Aiveen Bharucha Minnie Dastur Mitra Kadivar Edith Ludowyk-Gyömröi (Ungarn) Herma Hoff (Österreich) Freny Mehta Rafah Nached Kamalini Sarabhai Elise Snyder Teresa Yuan |
Die aus Irland stammende Psychologin und Psychoanalytikerin Aiveen Bharucha besuchte das katholische Mädcheninternat Loreto Abbey in Rathfarnham, Dublin, bevor sie in England Psychologie studierte. Anschließend arbeitete sie als klinische Psychologin im Department für Kinderpsychiatrie des Royal Free Hospital in London. 1978 begann sie eine Weiterbildung zur Kinderpsychotherapeutin an der Tavistock Clinic. Hier lernte sie Manek Bharucha (1949-2016) kennen, einen Kinderpsychiater aus Bombay, den sie 1982 heiratete. Ihre beiden Töchter Aoife und Tehmi wurden 1983 bzw. 1986 geboren.
1995 zogen Aiveen und Manek Bharucha nach Bombay (ab 1996 Mumbai), um zusammen mit drei bereits dort praktizierenden indischen Psychoanalytiker:innen einen Ausbildungsgang in psychoanalytischer Kinderpsychotherapie nach dem Tavistock-Modell aufzubauen. Aiveen Bharucha ist Mitglied der British Psychological Society, der Indian Psychoanalytical Society und der Association of Child Therapists. Seit 1995 ist sie als Psychoanalytikerin und Kinderanalytikerin im Psychoanalytic Therapy and Research Centre (PTRC) in Mumbai tätig. Ihr Schwerpunkt ist die systematische Kleinkindbeobachtung nach Esther Bick.
Die indische Psychoanalytikerin Minnie K. Dastur lebt in Mumbai und praktiziert dort seit den 1970er Jahren als psychoanalytische Psychotherapeutin für Erwachsene und für Kinder. Sie studierte Betriebswirtschaftslehre und Jura am Sydenham College und am Government Law College in Mumbai und spezialisierte sich im Personalwesen, bevor sie eine psychoanalytische Ausbildung machte. Ende der 1970er Jahre ging sie nach England, um am Londoner Tavistock Institute zu studieren und sich von Martha Harris zur Kinderpsychotherapeutin ausbilden zu lassen.
Minnie Dastur gehört der Tavistock Society of Psychotherapists an und ist Mitglied und Lehranalytikerin der Indian Psychoanalytical Society (IPS) und der IPA. 1974 gründete sie gemeinsam mit Sarosh Forbes das Psychoanalytic Therapy and Research Centre (PTRC) in Bombay (heute Mumbai) und ist dort bis heute als Lehranalytikerin tätig. Als Mitglied des China Committee der IPA hat sie auch chinesische Kandidat:innen in Wuhan, Beijing und Shanghai ausgebildet.
In ihrem 2013 erschienenen Aufsatz über die universelle Wahrheit von Mythen im Spiegel psychoanalytischer Theorie und Praxis vergleicht Minnie Dastur die - kleinianisch interpretierten - Mythen von Ödipus und Narziss mit den hinduistischen Mythen von Ganesha, Eklavya und Krishna und erläutert anhand von Beispielen, wie diese Mythen in der Analyse als Container für persönliche Mythen dienen.
Die iranische Psychoanalytikerin und Psychiaterin Mitra Kadivar ist Lacanianerin und Mitglied der École de la cause freudienne (ECF) und der World Association of Psychoanalysis (WAP). Sie beendete 1979 ihr Medizinstudium an der Mashhad University of Medical Sciences im Nordosten Irans und ging 1983 nach Paris, um dort eine Analyse bei einem Lacanianer der ECF zu machen. 1993 kehrte sie in den Iran zurück und eröffnete ein Jahr später eine eigene Praxis in Teheran. Mitra Kadivar lehrte Psychoanalyse in verschiedenen iranischen Institutionen und gründete 2001 eine Studiengruppe zur Einführung in die Freudsche und Lacansche Lehre. Außerdem veranstaltete sie von 2005 bis 2007 zusammen mit ihren Student:innen wöchentlich eine öffentliche Vorlesungsreihe über Sigmund Freud in Teheran. Aus diesen Aktivitäten entstand in Teheran die erste psychoanalytische Gesellschaft Irans, die Freudian Association, deren Vorsitzende Mitra Kadivar ist. Die Freudian Association wurde 2008 vom iranischen Innenministerium zugelassen und ist mit der ECF und der von Jacques-Alain Miller gegründeten WAP assoziiert.
