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Anny Angel-Katan wurde in Wien geboren als Tochter des jüdischen Kinderarztes Ludwig Rosenberg und seiner Frau Judith Rie. Ihr Vater war ein Tarockfreund Sigmund Freuds und sie selbst eine Kinderfreundin Anna Freuds. Nach der Matura 1917 studierte Annie Rosenberg in Wien Medizin und promovierte 1923 zum Doktor der Gesamten Heilkunde. 1924 heiratete sie den Wiener Rechtsanwalt Otto Angel (1890-1970), die Ehe hielt nur bis 1928. Ihr 1926 geborener Sohn Klaus Angel wurde ebenfalls Psychoanalytiker.
Ihre psychoanalytische Ausbildung begann sie mit einer Analyse bei Max Eitingon in Berlin, wechselte dann zu Theodor Reik, um sich schließlich bis 1927 von Wilhelm Reich analysieren zu lassen. 1925 wurde sie ordentliches Mitglied der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung, das Thema ihres ersten Referats lautete Einige Beobachtungen an einem Kinde. Abgeschlossen hat sie ihre Lehranalyse 1934 bei Anna Freud. Von 1929 an arbeitete sie in der von Wilhelm Reich und Marie Frischauf gegründeten Sozialistischen Gesellschaft für Sexualberatung und Sexualforschung und führte gemeinsam mit Annie Reich und Edith Buxbaum Beratungen bei sexuellen Problemen durch. Sie spezialisierte sich auf die Kinderanalyse und beteiligte sich an Lehrveranstaltungen des Wiener Psychoanalytischen Instituts.
Annie Angel war Mitglied der KPÖ, seit 1934 im antifaschistischen Widerstand aktiv und wie Muriel Gardiner Kurierin der Revolutionären Sozialisten. 1936 emigrierte sie nach Holland und heiratete ein Jahr später den holländischen Arzt und Psychoanalytiker Maurits Katan (1897-1977). 1939 wurde ihre Tochter Anna Marie geboren. Von 1937 bis 1946 arbeitete Anny Angel-Katan als Lehranalytikerin am Psychoanalytischen Institut in Den Haag. Auch in Holland engagierte sie sich im Widerstand gegen die Nationalsozialisten. Sie und ihre Familie überlebten die deutsche Besatzungszeit mit falschen Papieren und zeitweilig im Versteck.
Nach Kriegsende wanderte Anny Angel-Katan 1946 mit ihrer Familie in die USA aus und ließ sich in Cleveland, Ohio, nieder. Von 1946 bis 1964 gehörte sie dem Lehrkörper der Western Reserve University in Ohio an. Als Mitglied der Detroit Psychoanalytic Society versammelte sie einen Kreis "importierter" Absolventen von Anna Freuds Hampstead Child Therapy Course um sich und begründete so die kinderanalytische Bewegung in Cleveland. Neben ihrer Lehrtätigkeit, u. a. als Professorin für Kinderpsychoanalyse an der Universitätskinderklinik in Ohio, beteiligte Anny Katan sich am Aufbau eines psychoanalytischen Instituts in Cleveland und gehörte 1957 zu den Gründungsmitgliedern der Cleveland Psychoanalytic Society.
1950 gründete sie in Cleveland die Therapeutic Nursery School (später: Hanna Perkins Center for Child Development). Hier entwickelte sie, inspiriert von Sigmund Freuds „Kleinem Hans“, eine neue Behandlungsform für Kinder im Vorschulalter, die über die intensive Einbeziehung der Eltern oder die ausschließliche Arbeit mit einem Elternteil lief (“treatment-via-the-parent”). Gemeinsam mit ihrer Cousine Marianne Kris und anderen bildete sie 1962 eine eigene Interessengruppe für Kinderanalytiker:innen innerhalb der APsaA. Für ihre Arbeit mit schwer erziehbaren Kindern wurde Anny Katan vom Weißen Haus geehrt. (Artikelanfang)
Die Psychiaterin und Psychoanalytikerin Gottfriede "Friedl" Aufreiter wurde in Wien geboren und wuchs im Stadtteil Neubau auf, wo ihre Eltern Inhaber eines Gasthauses waren. Als junge Frau war sie Mitglied der Christlich-Sozialen Partei, der Vaterländischen Front und des damals illegalen BDM. Sie studierte ab 1934 Medizin an der Wiener Universität und promovierte dort 1939.
Nach dem Anschluss Österreichs an das "Deutsche Reich" schloss sich Friedl Zwickl dem 1938 trotz Verbots eingerichteten psychoanalytischen Arbeitskreis um August Aichhorn an. 1941 wurde dieser Arbeitskreis als Wiener Arbeitsgemeinschaft des gleichgeschalteten Deutschen Instituts für psychologische Forschung und Psychotherapie nachträglich anerkannt. Von 1939 bis 1941 absolvierte sie eine "Lehrbehandlung" bei Aichhorn. 1942 heiratete sie den Wiener Arzt Johann "Hans" Aufreiter (1916-2001), der ebenfalls bei August Aichhorn in "Lehrbehandlung" war und 1941 Mitglied des Deutschen Instituts wurde. Aus ihrer Ehe gingen die drei Töchter Eva, Susanne und Nora hervor. Von 1940 bis 1946 arbeitete Gottfriede Zwickl-Aufreiter in der Ambulanz der Neurologisch-psychiatrischen Klinik der Universität Wien.
Nach Kriegsende trat Friedl Aufreiter wie ihr Mann 1946 der wiedergegründeten Wiener Psychoanalytischen Vereinigung bei. Sie eröffnete eine psychoanalytische Privatpraxis in Wien und führte zusammen mit Aichhorn und Rosa Dworschak einen Kurs für Erziehungsberater und Berufsberater durch. 1954 wanderten die Aufreiters aus politischen und ökonomischen Gründen nach Kanada aus und ließen sich in Montreal nieder. Beide wurden Mitglieder und Lehranalytiker der British Psychoanalytical Society (BPAS), unter deren Schirmherrschaft sie 1955 zusammen mit dem ehemaligen BPAS-Präsidenten W. Clifford M. Scott in Montreal ein Lehrinstitut der Canadian Psychoanalytic Society aufzubauen begannen. In Ermangelung kanadischer Lehranalytiker:innen erhielten alle Kandidat:innen damals ihre Ausbildung bei Scott oder den Aufreiters.
Seit 1971 lebte Friedl Aufreiter mit ihrem Mann in London, Ontario, wo sie im Alter von 87 Jahren starb. (Artikelanfang)
Therese "Thesi" Bergmann wurde in Wien geboren, wo sie in den 1930er Jahren eine Ausbildung zur Lehrerin absolvierte. Anschließend unterrichtete sie an einer Montessori-Schule. Ihre psychoanalytische Ausbildung erhielt sie durch ihre Teilnahme an den von August Aichhorn am Wiener Psychoanalytischen Institut abgehaltenen Kursen für Pädagogen und Fürsorger. Außerdem arbeitete sie in einer der von Aichhorn in Wien eingerichteten psychoanalytischen Erziehungsberatungsstellen.
Nach dem Anschluss Österreichs an das "Deutsche Reich" emigrierte sie 1938 nach London, wo sie während des Zweiten Weltkriegs Mitarbeiterin von Anna Freud in deren Hampstead War Nurseries war. Gleichzeitig war sie drei Jahre lang Lehrerin an der Royal National Orthopaedic Hospital School und beschrieb in ihrem 1945 erschienenen Aufsatz Observation of children's reaction to motor restraint die Reaktionen von Kindern auf ihre motorische Immobilisierung im Laufe einer orthopädischen Behandlung.
Thesi Bergmann ging 1945 in die USA und ließ sich in Cleveland, Ohio, nieder. Sie arbeitete als Kinderpsychotherapeutin im Rainbow Hospital für chronisch kranke und rekonvaleszente Kinder, das der Case Western Reserve University School of Medicine angegliedert ist, wo Thesi Bergmann auch Dozentin für Kinderpsychotherapie war. Seit 1963 war sie wie Anny Katan und Erna Furman Mitglied der Cleveland Psychoanalytic Society.
Aus ihrer fast zwanzigjährigen Arbeit mit hospitalisierten Kindern ging ihr 1965 gemeinsam mit Anna Freud veröffentlichtes Buch Children in the Hospital hervor. Dabei handelt es sich um eine Sammlung von Fallstudien, in denen die psychischen Auswirkungen langwieriger körperlicher Leiden und Krankenhausaufenthalte bei Kindern aufgezeigt werden. (Artikelanfang)
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Grete Bibring-Lehner wurde als jüngstes von vier Kindern in Wien geboren. Ihre Eltern, der sozialdemokratische Fabrikant Moritz Lehner und seine Frau Victoria geb. Stengel, gehörten der intellektuellen jüdischen Wiener Oberschicht an. Grete Lehner studierte ab 1918 in Wien Medizin und organisierte 1919 gemeinsam mit ihren Studienkollegen, den späteren Psychoanalytikern Otto Fenichel, Wilhelm Reich und Edward Bibring, das "Wiener Seminar für Sexologie". In diesem Seminar, in dem psychoanalytische Thesen zur Sexualität diskutiert wurden, hielt sie 1920 ihren ersten Vortrag über den sexuellen Ursprung der Sprache. Ein Jahr später heiratete sie Edward Bibring (1894-1959), der aus einer jüdischen Familie in Galizien stammte.
Noch während des Studiums, das sie 1924 abschloss, machte Grete Bibring-Lehner eine Lehranalye bei Hermann Nunberg. 1925 wurde sie Mitglied der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung (WPV). In den folgenden Jahren spezialisierte sie sich in Psychiatrie und Neurologie bei Julius Wagner-Jauregg und Emil Mattauschek. Sie hielt Sprechstunden am Ambulatorium des Wiener Psychoanalytischen Instituts ab und war seit 1934 Mitglied im Lehrausschuss der WPV. 1933 erschien ihre erste psychoanalytische Veröffentlichung Über die phallische Phase und ihre Störungen beim Mädchen.
Grete und Edward Bibring eröffneten Ende der 1920er Jahre eine gemeinsame Privatpraxis in Wien. Beide nahmen regelmäßig an Helene Deutschs psychoanalytischem Debattier- und Kartenclub "Zur Schwarzen Katze" teil. 1929 und 1931 wurden ihre beiden Söhne George und Thomas geboren. 1938, nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland, emigrierte Grete Bibring mit ihrer Familie nach England und arbeitete dort als Lehranalytikerin der British Psycho-Analytical Society.
1941 übersiedelten die Bibrings in die USA nach Boston, wo Grete Bibring Mitglied und Lehranalytikerin der Boston Psychoanalytic Society and Institute wurde, deren Präsidentin sie von 1955 an war. Grete Bibring war eine gefragte Lehranalytikerin, sie verkörperte für die Amerikaner den Inbegriff der humanistisch gebildeten Wiener Freudianerin. Durch ihren Briefwechsel mit Anna Freud hielt sie die Verbindung zur europäischen Psychoanalyse aufrecht. Mit ihren zwischen 1957 und 1962 durchgeführten Forschungen zur psychologischen Bedeutung der Schwangerschaft und der Mutter-Kind-Beziehung leistete Grete Bibring einen wichtigen Beitrag zur Psychologie der Frau.
Ihre Lehrtätigkeit erstreckte sich neben psychiatrischen Fächern auch auf klinische Psychologie und Sozialarbeit. Sie unterrichtete am Bostoner Simmons College, School of Social Work, und leitete von 1946 bis 1965 die Psychiatrische Abteilung des Beth Israel-Hospital. 1961 erhielt sie als erste Frau eine Professur für Psychiatrie an der Harvard Medical School. 1962 wurde sie zur Präsidentin der American Psychoanalytic Association gewählt, und von 1959 bis 1963 amtierte sie als Vizepräsidentin der IPA.
Nach ihrer Pensionierung 1965 hielt sie noch mehrere Jahre lang am Radcliffe Institute ein Seminar ab über Probleme der weiblichen Erziehung und der beruflichen Karriere von Frauen. Sie starb im Alter von 78 Jahren an den Folgen einer schweren Gehirnblutung. (Artikelanfang)
Hedwig Bolterauer wurde in Berlin geboren, wo ihr Vater Inhaber eines Delikatessengeschäfts und königlich-preußischer Hoflieferant war. Ihre Mutter war Sängerin. Sie begann 1923 ihr Studium mit Philosophie, Germanistik und Kunstgeschichte in Berlin und setzte es 1925 in Wien fort, wo sie 1927 an dem von Karl Bühler geleiteten Psychologischen Institut über Die Sprache des Jugendlichen im Tagebuch promovierte. In dieser von Charlotte Bühler angeregten Untersuchung entwickelte Hedwig Fuchs eine Methode der Sprachanalyse, welche die Identifizierung und Qualifizierung von Autoren und Texten ermöglichen sollte. Sie verglich echte und fiktive Jugendtagebücher und wies zum Beispiel nach, dass das von Hermine Hug-Hellmuth herausgegebene anonyme Tagebuch eines halbwüchsigen Mädchens auf eigenen Aufzeichnungen der Psychoanalytikerin selbst beruhte.
Hedwig Fuchs unterrichtete ein Jahr lang an einer Frauenoberschule, bevor sie den österreichischen Mittelschullehrer für Geschichte und Musik, Lambert Bolterauer (1903-2000), kennenlernte und 1929 heiratete. 1931 wurde ihre Tochter geboren, 1935 und 1938 folgten zwei Söhne. Von 1930 bis 1931 absolvierte Hedwig Bolterauer eine Ausbildung zur Bibliothekarin an der Österreichischen Nationalbibliothek und arbeitete danach von 1934 bis 1942 in diesem Beruf.
1941 begann sie, wie ihr Mann ein Jahr zuvor, eine "Lehrbehandlung" bei August Aichhorn, der nach dem "Anschluss" in Österreich geblieben war. 1942 wurde sie Ausbildungskandidatin der Wiener Arbeitsgemeinschaft des Deutschen Instituts für Psychologische Forschung und Psychotherapie. 1946 traten Hedwig und Lambert Bolterauer der nach Kriegsende wiedergegründeten Wiener Psychoanalytischen Vereinigung (WPV) bei und beteiligten sich am Wiederaufbau der Vereinigung.
Hedwig Bolterauer richtete mit Rosa Dworschak die Erziehungsberatungsstelle der WPV ein und besuchte Seminare von Anna Freud in London. 1954 wurde sie Lehranalytikerin der WPV und übte diesen Beruf bis ins hohe Alter aus. (Artikelanfang)
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Die Kinderanalytikerin Berta Bornstein wurde als zweite Tochter der jüdischen Kaufleute Getzel und Gisella Bornstein in Krakau geboren. Kurz nach ihrer Geburt übersiedelte die Familie nach Berlin, wo Berta wie ihre ältere Schwester Steff Bornstein den Beruf der Fürsorgerin ergriff und als Lehrerin für schwer erziehbare Kinder arbeitete.
Anfang der 1920er Jahre begannen beide Schwestern eine Ausbildung am Berliner Psychoanalytischen Institut. Berta Bornstein machte von 1922 bis 1929 eine Lehranalyse bei Hans Lampl und schloss sich der Gruppe linker Psychoanalytiker:innen um Otto Fenichel an. Sie spezialisierte sich in der Kinderanalyse und ging 1929 nach Wien, wo sie mit Anna Freud zusammenarbeitete und ihre Lehranalyse bei Edward Bibring abschloss. 1930 wurde sie außerordentliches Mitglied der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft und veröffentlichte ihre erste psychoanalytische Arbeit über die Beziehungen zwischen Sexual- und Intellektentwicklung.
Nach Hitlers Machtübernahme blieb Berta Bornstein in Wien und wurde 1933 ordentliches Mitglied, später Lehr- und Kontrollanalytikerin der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung (WPV). Sie eröffnete eine psychoanalytische Praxis und heiratete 1933 den Wiener Industrieangestellten Leopold Pfaller, der 1941 starb. Von 1934 bis 1936 analysierte sie Eva, die ältere Tochter von Wilhelm und Annie Reich. Berta Bornstein, eine enge Freundin von Annie Reich, befürwortete eine Trennung vom Vater, an dessen geistiger Gesundheit sie zweifelte.
Nach dem Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland im Jahr 1938 emigrierte Berta Bornstein nach New York. Da sie "Laienanalytikerin", also keine Ärztin war, wurde sie 1942 nur als "special member" in die New York Psychoanalytic Society aufgenommen. Sie unterrichtete von 1942 bis 1960 am New Yorker Psychoanalytischen Institut und war dort zwischen 1952 und 1955 Leiterin der kinderpsychoanalytischen Abteilung. Außerdem lehrte sie ab 1951 Kinderanalyse am Institut der Philadelphia Psychoanalytic Society.
Berta Bornstein entwickelte eine spezielle Technik der Widerstandsanalyse, welche die von Anna Freud praktizierte nicht-analytische Vorbereitung einer Kinderanalyse überflüssig machte. Wie Melanie Klein, deren Ansatz sie jedoch scharf kritisierte, arbeitete sie schon in den 1930er Jahren mit sehr kleinen Kindern. Obwohl sie sich ausführlich mit der Bedeutung des Ichs in der Kindheit beschäftigte, war sie keine Vertreterin der Ich-Psychologie. Grundlegend sind ihre Arbeiten zur Latenzzeit und zur Technik der Kinderanalyse. Ihre 1949 veröffentlichte Analyse eines phobischen Kindes bezeichnete Anna Freud damals als die beste Fallbeschreibung auf dem Gebiet der Kinderanalyse.
Berta Bornstein starb wie ihre Schwester an einem Herzinfarkt. (Artikelanfang)
Die aus New York stammende Kinderanalytikerin Dorothy Burlingham war die jüngste von acht Töchtern des berühmten Glaskünstlers und Millionärs Louis Comfort Tiffany und seiner Frau Louise Wakeman Knox. Nach dem Besuch des Brearley College für Mädchen und einer Zeichenschule heiratete Dorothy Tiffany 1914 den Chirurgen Robert Burlingham (1888-1938) und bekam vier Kinder von ihm. 1921 trennte sie sich von ihrem Mann, der an manisch-depressiven Zuständen litt und später schließlich Selbstmord beging. Sie übersiedelte 1925 nach Wien, um ihre Kinder, vor allem ihren asthmakranken Sohn Bob, von Anna Freud analysieren zu lassen.
Dorothy Burlingham begann selbst eine Analyse bei Theodor Reik, die sie 1927 als Lehranalyse bei Sigmund Freud fortsetzte. 1932 wurde sie außerordentliches, 1934 ordentliches Mitglied der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung. Ihr Einführungsreferat hielt sie über Die Kinderanalyse aus der Sicht der Mutter. Zwischen ihr und Anna Freud entwickelte sich eine lebenslange enge Freundschaft, die durch ihre gemeinsamen pädagogisch-psychoanalytischen Arbeitsprojekte gefestigt wurde. In der Öffentlichkeit eher reserviert und kühl wirkend, galt Dorothy Burlingham als eine sehr begabte, ausgeprägt mütterliche Analytikerin.
1927 gründeten Anna Freud, Dorothy Burlingham und Eva Rosenfeld die freie Burlingham-Rosenfeld-Schule in Wien-Hietzingen, wo bis 1932 Kinder und Jugendliche von analytisch geschulten Lehrern, darunter Anna Freud, Peter Blos, Erik H. Erikson und August Aichhorn, Projektunterricht erhielten. 1937 richteten Dorothy Burlingham und Anna Freud mit den finanziellen Mitteln Burlinghams und ihrer amerikanischen Kollegin Edith Jackson das Jackson Day Nursery ein, einen experimentellen Kindergarten für Kleinkinder aus armen Wiener Familien.
Nach dem Einmarsch der Nationalsozialisten in Wien floh Anna Freud 1938 mit ihrem Vater nach London. Dorothy Burlingham ging zurück in die USA, von wo aus sie zahlreichen Wiener Analytiker:innen die Flucht in die Vereinigten Staaten ermöglichte. 1940 folgte sie ihrer Lebensgefährtin Anna Freud nach London und wurde wie diese Lehr- und Kontrollanalytikerin der British Psycho-Analytical Society.
1941 eröffneten beide die Hampstead War Nurseries, eine Institution für Kriegskinder und -waisen, in der durch die Bildung familienähnlicher Kleingruppen mit einer Ersatzmutter versucht wurde, der Trennungserfahrung entgegenzuwirken. Ihre wichtigste Entdeckung war, dass die Entwicklungsstörungen, die durch das Fehlen der Mutter verursacht wurden, durch die stabile Beziehung zu einer Ersatzmutter behoben werden konnten. Über diese Arbeit berichteten sie in den gemeinsam veröffentlichten Büchern Kriegskinder und Anstaltskinder. 1947 gründeten Dorothy Burlingham und Anna Freud den Hampstead Child Therapy Course, eine Ausbildungsstätte für Kinderanalyse. 1952 wurde die Hampstead Child Clinic eröffnet, wo pychisch gestörte Kinder behandelt und unterrichtet werden.
Eines der ersten Projekte waren die unter Burlinghams Leitung durchgeführten Simultananalysen von Müttern und ihren Kindern, mit deren Hilfe geklärt werden sollte, wie die Neurose einer Mutter sich auf ihr Kind auswirkt. Auf Burlinghams Initiative geht auch der Hampstead Index zurück, ein System zur Kategorisierung des in der Analyse gewonnenen Materials.
