 wurde Else Voigtländer als außerordentliches Mitglied in die Berliner Psychoanalytische Vereinigung (BPV) aufgenommen. Sie schlug eine Brücke zwischen Psychologie und Psychoanalyse, indem sie die Lehre Sigmund Freuds aus der phänomenologischen Perspektive betrachtete. So gelangte sie 1911 in ihrem Aufsatz Über die Bedeutung Freuds für die Psychologie zu einer frühen phänomenologischen Interpretation der Verdrängung. Wegen Differenzen zu Freud trat sie jedoch 1915 wieder aus der BPV aus. Obwohl Else Voigtländer in der Geschichte der Phänomenologie kaum rezipiert wird, hat sie noch vor Karl Jaspers die phänomenologische Fragestellung für die Psychopathologie fruchtbar gemacht.
Else Voigtländer interessierte sich besoders für die Geschlechterthematik und die Anwendung der Psychoanalyse in der Fürsorgeerziehung. Als Assistentin des Psychiaters Adalbert Gregor untersuchte sie gemeinsam mit diesem in einer empririschen Studie die geschlechtsspezifische Entwicklung von Charakter- und Temperamentseigenschaften von Verwahrlosten (Charakterstruktur verwahrloster Kinder und Jugendlicher). Außerdem verfasste sie für das Handwörterbuch der Sexualwissenschaft die Einträge "Geschlechtsmerkmale" und "Verwahrlosung". Ihr Aufsatz Bemerkungen zur Psychologie der Gesinnungen war besonders dem Thema Liebe und Sexualität gewidmet.
Else Voigtländer trat später in den Staatsdienst ein und war während der NS-Zeit Direktorin des Frauenzuchthauses Waldheim in Sachsen. Sie wurde nach Kriegsende außer Dienst gestellt und starb im Alter von 64 Jahren an einem Lungenödem. (Artikelanfang)
Die in Düsseldorf geborene Edith Vowinckel war die jüngste Tochter des Bankdirektors Eduard Vowinckel und seiner Frau Auguste geb. Pieper. Nach dem Einjährigen verließ sie die Schule, um ihre körperlich und psychisch schwer kranken Eltern zu pflegen. Im Ersten Weltkrieg arbeitete sie als Krankenschwester, bevor sie 1917 das Abitur nachholte und in Jena ein Medizinstudium begann. Sie studierte in Jena, Marburg, Frankfurt, München und Berlin, wo sie 1922 ihr Staatsexamen ablegte. Nach ihrem praktischen Jahr in Berlin, u. a. in der gynäkologischen Abteilung des Rudolf-Virchow-Krankenhauses, war sie von 1924 bis 1929 als Neuropsychiaterin an der Berliner Charité tätig und leitete dort die Kinderstation. 1925 promovierte sie über Adrenalinwirkung auf den Blutdruck bei Schwangeren, Wöchnerinnen und Eklamptischen.
Gleichzeitig begann sie ihre Ausbildung am Berliner Psychoanalytischen Institut. Sie machte von 1924 bis 1926 eine Lehranalyse bei Franz Alexander, die sie dann bei Carl Müller–Braunschweig fortsetzte. 1929 wurde sie außerordentliches, 1930 ordentliches Mitglied der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft (DPG). Von 1929 bis 1931 war Edith Vowinckel Assistentin von Ernst Simmel am psychoanalytischen Sanatorium im Schloss Tegel. 1933 wurde sie Lehr- und Kontrollanalytikerin der DPG.
Um diese Zeit heiratete sie den Juristen, Ministerialbeamten und Hochschullehrer Oscar Weigert (1886-1968); Ende 1932 kam ihr Sohn Wolfgang zur Welt, der später auch Psychoanalytiker wurde. Während Edith Weigert sich nicht zuletzt aufgrund ihrer nichtjüdischen Herkunft in der DPG etablieren konnte - sie war seit 1934 Vorstandsmitglied -, wurde die Situation für ihren Mann, einen zum Protestantismus konvertierten Juden, nach Hitlers Machtübernahme lebensgefährlich. Die Weigerts emigrierten daher 1935 in die Türkei und ließen sich in Ankara nieder, wo Oscar Weigert auf Einladung Kemal Atatürks als Berater des Wirtschaftsministeriums das moderne türkische Arbeitsrecht mitschuf.
Edith Weigert-Vowinckel, die von Atatürk die Erlaubnis erhalten hatte, als erste Psychoanalytikerin in der Türkei zu praktizieren, trug dort wesentlich zur Einführung der Psychoanalyse bei. Der Pionier der türkischen Psychoanalyse, Izzeddin A. Şadan, machte seine Lehranalyse bei ihr. In ihrem in dieser Zeit verfassten Aufsatz The cult and mythology of the magna mater from the standpoint of psychoanalysis (1938) behandelte sie die Ambivalenz der inzestuösen Mutter-Sohn-Beziehung in der kleinasiatischen Mythologie und deren religiösen Kulten. Zum Ärger Sigmund Freuds erklärte sie die Magna Mater-Verehrung und männliche Selbstkastration nicht aus dem Ödipuskonflikt.
1938 übersiedelte Edith Weigert mit ihrer Familie in die USA und wurde im gleichen Jahr Mitglied und 1939 Lehranalytikerin der Washington-Baltimore Psychoanalytic Society. Von 1938 bis 1940 behandelte sie schizophrene Patienten am Sheppard and Enoch Pratt Hospital in Towson bei Baltimore. Danach zog sie nach Chevy Chase bei Washington und eröffnete eine private Praxis.