Im Dezember 2012 wurde Mitra Kadivar gegen ihren Willen mit der Diagnose Schizophrenie in eine psychiatrische Klinik in Teheran eingewiesen. Jacques-Alain Miller von der ECF sammelte für ihre Freilassung 4.500 Unterschriften, und Mitra Kadivar wurde im Februar 2013 wieder nach Hause entlassen. In ihren Augen waren ein trivialer Nachbarschaftsstreit und ein ärztlicher Fehler für ihre Psychiatrisierung verantwortlich. In Frankreich aber entspann sich eine Auseinandersetzung darüber, ob Mitra Kadivar tatsächlich einen psychotischen Schub erlitten hatte (Élisabeth Roudinesco) oder ob ihre mutige Unangepasstheit zu ihrer (zwischen den Zeilen: politisch erwünschten) Einweisung geführt hatte (Jacques-Alain Miller). Der Streit mündete in einen Prozess Miller gegen Roudinesco, den Miller verlor.
Mitra Kadivar setzte ihre psychoanalytische Arbeit in Teheran fort und eröffnete Anfang 2014 ein Africa Psychoanalytic Center. (Artikelanfang)
Die indische Philosophin und Psychoanalytikerin Freny Mehta studierte Philosophie und Psychologie an der Universität Bombay und machte dort ihren Masterabschluss. Ihr Denken wurde besonders geprägt durch den indischen Philosophen Joseph Casimiro Patrocinio d'Andrade, der bis 1949 am Elphinstone College der Universität lehrte. 1952 begann sie ihre psychoanalytische Ausbildung am Indian Psychoanalytical Institute in Bombay und wurde im gleichen Jahr außerordentliches Mitglied der Indian Psychoanalytical Society. Seit Anfang der 1960er Jahre praktizierte sie als Psychoanalytikerin in Bombay, wobei sie sich auf die Behandlung von Frauen und Kindern spezialisierte.
Von 1966 bis 1978 war sie Direktorin des Indian Council for Mental Health (ICMH) in Bombay, einer psychoanalytisch orientierten Einrichtung, deren psychiatrisch ausgebildeten Sozialarbeiter in Schulen und Colleges lehrten und beraterisch tätig waren. Freny Mehta legte großen Wert darauf, dass sich ihre Mitarbeiter einer persönlichen Analyse unterzogen. 1978 reiste sie nach England und nahm dort an philosophischen und psychoanalytischen Seminaren teil.
Freny Mehta hat sich - wie nur wenige indische Analytiker:innen - mit der Weiterentwicklung der Freudschen Metapsychologie beschäftigt. So führte sie z. B. neben dem strafenden über-Ich eine freundliche Elterninstanz ein, die sie "benign conscience" [gutartiges Gewissen] nannte. Eine Revision der Metapsychologie auf der Grundlage einer Zusammenführung von Ansätzen der britischen Psychoanalyse, Jean Piagets, der Gestalttheorie und des englischen Idealismus bietet das von ihr herausgegebene Buch The Scientific Consensus and Recent British Philosophy.
Rafah Nached, die erste Psychoanalytikerin in Syrien, wurde in Halab [Aleppo] in Syrien geboren. Sie studierte Philosophie an der Sankt-Joseph-Universität in Beirut und Klinische Psychologie und Psychoanalyse an der Universität Paris-VII. Nach Abschluss ihres Studiums und einer Lehranalyse in Paris ging sie zurück nach Syrien und begann 1985 mit ihrer psychoanalytischen Arbeit in einem psychiatrischen Hospital in Aleppo. Mitte der 1990er Jahre ließ sie sich als Psychoanalytikerin in Damaskus nieder. Es gelang ihr, im jesuitischen Zentrum eine Vorlesungsreihe über Psychoanalyse zu etablieren. Im Jahr 2000 gründete Rafah Nached mit der Unterstützung französischer Kolleg:innen eine Schule für Psychoanalyse in Damaskus und kurz darauf die Zeitschrift Kalimat.