Weitere Schwerpunkte Dorothy Burlinghams waren die Erforschung der psychischen Situation von Zwillingen und die psychoanalytische Arbeit mit blinden Kindern. Sie richtete 1954 in der Hampstead Child Clinic einen Kindergarten für blinde Kinder ein sowie eine Beratungsstelle für Eltern blinder Babys und führte in den folgenden Jahren Forschungsprojekte zu blinden Kindern durch. In ihren 1972 unter dem Titel Psychoanalytic Studies of the Sighted and the Blind erschienenen Aufsätzen setzte sie sich mit der Funktion der visuellen Wahrnehmung beim Aufbau der Persönlichkeit eines Kindes auseinander. (Artikelanfang)
Die Kinderanalytikerin Edith Buxbaum wurde in Wien geboren als das einzige Kind des aus Böhmen stammenden jüdischen Kaufmanns Samuel Buxbaum und seiner Frau Jeanette geb. Seidler. Sie besuchte in Prag und Wien die Schule und machte 1920 das Abitur. Gemeinsam mit den späteren Psychoanalytiker:innen Annie Pink, Wilhelm Reich, Otto Fenichel und ihrem Cousin Bruno Bettelheim war sie in der österreichischen Jugend- und Friedensbewegung aktiv. Edith Buxbaum studierte an der Wiener Universität Geschichte und promovierte 1925 mit der Arbeit Beiträge zur Frage der Markgenossenschaften in Tirol. Danach arbeitete sie bis 1936 als Gymnasiallehrerin für Geschichte.
Neben Studium und Beruf absolvierte sie eine Ausbildung am Wiener Psychoanalytischen Institut und nahm ab 1927 an Anna Freuds kinderanalytischem Seminar teil. Nach einer Lehranalyse bei Hermann Nunberg wurde sie 1928 außerordentliches, 1933 ordentlichen Mitglied der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung (WPV). In ihrem Einführungsreferat Reaktion auf Fragestunden in der Klasse von 1931 reflektierte sie ihre schulischen Erfahrungen. 1935 begann sie eine zweite Analyse bei Salomea Gutmann-Isakower.
Edith Buxbaum unterrichtete psychoanalytische Pädagogik am Wiener Lehrinstitut und war für die psychoanalytische Ausbildung von Lehrern, Erziehern, Kindergärtnerinnen und Fürsorgerinnen zuständig. Außerdem leitete sie eine Arbeitsgemeinschaft zur Anwendung der Psychoanalyse auf praktische Pädagogik. Sie beteiligte sich an der von Wilhelm Reich und Marie Frischauf 1928 in Wien gegründeten Sozialistischen Gesellschaft für Sexualberatung und Sexualforschung und arbeitete ab 1930 in den Proletarischen Sexualberatungsstellen.
Am 27. Dezember 1934 wurde sie von der Wiener Staatspolizei wegen ihres antifaschistischen Engagements festgenommen und verbrachte anschließend vier Wochen im Gefängnis. Ihr Fall war einer der Auslöser für das von der WPV über ihre Mitglieder verhängte politische Abstinenzgebot. Edith Buxbaum verlor ihre Stelle als Lehrerin und entging 1937 einer erneuten Verhaftung durch ihre Flucht nach Schweden, von wo aus sie in die USA emigrierte.
Edith Buxbaum ließ sich in New York nieder und war dort von 1938 bis 1946 als Psychoanalytikerin und Supervisorin tätig. Sie unterrichtete am New York Psychoanalytic Institute und lehrte u. a. von 1944 bis 1947 Psychologie an der New School for Social Research. Nachdem sie 1944 den ebenfalls aus Wien emigrierten Rechtsanwalt und Psychoanalytiker Fritz Schmidl (1897-1969) geheiratet hatte, übersiedelte sie 1947 mit ihrem Mann nach Seattle und wurde Mitgründerin, Lehranalytikerin und später Präsidentin der Seattle Psychoanalytic Society.
In den nächsten 25 Jahren arbeitete Edith Buxbaum als Psychoanalytikerin an der Northwest Clinic for Psychiatry and Neurology, lehrte an der School of Medicine der Universität Washington und baute das Seattle Institute for Child Analysis auf. Außerdem war sie als Beraterin für Wohlfahrtsorganisationen tätig. Ihren Ruf als eine der bedeutendsten Vertreter:innen der Wiener Psychoanalytischen Pädagogik in der Nachkriegszeit begründete Edith Buxbaum im deutschsprachigen Raum mit ihrem Aufsatz Die Rolle der Eltern bei der Ätiologie von Lernstörungen. Darin beschrieb sie anhand von Fallstudien ihre Arbeit mit psychogen lernbehinderten und verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen sowohl aus intrapsychischer wie aus familientherapeutischer Perspektive.
Universelle Lernstörungen, die auch Verhaltensprobleme einschließen, begriff Buxbaum als eine gestörte Ich-Funktion, die in einer teilweise symbiotischen Beziehung zwischen Mutter und Kind begründet ist. Ihrer Ansicht nach befindet sich das auffällige Kind in einem unaufhörlichen Liebeskampf mit seiner Mutter. Ihre These veranschaulichte sie u. a., indem sie einen Zusammenhang zwischen Lesestörungen und unterdrückten Aggressionen aufzeigte.
Edith Buxbaum starb in Seattle an einem Eierstockkrebs. (Artikelanfang)
Erika Danneberg wuchs als ältestes von drei Kindern in einem kleinbürgerlichen deutschnationalen Elternhaus in Wien auf. Nach einer Lehre als Verlagsbuchhändlerin von 1940 bis 1943 studierte sie während und nach dem Zweiten Weltkrieg Germanistik und Psychologie an der Universität Wien. 1951 promovierte sie über den Einfluss des Krieges auf die Entwicklung junger Menschen. Sie arbeitete als Journalistin, Autorin, Übersetzerin und Verlagssekretärin sowie als Mitarbeiterin der Sozialwissenschaftlichen Forschungsstelle der Wiener Universität.
1949 heiratete sie den Schriftsteller Hermann Hakel (1911-1987). Das Scheitern dieser Ehe führte sie 1958 in eine Analyse bei Tea Genner-Erdheim, die dann ihre Lehranalytikerin wurde. Ihre kinderanalytische Ausbildung erhielt sie bei Hedda Eppel. Sie wurde Mitglied und 1973 Lehranalytikerin der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung; von 1974 bis 1978 war sie im Vorstand der WPV und bis 1983 Mitglied des Lehrausschusses.
Gemeinsam mit Hedda Eppel gründete sie 1961 die erste Kinderanalytische Beratungsstelle der WPV. Aus ihrer langjährigen Zusammenarbeit entstanden gemeinsame Publikationen mit familientherapeutischem Ansatz. 1978 begann Erika Danneberg in Deutschland eine dreijährige gruppenanalytische Ausbildung (Gras) und war anschließend als Mitarbeiterin der Internationalen Arbeitsgemeinschaft für Gruppenanalyse in Altaussee tätig.
Anfang der 1970er Jahre wurde Erika Danneberg ein aktives Mitglied der KPÖ. Sie reiste nach Kuba und ab 1984 mehrmals nach Nicaragua, wo sie sich an dem Projekt Marie Langers zur Weiterbildung nicaraguanischer Fachkräfte in einem von der sandinistischen Regierung eingerichteten Psychosozialen Dienst (Salud Mental) beteiligte. Über diese Arbeit berichtete Erika Danneberg u. a. in ihrem Marie Langer gewidmeten Buch In Nicaragua. Tagebuchaufzeichnungen über ihre fünf Nicaragua-Aufenthalte, die zugleich eine Art Selbstanalyse darstellen, publizierte sie unter dem Titel Nicaragua - Eine lange Liebe. Neben ihren politischen und psychoanalytischen Schriften veröffentlichte Erika Danneberg auch Gedichte. (Artikelanfang)
Die Kinderanalytikerin Julia Deming wurde in Oswego, Kansas, geboren als Tochter von Robert O. Deming und Christiana E. Deming. Sie besuchte das Bryn Mawr College und das Women's Medical College in Philadelphia, wo sie 1922 ihr Medizinstudium abschloss. Anschließend absolvierte sie ihre psychiatrische Facharztausbildung am Boston Psychopathic Hospital und war danach von 1928 bis 1931 leitende Psychiaterin im New England Home for Little Wanderers, einem Heim für psychisch gestörte Kinder in Boston. Aus dieser Zeit stammte ihre erste psychoanalytische Arbeit Problems presented by children of parents forced to marry.
1932 ging Julia Deming nach Wien, um eine Lehranalyse bei Anna Freud zu machen, ihre Kontrollanalytiker:innen waren Helene Deutsch und August Aichhorn. Sie besuchte die Arbeitsgruppe für Kinderanalyse, die Jenny Wälder und Berta Bornstein für amerikanische Analytiker:innen eingerichtet hatten, und nahm an Anna Freuds kinderanalytischem Fallseminar teil. Als Dorothy Burlingham und Edith Jackson 1937 den experimentellen Kindergarten Jackson Day Nursery für Kleinkinder aus Wiener Arbeiterfamilien eröffneten, war Julia Deming für die Verpflegung der Kinder zuständig. Über ihre Erfahrungen führte sie ein Tagebuch, in dem sie die Verhaltensweisen der Kleinkinder dokumentierte.
Gemeinsam mit anderen amerikanischen Kandidat:innen der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung (WPV) übersetzte sie August Aichhorns Buch Verwahrloste Jugend ins Amerikanische (Wayward Youth, 1943). Von Deming stammt auch die amerikanische Übersetzung von Steff Bornsteins Aufsatz Eine Kinderanalyse (A child analysis, 1935). 1937 wurde sie als außerordentliches Mitglied in die WPV aufgenommen.
Nach dem Anschluss Österreichs an Nazideutschland wurde Julia Deming vorübergehend festgenommen. Nach ihrer Freilassung beteiligte sie sich an den Anstrengungen zur Rettung von Sigmund und Anna Freud, bevor sie Ende 1938 nach Boston zurückkehrte. Sie gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Boston Psychoanalytic Society and Institute (BPSI), war ab 1943 Lehranalytikerin, von 1946 bis 1948 Vizepräsidentin und von 1951 bis 1955 Schatzmeisterin des BPSI. Außerdem arbeitete sie als Psychiaterin u. a. am Philadelphia General Hospital und am Massachusetts Mental Health Center. Sie starb im Alter von 76 Jahren in Philadelphia. (Artikelanfang)
Helene Rosenbach wurde im polnischen Przemysl geboren, als jüngstes von vier Kindern des jüdischen Rechtsanwalts Wilhelm Rosenbach und seiner Frau Regina geb. Leizor. Sie war das Lieblingskind ihres Vaters, während sie unter ihrer strengen Mutter litt. Gegen den Willen der Eltern erkämpfte sie sich die Möglichkeit, das Abitur abzulegen. In diese Zeit fiel ihre Begegnung mit dem wesentlich älteren Sozialistenführer Herman Lieberman (1870-1941), dessen politische Ziele sie sich zu eigen machte und der ihr Liebhaber wurde. Sie nahm an Demonstrationen teil und gründete 1905 die erste Organisation für Arbeiterinnen in Przemysl.
Urprünglich wollte Helene Rosenbach Anwältin wie ihr Vater werden. Da die juristischen Fakultäten damals jedoch keine Frauen aufnahmen, schrieb sie sich 1907 an der medizinischen Fakultät der Universität in Wien ein, wo sie zu den ersten Medizinstudentinnen zählte. 1910/1911 studierte sie ein Semester experimentelle Psychologie bei Emil Kraepelin in München. Hier lernte sie den Internisten und späteren Psychoanalytiker Felix Deutsch (1884-1964) kennen, den sie 1912 heiratete. Nach mehreren Fehlgeburten kam 1917 ihr Sohn Martin zur Welt.
Im Anschluss an ihre Promotion arbeitete Helene Deutsch von 1912 bis 1918 als (unbezahlte) Assistenzärztin an der Wagner-Jauregg-Klinik für Psychiatrie und Nervenkrankheiten in Wien und leitete dort während des Ersten Weltkriegs die psychiatrische Frauenabteilung. 1913 arbeitete sie mit geistig behinderten Kindern in der von Erwin Lazar geleiteten Heilpädagogischen Station der Kinderklinik der Universität Wien und 1914 einige Monate in der Münchner Psychiatrischen Klinik Kraepelins.
Ihr Interesse für die Psychoanalyse, aber auch persönliche Probleme bewogen Helene Deutsch 1918 zu einer einjährigen Analyse bei Sigmund Freud, dessen Lieblingsschülerin sie bald wurde. Noch im gleichen Jahr wurde sie Mitglied der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung (WPV) und entfaltete in den 1920er und 1930er Jahren eine intensive Vortrags-, Lehr- und Publikationstätigkeit. 1923/24 absolvierte sie eine Zweitanalyse bei Karl Abraham in Berlin und verfasste dann ihr erstes Buch Zur Psychoanalyse der weiblichen Sexualfunktionen, eine Vorarbeit für ihr Hauptwerk über die Psychologie der Frau.
Dank ihres Einsatzes wurde 1925 das Lehrinstitut der WPV eröffnet, dessen Präsidentin Helene Deutsch bis zu ihrer Emigration war. 1932 übernahm sie außerdem die Leitung des Technischen Seminars der WPV. Bei der sehr gefragten Lehranalytikerin versammelte sich regelmäßig die jüngere Analytikergeneration im Club "Zur Schwarzen Katze", bestehend aus den Ehepaaren Bibring, Kris, Hoffer, Hartmann, Wälder und Deutsch, um beim Kartenspiel psychoanalytische Probleme zu erörtern.
1934 entschloss sich Helene Deutsch zur Emigration in die USA, ihr Mann folgte ihr Anfang 1936. Sie ließen sich in Boston nieder, wo Helene Deutsch Mitglied und einflussreiche Lehranalytikerin der Boston Psychoanalytic Society wurde. Neben ihrer psychoanalytischen Privatpraxis arbeitete sie an der von Stanley Cobb geleiteten psychiatrischen Klinik des Massachusetts General Hospital.
Helene Deutsch war eine der ersten Schülerinnen Freuds, die sich der Psychoanalyse des Weiblichen widmete. In ihrem Buch über Die Psychologie der Frau entwarf sie anhand von Fallgeschichten, literarischen Beispielen und ihrer Selbstanalyse eine normative Typologie der Frau. Freuds Unterscheidung von männlicher Aktivität und weiblicher Passivität zugrundelegend, entwickelte Helene Deutsch ihre berühmte These vom weiblichen Masochismus: Das Mädchen verzichtet wegen der tatsächlichen Minderwertigkeit der Klitoris gegenüber dem Penis auf sexuelle Aktivität. An die Stelle maskulin-narzisstischer Wünsche treten weibliche Passivität und das masochistische Bedürfnis, aus Liebe zu leiden. Denn einen Mann zu lieben bedeute für die Frau, ein Objekt zu wählen, das ihr die Schmerzen von Defloration und Geburt beschert.
Ein Gegengewicht zum Masochismus der Frau bildet nach Deutsch ihr Narzissmus, beides ist in ihrem Idealtypus der weiblich-erotischen Frau harmonisch ausbalanciert. Dieses Ideal verwirkliche sich im Mütterlichen, während sein Gegentypus, die Frau mit einem "Männlichkeitskomplex", aus Angst vor ihren rezeptiv-passiven Anteilen ihre Aktivität nach außen richtet und dabei gefühlsmäßig verkümmert.
Helene Deutschs Auffassungen wurden bereits von Zeitgenossinnen und erst recht von späteren Feministinnen als "reaktionär" verurteilt. Simone de Beauvoir dagegen benutzte sie neben Freud als wichtigste psychoanalytische Quelle ihres Buchs Le deuxième sexe. Eine der Hauptkontrahentinnen Helene Deutschs, die den Penisneid als Tatsache und nicht als psychisches Konstrukt ansah und schon von Freud wegen ihrer mangelnden Unterscheidung von Psychischem und Biologischem kritisiert wurde, war Karen Horney mit ihrer These vom Penisneid als kulturellem Phänomen.
Neben ihren Arbeiten über die weibliche Sexualität beschäftigte sich Helene Deutsch auch mit der Kinderanalyse, den Problemen von Jugendlichen und mit dem Konzept der inauthentischen oder "Als-ob-Persönlichkeit". Sie publizierte bis in ihr hohes Alter und erregte Anfang der 1970er Jahre Aufsehen, als sie im Arztkittel an einer Anti-Vietnam-Demonstration teilnahm. Helene Deutsch starb mit 97 Jahren in Cambridge, Mass. (Artikelanfang)
Rosa Dworschak wurde in St. Peter in der Steiermark geboren, ihr Vater war Militärkapellmeister und später Ministerialbeamter. 1912 schloss sie die Handelsschule ab und arbeitete dann in einer Notariatskanzlei und bei der Wiener Postsparkasse. Mit dem Wunsch, ein Kinderheim zu leiten, besuchte sie die "Vereinigten Fachkurse für Volkspflege", die erste von Ilse Arlt 1912 gegründete Fürsorgeschule Österreich-Ungarns. Sie arbeitete am Wiener Jugendamt, als sie 1917 den Psychoanalytiker August Aichhorn (1878-1949) kennen lernte. Von 1919 bis 1920 war sie Leiterin des Erholungsheims für Kriegerwitwen und -waisen in Pottendorf, danach arbeitete sie als Fürsorgeleiterin in verschiedenen Wiener Bezirksjugendämtern. Als Aichhorn von 1923 an als Erziehungsberater an den Wiener Bezirksjugendämtern arbeitete, wurde Rosa Dworschak seine engste Mitarbeiterin und Geliebte. Neben ihrer Fürsorgearbeit studierte sie Komposition an der Wiener Musikakademie.
Nach dem Zweiten Weltkrieg engagierte sich Rosa Dworschak, die seit 1949 der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung (WPV) angehörte, für die Modernisierung der Fürsorge. Sie gab Kurse für Erziehungsberater des Städtischen Jugendamts und für Berufsberater des Wiener Arbeitsamts und baute zusammen mit Hedwig Bolterauer die Erziehungsberatung der WPV auf. 1949 gründete sie die erste öffentliche Wiener "Child Guidance Clinic", das Institut für Erziehungshilfe, wo sie bis zu ihrer Pensionierung 1962 als Erziehungsberaterin und Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche arbeitete. 1950 war sie Mitgründerin der August-Aichhorn-Gesellschaft.
Als international anerkannte Expertin für Erziehungsberatung setzte sich Rosa Dworschak für die Einführung der Psychoanalyse in die Sozialfürsorge-Ausbildung ein. Gegen anfänglichen Widerstand führte sie die Casework-Methode ein, eine vertiefte Einzelfallhilfe, die eine partnerschaftliche Beziehung zwischen Sozialarbeiter und Klient voraussetzt. Die 1961/62 von ihr geleitete Studientagung zum Thema "Casework und Supervision" gilt als die Geburtsstunde der Supervision in der österreichischen Sozialarbeit. Wichtig war ihr auch die Einbeziehung der Familie in die Therapie, um auf die "neurotisch-verwahrloste Familienatmosphäre" Einfluss nehmen zu können. Eine Sammlung ihrer Schriften enthält der von Thomas Aichhorn herausgegebene Band Zur Praxis und Theorie der psychoanalytischen Sozialarbeit. (Artikelanfang)
Emma Eckstein ist vor allem als eine der wichtigsten frühen Patientinnen Sigmund Freuds bekannt geworden. Sie kann aber auch als die erste Psychoanalytikerin angesehen werden, da sie nach ihrer Analyse bei Freud selbst psychotherapeutisch tätig war. Emma Eckstein wurde in Gaudenzdorf als viertes von neun Geschwistern in eine angesehene jüdische Familie geboren, die mit Freud befreundet war. Ihr Vater Albert Eckstein war Eigentümer einer Pergamentfabrik, deren Leitung ihre Mutter Amalie Eckstein geb. Wehle nach dem frühen Tod des Vaters 1881 übernahm. Emma blieb unverheiratet und lebte viele Jahre lang mit ihrer Mutter zusammen. Wie ihre ältere Schwester Therese Schlesinger engagierte sie sich in der radikal-bürgerlichen Frauenbewegung Auguste Fickerts und unterstützte 1900 die Gründung des ersten Wiener Frauenclubs.
1892 begab sich Emma Eckstein wegen verschiedener als hysterisch diagnostizierter Störungen zu Freud in Behandlung. Die entscheidende Phase ihrer Analyse fiel in die Zeit von 1895 bis 1897. Freud konsultierte Ende 1894 seinen Freund, den HNO-Arzt Wilhelm Fließ, der ihre Unterleibsbeschwerden auf einen Symptomkomplex ("Nasenreflex-Neurose") zurückführte, den er von sog. Genitalstellen in der Nase aus operativ zu beeinflussen suchte. Die 1895 vorgenommene Operation mündete in einem Desaster, da Fließ einen Gazestreifen in der Nasenhöhle vergessen hatte. Emma musste erneut operiert werden, was sie beinahe das Leben gekostet hätte. Dieses Ereignis bildete einen wichtigen Hintergrund zu Freuds berühmtem Traum von „Irmas Injektion“. Ecksteins Analyse lieferte ihm außerdem das klinische Material zur Entwicklung seiner Theorie der Wunscherfüllung und schließlich zur Revision seiner Verführungstheorie.
Nach ihrer Analyse begann Emma Eckstein ab Ende 1897 neurotische Patient:innen nach Freudscher Technik und unter seiner Anleitung zu behandeln. Sie veröffentlichte Artikel zu Frauen- und Erziehungsfragen, eine Rezension von Freuds Traumdeutung in der Arbeiter-Zeitung (1900) und mehrere Texte über Fragen der Sexualerziehung, in denen sie die Gefahren des kindlichen Masturbierens sowie von Tagträumen bei jungen Mädchen erörterte und für sexuelle Aufklärung plädierte.