Edith Weigert spielte eine wichtige Rolle in der institutionellen Psychoanalyse von Washington, D. C. Sie war von 1944 bis 1946 Präsidentin der Washington-Baltimore Psychoanalytic Society, saß von 1945 bis 1954 dem Unterrichtsausschuss vor und übernahm 1954 die Leitung des Washingtoner psychoanalytischen Instituts. Sie lehrte an der von Harry Stack Sullivan gegründeten Washington School of Psychiatry, wo sie von 1963 bis 1974 als Chairman of the Faculty amtierte.
Besonders beeinflusst wurde Edith Weigert-Vowinckel durch Harry Stack Sullivans interpersonale Theorie und Frieda Fromm-Reichmanns intensive Psychotherapie für Schizophrene. Wie die Neofreudianer relativierte sie den Ödipuskomplex und die infantile Sexualität, bemühte sich aber um eine Synthese zwischen Freud und Sullivan. Auf der Grundlage des Existenzialismus definierte sie Psychopathologie als Verlust von Vertrauen, Hoffnung und Authentizität und setzte sich in ihren Schriften oft mit der Angst auseinander, die sie als ein Gefahrensignal für drohende Vereinsamung und Vertrauensverlust ansah. (Artikelanfang)
Marie Louise Werner wurde in Rotenburg b. Fulda geboren. Sie stammte aus einer kinderreichen Familie, ihr Vater Otto Nikolaus Werner war Pfarrer und Schulinspektor, ihre Mutter Louise Schulze war in New York aufgewachsen. Marie Louise Werner ließ sich zur "wissenschaftlichen Lehrerin" für höhere und mittlere Schulen ausbilden und unterrichtete ab 1918 an verschiedenen Berliner Schulen. Während der 1920er Jahre besuchte sie Vorlesungen und Seminare bei den Gestaltpsychologen Kurt Lewin und Wolfgang Köhler.
Als ihre jüngere Schwester Hannah 1924 den Theologen Paul Tillich heiratete, freundete sich Marie Louise Werner mit dessen Freund, dem Kunsthistoriker Eckart von Sydow, an und wandte sich wie dieser der Psychoanalyse zu. Sie begann eine Ausbildung am Berliner Psychoanalytischen Institut (BPI) und machte von 1928 bis 1931 eine Lehranalyse bei Karen Horney. 1936 wurde sie außerordentliches Mitglied der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft (DPG) und führte erste Analysen, meist mit Kindern und Jugendlichen durch. Nach der Auflösung der DPG 1938 war Marie Louise Werner Mitglied der "Arbeitsgruppe A", also der Freudianer, im Deutschen Institut für Psychologische Forschung und Psychotherapie ("Göring-Institut"). Von 1940 bis 1942 absolvierte sie eine weitere Lehranalyse bei Carl Müller-Braunschweig.
Nach dem Krieg arbeitete sie mehrere Jahre als Psychotherapeutin im Kinderhaus am Fuchsstein, einem psychoanalytisch-heilpädagogisch geführten Heim in Berlin-Frohnau. Sie gehörte zum engen Kreis von DPG-Mitgliedern um Carl Müller-Braunschweig, die 1950 die Deutsche Psychoanalytische Vereinigung (DPV) gründeten, wo sie zu den ersten und einflussreichen Lehr- und Kontrollanalytiker:innen zählte. Sie lehrte am Berliner Institut der DPV und am Institut für Psychotherapie e. V. Berlin.
Marie Louise Werners Schwerpunkte waren Seminare zur Kinderpsychologie und Kindertherapie, zu Fragen der psychoanalytischen Technik sowie über das Verhältnis der Psychoanalyse zu Ethnologie und Kunst. Ihr besonderes Interesse galt der Bildenden Kunst und Kinderzeichnungen, in beidem stellt sich ihrer Ansicht nach das Unbewusste unmittelbar dar. Marie Louise Werner wurde als starke Persönlichkeit beschrieben, die ein weniger theoretisches als intuitives Verständnis für tiefenpsychologische Zusammenhänge besaß. (Artikelanfang)
Ingeborg Zimmermann wurde in Leipzig geboren. Ihr Vater war Syndikus im Buchhandel und verlor 1934 seine Stelle, als er sich weigerte, der NSDAP beizutreten. Die Familie zog nach Berlin, wo Ingeborg Zimmermann 1942 ein Medizinstudium begann, das sie nach Kriegsende mit einer Facharztausbildung in Psychiatrie und Neurologie abschloss. 1958 ging sie in die Schweiz und arbeitete in einer privaten Nervenheilanstalt in der Nähe von Zürich. 1962 kehrte sie nach Deutschland zurück und trat eine Stelle in der von Alexander Mitscherlich geleiteten Psychosomatischen Klinik in Heidelberg an, wo sie bis 1966 arbeitete. Sie absolvierte ihre Lehranalyse bei Margarete Mitscherlich-Nielsen und wurde Mitglied und Lehranalytikerin der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung (DPV). Eine weitere Analyse machte sie bei Fritz Meerwein in Zürich.
Sie wechselte dann nach Frankfurt, eröffnete dort eine eigene Praxis und war als freie Mitarbeiterin an dem von Alexander Mitscherlich geleiteten Sigmund-Freud-Institut tätig. 1972 zog sie nach München und gründete ein Jahr später mit Lotte Köhler, Antoon Houben und Erhard Künzler die Psychoanalytische Arbeitsgemeinschaft München (PAM), die später als Institut der DPV anerkannt wurde.
Ein besonderes Interesse Zimmermanns galt der Bearbeitung der Fühllosigkeit, die als Ausdruck einer Aufspaltung zwischen Analytiker und Analysand entstehen kann und oft auch die Fähigkeit zu kritischem Denken behindert.