Rafah Nached vertritt den Ansatz Jacques Lacans und setzt sich besonders mit der Adaptation der Psychoanalyse an die arabische Kultur und Sprache auseinander. Sie machte z. B. auf die Beziehung der sufistischen Mystik zum Lacanschen Begriff der "jouissance" aufmerksam, was ein Verständnis der Ideen Lacans in der arabischen Welt erleichtern könnte. Diese Frage war auch Thema des internationalen Symposiums "Le féminin dans l'expérience mystique et la psychanalyse", das sie 2010 gemeinsam mit Pierre Bruno in Damaskus veranstaltet hat.
Nach Beginn des Volksaufstandes in Syrien im Frühjahr 2011 organisierte Rafah Nached zusammen mit dem Jesuitenpater und Psychoanalytiker Rami Elias einen wöchentlichen Workshop, in dem Menschen aller Konfessionen und politischen Richtungen über ihre Angst angesichts der täglichen Gewalt sprechen konnten. Im September 2011 wurde die 66-jährige Analytikerin festgenommen und inhaftiert, nach internationalen Protesten jedoch zwei Monate später wieder freigelassen.
Rafah Nached ist mit Faisal Abdullah verheiratet, Professor für Alte Geschichte an der Universität Damaskus. Sie lebt heute bei ihrer Tochter in Paris. (Artikelanfang)
Die indische Psychoanalytikerin Kamalini Sarabhai war die Tochter von Dharamsey Mulraj Khatau und seiner Frau Champubai Khatau. Ihr Vater war Vorstandsmitglied der Khatau Group of Companies, eines der ältesten Unternehmenskonglomerate in Indien. Sie heiratete Gautam Sarabhai (1917-1995) Mitglied einer Familie reicher Textilindustrieller in Ahmedabad, Gujarat. Die Sarabhais, deren Rolle im Leben Mahatma Gandhis der Psychoanalytiker Erik H. Erikson in seinem Buch Gandhis Wahrheit beschrieben hat, setzten ihren Reichtum auch für soziale Zwecke und zur Förderung von Kunst und Wissenschaft ein. Seit 1940 leitete Gautam Sarabhai die Sarabhai Industries.
Kamalini Sarabhai ging Anfang der 1940er Jahre mit ihren beiden Töchtern nach London, wo sie eine sechsjährige Ausbildung zur Psychoanalytikerin bei der British Psycho-Analytical Society (BPAS) und der Tavistock Clinic absolvierte und Mitglied der BPAS wurde. Ihr Interesse galt besonders der kindlichen Entwicklung. Zurück in Ahmedabad gründete sie 1949 Balghar School, einen experimentellen Kindergarten (heute Vorschule), wo Kinder ohne äußeren Zwang lernen können.
1951 gründete Kamalini Sarabhai in Ahmedabad zusammen mit ihrem Mann und dem amerikanischen Psychologenehepaar Lois und Gardener Murphy das Bakubhai Mansukhai Institute of Mental Health, abgekürzt BM Institute, nach dem Vorbild der Tavistock School of Family Psychiatry and Community Mental Health. Das damals psychoanalytisch orientierte BM Institute, dessen Direktorin Kamalini Sarabhai bis zu ihrem Tod war, arbeitete eng mit der Londoner Tavistock Clinic und deren Direktor Jock Sutherland zusammen. Erik H. Erikson, der 1962 ein Seminar am BM Institute abhielt, berichtete in Kindheit und Gesellschaft von einer Untersuchung über die Spielgestaltung indischer Vorpubertierender, die Kamalini Sarabhai dort leitete. (Artikelanfang)
Elise Snyder, die Präsidentin der China American Psychoanalytic Alliance (CAPA), wuchs in New York als Tochter des Rechtsanwalts Harry Wechsler auf. Ihre Mutter Dora Wechsler war Buchhalterin. Mit vierzehn entdeckte sie in einer Leihbücherei der Bronx die Werke Sigmund Freuds, mit sechzehn machte sie ihre erste Analyse. Sie studierte am Medical College der Columbia-Universität, wo sie 1958 promovierte, und spezialisierte sich als Psychiaterin. Ihre psychoanalytische Ausbildung absolvierte sie am Western New England Institute for Psychoanalysis und wurde Mitglied der American Psychoanalytic Association (APsaA).