Ab 1905 führte Emma Eckstein zusammen mit ihrer verwitweten Schwester Therese, der Mutter Amalie und dem Bruder Gustav einen gemeinsamen Haushalt. Nach einer gynäkologischen Operation um 1910, die Freud als verhängnisvolle Fehlentscheidung beurteilte, erholte sie sich nicht mehr richtig, blieb bettlägerig und starb schließlich an einer Gehirnblutung. (Artikelanfang)
Ruth Selke wurde als Tochter jüdischer Eltern in Odessa geboren, wohin ihr Vater Ludwig Selke als Abteilungsleiter einer Hamburger Bank versetzt worden war. Ihre Mutter Jenny Selke, geb. Lewin stammte aus Warschau. Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde der Vater interniert, und die Mutter musste mit den fünf Kindern nach Hamburg zurückkehren. 1920 zog die Familie nach Danzig. Ruth Selke ging in Odessa, Hamburg, Danzig und Freiburg zur Schule, wo sie 1925 das Abitur ablegte. Sie studierte bis 1930 in Freiburg Medizin und spezialisierte sich im Fach Psychiatrie. Ihre Assistenzarztzeit absolvierte sie bei Albert Fränkel in Heidelberg und am Bürgerspital in Stuttgart. 1932 promovierte sie in Heidelberg mit der Arbeit Sechs Lebensläufe als sozialhygienischer Beitrag zur Frage Alkoholismus und Tuberkulose.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten ging Ruth Selke 1933 nach Wien. Dort arbeitete sie in der psychiatrischen Abteilung des Krankenhauses Rosenhügel und begann eine Lehranalyse bei Theodor Reik. Als dieser nach Holland emigrierte, setzte sie ihre Analyse bei Richard Sterba und August Aichhorn fort. 1937 wurde sie außerordentliches Mitglied der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung.
Ein Jahr zuvor hatte Ruth Selke den Wiener Psychoanalytiker Kurt R. Eissler (1908-1999) geheiratet. 1938, nach dem Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland, emigrierten die Eisslers in die USA. Sie ließen sich zunächst in Chicago nieder, wo Ruth Eissler-Selke als Kinderpsychiaterin am Michael Reese Hospital und als Ärztin in einer Anstalt für delinquente Mädchen tätig war. Sie eröffnete eine psychoanalytische Privatpraxis und wurde Lehranalytikerin am Chicago Psychoanalytic Institute. Einer ihrer Analysanden in dieser Zeit war Heinz Kohut.
1948 übersiedelte Ruth Eissler-Selke mit ihrem Mann nach New York und wurde dort Mitglied und Lehranalytikerin der New York Psychoanalytic Society. Von 1957 bis 1959 hatte sie das Amt der Vizepräsidentin der IPA inne, und von 1950 bis 1985 war sie Mitherausgeberin der Zeitschrift The Psychoanalytic Study of the Child.
Neben psychoanalytischen Arbeiten schrieb Ruth Eissler-Selke auch Gedichte, die 1976 unter dem Titel Gezeiten veröffentlicht wurden. Zeitgeschichtliches floss in ihren 1946 erschienenen Fallbericht einer schizophrenen Frau ein, die unter dem Wahn litt, gegen ihren Willen als Nazi-Spion missbraucht zu werden. (Artikelanfang)
Hedda Eppel wurde in Wien als Tochter einer jüdischen Familie geboren. Ihre Eltern Hermann und Josephine Körner führten das Flieger Kino in Wien, bis es nach dem "Anschluss" "arisiert" wurde. Hedda Körner legte 1937 das Abitur ab und besuchte eine Sprachschule, bevor sie 1939 nach England emigrierte und dort als Kindergärtnerin arbeitete. Nach Kriegsende kümmerte sie sich in Windermere in Nordengland um traumatisierte Kinder aus Konzentrationslagern, lernte Anna Freud kennen und beschloss, Psychoanalytikerin zu werden.
1946 kehrte sie nach Österreich zurück, absolvierte in Wien ein Psychologiestudium und promovierte 1949. Danach arbeitete sie bis 1952 als Kinderpsychotherapeutin im Therapieheim Dornbach in Wien, mit dessen Leiter, dem Psychologen Heinz Eppel (1921-2000), sie verheiratet war. Gleichzeitig begann sie ihre Ausbildung bei der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung (WPV). Ihre Lehranalytiker waren August Aichhorn, Robert Jokl, Otto Fleischmann und Johann Aufreiter. Ihre Ausbildung zur Kinderanalytikerin erhielt sie an der von Anna Freud geleiteten Hampstead Child Therapy Clinic in London. 1954 wurde sie Mitglied, später Lehranalytikerin der WPV. Sie spezialisierte sich auf Kinderanalyse und psychoanalytische Pädagogik. 1961 gründete sie gemeinsam mit Erika Danneberg die erste Kinderberatungsstelle der WPV. Ihrem Einsatz war es zu verdanken, dass es seit 1972 eine Zusatzausbildung für Kinderanalyse in der WPV gibt.
Nach Tätigkeiten am Albert Einstein College und am Jacoby Hospital in New York lehrte Hedda Eppel von 1972 bis 1977 am Pädagogischen Institut der Universität Wien. Sie war Vorsitzende des Lehrausschusses der WPV (1977/78 und 1984-1987) und unterrichtete vor allem psychoanalytische Technik und psychoanalytische Entwicklungspsychologie. Einer ihrer Schwerpunkte war das psychoanalytische Konzept der Identifizierung und dessen Folgerungen für die Psychologie und die Pädagogik.
Aus ihrer Arbeit an der Kinderanalytischen Beratungsstelle der WPV gingen gemeinsame Veröffentlichungen mit Erika Danneberg hervor, darunter die Dokumentation der gleichzeitigen Behandlung eines achtjährigen Jungen und seiner Mutter. Nach Ansicht der Autorinnen lassen psychische Störungen von Kindern auf eine psychische Problematik bei den Eltern rückschließen, weshalb es bei neurotischen Kindern eines familientherapeutischen Ansatzes bedarf. (Artikelanfang)
Else Frenkel wurde in Lemberg in Ostgalizien geboren als zweite von drei Töchtern des jüdischen Bankangestellten und späteren Bankiers Abraham Frenkel und seiner Frau Helene geb. Gelernter. 1914 übersiedelte die Familie nach Vöslau und 1918 nach Wien. Else Frenkel studierte zunächst Mathematik und Physik, wechselte aber 1927 zur Psychologie und Philosophie. 1930 promovierte sie zum Dr. phil. mit einer Arbeit über Assoziationspsychologie. Anschließend war sie bis 1938 Mitarbeiterin von Karl und Charlotte Bühler in der Abteilung für biographische Studien am Psychologischen Institut der Universität Wien.
Obwohl ihr Hauptinteresse der Theorie des Logischen Empirismus galt, beteiligte sich Else Frenkel in Wien an Diskussionsabenden mit Psychoanalytikern. Darüber hinaus begann sie eine persönliche Analyse bei Ernst Kris, die sie 1932 nach acht Monaten wegen eines rheumatischen Fieberanfalls abbrechen musste. 1937/38 nahm sie an einem Lehrgang der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung für Pädagogen teil und unternahm 1937 eine zweite Analyse, die durch den "Anschluss" Österreichs nicht abgeschlossen werden konnte.
Else Frenkel emigrierte 1938 in die USA und heiratete im gleichen Jahr ihren Wiener Kollegen Egon Brunswik (1903–1955). Sie ließen sich in Berkeley, Kalifornien, nieder, wo Else Frenkel-Brunswik von 1939 bis 1958 Wissenschaftliche Mitarbeiterin [Research Associate] am Institute of Child Welfare, Department of Psychology der University of California war, ab 1943 mit Lehrbefugnis. In den USA wandte sie sich verstärkt der Psychoanalyse zu. Sie war Mitglied der von Siegfried Bernfeld in San Francisco gegründeten interdisziplinären psychoanalytischen Arbeitsgruppe und Affiliate Member der San Francisco Psychoanalytic Society. In ihrer wissenschaftlichen Arbeit verfolgte sie die Integration von Elementen der Psychoanalyse in die empirische Persönlichkeitsforschung.
In den 1940er Jahren gehörte Else Frenkel-Brunswik mit R. Newitt Sanford, Daniel J. Levinson und Theodor W. Adorno zur Berkeley Public Opinions Study Group, die über Vorurteile, Antisemitismus und Autoritarismus forschte (Studies in Prejudice) und 1950 die berühmte Studie The Authoritarian Personality veröffentlichte. In diesem Forschungsprojekt zur Empirie und Theorie der autoritären Persönlichkeit wurden psychoanalytische und soziologische Theorien mit statistisch ausgewerteten sozialpsychologischen Variablen verknüpft. Else Frenkel-Brunswiks Beitrag bestand vor allem in der Konstruktion und tiefenpsychologischen Auswertung der Interviews. Bekannt wurde sie darüber hinaus durch ihr auf dem psychoanalytischen Ambivalenzbegriff basierendes Konzept der Intoleranz gegenüber Mehrdeutigkeit.
Nach 1947 war Else Frenkel-Brunswik weiterhin als Research Psychologist an der Universität Berkeley tätig und wirkte bei zahlreichen Forschungsprojekten mit, unter anderem am Nationalismusprojekt des Institute for Social Research in Oslo.
Nach dem Suizid ihres Ehemanns drei Jahre zuvor nahm sich Else Frenkel-Brunswik im Alter von 49 Jahren das Leben. (Artikelanfang)
Anna Freud war die jüngste Tochter von Sigmund Freud, dessen Lehre sie - nach Hermine Hug-Hellmuth und neben Melanie Klein - um die Kinderanalyse erweitert hat. Mit ihrer Schrift über die Abwehrmechanismen des Ichs war sie eine Wegbereiterin der Ich-Psychologie. Anna Freud wuchs mit ihren drei Brüdern und zwei Schwestern im bürgerlich-jüdischen Milieu Wiens auf. Sie bewunderte ihren Vater, während das Verhältnis zu ihrer Mutter Martha Freud zeitlebens angespannt war. Nach der Reifeprüfung 1912 absolvierte sie eine Ausbildung zur Lehrerin und unterrichtete von 1917 bis 1920 in Wien an einer Volksschule. Ihr Wunsch, Psychoanalytikerin zu werden, wurde von ihrem Vater unterstützt, und sie begann 1918 eine Analyse bei ihm, die fast vier Jahre dauerte und durch einen intensiven Austausch mit Lou Andreas-Salomé und Max Eitingon ergänzt wurde. Anna Freud wurde eine begabte, von ihm sehr geschätzte Schülerin und Mitarbeiterin ihres Vaters, nach dessen Krebserkrankung auch seine Pflegerin und Statthalterin bei offiziellen Anlässen.
Von 1920 an arbeitete Anna Freud als Lektorin in der englischen Abteilung des Internationalen Psychoanalytischen Verlags. 1922 wurde sie in die Wiener Psychoanalytische Vereinigung (WPV) aufgenommen, ihren Einführungsvortrag hielt sie über Schlagephantasie und Tagtraum, eine auf eigenen Erfahrungen beruhende Fallstudie zum Vater-Tochter-Verhältnis. Im Jahr darauf eröffnete sie eine eigene psychoanalytische Praxis neben der ihres Vaters in der Berggasse 19 in Wien. Seit 1924 war sie Mitglied im Geheimen Komitee, dem inoffiziellen Führungsgremium der IPV. 1925 wurde sie Lehr- und Kontrollanalytikerin der WPV und hielt in den folgenden Jahren Vorlesungen und Seminare ab mit dem Schwerpunkt Kinderanalyse und psychoanalytische Pädagogik.
1927 gründete Anna Freud zusammen mit ihrer Lebensgefährtin Dorothy Burlingham und mit Eva Rosenfeld in Wien die Hietzinger Experimentierschule, in der bis 1932 Kinder befreundeter Familien nach der "Projektmethode" unterrichtet wurden. Im gleichen Jahr wurde sie Sekretärin der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung (bis 1934). Ebenfalls 1927 erschien eine Sammlung ihrer Vorlesungen unter dem Titel Einführung in die Technik der Kinderanalyse. In diesem Buch, das den Auftakt zur sog. Freud-Klein-Kontroverse bildete, äußerte sie sich kritisch zu den Thesen Melanie Kleins.
Anna Freud vertrat wie ihr Vater die Auffassung, dass das Über-Ich auf der triadischen Entwicklungsstufe aus der Auflösung des Ödipuskomplexes und der Identifikation mit den Eltern hervorgeht und nicht, wie Melanie Klein behauptete, aus frühen Entzugserfahrungen in der Mutter-Kind-Dyade. Sie ging von einer Wechselwirkung zwischen angeborenen und Umweltfaktoren aus und hielt wegen der Abhängigkeit des kindlichen Über-Ichs von äußeren Einflüssen eine pädagogische Ergänzung der Kinderanalyse für unumgänglich. Melanie Klein, die keinen Unterschied zwischen Kinder- und Erwachsenenanalyse machte, stellte eine von der realen äußeren Welt weitgehend unabhängige, phantasmatische Innenwelt ins Zentrum ihrer Analyse und bestand auf dem Primat destruktiver Triebregungen, während Anna Freud autoerotische und narzisstische Strebungen für die frühesten hielt.
Nach der Emigration Helene Deutschs übernahm Anna Freud 1935 die Leitung des Wiener psychoanalytischen Lehrinstituts. 1936 erschien ihr wichtigstes theoretisches Werk Das Ich und die Abwehrmechanismen. Darin beschrieb sie anhand von Beispielen normale und neurotische Formen der Abwehr - darunter erstmals die Identifizierung mit dem Angreifer -, mit deren Hilfe sich das Ich gegen Triebregungen und äußere Bedrohungen zu schützen sucht. Die Betonung liegt hier nicht mehr auf der Erforschung der Tiefenschichten des Es, sondern auf der Analyse des Ichs und seiner Abwehrarbeit.
Gemeinsam mit Dorothy Burlingham und Edith Jackson eröffnete Anna Freud 1937 die von Montessori-Ideen inspirierte Jackson-Nursery, eine Kindertageskrippe für Wiener Arbeiterkinder. 1938 marschierten die deutschen Truppen in Wien ein. Die Familie Freud floh mit Hilfe u. a. von Marie Bonaparte und Ernest Jones über Paris nach London. Sigmund Freud überlebte die Emigration nur um ein Jahr.
Mit der Ankunft Anna Freuds in London, wo sie Mitglied und Lehranalytikerin der British Psycho-Analytical Society (BPAS) wurde, kam es zu einer Verschärfung der Kontroverse zwischen ihren Anhänger:innen und den Parteigänger:innen Melanie Kleins, die bereits seit 1926 in London lebte. Den Höhepunkt der Auseinandersetzungen bildeten die 1943 und 1944 in London ausgetragenen "Controversial Discussions", die 1946 die Einrichtung von drei getrennten Ausbildungsgängen der BPAS für Kleinianer, Annafreudianer und Unabhängige zur Folge hatten.
Von 1941 bis 1945 organisierten Anna Freud und Dorothy Burlingham die Kriegskinderheime Hampstead War Nurseries für Kinder, die durch die Bombardierung Londons von ihren Familien getrennt worden waren. Nach dem Krieg kümmerten sie sich auch um Kinder, die ohne Eltern im Konzentrationslager Theresienstadt überlebt hatten. Über die Behandlung seelischer Schäden durch Kriegs- und Trennungserlebnisse berichteten sie in ihren beiden Büchern Kriegskinder und Anstaltskinder. 1947 gründete Anna Freud gemeinsam mit Kate Friedländer Hampstead Child Therapy Course, eine Ausbildungsstätte für Kinderpsychoanalytikerinnen (offiziell "psychoanalytical child expert"), der 1952 eine psychosomatische Kinderklinik angeschlossen wurde. Hampstead Child Therapy Course and Clinic wurde von Anna Freud bis zu ihrem Tod geleitet und danach in Anna Freud Centre umbenannt.
Sie entwickelte für die Arbeit mit Kindern ein diagnostisches Schema, das "metapsychologische Entwicklungsprofil", mit dem die normale oder abnormale Enwicklung eines Kindes beurteilt werden konnte. Ergebnis ihrer Arbeit an der Hampstead Clinic bildet ihr Buch Wege und Irrwege in der Kinderentwicklung.
Von 1944 bis 1949 wiederum Sekretärin, danach Vizepräsidentin der IPV und ab 1945 Mitherausgeberin der Zeitschrift The Psychoanalytic Study of the Child, setzte Anna Freud sich für die offizielle Anerkennung der Kinderanalyse durch die Standesorganisation ein. Während der 1960er Jahre hielt sie Gastvorlesungen und Vorträge in den USA, wo sie ihre größten Erfolge verzeichnete.
Seit 1975 litt Anna Freud an einer unerklärlichen kräftezehrenden Eisenmangelanämie. Im Oktober 1982 starb sie nach einem Gehirnschlag im Schlaf. (Artikelanfang)
Muriel Gardiner wurde als Helen Muriel Morris in Chicago geboren, das jüngste von vier Kindern des reichen Fleischbarons Edward Morris und seiner Frau Helen geb. Swift. Bis 1922 besuchte sie das renommierte Wellesley College für Frauen in Massachusetts, verbrachte dann ein Jahr in Italien und studierte anschließend in Oxford Literatur. Von 1925 bis 1929 war sie mit dem amerikanischen Arzt Harold Abramson verheiratet.
1926 reiste Muriel Gardiner nach Wien, um sich wegen ihrer unglücklichen Ehe von Sigmund Freud analysieren zu lassen. Dieser verwies sie jedoch an seine amerikanische Schülerin Ruth Mack Brunswick, bei der sie dann eine dreijährige persönliche Analyse absolvierte, die später in eine Lehranalyse umgewandelt wurde. 1930 heiratete sie den englischen Musiker Julian Gardiner (1903-1982), von dem ihre 1931 geborene Tochter Constance stammte. Auch diese Ehe wurde nach einigen Jahren wieder geschieden. Muriel Gardiner interessierte sich besonders für die Anwendung der Psychoanalyse in der Erziehung und erhielt Unterricht bei Robert Wälder, Siegfried Bernfeld und August Aichhorn. 1932 begann sie außerdem ein Medizinstudium an der Universität Wien.
Nach Reisen in Deutschland und Russland schloss sich Muriel Gardiner 1934 der sozialistischen Untergrundbewegung in Wien an. Sie übernahm Kurierdienste und half gefährdeten Juden und Sozialisten bei ihrer Flucht, darunter auch dem "Wolfsmann" Sergius Pankejeff, den sie als Patienten von Ruth Mack Brunswick kennengelernt hatte. In ihrem Buch Der Wolfsmann vom Wolfsmann stellte Muriel Gardiner Pankejeffs Erinnerungen den Fallberichten von Sigmund Freud und Ruth Mack Brunswick gegenüber, ergänzt durch eine Schilderung seines späteren Lebenswegs.
In ihrer Wiener Wohnung versteckte sie auch ihren späteren Mann Joseph Buttinger (1906-1992), den Obmann des Zentralkomitees der Revolutionären Sozialisten. 1937 beendete sie ihre Analyse bei Mack Brunswick und ein Jahr später wurde sie in Wien zum Dr. med. promoviert. 1939 heiratete sie Buttinger in Paris und kehrte bei Kriegsbeginn in die USA zurück. Über die Zeit in Wien berichtete sie in ihrem Buch Deckname "Mary". Ihre psychoanalytische Ausbildung schloss Muriel Gardiner 1947 in der Philadelphia Association for Psychoanalysis ab und wurde 1955 als Lehranalytikerin zugelassen. Sie praktizierte als Psychiaterin und Psychoanalytikerin und unterrichtete am Psychoanalytischen Institut in Philadelphia.
Ihre Hauptaufgabe sah sie in der psychiatrischen Beratungstätigkeit an Schulen und in Jugendgefängnissen. Ihre Arbeit mit inhaftierten Kindern beschrieb sie in ihrem erfolgreichen populärwissenschaftlichen Buch Mörder ohne Schuld. Wenn Kinder töten. Muriel Gardiner spendete einen großen Teil ihres ererbten Vermögens der psychoanalytischen Bewegung. Unter anderem unterstützte sie Anna Freuds Hampstead Clinic, das Londoner Freud-Museum und das von Kurt R. Eissler gegründete Freud-Archiv. (Artikelanfang)
Elisabeth Rozetta Geleerd wurde als ältestes von drei Kindern in Rotterdam geboren. Ihr Vater war der wohlhabende jüdische Schiffsausrüster Moses Geleerd. Ihre Mutter Bertha geb. Haas starb an Tuberkulose, als Elisabeth zehn Jahre alt war. Elisabeth Geleerd studierte Medizin an der Universität Leiden und promovierte dort 1936. Anschließend ging sie nach Wien, um eine Lehranalyse bei Anna Freud zu machen. Als sich die politische Situation zuspitzte, emigrierte sie 1938 nach London und beendete ihre psychoanalytische Ausbildung am Institut der British Psycho-Analytical Society. Sie war als Psychiaterin am Maudsley und am Mill Hill Hospital tätig, bis sie 1940 in die USA auswanderte.
Elisabeth Geleerd ließ sich in Topeka nieder, wo sie von 1940 bis 1945 an der Menninger-Klinik arbeitete und 1943 die psychotherapeutische Leitung der Southard School übernahm. 1946 zog sie nach New York und heiratete Rudolph Loewenstein (1898-1976), eine der Gründerfiguren der französischen Psychoanalyse, der in den USA zusammen mit Heinz Hartmann die Grundlagen der Ich-Psychologie entwickelte. Elisabeth Geleerd-Loewenstein eröffnete eine Privatpraxis in New York und war seit 1947 Lehranalytikerin am New Yorker Psychoanalytischen Institut.
Ihr Spezialgebiet war die Psychoanalyse schwer gestörter Kinder und Jugendlicher, für deren Behandlung sie neue Techniken entwickelte. Seit 1955 Mitglied des Ausbildungsausschusses der NYPS, nahm sie maßgeblich Einfluss auf die Kinder- und Jugendlichenanalyse in den USA. Sie war Anhängerin des kinderanalytischen Ansatzes Anna Freuds und kritisierte die Auffassungen Melanie Kleins, indem sie auf die Gefahr vorzeitiger Es-Deutungen hinwies, die ihrer Meinung nach die Abwehr des Kindes in der Analyse verstärkten. In ihren Publikationen über Schizophrenie in der Kindheit und Entwicklungsprobleme im Jugendalter beschrieb Elisabeth Geleerd-Loewenstein die Abwehrmaßnahmen, mit welchen das Ich frühe Traumata aus der Mutter-Kind-Beziehung zu bewältigen sucht.
Ihrer Ansicht nach entsteht Schizophrenie bereits in der frühen Kindheit, wobei genetische Faktoren ebenso beteiligt seien wie sehr frühe Umweltbedingungen. Viele Probleme in der Adoleszenz lassen sich ihr zufolge damit erklären, dass alle Jugendlichen eine partielle Regression auf das Stadium unklarer Objektgrenzen durchlaufen, d. h. eine Wiederholung des Wunschs nach Einssein mit dem Objekt und der gleichzeitigen Angst vor Ich-Auflösung. (Artikelanfang)
Die in Wien geborene Tea Ludmilla Erdheim war die einzige Tochter von Osias (Oskar) Erdheim und Sophie geb. Reuter. Ihr Vater war ein erfolgreicher, aus Boryslaw in Galizien stammender jüdischer Kaufmann, der eine "höhere Tochter" aus dem Wiener Bürgertum geheiratet hatte. Tea Erdheim studierte in Wien Medizin, promovierte 1932 und arbeitete danach von 1932 bis 1933 als Ärztin an der Neurologisch-Psychiatrischen Klinik der Universität Wien. Von 1934 bis 1938 war sie Sekundarärztin an der Wiener Nervenheilanstalt Maria-Theresien-Schlössel. Während dieser Zeit absolvierte sie auch ihre psychoanalytische Ausbildung bei der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung (WPV). Sie machte von 1934 bis 1936 eine Analyse bei Eduard Hitschmann, die sie dann bei Jeanne Lampl de Groot bis zu deren Emigration 1938 fortsetzte.
Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1938 verlor Tea Erdheim ihre Stelle und konnte ihre Facharztprüfung nicht ablegen, da sie als "Halbjüdin" galt. Später wurde sie zur Übernahme einer Allgemeinpraxis kriegsdienstverpflichtet. Sie gehörte zu der Gruppe von Analytiker:innen um August Aichhorn, die nach der Auflösung der WPV in Wien blieben und die psychoanalytische Arbeit in privatem Rahmen fortsetzten.
Ende 1944 flüchtete Tea Erdheim gemeinsam mit ihrem späteren Ehemann, dem österreichischen Politiker und Schriftsteller Laurenz Genner (1894-1962), aufs Land. Dieser war als Mitglied der Revolutionären Sozialisten und der KPÖ im antifaschistischen Widerstand aktiv und mehrfach inhaftiert worden. 1945 konnten sie nach Wien zurückkehren und heiraten. Sie hatten zwei Töchter, Maria und Claudia (*1945), die Tea Genner-Erdheim, nachdem ihre Ehe 1950 geschieden worden war, alleine aufzog. Sie schloss sich ebenfalls der KPÖ an, trat jedoch nach der Niederschlagung des Ungarn-Aufstands 1956 aus der Partei aus.
Nach dem Krieg arbeitete sie bis 1949 als Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie an der Psychiatrischen Universitätsklinik in Wien. Sie beendete ihre Lehranalyse bei August Aichhorn und wurde 1946 Mitglied der WPV, an deren Wiederaufbau nach Kriegsende sie maßgeblich beteiligt war. Zusammen mit Otto Fleischmann war sie für die Einrichtung des psychoanalytischen Ambulatoriums in Wien zuständig. 1954 wurde sie Lehranalytikerin der WPV.
Tea Genner-Erdheim war eine Anhängerin der Ich-Psychologie Heinz Hartmanns und plädierte früh schon für die psychotherapeutische Arbeit mit Gruppen. 1962 irritierte sie ihre Wiener Kolleg:innen mit einer vom Sujet wie von der Vortragsform her unkonventionellen Interpretation des Brecht-Songs Surabaya Johnny, den sie als Metapher der frühen Objektbeziehung deutete. In einem anderen Vortrag über Conrad Ferdinand Meyer setzte sie sich mit der Psychologie des Künstlers auseinander. Ihre Arbeiten blieben jedoch unveröffentlicht.
Als Analytikerin beliebt und angesehen und von ihren Analysand:innen wie z. B. Erika Danneberg sehr verehrt, erscheint Tea Genner-Erdheim in den Aufzeichnungen ihrer Tochter, der Schriftstellerin Claudia Erdheim (Bist du wahnsinnig geworden?), privat eher als neurotische Tyrannin im Widerspruch zwischen Unkonventionalität und Standesdünkel. (Artikelanfang)
Salomea (Sali) Gutmann-Isakower kam in Oswieczym (Auschwitz) in Galizien als Tochter des jüdischen Lehrers Simon Rettich [Rettych] und seiner Frau Frometa Marya geb. Lieberfreund zur Welt. Sie studierte an der Universität Krakau Medizin und promovierte dort im Jahr 1914. 1910 heiratete sie den Arzt Felix Gutmann, ihre Ehe wurde 1921 wieder geschieden.
Salomea Gutmann spezialisierte sich als Fachärztin für Nerven- und Geisteskrankheiten. Sie war von 1914 bis 1918 als Assistenzärztin am Wiener Allgemeinen Krankenhaus tätig und von 1919 bis 1924 Ärztin am Psychiatrischen und Neurologischen Institut der Universität Wien. 1928 eröffnete sie in Wien eine eigene Arztpraxis. Im gleichen Jahr wurde sie außerordentliches, 1933 ordentliches Mitglied und 1934 Lehranalytikerin der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung (WPV). Anna Freud beschrieb sie als still und zurückgezogen, aber eine der schärfsten und kritischsten Analytikerinnen. Zu ihren Analysand:innen in dieser Zeit zählte unter anderen Edith Buxbaum.
Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich emigrierte Salomea Gutmann 1938 nach England, wo sie im Juni desselben Jahres den Wiener Arzt und Psychoanalytiker Otto Isakower (1899-1972) heiratete. Salomea Gutmann-Isakower wurde Mitglied der British Psycho-Analytical Society und gründete Ende 1938 gemeinsam mit Otto Isakower, Michael Balint und Alfred Gross in Liverpool eine Studiengruppe für Psychoanalyse. Trotz der erfolgreichen Zusammenarbeit mit Michael Balint und dem Manchester Training Center gestaltete sich ihre berufliche Situation in Liverpool sehr schwierig, und so wanderten die Isakowers 1940 in die USA aus. Salomea Isakower wurde 1949 Mitglied, später Lehr- und Kontrollanalytikerin der New York Psychoanalytic Society und führte in New York eine psychoanalytische Privatpraxis. (Artikelanfang)
Dora Hartmann wurde als Dorothea Karplus in Hinterbrühl nahe Wien geboren als jüngstes von vier Kindern einer österreichisch-jüdischen Intellektuellenfamilie. Ihr Vater Sigmund Karplus war Rechtsanwalt, ihre Mutter Ludmilla geb. Kaufmann war eine Nichte von Josef Breuer. Dora Karplus studierte Medizin an der Wiener Universität, promovierte 1925 und spezialisierte sich in der Kinderheilkunde. Anschließend praktizierte sie als Kinderärztin in Wien und veröffentlichte zwischen 1927 und 1931 mehrere pädiatrische Aufsätze.
In den 1920er Jahren machte Dora Karplus vermutlich eine Analyse bei Sigmund Freud. 1928 heiratete sie den Psychiater und Psychoanalytiker Heinz Hartmann (1894-1970), der später als einer der Begründer der Ich-Psychologie bekannt wurde. Gemeinsam mit ihrem Mann gehörte sie in Wien zum Kreis junger Analytiker-Ehepaare um Helene Deutsch.
1938, nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich, verließen Dora und Heinz Hartmann mit ihren beiden Söhnen Ernst (*1934) und Lorenz (*1937) Österreich. Sie lebten zunächst in Paris und dann in Genf und Lausanne - Heinz Hartmann besaß die schweizerische Staatsbürgerschaft -, bevor sie 1941 in die USA emigrierten und sich in New York niederließen. Dora Hartmann spezialisierte sich am Bellevue Hospital als Fachärztin für Kinderpsychiatrie und eröffnete 1945 eine Privatpraxis in New York. Außerdem begann sie eine psychoanalytische Ausbildung am New York Psychoanalytic Institute und machte eine Lehranalyse bei Ludwig Jekels. 1949 wurde sie Mitglied und 1958 Lehranalytikerin der New York Psychoanalytic Society and Institute.
Dora Hartmann spielte in den USA eine führende Rolle in der Kinderpsychiatrie und gehörte 1965 zu den Gründungsmitgliedern der American Association for Child Psychoanalysis. Sie war Vizepräsidentin und mehrere Jahre Schatzmeisterin des New Yorker Psychoanalytischen Instituts und im Aufnahmeausschuss aktiv. Wie ihr Mann vertrat sie die Auffassungen der Ich-Psychologie, die eine weitgehende Unabhängigkeit des Ichs vom Triebgeschehen annimmt. Sie starb im Alter von 71 Jahren an Lungenkrebs. (Artikelanfang)
Margit (auch: Margaret) Herz-Hohenberg wurde als Tochter jüdisch-assimilierter Eltern in Levoča (Leutschau) in der Slowakei (damals noch zu Ungarn gehörig) geboren. Ihr Vater Alfred Herz war ein hochrangiger Militärarzt, weshalb die Familie häufig Wohnort und Sprachraum wechselte. 1917 begann Margit Herz ein Studium an der medizinischen Fakultät in Wien. Sie wechselte 1918/19 nach Budapest und erlebte dort die Revolution und deren Niederschlagung. Danach war für Juden ein Studium in Budapest kaum noch möglich, und so setzte sie es 1920 an der deutschen Universität in Prag fort. Ein Jahr später kehrte sie nach Wien zurück.
Margit Herz spezialisierte sich ab 1923 in Psychiatrie und Neurologie, u. a. an der Wagner-Jauregg-Klinik und in der Frauenpsychiatrie bei Paul Schilder. In dieser Zeit verfasste sie ihre sozialkritische Studie über den Zusammenhang von psychiatrischen Erkrankungen und der Wohnungsnot in Wien. 1925 promovierte sie an der Universität Wien.
Ein Jahr zuvor hatte sie eine Analyse bei Eduard Hitschmann begonnen, und 1925 wurde sie außerordentliches Mitglied der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung. Sie arbeitete am Ambulatorium der WPV und absolvierte eine weitere Analyse bei Robert Hans Jokl. Von 1926 bis 1930 war sie als Ärztin am psychiatrischen Krankenhaus Steinhof tätig, anschließend in der Neurologischen Abteilung des Maria-Theresien-Schlössel. Von 1935 bis zum Praxisverbot für jüdische Ärzte im Jahr 1938 führte sie in Wien eine eigene Praxis für Neurologie und Psychoanalyse.
Im Juni 1938, nach dem "Anschluss" Österreichs an Deutschland, heiratete Margit Herz den Wiener Vertreter Bruno Hohenberg (1894-1954). Mit Hilfe von Grete Bibring, die bereits in London war, konnte sie mit ihrem Mann nach England emigrieren. 1939 wanderte sie in die USA aus, eröffnete in New York eine psychoanalytische Praxis und wurde 1950 Mitglied der New York Psychoanalytic Society. Einem breiteren Publikum wurde sie als Analytikerin von Marilyn Monroe bekannt, die von 1955 bis 1957 bei ihr in Behandlung war - vor Marianne Kris und Ralph Greenson.
Nach dem Tod ihres Mannes ging Margit Hohenberg-Herz nach Israel und praktizierte von 1959 bis 1964 in Haifa. 1988 kehrte sie wieder nach New York zurück, wo sie bis zu ihrem Tod lebte. (Artikelanfang)
Margarethe (auch Margarete) Hilferding war das erste weibliche Mitglied der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung (WPV). Sie wurde in Wien als Tochter jüdischer Eltern geboren, ihr Vater war der Allgemeinarzt Paul Hönigsberg, ihre Mutter die Frauenrechtlerin Emma Hönigsberg, geb. Breuer. Nach einer Ausbildung und Tätigkeit als Lehrerin schrieb sich Margarethe Hönigsberg 1897 an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien ein, wechselte dann aber 1900, als Frauen zu diesem Fach zugelassen wurden, zur Medizin. 1903 promovierte sie als erste Frau, die an der Wiener Universität Medizin studiert hatte.
Während ihres Studiums schloss sie sich der Freien Vereinigung Sozialistischer Studenten an. Hier lernte sie Rudolf Hilferding (1877-1941) kennen, den austromarxistischen Theoretiker und späteren sozialdemokratischen Finanzminister der Weimarer Republik, den sie 1904 heiratete (Hochzeitsbild). 1906 zog Rudolf Hilferding nach Berlin, wo er eine Anstellung als Redakteur bei der Neuen Zeit und eine Dozentur an der sozialdemokratischen Parteischule antrat. Margarethe Hilferding folgte ein Jahr später, durfte jedoch nicht als Ärztin in Deutschland arbeiten. 1909 kehrte sie mit ihren beiden Söhnen Karl und Peter nach Wien zurück, ihre Ehe war gescheitert, wurde aber erst 1923 geschieden. Margarethe Hilferding eröffnete 1910 eine Praxis als Allgemeinärztin im Wiener Arbeiterbezirk Favoriten, wo sie bis 1934 auch sozialdemokratische Bezirksrätin war.
Ihre Aufnahme in die WPV wurde 1910 von Paul Federn vorgeschlagen. Isidor Sadger und Fritz Wittels waren prinzipiell gegen die Aufnahme von Frauen, Sigmund Freud sprach sich dafür aus. In geheimer Abstimmung wurde Margarethe Hilferding mit 12 von 15 Stimmen zum ersten weiblichen Mitglied gewählt. In ihrem Einführungsvortrag Zur Grundlage der Mutterliebe (1911) vertrat sie die damals revolutionäre Ansicht, dass es keine angeborene Mutterliebe gibt. Diese werde erst durch die körperliche Beschäftigung mit dem Kind ausgelöst, das in der Zeit nach der Entbindung ein natürliches Sexualobjekt der Mutter darstelle. Mit ihren Ausführungen nahm Margarethe Hilferding grundlegende psychoanalytische Theorien zur Mutter-Kind-Beziehung vorweg.
Als sich 1911 der Streit zwischen Sigmund Freud und Alfred Adler zuspitzte, gehörte sie zu den sechs Mitgliedern, die zusammen mit Adler die WPV verließen. Als Linke konnte sich Margarethe Hilferding von der Individualpsychologie Adlers angezogen fühlen, der Umwelt- und Erziehungseinflüssen eine größere Bedeutung zumaß als die Freud'sche Psychoanalyse. Individualpsychologische Positionen vertrat sie aber erst seit 1925, dem Jahr ihres Eintritts in den Wiener Verein für Individualpsychologie. Sie war ab 1927 Leiterin einer Erziehungsberatungsstelle des Vereins und 1930 Mitglied im Vorstand.
Margarethe Hilferding-Hönigsberg praktizierte als Frauenärztin und Schulärztin, sie hielt Kurse und Vorlesungen über Erziehungs- und Frauenfragen und war in der sozialistischen Frauenorganisation aktiv. Sie publizierte vor allem über Themen wie Frauengesundheit, Mutterschaft und Geburtenregelung. 1926 plädierte sie in ihrem Buch Geburtenregelung für eine - auch eugenisch begründete - Liberalisierung der Abtreibung.
1934 wurde Margarethe Hilferding als Jüdin die Kassenzulassung entzogen und sie konnte nur noch privat praktizieren. Nach dem "Anschluss" Österreichs 1938 arbeitete sie noch ehrenamtlich im Wiener Rothschildspital. Im Juni 1942 wurde sie nach Theresienstadt deportiert und im September desselben Jahres in Treblinka ermordet. (Artikelanfang)
Herma Hoff war die Tochter des Wiener Grundbuchdirektors Josef Hauptfleisch und seiner Frau Hermine geb. Vonek. Sie studierte Medizin, promovierte und heiratete 1935 Hans Hoff (1897-1969), Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, der seine berufliche Karriere 1922 an der Psychiatrisch-Neurologischen Universitätsklinik in Wien begonnen hatte. Möglicherweise machte Herma Hoff dort ebenfalls eine Ausbildung zu Nervenärztin.
Nach dem Anschluss Österreichs an das "Deutsche Reich" mussten Herma und Hans Hoff wegen ihrer jüdischen Herkunft Österreich verlassen. Sie emigrierten 1938 über die USA in den Irak, wo Hans Hoff bis 1945 Professor für Neurologie am Royal Medical College in Bagdad und zuletzt Agent des Office of Strategic Services (OSS) war. Nach antijüdischen Ausschreitungen in Bagdad kamen sie Anfang der 1940er Jahre wieder in die USA, kehrten 1943 aber in den Irak zurück.
Nach Kriegsende publizierte Herma Hoff gemeinsam mit ihrem Mann eine Untersuchung zur Behandlung von Epilepsie am Royal Medical College in Bagdad. Sie unternahmen Forschungsreisen im Auftrag der Association for Advancement of Research on Multiple Sclerosis, bevor sie sich 1949 in Wien niederließen, wo Hans Hoff 1950 zum Vorstand der Psychiatrisch-Neurologischen Universitätsklinik ernannt wurde.
Herma C. Hoff absolvierte eine psychoanalytische Ausbildung bei der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung (WPV) und hielt dort 1957 ihren Einführungsvortrag über Neuere Forschungsbeiträge zu Freuds Traumlehre. Sie wurde im gleichen Jahr außerordentliches Mitglied der WPV und praktizierte bis zu ihrem Tod als Psychoanalytikerin. (Artikelanfang)
Die gebürtige Münchnerin Hedwig Hoffer wuchs als Tochter von Albert Schulmann und Ernestine Rau in einer gebildeten jüdischen Familie in Süddeutschland auf. Sie ließ sich zur Lehrerin ausbilden, bevor sie 1909 den Jenaer Zoologieprofessor Julius Schaxel (1887-1943) heiratete. 1924 zog sie nach Wien, um dort eine psychoanalytische Ausbildung zu machen, ihre Lehranalytikerin war Anna Freud. Sie wurde 1925 außerordentliches und zwei Jahre später ordentliches Mitglied und Lehranalytikerin der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung. 1926 wurde ihre erste Ehe geschieden.
Hedwig Schaxel interessierte sich besonders für die psychoanalytische Pädagogik und die Reformpädagogik Maria Montessoris. Sie plante die Gründung eines Lehrinstituts der Montessori-Pädagogik in Wien und engagierte sich im Kinderheim Baumgarten, das Siegfried Bernfeld 1919 für verwahrloste jüdische Kriegswaisen gegründet hatte. An diesem Projekt psychoanalytisch orientierter Fürsorgeerziehung war auch der Psychoanalytiker Willi Hoffer (1897-1967) beteiligt, den sie 1933 heiratete.
Sie gab zusammen mit Anna Freud und August Aichhorn am Wiener Lehrinstitut Kurse für Pädagog:innen und hielt zahlreiche Vorträge zu Erziehungsfragen und Themen aus der Kinderanalyse. In ihrem 1932 erschienenen Aufsatz „Der Weg ins Leben” Psychoanalytische Bemerkungen zu einem russischen Film lobte sie die in diesem Film dargestellte sozialistische Erziehungsarbeit: Die politische und soziale Homogenität in der Sowjetunion ermögliche es, dass Über-Ich und Ich mit der Realität in Eintracht leben könnten.
Nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland im Jahr 1938 emigrierten Hedwig und Willi Hoffer nach England. Hedwig Hoffer wurde 1938 Mitglied und Lehranalytikerin der British Psycho-Analytical Society und eine Mitstreiterin Anna Freuds in den Auseinandersetzungen mit den Anhänger:innen Melanie Kleins. Als Vertreterin der Anna-Freudianer:innen arbeitete sie drei Jahre lang mit der Kleinianerin Paula Heimann im Lehrausschuss des Londoner Instituts zusammen. Sie lebte und arbeitete bis zu ihrem Tod in London. (Artikelanfang)
Hermine Hug-Hellmuth war die erste Kinderanalytikerin und Erfinderin der Spieltherapie, die nach ihr Melanie Klein und Anna Freud weiterentwickelten. In Wien geboren, wuchs Hermine Hug als Tochter von Hugo Hug, Ritter von Hugenstein und seiner Frau Ludowica, geb. Leiner in einer katholischen Familie auf. Der sehr strenge Vater war kaiserlicher Berufsoffizier, die Mutter, die schon 1883 starb, gebildet und musikalisch.
Hermine Hug von Hugenstein absolvierte eine Lehrerinnen-Ausbildung und war Volks- und Bürgerschullehrerin, bevor sie sich 1897 an der philosophischen Fakultät der Universität Wien einschrieb. Nach dem Wechsel in das Fach Physik promovierte sie 1908 mit einer Arbeit über Radioaktivität. Während ihres Studiums lernte sie den Wiener Nervenarzt Isidor Sadger kennen, der ihr Analytiker wurde und sie in den Kreis um Sigmund Freud einführte. 1911 erschien (unter dem Pseudonym H. Hellmuth) ihre erste psychoanalytische Arbeit, die Analyse eines Traumes eines fünfeinhalbjährigen Jungen. Es war ein Fallbericht über ihren Neffen Rolf Hug, den Sohn ihrer Halbschwester Antonia Hug, für den sie nach deren Tod 1915 das Sorgerecht erhielt und dessen Vormund Isidor Sadger wurde.