Noch während ihres Studiums heiratete Elise Wechsler den Medizinprofessor Arthur Snyder, von dem ihre beiden Töchter Katherine und Margaret stammen. Später ließ sie sich scheiden, um 1965 Victor Rosen (1911-1973), ihren ehemaligen Analytiker, zu heiraten. Als sie ihn nach siebenjähriger Ehe verließ, beging Rosen Selbstmord. Elise Snyders dritter Mann war Kunsthistoriker. 1986 lernte sie Michael Holquist (1935-2016) kennen, Professor für Vergleichende Literaturwissenschaft und Slavistik an der Yale University, mit dem sie seit 1999 verheiratet war.
2001 nahm Elise Snyder anlässlich einer Tagung in Peking Kontakt zu einer Gruppe von Professoren und Studenten aus Chengdu auf, die großes Interesse an der Psychoanalyse zeigten. Im darauf folgenden Jahr gründete Snyder die China American Psychoanalytic Alliance (CAPA), um die Ausbildung chinesischer Psychiater und Psychologen durch amerikanische Psychoanalytiker:innen zu organisieren. Seitdem führt die CAPA unter Snyders Leitung Ausbildungsanalysen mit chinesischen Kandidat:innen per Skype durch. An einer 2008 von der CAPA gestarteten zweijährigen Ausbildung in psychoanalytischer Psychotherapie beteiligten sich Student:innen aus über zehn Städten in China.
Elise Snyder lebt heute in Lower East Side, New York, und lehrt als Associate Clinical Professor für Psychiatrie an der Yale University School of Medicine in New Haven. Ein- bis zweimal im Jahr verbringt sie einen Monat in China, um Vorlesungen und Supervisionen abzuhalten. (Artikelanfang)
Teresa Ana Yuan ist eine in Argentinien geborene Psychoanalytikerin mit chinesischem Hintergrund. Ihr Vater stammte aus Kwangton in China und war 1929 nach Argentinien emigriert, ihre Mutter kam aus Syrien. Teresa Yuan promovierte in Klinischer Psychologie an der Universidad de Buenos Aires, wo sie von 1980 bis 1986 am Department für Medizinische Psychologie in Lehre und Forschung tätig war. Ihre psychoanalytische Ausbildung erhielt sie in Buenos Aires an der Universidad del Salvador und am Instituto Ángel Garma der Asociación Psicoanalítica Argentina (APA). Sie ist Mitglied und Lehranalytikerin der APA und lebt in Buenos Aires.
1995 kam Teresa Yuan erstmals nach China, um psychoanalytische Psychotherapie am Child Psychiatric Institute der Medical University und am Anding Psychiatric Hospital in Peking zu lehren. Von 1997 bis 2000 war sie die Vertreterin Chinas im Asien-Komitee der International Psychoanalytical Association (IPA), wo sie von 2000 bis 2001 die China Division leitete und anschließend in verschiedenen China-Komitees aktiv war. Ab 2002 veranstaltete sie an dem von Yang Yunping geleiteten Department für Klinische Psychologie im Anding Psychiatric Hospital die ersten psychoanalytischen Ausbildungsseminare für chinesische Psychiater:innen und Psychotherapeut:innen. Weitere Seminare folgten in Xian, Hongkong, Taiwan und Peking.
Teresa Yuans wissenschaftliches Interesse gilt besonders Fragen der Psychoanalyse unter verschiedenen kulturellen und sprachlichen Bedingungen. 2015 promovierte sie an der Universität Salvador über die Herausbildung von Subjektivität im Kontext der Vielfalt chinesischer Kultur. (Artikelanfang)