Nach der Veröffentlichung ihres Aufsatzes Über Farbenhören, einer Selbstanalyse ihrer Synästhesien, wurde Hermine Hug 1912 Redaktionsmitglied der Zeitschrift Imago und ständige Mitarbeiterin der Internationalen Zeitschrift für ärztliche Psychoanalyse. 1913 erschien ihre Monographie Aus dem Seelenleben des Kindes, in der sie eine empirische Untermauerung von Freuds Theorie der kindlichen Sexualität unternahm. Nachdem sie ihren Einführungsvortrag Über einige Abeiten Stanley Halls und seiner Schule in psychoanalytischer Beleuchtung gehalten hatte, wurde sie im Oktober 1913 ordentliches Mitglied der Wiener Psychoanalytische Vereinigung (WPV).
Hermine Hug-Hellmuths Schwerpunkt lag auf der Kinderpsychologie und Pädagogik. Sie hielt im Wiener Frauenverein Vorträge zum Thema Neue Wege der Kinderseele und führte ab 1919 in der heilpädagogischen Abteilung der Wiener Kinderklinik Psychoanalysen durch. In ihrer Abhandlung Zur Technik der Kinderanalyse, die sie 1920 auf dem Internationalen Psychoanalytischen Kongress in Den Haag vortrug, nahm sie vieles vorweg, was Anna Freud später aufgreifen sollte. Sie plädierte für eine "heilerziehliche Analyse", um den jungen Patienten Werte zu vermitteln und sie zu willenskräftigen Menschen zu erziehen, und ersetzte als erste die Technik der freien Assoziation in der Kinderanalyse durch das Spiel mit dem Kind.
Als 1919 das von ihr herausgegebene Tagebuch eines halbwüchsigen Mädchens erschien, das mit der Enthüllung sexueller Phantasien großes Aufsehen erregte, wurden Zweifel an der Authentizität des Tagebuchs laut, am vehementesten von der Entwicklungspsychologin Charlotte Bühler. Biografische Parallelen und eine Sprachanalyse von Hedwig Fuchs lassen vermuten, dass Hermine Hug-Hellmuth selbst die Verfasserin war. Sigmund Freud ließ das Tagebuch später aus dem Buchhandel zurückziehen.
1921 wurde Hermine Hug-Hellmuth nach Berlin eingeladen und hielt zwei Monate lang Vorträge über Kinderanalyse und psychoanalytische Erziehung am Berliner Psychoanalytischen Institut. Sie freundete sich mit Karen Horney an, obwohl sie selbst ein eher biologistisches Frauenbild vertrat. 1922 übernahm sie die Leitung des Kursprogramms der WPV für Angehörige pädagogischer Berufe. Unter ihrer Leitung wurde 1923 am Ambulatorium der WPV die erste psychoanalytisch orientierte Erziehungsberatungsstelle eröffnet.
Im September 1924 wurde Hermine Hug-Hellmuth von ihrem damals 18-jährigen Neffen Rolf Hug ermordet, nachdem sie dessen Geldforderungen nicht mehr nachgekommen war. In der Öffentlichkeit gab man der Psychoanalyse die Schuld an der Entwicklung des Neffen vom bevorzugten Analyseobjekt der Tante bis hin zu ihrem Mörder. (Artikelanfang)
Judith Kestenberg wurde in Tarnow (Galizien) als Judyta Hadasa "Ida" Silberpfennig in eine wohlhabende orthodox-jüdische Familie geboren. Sie war das jüngste von drei Geschwistern, ihr Vater Szaje Silberpfennig war ein erfolgreicher Unternehmer, ihre Mutter Sara Salomea Bauminger hatte Politikwissenschaft studiert. 1924 zog sie mit ihrer Mutter nach Wien, wo ihr Bruder Henry und ihre Schwester Henda (i. e. Helen Silving) studierten. Judyta Silberpfennig begann 1928 ein Medizinstudium an der Wiener Universität, das sie 1934 mit einer Promotion im Fach Psychiatrie abschloss.
Anschließend war sie an der von Otto Pötzl geleiteten Wiener Psychiatrisch-Neurologischen Universitätsklinik tätig. Ebenfalls 1934 begann sie eine Ausbildung am Wiener Psychoanalytischen Institut und eine Lehranalyse bei Eduard Hitschmann. Während dieser Zeit hatte sie auch Kontakt zur sozialistischen Untergrundbewegung in Wien. 1937, noch vor dem Anschluss Österreichs an Nazideutschland, emigrierte Judyta Silberpfennig in die USA.
Sie absolvierte ein Praktikum bei Paul Schilder in der Psychiatrischen Abteilung des Bellevue Hospitals in New York und setzte ihre psychoanalytische Ausbildung am New York Psychoanalytic Institute bei Hermann Nunberg fort. 1943 wurde sie Mitglied der New York Psychoanalytic Society (NYPS). Weitere Analysen machte sie bei Edith Buxbaum und Marianne Kris. 1942 heiratete sie den polnisch-jüdischen Rechtsanwalt Milton Kestenberg (1913-1991), 1946 wurde ihre Tochter Janet geboren, 1956 ihr Adoptivsohn Howard.
Judith S. Kestenberg war Lehranalytikerin und Supervisorin am Institut der NYPS und am Psychoanalytic Institute der New York University. Sie lehrte Psychiatrie an der New York University Medical School und am Long Island Jewish Medical Center. 1961 gründete sie die Forschungsstiftung Child Development Research (CDR). Anfang der 1950er Jahre begann sie mit der systematischen Beobachtung und Dokumentation der Bewegungen von Säuglingen und Kleinkindern, was zur Entwicklung des "Kestenberg Movement Profile" (KMP) führte. Das KMP differenziert individuelle Bewegungsmuster, die auf Affekte, Selbst- und Objektbeziehungen, Abwehr, Anpassung usw. hinweisen und eine Einschätzung normaler oder pathologischer Entwicklung ermöglichen. Eine zentrale These Kestenbergs war, dass bei Mädchen wie Jungen eine frühe mütterliche Phase den phallischen und ödipalen Phasen vorangeht, die sie "inner-genitale Phase" nannte.
Ein weiterer Schwerpunkt Judith Kestenbergs war ihre Forschung zur Traumaverarbeitung von Kinder-Überlebenden des Holocaust und deren Nachkommen. Gemeinsam mit Milton Kestenberg gründete sie 1981 das CDR-Projekt International Study of Organized Persecution of Children, für das unter ihrer Leitung 1.500 Interviews mit Menschen durchgeführt wurden, die als Kinder den Holocaust überlebt hatten. Sie erkannte als Erste, welche posttraumatischen Störungen für Kinder-Überlebende charakteristisch sind, die sie von den transgenerationalen Traumata der Kinder von Überlebenden unterschied. Die Übertragung auf die zweite Generation erfolgt nach Kestenberg durch "Transposition", d. h. die Kinder versetzten sich in die Verfolgungszeit ihrer Eltern zurück, um wie in einem Zeittunnel die Vergangenheit zu bewältigen. (Artikelanfang)
Flora Kraus kam in Wien als Tochter einer jüdischen Einwandererfamilie zur Welt. Ihr Vater, der Kaufmann Ferdinand Sgalitzer, kam aus Budapest, ihre Mutter Hermine Fischel aus Prag. Flora Sgalitzer heiratete 1899 den Zahnarzt, Schriftsteller und Musikliebhaber Alois Botstiber (1868-?), von dem ihre beiden Kinder Gertrud (*1901) und Stefan (*1903) stammten. Nach der Scheidung von ihrem ersten Ehemann 1904 heiratete sie 1913 Maximilian Kraus, der vermutlich Direktor einer Bank war. Diese Ehe wurde 1925 wieder geschieden.
Flora Kraus begann eine psychoanalytische Ausbildung und wurde Assistentin der Kinderanalytikerin Hermine Hug-Hellmuth, die ab 1923 die erste Erziehungsberatungsstelle des Wiener Psychoanalytischen Ambulatoriums leitete. Nach dem Tod Hug-Hellmuths übernahm Flora Kraus 1924 die Leitung der Erziehungsberatungsstelle. Im gleichen Jahr wurde sie ordentliches Mitglied der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung (WPV). In ihrem, 1924 in Imago veröffentlichten Einführungsvortrag Über Männer- und Frauensprachen bei den Primitiven warf sie einen psychoanalytischen Blick auf ein Problem der Völkerkunde wie der Sprachforschung. Auf der Grundlage von ethnologischem Material führte sie die Entstehung gesonderter Frauen- und Männersprachen bei "primitiven Völkern" auf Tabus im Dienste der Inzestvermeidung zurück, wobei sich die damit einhergehende Verdrängung sexueller Inhalte sprachumbildend und sprachschöpferisch auswirke.
1928 trat Flora Kraus aus der WPV aus. Die Gründe für ihr Ausscheiden sind ebenso wenig bekannt wie ihre weitere berufliche Tätigkeit. Nach dem "Anschluss" 1938 an Deutschland blieb sie noch bis 1940 in Wien, bevor sie nach England floh. 1943 verlor sie als Jüdin ihre österreichische Staatsbürgerschaft und emigrierte 1945 in die USA, wo sie sich in Chicago niederließ. 1947 kehrte Flora Kraus nach Wien zurück und starb dort elf Jahre später. (Artikelanfang)
Marianne Kris wurde in Wien als jüngste Tochter von Oskar Rie und Melanie Bondy geboren. Ihr Vater war der Kinderarzt der Familie Freud, ein Tarockfreund Sigmund Freuds und seit 1908 Mitglied der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung (WPV). Ihre Mutter war die Schwägerin von Wilhelm Fliess. Marianne Rie gehörte zu den ältesten Freundinnen Anna Freuds und war auch kurz bei Sigmund Freud in Analyse. Sie studierte an der Wiener Universität Medizin mit dem Schwerpunkt Psychiatrie und promovierte 1925. Freud riet ihr zu einer psychoanalytischen Ausbildung am Berliner Lehrinstitut, wo sie von 1925 bis 1927 eine Lehranalyse bei Franz Alexander machte.
1927 kehrte sie nach Wien zurück und heiratete den Wiener Kunsthistoriker und Psychoanalytiker Ernst Kris (1900-1957), der später als Theoretiker der Ich-Psychologie bekannt wurde. 1928 wurden Marianne und Ernst Kris Mitglieder der WPV. Marianne Kris nahm am kinderanalytischen Seminar Anna Freuds teil und veröffentlichte 1932 ihre erste kinderanalytische Arbeit Ein Märchenstoff in einer Kinderanalyse.
1938, nach dem "Anschluss" Österreichs, floh Marianne Kris mit ihrem Mann und den Kindern Anna und Anton nach England, wo sie Mitglied und Lehranalytikerin der British Psycho-Analytical Society wurde. 1940 emigrierte die Familie Kris in die USA und ließ sich in New York nieder. 1944 wurde Marianne Kris Mitglied der New York Psychoanalytic Society (NYPS), wo sie neben Berta Bornstein eine der wenigen Lehranalytiker:innen für Kinderanalyse war. Sie setzte sich in der New Yorker Vereinigung für die Aufnahme von Laienanalytiker:innen ein und unterrichtete auch nicht-ärztliche Berufsgruppen wie z. B. Erzieher:innen und Sozialarbeiter:innen an der Jewish Board of Guardians.
Gemeinsam mit ihrem Mann beteiligte sich Marianne Kris am Yale University Child Study Center an Langzeitstudien mit Müttern und Kindern, bei denen Erkenntnisse über die unbewusste Haltung der Mutter und angeborene Eigenschaften des Kindes kurz- und langfristige Voraussagen ermöglichen sollten. Einen ihrer Schwerpunkte bildete eine von ihr ab 1958 am Yale Child Study Center durchgeführte Studie über die gleichzeitige Psychoanalyse mehrerer Familienmitglieder, deren Ergebnisse sie 1972 am New York Psychoanalytic Institute vorstellte. Außerdem nahm sie zusammen mit Peter Neubauer an Studien über Kibbuzkinder teil.
Nach dem Tod von Ernst Kris übernahm Marianne Kris dessen Position in der Redaktion der Zeitschrift The Psychoanalytic Study of the Child. Zusammen mit Anna Freud kämpfte sie um die Anerkennung der als zweitklassig geltenden Kinderanalyse und bewirkte, dass 1964 in der APsaA ein regelmäßiges Forum über Kinderanalyse eingerichtet wurde. 1965 wurde sie die erste Präsidentin der Association für Child Psychoanalysis in New York.
Einem breiteren Publikum wurde Marianne Kris (wie Margit Herz-Hohenberg) als Psychotherapeutin von Marilyn Monroe bekannt, die von 1957 bis 1961 bei ihr in Analyse war. Als diese sich 1962 während einer Analyse bei Ralph Greenson das Leben nahm, hinterließ sie Kris eine größere Geldsumme, die zu einem Gutteil in die Hampstead-Klinik von Anna Freud floss. (Artikelanfang)
Estelle Levy wurde in New York als Tochter jüdischer Eltern geboren. Sie arbeitete sechs Jahre lang als psychiatrische Fürsorgerin bei der Mental Hygiene for Jewish Social Service Association in New York, bevor sie 1927 nach Wien ging, um sich zur Psychoanalytikerin ausbilden zu lassen. Als eine der ersten Amerikaner:innen absolvierte sie eine kinderanalytische Ausbildung bei Anna Freud. 1931 referierte sie zum Thema Eine Phobie vor Nachtfaltern und wurde als außerordentliches Mitglied in die Wiener Psychoanalytische Vereinigung (WPV) aufgenommen.
Sie eröffnete eine psychoanalytische Privatpraxis in Wien und berichtete 1932 in ihrem Aufsatz Psychoanalyse eines Kindes mit Stehlzwang über den Fall eines achtjährigen Jungen, den sie erfolgreich behandelt hatte. Dessen Stehlzwang wie auch sein Prahlen und Lügen führte sie auf den Kastrationskomplex und das ödipale Konkurrieren des Jungen mit dem Vater zurück. Die Objekte seines zwanghaften Stehlens fungierten dabei als Penissymbole, die ihn für den Verzicht auf die Vaterrolle entschädigen sollten. Hinzu kam als weitere Bedingung ein Mangel an Befriedigung seiner Liebeswünsche.
1932 kehrte Estelle Levy nach New York zurück und stellte einen Antrag auf Aufnahme in die New York Psychoanalytic Society. Sie wurde jedoch, da sie "Laienanalytikerin", also keine Ärztin war, nicht angenommen und blieb bis 1938 Mitglied der WPV. 1936 ging sie nach Los Angeles, wo sie sich mit Marjorie Leonard am Aufbau der Los Angeles Psychoanalytic Study Group beteiligte, die der San Francisco Psychoanalytic Society angegliedert wurde und 1946 als Los Angeles Psychoanalytic Society and Institute (LAPSI) eigenständig wurde. Wie die LAPSI vermeldete, starb Estelle Levy 1963 im Alter von 82 Jahren. (Artikelanfang)
Vera Ligeti wurde als Veronika Spitz in eine gutbürgerliche jüdische Familie in Budapest geboren. Sie und ihre Mutter überlebten den ungarischen Faschismus und die deutsche Besatzung in einem der Schutzhäuser, die der schwedische Diplomat Raoul Wallenberg zur Rettung ungarischer Juden bereitgestellt hatte. Ihr Vater wurde in Buchenwald ermordet.
1948 machte sie ihr Abitur am Veres Pálné Gimnázium in Budapest und studierte anschließend Psychologie bei Imre Hermann an der Universität Budapest sowie marxistische Pädagogik, Finnougristik und sumerische Sprachen. Nach der Niederschlagung des ungarischen Aufstands im Jahr 1956 emigrierte sie mit ihrem Mann, dem Komponisten György Ligeti (1923-2006), nach Wien, wo 1965 ihr Sohn Lukas Ligeti geboren wurde.
Vera Ligeti setzte ihr Psychologiestudium an der Wiener Universität fort und promovierte 1958. Sie absolvierte eine Lehranalyse bei Tea Genner-Erdheim und wurde 1974 Mitglied, später Lehranalytikerin der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung. Sie lehrte am Wiener Psychoanalytischen Institut und war zehn Jahre lang an der Child Guidance Clinic in Wien tätig. Von 1958 bis 1990 arbeitete sie am Wiener Institut für Erziehungshilfe, wo sie einige Jahre die psychotherapeutische Betreuung einer Gruppe von jugendlichen Ungarnflüchtlingen leitete. Bei der Behandlung dieser Jugendlichen, deren Situation geprägt war durch die Trennung von den Eltern und die traumatische Flucht sowie durch Regression und Verwahrlosung, orientierte sie sich an August Aichhorns Arbeit mit verwahrlosten Jugendlichen und dem Ansatz von Anna Freud. Über dieses Projekt berichtete sie 1973 in ihrem gemeinsam mit Hans Strotzka verfassten Aufsatz Die Psychodynamik einer Gruppenregression.
Zusammen mit Elisabeth Brainin und Samy Teicher veröffentlichte Vera Ligeti das Buch Vom Gedanken zur Tat, in dem, ausgehend von der Verdrängung des Nationalsozialismus in der Psychoanalyse nach dem Zweiten Weltkrieg, unbewusste Aspekte des Antisemitismus analysiert werden. (Artikelanfang)
Ella Lingens wurde in Wien als Tochter eines Gutsbesitzers geboren. Nach dem Besuch der London School of Economics absolvierte sie ein Jurastudium in Wien und arbeitete anschließend in einer Rechtsberatungsstelle der SPÖ. Wie ihr Mann, der in Düsseldorf geborene Kurt Lingens (1912-1966?), mit dem sie seit 1938 verheiratet war, studierte sie in Wien Medizin und begann 1939 eine psychoanalytische Ausbildung in dem von August Aichhorn geleiteten psychoanalytischen Arbeitskreis. Ihre bei Edward Bibring begonnene Analyse musste sie 1938 wegen dessen Emigration abbrechen. Ab 1941 war sie offiziell Ausbildungskandidatin der Wiener Arbeitsgemeinschaft des Deutschen Instituts für psychologische Forschung und Psychotherapie.
Ella und Kurt Lingens blieben nach dem Anschluss Österreichs an das "Deutsche Reich" 1938 mit ihrem 1939 geborenen Sohn Peter Michael in Wien. Gemeinsam mit dem Reichianer Karl von Motesiczky gehörten sie einer Widerstandsgruppe an und halfen zahlreichen Juden bei ihrer Flucht vor den Nazis. 1942 wurden sie denunziert und verhaftet. Kurt Lingens kam in eine Strafkompanie, Ella Lingens und Motesiczky wurden nach Auschwitz deportiert. Motesiczky starb im KZ an Typhus, Ella Lingens überlebte als nichtjüdische Häftlingsärztin die Konzentrationslager Auschwitz und Dachau.
1948/49 kehrte sie nach Wien zurück. Sie ließ sich scheiden, beendete ihr Medizinstudium und arbeitete als Ärztin u. a. bei der Tuberkulosefürsorge der Gemeinde Wien. Ihr Antrag auf Fortsetzung ihrer psychoanalytischen Ausbildung wurde vom Lehrausschuss der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung abgelehnt, weil sie "zu traumatisiert" sei. Bis zu ihrer Pensionierung 1973 war sie als Ministerialrätin im österreichischen Bundesministerium für Gesundheit und Umwelt tätig. Danach war sie viele Jahre lang Generalsekretärin der Wiener Sigmund Freud-Gesellschaft und Mitherausgeberin des Sigmund Freud House Bulletins.
Ella Lingens sagte 1964 als Zeugin im ersten Frankfurter Auschwitz-Prozess aus und erhielt 1980 von Yad Vashem die Auszeichnung "Gerechte unter den Völkern". (Artikelanfang)
Die in Chicago geborene Ruth Mack Brunswick war die einzige Tochter des Richters Julian W. Mack, eines bekannten jüdischen Philanthropen, und seiner Frau Jessie Fox. Sie besuchte das Radcliffe College und studierte danach Medizin mit Schwerpunkt Psychiatrie an der Tufts Medical School. 1917 heiratete sie den Herzspezialisten Hermann Blumgart (1895-1977), der sie auf die Psychoanalyse aufmerksam machte.
Nach ihrer Promotion zum Dr. med. 1922 ging sie noch im gleichen Jahr nach Wien, um eine Analyse bei Sigmund Freud zu beginnen, die mit Unterbrechungen bis 1938 dauerte. Sie ließ sich 1924 von Blumgart scheiden und heiratete 1928 den Musiker Mark Brunswick (1902-1971), der ebenfalls bei Freud in Analyse war. 1926 wurde Ruth Mack Brunswick außerordentliches, 1929 ordentliches Mitglied der New York Psychoanalytic Society, der sie auch weiterhin angehörte, als sie 1930 in die Wiener Psychoanalytische Vereinigung (WPV) aufgenommen wurde.
Von 1930/31 an leitete sie am Wiener Lehrinstitut eine Arbeitsgemeinschaft zur Psychosenforschung. Seit 1932 war sie Mitarbeiterin der Psychoanalytic Quarterly, und 1935 wurde sie in den Lehrausschuss der WPV gewählt. Ruth Mack Brunswick fungierte als Vermittlerin zwischen Freuds Kreis in Wien und den amerikanischen Analytikern. Zu ihren Analysand:innen gehörten u. a. Karl Menninger, Max Schur, Muriel Gardiner, René de Monchy und die Schauspielerin Myrna Loy.
Sigmund Freud, der ihre analytischen Fähigkeiten hoch einschätzte, überwies ihr neben anderen Patienten Sergius Pankejeff, den berühmten "Wolfsmann", den Ruth Mack Brunswick von Oktober 1926 bis Februar 1927 behandelte. In ihrem 1929 veröffentlichten Nachtrag zu Freuds Analyse des Wolfmanns hob sie die wichtige Rolle hervor, die das Geschlecht des Analytikers für den psychotischen Patienten spielt.
Mit Ausnahme einiger Monate, die sie wegen der Geburt ihrer Tochter Mathilda (Til) 1929 in den USA verbrachte, bieb Ruth Mack Brunswick bis zum "Anschluss" 1938 in Wien. Dann kehrte sie in die USA zurück, eröffnete eine psychoanalytische Privatpraxis in Washington und wurde Lehranalytikerin der New York Psychoanalytic Society. Wie Marie Bonaparte in Frankreich, verstand sie sich als Statthalterin Freuds in Amerika, die über die korrekte Interpretation seines Werks wachte. Ihr wissenschaftliches Interesse galt neben der Therapie von Psychosen der psychosexuellen Entwicklung der Frau. Als ihre bedeutendste Arbeit gilt ihr 1940 erschienener Artikel The pre-oedipal phase of the libido development. Bereits 1929 hatte sie in Die Analyse eines Eifersuchtswahnes auf die Bedeutung der präödipalen Phase hingewiesen.
Auf Mack Brunswick geht die Differenzierung zwischen einem aktiven und passiven Ödipuskomplex zurück (anstelle der bis dahin verwendeten Formulierung: positiver und negativer Ödipuskomplex). Danach wird die präödipale Sexualität des Mädchens zum aktiven Ödipuskomplex mit der Mutter als Objekt, ehe es sich im passiven Ödipuskomplex dem Vater zuwendet. Zum Penisneid äußerte Ruth Mack Brunswick eine von Freud abweichende Ansicht: Der Kindeswunsch des kleinen Mädchens gehe dem Penisneid voraus und hänge mit dem Wunsch zusammen, die Attribute der omnipotenten Mutter zu besitzen. Er sei aber nicht nur narzisstisch, sondern auch durch den objektorientierten Wunsch motiviert, die Mutter zu besitzen.
Wegen psychosomatischer Magen- und Gallenbeschwerden nahm Ruth Mack Brunswick seit den 1930er Jahre Schlafmittel und Morphium, was schließlich zu einer Drogenabhängigkeit führte. Deprimiert durch Krankheit, den Tod ihrer Eltern und die endgültige Scheidung von Mark Brunswick im Jahr 1945, machte sie in New York noch einmal eine Analyse bei Hermann Nunberg. Im Januar 1946 stürzte sie so unglücklich, dass sie an einem Schädelbruch starb. (Artikelanfang)
Foto: © Boston Psycho-
analytic Society and Institute
Die Kinderanalytikerin Anna Mänchen (auch Maenchen) wurde in Kowno in Litauen als Tochter eines jüdischen Gutsbesitzers geboren. Nachdem ihr Vater 1903 gestorben war, lebte sie in Russland und besuchte in Odessa und Petersburg das Gymnasium. Von 1921 an studierte sie in Wien Psychologie und Geschichte und promovierte 1925 mit einer geschichtsphilosophischen Arbeit über Alexander Herzen und das Problem der Entwicklungswege Rußlands.
1927 heiratete sie den Wiener Historiker und Sinologen Otto Mänchen-Helfen (1894-1969) und zog mit ihm im gleichen Jahr nach Moskau, wo Otto Mänchen eine leitende Stelle am Marx-Engels-Institut antrat. Anna Mänchen-Helfen interessierte sich für die progressive Pädagogik der Sowjetunion und besuchte in Moskau das Kinder-Laboratorium der russischen Psychoanalytikerin Vera Schmidt. Als ihr Mann 1930 Dozent an der Universität in Berlin wurde, begann Anna Mänchen eine Ausbildung am Berliner Psychoanalytischen Institut.
Die Machtübernahme Hitlers zwang sie 1933 zur Rückkehr nach Wien, wo sie Kandidatin der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung (WPV) wurde und eine Lehranalyse bei Anna Freud machte. Sie veröffentlichte 1936 ihren Aufsatz Denkhemmung und Aggression aus Kastrationsangst, einen Beitrag zum psychodynamischen Verständnis von Lernstörungen, und wurde ein Jahr später außerordentliches Mitglied der WPV.
Als nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland 1938 die Wohnung von Anna und Otto Mänchen von der SS durchsucht worden war, versteckten sie sich eine Zeitlang bei Mary O'Neil Hawkins, die in Wien ihre psychoanalytische Ausbildung absolvierte. Noch im selben Jahr emigrierten sie mit ihrem zehnjährigen Sohn Georg in die USA. Nach einem Aufenthalt in New York und Alameda ließen sie sich zunächst in Oakland nieder und übersiedelten 1947 nach Berkeley, Kalifornien.
Anna Mänchen wurde Mitglied und Lehranalytikerin der San Francisco Psychoanalytic Society, deren Präsidentin sie von 1955 bis 1957 war. Sie zählte dort zu den einflussreichsten Kinderanalytikerinnen aus der Schule Anna Freuds und spielte eine wichtige Rolle beim Aufbau der Kinderanalyse in San Francisco. Bis 1968 lehrte sie an der School of Social Welfare der Universität Berkeley. 1973/74 amtierte sie als Präsidentin der Association of Child Analysis. (Artikelanfang)
Emma Karoline "Emmy" Miklas wurde in Graz geboren als einzige Tochter des Bahnbeamten und Sozialisten Franz Miklas und seiner Frau Katharina geb. Wabitsch. Ihre Mutter starb 1920, und sie wuchs mit einer Stiefmutter auf. Nach der Matura 1933 begann Emmy Miklas eine Beamtenlaufbahn bei der Stadtgemeinde Graz, wurde jedoch 1938 aus politischen Gründen - sie war Mitglied der verbotenen Sozialdemokratischen Partei gewesen - entlassen. Danach arbeitete sie als Erzieherin in Schülerheimen in Graz und Wien und ab 1943 als Erziehungsberaterin beim Gaujugendamt Wien.
Neben ihrer Berufstätigkeit studierte Emmy Miklas von 1935 bis 1940 Philosophie, Psychologie und Orientalistik und promovierte 1943 in Graz über Die Bedeutung des Darwinismus für die deutsche Naturphilosophie. Im gleichen Jahr begann sie eine psychoanalytische Ausbildung bei August Aichhorn in Wien und wurde ab 1944 als Kandidatin der Wiener Zweigstelle des Deutschen Instituts für Psychologische Forschung und Psychotherapie geführt. Sie war 1945 an der Wiedergründung der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung beteiligt, als deren Mitglied sie 1946 das erste und letzte Mal genannt wurde.
1946 kehrte sie nach Graz zurück, um dort die städtische Erziehungsberatung aufzubauen. Während dieser Zeit trennte sie sich vom Vater ihrer beiden Kinder, dem türkischen Journalisten Mustafa Hassan Cumburoglu. 1949 wurde sie vom Grazer Bürgermeister offiziell mit der Leitung der Erziehungsberatungsstelle des Jugendamtes Graz betraut, wo sie in den folgenden Jahren als Psychologin arbeitete. Sie hielt Vorträge über pädagogische und heilpädagogische Themen und propagierte die Einführung psychoanalytischer Erkenntnisse in die Praxis der Fürsorge und Erziehungsberatung. Gleichzeitig vertrat sie aber auch erbbiologische Ansichten. 1964 ging Emmy Miklas vorzeitig in den Ruhestand. (Artikelanfang)
Die Kinderanalytikerin Christine (Mädi) Olden wurde als Marie-Christine Fournier in Prag geboren. Ihre Eltern waren der Wiener Historiker August Fournier und Dorothea geb. Gabillon, Tochter der deutsch-österreichischen Burgschauspieler Ludwig und Zerline Gabillon. Sie war in erster Ehe mit Hans Fortwängler (1871-1948) verheiratet, einem Beamten im österreichischen Patentamt, von dem ihre 1909 geborene Tochter Marie-Christine stammte. Nach ihrer Scheidung heiratete sie 1919 den deutschen Journalisten und Rechtsanwalt Rudolf Olden (1885-1940), die Ehe hielt jedoch nur wenige Jahre. Ihr dritter Mann war Ernst Mayer (1870-1940), ein tschechischer Kommunist, den sie 1937 in Prag ehelichte.
Christine Olden war Schauspielerin, dann Chefredakteurin und Verlegerin der zwischen 1924 und 1927 in Wien erschienenen Kinderzeitschrift Der Regenbogen, ehe sie 1926 ihre psychoanalytische Ausbildung bei Hanns Sachs am Berliner Psychoanalytischen Institut begann. Sie gehörte zum Kreis der Linksfreudianer:innen um Siegfried Bernfeld und Otto Fenichel und nahm auch an den Sitzungen der Pädagogischen Arbeitsgemeinschaft teil. 1933 ging sie zurück nach Wien und von dort nach Prag, um ihre Ausbildung als Kandidatin der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung bei der Prager Psychoanalytischen Arbeitsgemeinschaft fortzusetzen. 1938 beendete sie ihre psychoanalytische Ausbildung und wurde vorübergehend Mitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Psychoanalyse.
Nach dem Anschluss Österreichs an das "Deutsche Reich" emigrierte Christine Olden 1939 in die USA, ließ sich in Los Angeles nieder und schloss sich der Los Angeles Psychoanalytic Study Group an, die für nicht medizinisch ausgebildete "Laienanalytiker:innen" offen war. 1943 zog sie nach New York und war dort Ehrenmitglied der New York Psychoanalytic Society.
Als Kinderanalytikerin interessierte sie sich besonders für die Fähigkeit Erwachsener, sich in Kinder einzufühlen, speziell in der Beziehung von Müttern zu ihren Kindern. Ein weiteres Thema ihrer Veröffentlichungen war die Anziehungskraft der narzisstischen Persönlichkeit auf Einzelne wie auf Gruppen, die Olden als Streben nach Sicherheit durch Teilhabe an deren illusionären Allmacht erklärte. (Artikelanfang)
Else Pappenheim wurde in Salzburg geboren als Tochter des österreichisch-jüdischen Psychiaters und Psychoanalytikers Martin Pappenheim und dessen erster Frau, der Kindergärtnerin Edith geb. Goldschmidt, einer Enkelin der Frauenrechtlerin Henriette Goldschmidt. 1919 wurden die Eltern geschieden. Ihre Tante war die Ärztin Marie Frischauf-Pappenheim, die Ende der 1920er Jahre in Wien mit Wilhelm Reich zusammenarbeitete. Else Pappenheim besuchte von 1921 bis 1929 das private Realgymnasium der feministischen Sozialdemokratin Eugenie Schwarzwald in Wien, wo sie sich mit Marie Langer anfreundete. Von 1929 bis 1935 studierte sie in Wien Medizin und promovierte über Das Pathologische in Hölderlins Leben und Werk. Anschließend war sie bis 1938 als Sekundarärztin bei Otto Pötzl an der Wiener Universitätsklinik für Psychiatrie und Neurologie tätig.
1934 begann Else Pappenheim eine Analyse bei Otto Isakower, die nach zwei Jahren als Lehranalyse fortgeführt wurde und bis 1937 dauerte. Im gleichen Jahr wurde sie (nachträglich) als Kandidatin am Wiener Psychoanalytischen Institut aufgenommen. Nach dem "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich verlor sie die Praxiserlaubnis und ihre Stelle an der Universitätsklinik. Sie emigrierte Ende 1938 über Palästina (wo ihr Vater 1933 die Palästinensische Psychoanalytische Vereinigung mitgegründet hatte) mit einem Affidavit von Judith Kestenberg in die Vereinigten Staaten. Bis 1941 arbeitete sie als Forschungsassistentin an der Phipps-Klinik der Johns Hopkins School of Medicine in Baltimore, wo sie bei dem Psychiater Adolf Meyer die - aus ihrer Sicht "starre" - amerikanische Psychoanalyse kennenlernte. 1941 zog sie nach New York und beendete hier zwei Jahre später ihre Lehranalyse bei dem ebenfalls emigrierten Otto Isakower. Sie schloss ihre Ausbildung am New Yorker Psychoanalytischen Institut ab und wurde 1943 Mitglied der New York Psychoanalytic Society & Institute.
1946 heiratete sie ihren (entfernten) Cousin, den Elektroingenieur und späteren Patentanwalt Stephen Frishauf (Frischauf) (1920-2011). Im Jahr darauf wurde ihre Tochter Elisabeth geboren, Sohn Peter folgte 1949. Das Ehepaar war 1947 nach New Haven übergesiedelt, wo Else Pappenheim die Western New England Psychoanalytic Society mitgründete, kehrte jedoch 1952 nach New York zurück. Else Pappenheim führte hier bis 1986 eine psychoanalytische Privatpraxis und lehrte und arbeitete als Neurologin und Psychiaterin an verschiedenen Universitäten und Kliniken in New York, u. a. von 1955 bis 1963 am Lenox Hill Hospital und von 1964 bis zu ihrer Pensionierung 1978 am Downstate Medical Center in Brooklyn.
Neben psychiatrisch-neurologischen Studien interessierte sich Else Pappenheim besonders für Pathographien und die Geschichte der Psychiatrie und Psychoanalyse. Bereits 1929 schrieb sie einen Matura-Aufsatz über Das Pathologische in Hölderlins Leben und Werk. Sie veröffentlichte Arbeiten zur Geschichte der Wiener Schule der Medizin, über die Vorläufer Sigmund Freuds wie z. B. den österreichischen Psychiater Ernst Freiherr von Feuchtersleben, und zu Freuds frühen Krankengeschichten. Ihre gesammelten Schriften sind 2004 unter dem Titel Hölderlin, Feuchtersleben, Freud erschienen. (Artikelanfang)
Lili Esther Roubiczek wurde in Prag geboren als Tochter des jüdischen Textilkaufmanns Ludwig Roubiczek und seiner Frau Ernestine geb. Kohn. Sie begann 1917 in Prag ein Biologiestudium und wechselte dann 1920 nach Wien, um bei Karl Bühler Psychologie zu studieren. Nachdem sie 1921 in London eine Ausbildung bei der Reformpädagogin Maria Montessori absolviert hatte, gründete sie 1922 in einem Wiener Arbeiterbezirk das "Haus der Kinder" (Troststraße), die erste Montessori-Einrichtung in Wien. 1930 eröffnete unter ihrer Leitung ein weiteres Montessori-Kinderhaus am Rudolfsplatz.
Als Beraterin der Kinderfürsorge-Abteilung der Stadt Wien setzte sich Lili Roubiczek für die Verbreitung der Montessori-Ideen ein. Sie initiierte Seminare für Kindergärtnerinnen und leitete einen zweijährigen Montessori-Ausbildungskurs, an dem sich auch Psychoanalytiker beteiligten. Durch die Zusammenarbeit mit Anna Freud, an deren kinderanalytischem Seminar sie teilnahm, entstand ein lebhafter Austausch zwischen der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung (WPV) und der Wiener Montessori-Arbeitsgemeinschaft. Lili Roubiczek absolvierte ihre Lehranalyse bei Hermann Nunberg und Siegfried Bernfeld, und nach ihrem Vortrag über Montessoripädagogik und psychoanalytische Pädagogik wurde sie 1931 außerordentliches Mitglied der WPV.
1933 heiratete sie den Sozialmediziner und Sozialisten Sigismund Peller (1890-1985). Nach der Machtübernahme der Austrofaschisten emigrierte sie 1934 mit ihrem Mann nach Palästina. Lili Peller-Roubiczek wurde 1935 Mitglied der von Max Eitingon geführten Chewrah Psychoanalytith b'Erez-Israel und richtete in Jerusalem eine Montessori-Schule für deutschsprachige Emigrantenkinder ein.
1937 übersiedelte das Ehepaar Peller nach Baltimore, wo Sigismund Peller bis 1940 an der Johns Hopkins University lehrte. Anschließend ließen sie sich in New York nieder. Lili E. Peller praktizierte als Kinderanalytikerin und unterrichtete am Department für Kinderpsychiatrie des Albert Einstein College of Medicine. Sie hielt Vorträge in den Psychoanalytischen Vereinigungen von Baltimore, New York und Philadelphia sowie auf dem IPA-Kongress 1953 in London. Sie war Mitglied der IPA und seit 1960 Ehrenmitglied der Philadelphia Association for Psychoanalysis.
Lili Peller-Roubiczeks Interessenfelder bildeten die Erziehung, die kindliche Entwicklung, insbesondere die Sprachentwicklung, und die Bedeutung und Funktion des Spiels. Ihr Verdienst war es, eine Synthese zwischen den fortschrittlichen Erziehungsideen der Reformpädagogik und den Erkenntnissen der Psychoanalyse zu schaffen. (Artikelanfang)
Maria Weigl war die Tochter des österreichisch-jüdischen Komponisten Karl Weigl und der Wiener Opernsängerin Elsa Pazeller. Nach der Scheidung ihrer Eltern 1913 wuchs sie bei ihrer Mutter auf und besuchte in Wien einen Montessori-Kindergarten. Sie ließ sich zur Kindergärtnerin ausbilden, absolvierte ein pädagogisches Studium in Wien und eine Ausbildung bei Anna Freud. Beeinflusst durch Erik H. Erikson interessierte sie sich besonders für die Anwendung der Psychoanalyse in der Kindererziehung, die sie in der Burlingham-Rosenfeld-Schule kennenlernte.
Maria Weigl war während des Austrofaschismus der 1930er Jahre politisch aktiv und mit Käthe Leichter befreundet, die den Revolutionären Sozialisten Österreichs angehörte. 1936 wurde sie wie Marie Langer und andere bei einer Sitzung der Friedenssektion des Sozialistischen Ärztebunds festgenommen, kam jedoch nach zwei Tagen wieder frei. Zu den Teilnehmern gehörte auch der Psychiater und Psychoanalytiker Gerhard/t Pisk (im Exil: Piers) (1908-1979), den sie 1938 heiratete. Aus ihrer Ehe gingen zwei Kinder, Margaret (Peggy) und Matthew, hervor.
Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich floh das Ehepaar in die Schweiz, wo Maria Weigl-Pisk 1939 in Basel promoviert wurde, und emigrierte im gleichen Jahr über Frankreich weiter in die USA. Sie ließen sich in Chicago nieder, und Maria W. Piers setzte ihre Ausbildung an der Northwestern University und am Chicago Institute for Psychoanalysis fort. Zwischen 1940 und 1950 war sie als Sozialarbeiterin der Illinois Society of Mental Health und der Association for Family Living tätig. Ab Anfang der 1950er Jahre lehrte sie Kinderpsychologie an der University School of Medicine in Chicago und am Chicago Institute for Psychoanalysis, dessen Präsident Gerhard Piers von 1956 bis 1971 war.
Ihr Schwerpunkt war die Kinderpsychologie. Als eine der ersten nutzte sie das Fernsehen, um mit Filmen über Kindererziehung die Eltern zu erreichen. 1966 war sie Gründungsdirektorin des Institute for Early Childhood Education, einer Ausbildungs- und Forschungsstätte für die Entwicklung und Erziehung von Kleinkindern im städtischen Umfeld. Das Institut, in dem sie bis zu ihrer Pensionierung im Jahr 1986 tätig war - bis 1977 als Direktorin -, wurde 1968 in Erikson Institute for Advanced Study in Child Development umbenannt. (Artikelanfang)
Emma Plank gehörte in Wien zu den führenden Praktikerinnen der Montessori-Bewegung. Sie wurde in eine jüdische Familie in Wien geboren als Tochter von Emil Spira, Sozialist und Beamter, und Doris geb. Langbein. Emma Spira war in der Jugend- und Pfadfinderinnen-Bewegung aktiv, wo sie ihre pädagogische Berufung entdeckte. Ab 1922 arbeitete sie als Praktikantin und dann als Erzieherin in den von Lili Roubiczek gegründeten Montessori-Kindergärten in der Troststraße und am Rudolfsplatz in Wien.
Mitte der 1920er Jahre absolvierte sie eine Ausbildung in Montessori-Pädagogik und legte 1927 die staatliche Lehramtsprüfung ab. Von 1931 bis 1938 leitete sie die Montessori-Volksschule in der Grünentorgasse in Wien, wo sie die Konzepte Montessoris mit denen der Kinderanalyse kombinierte. Von Von Januar 1930 bis Juli 1931 machte sie eine Analyse bei Annie Reich und ließ sich von 1933 bis 1938 bei der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung (WPV) zur psychoanalytischen Pädagogin ausbilden. Eine Mitgliedschaft in der WPV wurde ihr wie allen psychoanalytischen Pädagog:innen verwehrt.
1932 heiratete Emma Spira den Wiener Rechtsanwalt Robert (Pollak) Plank (1907-1983), der später in den USA psychiatrischer Sozialarbeiter wurde. Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich emigrierten Emma und Robert Plank 1938 über London in die USA, wo Emma Plank in San Francisco an der Presidio Hill School unterrichtete und ihren Masterabschluss in Child Development am Mills College erwarb.
1948 ging sie für zwei Jahre nach Wien zum Aufbau eines Versuchskindergartens, kehrte dann aber wieder in die USA zurück. Sie leitete von 1950 bis 1954 in Cleveland, Ohio, die von Anny Angel-Katan gegründete Therapeutic Nursery School, später Hanna Perkins Center for Child Development. Bis 1972 lehrte sie in Cleveland in der pädiatrischen Abteilung der Case Western Reserve University School of Medicine und war von 1955 bis 1972 Direktorin des Child Life and Education Program am Metropolitan General Hospital zur psychischen Betreuung von Kindern im Krankenhaus. Aus dieser Arbeit entstand ihr Buch Working with Children in Hospitals, womit sie das heilpädagogische Berufsbild des „child-care-worker“ etablierte.
Nach dem Tod von Robert Plank kehrte sie 1984 nach Wien zurück. (Artikelanfang)
Marguerite Virginia Pohek wurde in Kansas geboren als Tochter von George Ivan Pohek und Emma geb. Schoshosen. Ihr Vater stammte aus Samobor (k.u.k Transleithanien) und war Arzt. Sie studierte an der Cornell und der Boston University (MA 1925) und absolvierte an der Pennsylvania School of Social Work eine Ausbildung zur psychiatrischen Sozialarbeiterin, mit Schwerpunkt Kinderpsychotherapie. Sie war eine Anhängerin von Otto Rank und dessen Willenstherapie und vertrat die von Rank inspirierte Funktionale Schule des Social Casework (soziale Einzelfallhilfe), die weniger an der Vorgeschichte und dem Unbewussten orientiert ist als an der aktuellen Konfliktsituation und Entscheidungsfindung. Diese Methode wurde nach dem Zweiten Weltkrieg durch Marguerite Pohek in Deutschland und Österreich eingeführt.
Marguerite Pohek war 1938/39 ein erstes Mal in Wien als Abgesandte Marion Kenworthys und des Non-Sectarian Committee for Refugee Children, um von den Nazis verfolgten Kindern die Emigration zu ermöglichen. Nach Kriegsende kam sie erneut nach Europa, um im Auftrag der UNRRA Displaced Persons in Österreich und Deutschland zu betreuen. Als United Nations Social Welfare Advisor erarbeitete Marguerite Pohek von 1947 bis 1950 für die österreichische Regierung Richtlinien im Sinne des Casework-Ansatzes zur Neuorganisation der Wiener Fürsorgerinnenschule.
Während dieser Zeit arbeitete sie auch mit August Aichhorn zusammen und unterstützte den Wiederaufbau des Lehrinstituts der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung (WPV). Sie gab Kurse und Vorlesungen zur Einführung in die Casework-Methode, an denen auch Rosa Dworschak teilnahm, die mit Poheks Hilfe das Institut fur Erziehungshilfe ins Leben rief. 1949 wurde Marguerite Pohek [Pohec] außerordentliches Mitglied der WPV.
Nachdem sie Wien verlassen hatte, war sie Stellvertretende Vorsitzende der Social Division der Technical Assistance Administration im Europabüro der UNO in Genf, bevor sie 1954 in die USA zurückkehrte und dort weiterhin für die UNO und in der Ausbildung von Sozialarbeiter:innen tätig war. (Artikelanfang)
Beata Tola Rank wurde in Neusandetz in Polen als Tochter einer jüdisch-assimilierten Familie geboren. Sie studierte in Krakau Psychologie, schloss das Studium aber nicht ab. 1918 heiratete sie Otto Rank (1884-1939), der während des Ersten Weltkriegs als Leutnant der österreichischen Armee in Krakau stationiert war und für die Krakauer Zeitung arbeitete. Ein Jahr später wurde ihre Tochter Helene geboren.
Sie zogen 1918 nach Wien, wo Otto Rank Schriftführer der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung (WPV) und Mitherausgeber der Zeitschrift Imago war. Beata Rank arbeitete für den Internationalen Psychoanalytischen Verlag und übersetzte 1923 Sigmund Freuds Aufsatz Über Träume ins Polnische. Sie nahm an Anna Freuds kinderanalytischem Seminar teil und machte eine Analyse bei Mira Oberholzer in der Schweiz. 1923 wurde sie Mitglied der WPV. Als sich ab 1924 der Konflikt zwischen Sigmund Freud und Otto Rank zuspitzte, da letzterer mit seiner Betonung des Geburtstraumas und der vorsprachlichen Mutterbeziehung die Bedeutung des Ödipuskomplexes in Frage stellte, versuchte Beata Rank vergeblich zu vermitteln. 1925 kam es zum definitiven Bruch zwischen Freud und Otto Rank.
1926 übersiedelten die Ranks nach Paris, wo Beata Rank als Kinderanalytikerin praktizierte. Beide gehörten dem Kreis um Henry Miller und Anaïs Nin an, mit der Otto Rank eine Liebesbeziehung einging. 1934 trennte sich Beata Rank von ihrem Mann und emigrierte zwei Jahre später mit ihrer Tochter Helene in die USA. Sie ließ sich in Boston nieder und wurde Mitglied, Lehranalytikerin und Vorsitzende des Educational Committee der Boston Psychoanalytic Society.
Beata Rank, die einen klassisch-freudianischen Ansatz vertrat, galt als die damals bedeutendste Kinderanalytikerin in Boston. Sie arbeitete sehr erfolgreich mit verhaltensgestörten und psychotischen Kindern und gründete gemeinsam mit Marian Putnam das Children's Center in Roxbury zur Behandlung "atypischer" Klein- und Vorschulkinder. Dieses Therapie- und Ausbildungszentrum führte seit 1946 den Namen James Jackson Putnam Children's Center und wurde von Beata Rank als Co-Direktorin geleitet. Sie war außerdem Co-Direktorin des Judge Baker Guidance Center und Honorarprofessorin für Psychiatrie an der Boston University School of Medicine. Beata Rank war mit der ebenfalls nach Boston emigrierten Helene Deutsch befreundet. (Artikelanfang)
Foto: © Boston Psycho-
analytic Society and Institute
Annie Reich stammte aus einer gebildeten jüdischen Familie der gehobenen Wiener Mittelschicht. Ihr Vater Alfred Pink war ein erfolgreicher Geschäftsmann, ihre Mutter Theresa Singer war Lehrerin und Suffragette. Sie starb 1918 während einer Influenza-Epidemie, und ihr Vater heiratete bald darauf seine zweite Frau Malva. Annie Pink besuchte in Wien das Mädchenrealgymnasium und engagierte sich wie ihr ältester Bruder Fritz in der sozialistischen Wiener Jugendbewegung, wo sie Berta Bornstein, Siegfried Bernfeld und Otto Fenichel kennenlernte. 1921 schrieb sie sich als eine der ersten Frauen in Wien für ein Medizinstudium ein. Gleichzeitig begann sie eine Analyse bei Wilhelm Reich (1897-1957), den sie 1922 heiratete. 1924 und 1928 wurden ihre beiden Töchter Eva und Lore geboren. Ihre Analyse setzte Annie Reich bei Hermann Nunberg fort und schloss sie später bei Anna Freud ab. Eine weitere Analyse machte sie bei Frances Deri.
1926 promovierte sie an der Wiener Universität, 1928 wurde sie außerordentliches und 1929 ordentliches Mitglied der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung. Ihr Einführungsreferat hielt sie über einen Fall von Epilepsie. Sie interessierte sich sehr für Sexualpolitik und arbeitete an den von Wilhelm Reich und Marie Frischauf gegründeten sozialistischen Sexualberatungsstellen mit. Anfang der 1930er Jahre veröffentlichte sie mehrere sexualpolitische Schriften, darunter Das Kreidedreieck, eine damals in der kommunistischen Kinderarbeit sehr populäre Aufklärungsschrift. Trotz ihrer sexualaufklärerischen Haltung stand Annie Reich der Orgasmus-Theorie Wilhelm Reichs distanziert gegenüber, sie blieb zeitlebens eine klassische Freudianerin.
Nach einer Reise 1929 durch die Sowjetunion, wo die Reichs sich bei Vera Schmidt über das psychoanalytische Kinderheim-Laboratorium informierten, zog Wilhelm Reich 1930 nach Berlin. Ungeachtet der Spannungen in ihrer Ehe folgte Annie Reich ihm ein Jahr später mit ihren Töchtern. Sie wurde Mitglied der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft und gehörte wie ihr Mann zum Kreis marxistischer Psychoanalytiker:innen um Otto Fenichel. Nachdem 1933 die Nationalsozialisten an die Macht gekommen waren, emigrierte Annie Reich wie ihre Lehranalytikerin Frances Deri nach Prag, während Wilhelm Reich nach Skandinavien ins Exil ging - es war das Ende ihrer bereits zerrütteten Ehe, die 1934 geschieden wurde.
In Prag war Annie Reich Mitbegründerin und Lehranalytikerin der Prager Psychoanalytischen Arbeitsgemeinschaft. Unter deren Ausbildungskandidaten befand sich auch ihr zweiter Ehemann, der in Lemberg geborene deutsch-russische Kommunist Arnold Thomas Rubinstein (i. e. Jakob Reich) (1886-1955), ein ehemaliger hochrangiger Funktionär der Komintern und Organisator des tschechischen Zweigs der Widerstandsgruppe "Neu Beginnen". Sie emigrierte 1938 mit ihm und ihren beiden Töchtern in die USA und heiratete ihn im gleichen Jahr. Annie Reich-Rubinstein eröffnete eine psychoanalytische Praxis in New York und wurde Mitglied der New York Psychoanalytic Society, deren Präsidentin sie von 1960 bis 1962 war. Sie praktizierte als Lehr- und Kontrollanalytikerin in New York und arbeitete am Mount Sinai Hospital.
Annie Reichs gesammelte Schriften erschienen unter dem Titel Psychoanalytic Contributions. Zu ihren bekannteren Arbeiten gehören Veröffentlichungen über Narzissmus und Gegenübertragung. In ihrem Aufsatz Narcissistic object choice in women beschrieb sie, wie eine defizitäre infantile Beziehung zur Mutter in pathologische Formen narzisstischer Objektwahl münden kann. Ihr Fallbeispiel einer Patientin, die sich mit kurzlebigen Objektwahlen ihrer exhibitionistischen Mutter anzugleichen suchte, zeigt, dass das Ich-Ideal narzisstischer Frauen eine Identifizierung mit der frühen glorifizierten Mutter-Imago repräsentiert.
Wenige Monate vor ihrem Tod übersiedelte sie zu ihrer Tochter Lore nach Pittsburgh, wo sie nach mehreren Schlaganfällen starb. Lore Reich Rubin wurde ebenfalls Psychoanalytikerin; Eva Reich setzte als Ärztin die bioenergetischen Erkenntnisse ihres Vaters in die Praxis um. (Artikelanfang)
Eva Marie Rosenfeld wurde in New York geboren, wo ihre Eltern, Theodor Rosenfeld und Rose geb. Schiller-Wechsler, von 1889 bis 1893 lebten, bevor sie nach Berlin zurückkehrten. Sie wuchs mit drei älteren Brüder in einem theaterbegeisterten jüdischen Elternhaus auf. Ihr Vater war Theaterintendant und Mitgründer der Berliner "Freien Bühne". Nach seinem vorzeitigen Tod arbeitete Eva Rosenfeld von 1907 bis 1911 als Erzieherin im Zellerhaus, einer Berliner Wohlfahrtseinrichtung für verlassene und gefährdete Kinder von Alkoholikern.
1911 heiratete sie ihren Cousin Valentin Rosenfeld (1886-1970), der in Wien Jura studierte und nebenbei Vorlesungen Sigmund Freuds besuchte. Sie zog zu ihm nach Wien, 1911 wurde ihre Tochter Rosemarie (Mädi) geboren, 1914 und 1915 folgten Carl und Theodor, die beide 1918 an der Ruhr starben, und schließlich Victor 1919. Nach dem Ersten Weltkrieg richtete sie in ihrem Haus eine Stätte für junge Mädchen ein, um sie in Hauswirtschaft und Gartenpflege zu unterweisen. Sie nahm auch schwer erziehbare Jugendliche auf, darunter eine Patientin von Anna Freud. Eva Rosenfeld und Anna Freud wurden enge Freundinnen und gründeten 1927 gemeinsam mit Dorothy Burlingham die Burlingham-Rosenfeld-Schule in Wien-Hietzingen, die bis 1932 bestand. In dieser Schule erhielten Kinder und Jugendliche Projektunterricht und wurden von psychoanalytisch geschulten Lehrern betreut, zu denen u. a. Erik H. Erikson gehörte.
Auf Anna Freuds Anraten begann Eva Rosenfeld 1929 eine Analyse bei Sigmund Freud, die bis 1931 dauerte. Ihr Leben wurde damals überschattet vom Tod ihrer Tochter Mädi, die bei einem Bergunfall ums Leben gekommen war. Außerdem stand ihre Ehe kurz vor dem Scheitern, und Dorothy Burlingham nahm immer mehr ihren Platz an der Seite Anna Freuds ein. Sie trennte sich von ihrem Mann und ging 1931 wieder nach Berlin, um eine Stelle als Hauswirtschafterin an dem von Ernst Simmel geleiteten psychoanalytischen Sanatorium Schloss Tegel anzutreten, das jedoch im gleichen Jahr aus finanziellen Gründen schließen musste. Trotz der bedrohlichen politischen Lage beschloss sie in Deutschland zu bleiben und von 1933 bis 1936 eine Ausbildung am Berliner Psychoanalytischen Institut zu absolvieren. Ihr Lehranalytiker war Felix Boehm, supervidiert wurde sie von Therese Benedek. Eine Mitgliedschaft in der inzwischen "arisierten" DPG kam nicht mehr in Frage.
1936 emigrierte Eva Rosenfeld mit ihrer Mutter und ihrem Sohn Victor nach England. In London machte sie von 1938 bis 1941 eine weitere Analyse bei Melanie Klein - zu einer Zeit, als sich die Kontroverse zwischen Anna-Freudianer:innen und Kleinianer:innen auf einem Höhepunkt befand. Dass sie eine vermittelnde Position einnahm, führte zu einer Entfremdung sowohl von Anna Freud als auch von Melanie Klein. Als Mitglied und Lehranalytikerin der British Psycho-Analytical Society gehörte Eva Rosenfeld der sog. Middle Group der Independents an. Zwischen 1940 und 1945 lebte und praktizierte sie in Oxford, als der Krieg vorbei war, setzte sie ihre Arbeit als Psychoanalytikerin wieder in London fort.
Eva Rosenfeld entwickelte ihre eigene analytische Methode aus einer Mischung aus klassisch freudianischem Vorgehen und kleinianischen Techniken. Auch in der Theorie versuchte sie Freud und Melanie Klein zusammenzudenken: So zog sie in ihrem Aufsatz The Pan-headed Moses eine Parallele zwischen Phasen der Kindheitsentwicklung und der Entwicklung vom Poly- zum Monotheismus. Dabei verglich sie die präödipale Klein'sche innere Welt internalisierter Objekte mit dem Polytheismus und Freuds Phase der Über-Ich-Bildung mit dem Monotheismus. (Artikelanfang)
Hedwig "Hedy" Schwarz wurde in eine jüdische Familie in Wien geboren, als Tochter von Malvine und Norbert Schwarz. Sie machte bei Lili Roubiczek und Maria Montessori eine Ausbildung zur Montessori-Pädagogin und legte 1928 ein Kindergärtnerinnen-Examen ab. Hedy Schwarz war Mitglied der Wiener Montessori-Arbeitsgemeinschaft und gehörte zu den Mitarbeiterinnen Lili Roubiczeks in dem von ihr 1922 in Wien eröffneten "Haus der Kinder", einer nach der Montessori-Pädagogik konzipierten Einrichtung für Arbeiterkinder. Von 1930 bis 1934 leitete sie den städtischen Montessori-Kindergarten am Goethehof im "Roten Wien", an dessen Gestaltung durch die Bauhaus-Architekt:innen Franz Singer und Friedl Dicker sie beteiligt war. 1934 wurde sie entlassen und der Kindergarten von Austrofaschisten teilweise zerstört.
Hedy Schwarz, die mit dem Linksfreudianer Otto Fenichel und dessen Kreis befreundet war, begann in Wien eine psychoanalytische Ausbildung. Sie machte 1926 eine kurze Analyse bei Jeanne de Groot und nahm in den 1930er Jahren an Anna Freuds psychoanalytischen Seminaren für Erzieherinnen teil. Nach dem "Anschluss" 1938 emigrierte sie wie Anna Freud nach England.
Als Anna Freud 1941 in London die Kriegskinderheime Hampstead War Nurseries eröffnete, wurde Hedy Schwarz dort Leiterin des Kindergartens und unterrichtete Montessori-Pädagogik. Anfang der 1940er Jahre machte sie eine Lehranalyse bei Willi Hoffer und vollendete ihre psychoanalytische Ausbildung bei der British Psychoanalytical Society (BPAS). 1943 wurde sie Mitglied und 1951 Lehranalytikerin der BPAS, wo sie zur Fraktion der Annafreudianer:innen zählte. Sie war Vorsitzende der Delinquency Research Group an der Hampstead Child Therapy Clinic, und die Behandlung von delinquenten Jugendlichen bildete einen Schwerpunkt ihrer Arbeit.
Hedy Schwarz adoptierte in ihren Fünfzigern zwei Mädchen, Emily (1954) und Olivia (1957), und heiratete 1957 den Geschäftsmann Hans Abraham. Später änderte sie ihren Namen in Schwarz-Braham. (Artikelanfang)
Maria Dorothea Simon wurde in eine böhmisch-jüdische Familie in Wien geboren als Tochter des Ingenieurs Rudolf Pollatschek und seiner Frau Juliane geb. Grossfeld. Sie absolvierte von 1934 bis 1936 eine Kindergärtnerinnenausbildung in Wien und ging dann nach Prag, um sich an der Masaryk-Schule zur Sozialarbeiterin weiterzubilden. Wegen der zunehmenden nationalsozialistischen Bedrohung nach dem Münchner Abkommen kehrte sie 1938 nach einem Verwandtenbesuch in London nicht mehr nach Prag zurück. Sie schlug sich zunächst als Kindermädchen und Putzfrau durch, bevor sie in Anna Freuds Hampstead War Nurseries eine Stelle fand. Ihr Sozialarbeitsstudium setzte sie an der Oxford University fort und schloss 1944 mit dem Diplom ab. In Fernkursen erwarb sie außerdem 1945 an der London University einen Abschluss in Politik- und Wirtschaftswissenschaften.
1944 heiratete sie Joseph T. Simon (1912-1976), einen in die USA emigrierten österreichischen Juristen und Widerstandskämpfer, den sie noch aus ihrer Zeit in der Wiener sozialistischen Jugendbewegung kannte. Aus ihrer Ehe gingen drei Söhne und eine Tochter hervor. Nach Kriegsende ging Marie Simon für ein Jahr in die USA und arbeitete in Seattle als Sozialarbeiterin für den Jewish Welfare Service. 1947 kehrte sie nach Wien zurück, wo sie Psychologie studierte und 1952 zum Dr. phil. promovierte. Gleichzeitig absolvierte sie eine Ausbildung bei der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung (WPV) und machte ihre Lehranalyse zunächst bei Otto Fleischmann und nach dessen Emigration bei Alfred Winterstein. 1953 wurde sie außerordentliches Mitglied der WPV. Als ordentliches Mitglied wurde sie nicht zugelassen, da die psychoanalytische Sozialarbeit, die das Thema ihres Einführungsvortrags bildete, nicht der reinen Lehre entsprach.
In den Folgejahren arbeitete sie als Kinderpsychotherapeutin in Wien, bevor sie 1957 wieder in die USA ging und bis 1961 als Assistant Professor für Klinische Psychologie an der Universität von Arkansas in Little Rock lehrte. Danach kehrte sie aus familiären Gründen nach Wien zurück und verbrachte eine sechsjährige Forschungstätigkeit als Assistentin in der Abteilung für Soziologie am Institut für Höhere Studien. Von 1970 bis zu ihrer Pensionierung 1983 trug sie als Direktorin der Akademie für Sozialarbeit der Stadt Wien zur Neuausrichtung und Professionalisierung der österreichischen Sozialarbeit bei. (Artikelanfang)
Melitta Sperling wurde in Sniatyn in Galizien geboren als Tochter von Hersch Leib Wojnilower und Rachel Biermann. Sie besuchte bis 1918 das Gymnasium in Wien und studierte dann an der Wiener Universität Medizin. Nach ihrer Promotion 1924 spezialisierte sie sich auf Kinderheilkunde und später Psychiatrie und arbeitete am Wiener Allgemeinen Krankenhaus und am Kinderkrankenhaus in Bad Hall.
1929 heiratete sie den Wiener Arzt und Psychoanalytiker Otto Sperling (1899-2002), mit dem sie einen Sohn, George (*1934), und eine Tochter, Eva (*1939), hatte. Melitta Sperling eröffnete 1929 eine Privatpraxis als Kinderärztin in Wien und begann eine Lehranalyse bei Anna Freud, die sie jedoch abbrechen musste, als die Deutschen in Wien einmarschierten.
Nach dem "Anschluss" 1938 emigrierten Otto und Melitta Sperling in die USA und ließen sich in New York nieder. Melitta Sperling praktizierte als psychiatrische Konsultorin für die Kinderabteilung des Brooklyn Jewish Hospital, wo sie von 1940 bis 1953 die von ihr initiierte kinderpsychiatrische Klinik leitete. Ihre psychoanalytische Ausbildung setzte sie von 1939 bis 1942 am New Yorker Psychoanalytischen Institut fort. Sie wurde Mitglied, dann Lehranalytikerin und Supervisorin für Kinder und Erwachsene der New York Psychoanalytic Society (NYPS) und eröffnete eine psychoanalytische Privatpraxis in New York. Außerdem unterrichtete sie die Entwicklung des Kindes und psychosomatische Krankheiten am Kings County Medical Society und lehrte von 1949 bis 1970 Psychiatrie in der Division of Psychoanalytic Education am Downstate Medical Center der Universität New York.
Melitta Sperling wurde vor allem als Pionierin auf dem Gebiet psychosomatischer Erkrankungen im Kindesalter bekannt. Sie gründete 1960 die erste Arbeitsgruppe für Psychosomatik in der NYPS und führte die psychoanalytische Parallelbehandlung von Mutter und Kind ein. Die psychosomatischen Krankheitsbilder beschrieb sie auch als "prägenitale Konversionssymptome". Dabei konzentrierte sie sich auf die die Rolle der prägenitalen Konflikte und die spezielle symbiotische Mutter-Kind-Beziehung psychosomatischer Patient:innen. Im Mittelpunkt ihrer zahlreichen Veröffentlichungen standen u. a. Phobien, Migräne, Depressionen, Transvestismus und Colitis ulcerosa. (Artikelanfang)
Editha Sterba wurde in Budapest geboren. Ihr Vater Heinrich von Radanowicz-Hartmann, ein Oberst im Dienste der österreichisch–ungarischen Monarchie, stammte aus einer katholischen kroatischen Familie, ihre Mutter zählte Deutsche, Polen, Schweizer und Engländer zu ihren Vorfahren. Von 1898 bis 1904 lebte die Familie in Kaschau und übersiedelte dann nach Prag. Editha besuchte das Mädchengymnasium in Prag und danach (als einziges Mädchen) das humanistische Knabengymnasium in Baden bei Wien, wohin ihre Familie 1908 gezogen war. Von 1915 bis 1916 studierte sie an der Wiener Universität Germanistik und klassische Philologie, ab 1916 Musikwissenschaft, Germanistik und Musiktheorie. 1921 wurde sie mit einer Arbeit über Das Wiener Lied von 1789-1815 promoviert.
Durch die Vermittlung Otto Ranks bekam sie eine Stellung in dem 1918 gegründeten Internationalen Psychoanalytischen Verlag, wo sie zehn Jahre lang als Lektorin und Herausgeberin tätig war. Nach der Scheidung von ihrem ersten Mann (Alberti) heiratete sie 1926 den Wiener Arzt Richard Sterba (1898-1989), der wie sie zu den ersten Ausbildungskandidaten des 1925 gegründeten Wiener Psychoanalytischen Lehrinstituts gehörte. Editha Sterba wurde Ende 1925 außerordentliches, 1930 ordentliches Mitglied der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung (WPV). Nach Abschluss ihrer Ausbildung eröffneten Richard und Editha Sterba in Wien eine gemeinsame psychoanalytische Praxis.
Editha Sterba spezialisierte sich auf die Psychoanalyse von Kindern und stellte ihre Fälle in Anna Freuds Seminar für Kinder-Analyse vor. August Aichhorn betraute sie mit der Führung der psychoanalytischen Beratungsstellen an Wiener Schulen, und 1928 übernahm sie von Flora Kraus die Leitung der Erziehungsberatungsstelle der WPV. Eine 1932 eingerichtete zweite Beratungsstelle wurde gemeinsam von Editha Sterba, August Eichhorn, Anna Freud und Willi Hoffer betreut. Ab 1934 leitete Editha Sterba das Anfängerseminar für Kinderanalyse. Von ihren damals publizierten Fallanalysen fand die erfolgreiche Behandlung eines autistischen Jungen, die 1933 unter dem Titel Ein abnormes Kind erschien, besondere Beachtung.
Nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland emigrierten die Sterbas 1938 mit ihren Töchtern Monika (*1933) und Verena (*1936) zunächst in die Schweiz. Ihre weitere Auswanderung gestaltete sich schwierig, u. a. weil der Präsident der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung, Ernest Jones, sich anfangs weigerte, die Ausreise des "Ariers" Richard Sterba zu unterstützen, der seiner Meinung nach die Sache der Psychoanalyse in Österreich vertreten sollte. 1939 konnten sie in die USA ausreisen, wo sie sich schließlich in Detroit niederließen. Editha Sterba wurde Mitglied der Detroit Psychoanalytic Society, außerdem gehörte sie der American Psychoanalytic Association, der Association for Child Analysis und der Michigan Psychoanalytic Association an.
Neben ihrer Privatpraxis war sie an zahlreichen Projekten und Forschungsarbeiten beteiligt. Unter anderem entwickelte sie für den Jewish Family Service Methoden zur Behandlung von Jugendlichen, die den Holocaust überlebt hatten. Sie war am Departement of Psychiatry der Wayne University für Kinderpsychiatrie zuständig, arbeitete am Children's Hospital in Michigan und lehrte am Fachbereich für Psychologie der University of Michigan.
1954 veröffentlichte Editha Sterba gemeinsam mit ihrem Mann eine psychoanalytische Studie über Beethoven und dessen konflikthafte Beziehung zu seinem Neffen Karl, die durch ihre provozierenden Thesen zu Beethovens Homosexualität Aufsehen erregte. (Artikelanfang)
Josefine Rosa Stroß wurde in Wien als Tochter des österreichisch-jüdischen Rechtsanwalts Emanuel Stroß geboren. 1920 begann sie ihr Medizinstudium an der Wiener Universität und promovierte 1925. Anschließend spezialisierte sie sich bei Wilhelm Knöpfelmacher in der Kinderheilkunde und eröffnete dann eine Privatpraxis als Kinderärztin in Wien. 1931 beteiligte sie sich an der von Paul Lazarsfeld und Marie Jahoda durchgeführten Studie über Die Arbeitslosen von Marienthal.
Josefine Stross war eine langjährige Vertraute von Anna Freud, die sie über ihre Studienkollegin Marianne Kris kennenlernte. Sie begann 1933 eine Analyse bei Richard Sterba und wurde 1937 außerordentliches Mitglied der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung. Bis 1938 arbeitete sie als Kinderärztin in der von Edith Jackson und Dorothy Burlingham gegründeten Jackson-Kinderkrippe und führte ein protokollarisches Tagebuch über die Entwicklung der Kleinkinder.
1938, nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich, begleitete Josefine Stross als Ärztin Sigmund Freud und Anna Freud ins Exil nach London, stellvertretend für Freuds erkrankten Hausarzt Max Schur. Sie war ein Jahr später wahrscheinlich auch an der Sterbehilfe für Freud beteiligt. Josefine Stross wurde Mitglied der British Psycho-Analytical Society und beteiligte sich Anfang der 1940er Jahre am Aufbau von Anna Freuds War Nurseries und später des Hampstead Child Therapy Course and Clinic, wo sie als Kinderärztin arbeitete und lehrte.
In ihren Kursen und Seminaren bemühte sich Josefine Stross, die selbst nie als Psychoanalytikerin praktizierte, besonders um das Verständnis der schwierigen Mutter-Kind-Beziehung in den ersten beiden Lebensjahren des Kindes. Nach dem Tod von Anna Freud zog sie sich aus ihrer beruflichen Arbeit zurück. Ihre wissenschaftlichen Aufzeichnungen blieben unveröffentlicht. (Artikelanfang)
Juliana "Lia" Laszky wurde in Budapest als Tochter einer begüterten Arztfamilie geboren. Während ihres Medizinstudiums in Wien verliebte ihr Studienkollege Wilhelm Reich (1897-1957) sich in sie und weckte ihr Interesse an der Psychoanalyse. Auf sein Betreiben hin begann sie um 1919 eine Analyse bei Isidor Sadger. Dann heiratete die begabte Cellospielerin jedoch 1923 den Dirigenten Hans Swarowsky (1899-1975) und gab ihr Medizinstudium auf. Aus dieser Ehe ging 1924 ihr Sohn Anton hervor.
1926 trennte sie sich von ihrem Mann und lebte danach mit Wilhelm Reich zusammen, dessen Interesse an einer Verbindung von Psychoanalyse und Politik sie teilte. Nach Abschluss einer Lehrerinnenausbildung 1927 arbeitete sie wie Emma Plank im Montessori-Kindergarten in der Wiener Troststraße. Sie machte eine Analyse bei Richard Sterba und nahm an einem Fortbildungskurs für Lehrer-, Erzieher- und Sozialarbeiter:innen der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung teil.
1928/29 unternahm sie gemeinsam mit Reich Exkursionen in die Wiener Vorstädte, um über sexuelle Probleme zu diskutieren und Merkblätter zur Sexualaufklärung zu verteilen. 1930 schloss sie sich der von Wilhelm Reich und Marie Frischauf gegründeten Sozialistischen Gesellschaft für Sexualberatung und Sexualforschung an und arbeitete in den Proletarischen Sexualberatungsstellen mit, wo sie wie Edith Buxbaum für Sexualfragen von Kindern und Jugendlichen zuständig war. Trotz ihres Engagements in der Sexpol-Bewegung teilte Lia Swarowsky Reichs Orgasmustheorie nicht, sie war wie Annie Reich eine orthodox-freudianische Psychoanalytikerin.
1936 heiratete sie den Wiener Rechtsanwalt Hugo Knöpfmacher (1890-1980) und emigrierte mit ihm über England 1940 in die USA. Lia Knoepfmacher schloss 1941 das Smith College School of Social Work in Northampton ab und war von 1941 bis 1954 leitende Supervisorin am Jewish Board of Guardians in New York. Von 1945 bis 1960 arbeitete sie im Jewish Child Guidance Bureau in Newark, von 1950 bis 1960 auch am New Yorker Postgraduate Center for Mental Health. In den 1950er Jahren war sie Mitglied der Paul Federn Study Group, die sich als erste psychoanalytische Institution die Weiterbildung von Sozialarbeiter:innen zur Aufgabe setzte. Ab 1963 lehrte sie an der Boston University School of Social Work.
Lia Knoepfmacher praktizierte in New York als niedergelassene Psychoanalytikerin. Da ihr als "Laienanalytikerin" die medizinisch ausgerichteten psychoanalytischen Vereinigungen in den USA verschlossen blieben, wurde sie Mitglied der von Theodor Reik gegründeten National Psychological Association for Psychoanalysis (NPAP), wo sie von 1959 bis 1962 dem Lehrkörper angehörte. Sie wurde eine Anhängerin von Hyman Spotnitz und der "Modern Psychoanalysis", die Freudsche Konzepte für die Behandlung von Patienten mit präödipalen Störungen wie Borderline- und narzisstische Erkrankungen und Psychosen weiterentwickelt hat. Ab 1971 war sie Senior Associate des von Ethel Clevans und anderen gegründeten Center for Modern Psychoanalytic Studies in New York. (Artikelanfang)
Die Kinderpsychiaterin Emmy Sylvester wurde in Wien geboren als Tochter von Paul Arnold Sylvester und Elsa geb. Silberstern. Sie studierte Psychologie, Philosophie und Geschichte an der Wiener Universität und legte dort 1930 ihre Prüfung zur Lehrbefähigung ab. Beeinflusst durch Charlotte Bühler, mit der sie an verschiedenen Projekten zusammenarbeitete, interessierte sich Emmy Sylvester besonders für die Beobachtung und Erforschung des Kleinkindes. 1932 promovierte sie im Fach Psychologie über Das zwei- bis vierjährige Kind in neuer Situation. Untersuchung über die Variationsbreite kindlichen Verhaltens. Anschließend absolvierte sie an der Universität Wien ein Medizinstudium, das sie 1937 mit einer Promotion abschloss. Während ihrer Facharztausbildung spezialisierte sie sich in der Kinderheilkunde.
Gleichzeitig begann sie eine psychoanalytische Ausbildung am Lehrinstitut der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung, ihre Lehranalytikerin war Editha Sterba. 1938, nach dem Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland, emigrierte sie in die USA und ließ sich mit ihrem Mann Frank Pollaczek (1901-1998) in Chicago nieder. Dort arbeitete sie in der kinderpsychiatrischen Abteilung des Michael Reese Hospital und schloss ihre psychoanalytische Ausbildung am Chicago Psychoanalytic Institute ab.
Emmy Sylvester plädierte dafür, schwer gestörte Kinder außerhalb der Familie in einer geschützten Umgebung zu therapieren. Sie beteiligte sich an der Gründung der unter der Leitung Bruno Bettelheims berühmt gewordenen Sonia Shankman Orthogenic School für auffällige Kinder in Chicago. Zusammen mit Bettelheim entwickelte sie die theoretischen Grundlagen für diese Institution, wobei sie sich auf die Arbeit der Wiener Analytiker Siegfried Bernfeld und August Aichhorn mit verwahrlosten Kindern und Jugendlichen bezogen. Emmy Sylvester und Bruno Bettelheim verfassten mehrere Artikel gemeinsam und prägten den Begriff des "therapeutischen Milieus" für die angestrebte heilende Atmosphäre in der Klinik.
1951 zog Emmy Sylvester nach San Francisco und wurde Lehranalytikerin und Kinderanalytikerin der San Francisco Psychoanalytic Society. Sie unterrichtete am Mount Zion Hospital und am Letterman Hospital, war klinische Professorin an der Stanford Medical School und Life Fellow der American Psychiatric Association. Sie galt als eine der besten Kinderanalytiker:innen der Nachkriegszeit und lebte bis zu ihrem Tod in San Francisco. (Artikelanfang)
Rosa Tanco Duque, die in Fresno, Tolima, in Kolumbien geboren wurde, vertritt die Tiefenpsychologie von Igor A. Caruso. Sie studierte Psychologie an der Universidad Nacional de Colombia (UNAL) in Bogotá und erhielt 1957 ihr Diplom in diesem Fach. 1958 gehörte sie zu den Gründungsmitgliedern der Federación Colombiana de Psicología. Im gleichen Jahr ging sie mit einem Stipendium der UNAL nach Wien und absolvierte dort eine psychoanalytische Ausbildung bei dem von Igor Caruso geleiteten Wiener Arbeitskreis für Tiefenpsychologie.
1963 gründete Rosa Tanco Duque in Bogotá zusammen mit anderen Psycholog:innen und Ärzt:innen eine Studiengruppe des Wiener Arbeitskreises, die sich im Jahr darauf als Círculo Colombiano de Psicología Profunda konstituierte, mit César Constaín Mosquera als Präsident und Rosa Tanco Duque als Generalsekretärin. 1966 übernahm sie die Leitung des Departamento de Psicología an der Fakultät für Geisteswissenschaften der UNAL.
Sie übersiedelte dann nach Salzburg, wo Caruso seit 1967 an der Universität Salzburg lehrte, und promovierte dort 1971 zum Dr. phil. mit einer Arbeit über Zeichen der Regression im thematischen Apperzeptionstest. Von 1972 bis 1973 war Rosa Tanco Duque Ausbildungsleiterin des unter Carusos Führung 1969 gegründeten Salzburger Forschungs- und Arbeitskreises für Tiefenpsychologie und Psychosomatik am Psychologischen Institut der Universität. Als eigenständiger Verein konstituierte sich 1974 der Salzburger Arbeitskreis für Tiefenpsychologie, dem Rosa Tanco Duque als Vorstandsmitglied und Lehranalytikerin angehörte. Nach ihrem Austritt aus dem Salzburger Arbeitskreis gründete sie 1976 zusammen mit Igor Caruso, Lore Watzka und anderen die Österreichische Studiengesellschaft für Kinderpsychoanalyse. Sie gehörte der Redaktion des von der Studiengesellschaft seit 1981 herausgegebenen Jahrbuchs Studien der Kinderpsychoanalyse an, bis dieses 2004 sein Erscheinen einstellte.
Rosa Tanco Duque praktizierte zuletzt als niedergelassene Psychotherapeutin in Salzburg. (Artikelanfang)
Gertrude Ruth Höllwarth wurde in Wien geboren als Tochter von Georg und Barbara Höllwarth. Sie studierte in Wien Medizin und promovierte 1944 mit einer Arbeit Über Ranula. Anschließend arbeitete sie in einer Klinik in Leipzig und danach in Wien an der Psychiatrisch-Neurologischen Universitätsklinik unter Otto Kauders. Ihre psychoanalytische Ausbildung erhielt sie nach Kriegsende bei der neugegründeten Wiener Psychoanalytischen Vereinigung (WPV). Ihre Lehranalytiker waren Otto Fleischmann und nach dessen Emigration in die USA Alfred Winterstein. 1951 wurde Gertrude Höllwarth Mitglied der WPV.
Noch im gleichen Jahr wanderte sie nach Brasilien aus und arbeitete ab 1953 als Lehranalytikerin der Sociedade Brasileira de Psicanálise de São Paulo, bevor sie Mitte der 1950er Jahre in die USA übersiedelte. Sie zog nach Topeka in Kansas, wo sie 1956 den Wiener Juristen und Psychoanalytiker Ernst Ticho (1915-1996) heiratete, der gleichzeitig mit ihr seine Ausbildung bei der WPV absolviert hatte. Wie ihr Mann wurde Gertrude Ticho Mitarbeiterin der Menninger-Klinik. Sie war Lehranalytikerin und von 1969 bis 1974 Direktorin des Topeka Institute for Psychoanalysis. Nach ihrem Umzug 1973 nach Washington lehrte sie zwanzig Jahre lang als Professorin für Psychiatrie an der George Washington University und bildete Analytiker:innen am Washington Psychoanalytic Institute aus.
Gertrude Ticho vertrat die Ich-Psychologie und die Objektbeziehungstheorie. Zu ihren wichtigsten Arbeiten zählen ihre Veröffentlichungen über die Selbstanalyse als Ziel der psychoanalytischen Behandlung. Ihrer Ansicht nach sollte sich der Patient die Technik des Psychoanalytikers aneignen und auch unabhängig von diesem anwenden können, um Zugang zu seinem Unbewussten zu bekommen. Ihre Erfahrungen als Analytikerin in drei verschiedenen Kulturen beschrieb Gertrude Ticho in ihrem 1971 erschienenen Aufsatz Cultural aspects of transference and countertransference.
2001 ging sie in den Ruhestand und starb drei Jahre später an einem Herzleiden. (Artikelanfang)
Die Kinderanalytikerin Jenny Wälder wurde in Lemberg in Galizien als zweite von drei Töchtern einer assimilierten jüdischen Familie geboren. Ihr Vater war ein erfolgreicher Geschäftsmann, der zu Beginn des Ersten Weltkriegs mit seiner Familie nach Wien zog. Nach der Matura 1917 in Wien begann sie 1919 an der Universität Wien ihr Medizinstudium und promovierte dort 1925. Danach arbeitete sie bis 1930 als Kinderärztin am Wiener Kaiser-Franz-Josef-Spital.
Angeregt durch ihre Freundin Grete Bibring-Lehner begann sie noch während ihres Studiums eine Analyse bei dem Wiener Psychoanalytiker Robert Hans Jokl. Sie besuchte von 1922 an als Gast die Sitzungen der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung (WPV) und wurde 1928 außerordentliches Mitglied der WPV. Ihr Interesse galt vor allem der Kinderanalyse. Ihre von Anna Freud supervidierte Behandlung eines siebenjährigen Jungen mit Herzneurose und nächtlichem Aufschrecken war Gegenstand ihres 1930 vor der WPV gehaltenen Einführungsvortrags Aus der Analyse eines Falles von Pavor Nocturnus zur Erlangung der ordentlichen Mitgliedschaft. 1930 war auch das Jahr ihrer Eheschließung mit dem Wiener Physiker und Psychoanalytiker Robert Wälder (1900-1967).
1933 stellte Jenny Wälder im Kinderseminar Anna Freuds den Fall des „kleinen Walter“ vor, damals das jüngste sich in Analyse befindende Kind. 1934 begann sie ihre Lehrtätigkeit in der WPV und 1936 wurde sie Lehr- und Kontrollanalytikerin. Gemeinsam mit Berta Bornstein veranstaltete Jenny Wälder in ihrer Wohnung ein wöchentliches Seminar zur Kinderanalyse für amerikanische Kandidat:innen, an dem u. a. Julia Deming, Edith Jackson und Mary O'Neil Hawkins teilnahmen.
1938, nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich, emigrierten Jenny und Robert Wälder mit ihren beiden Töchtern in die USA und ließen sich in Boston nieder. Nach der Scheidung von Robert Wälder heiratete Jenny Wälder 1941 den aus Australien stammenden Historiker Duncan Hall (1891-1976). Jenny Wälder-Hall spielte in den USA eine führende Rolle in der Kinderpsychiatrie. Sie war Lehr- und Kontrollanalytikerin der Boston Psychoanalytic Society und unterrichtete in Boston Kinderanalyse und Kinderpsychiatrie am Psychoanalytic Institute, Nursery Training Institute und am Beth-Israel Hospital, bevor sie 1943 nach Bethesda, Maryland, zog.
Ab 1944 war sie Mitarbeiterin am Baltimore-Washington Psychoanalytic Institute, wo sie als Anhängerin Anna Freuds die Ideen von Harry Stack Sullivan bekämpfte, was letztlich zur Spaltung der Baltimore–Washington Society führte. Von 1950 bis 1954 lehrte sie auch in der Philadelphia Association for Psychoanalysis, die auf ihr Betreiben hin 1961 eine Abteilung für Kinderanalyse einrichtete. Außerdem beteiligte sie sich an der Gründung der Association for Child Analysis in Michigan und am Aufbau des psychoanalytischen Lehrinstituts in Miami, Florida.
Ende der 1970er Jahre zog Jenny Waelder-Hall nach Florida, wo sie im Alter von 90 Jahren nach einem Schlaganfall starb. (Artikelanfang)
Rosa Walk stammte aus einer jüdischen Familie und wurde 1893 (anderen Quellen zufolge 1895) in Marmaroziget, Ungarn, geboren. Sie besuchte bis 1919 ein Mädchengymnasium in Budapest und studierte anschließend Medizin in Frankfurt am Main. 1924 wechselte sie an die Universität in Wien, wo sie vier Jahre später promovierte. 1927 heiratete sie den Wiener Kaufmann und Privatbeamten Anton Johann Walk (1901-1933) und konvertierte zum evangelischen Glauben. Ihr Ehemann, von dem sie sich später trennte, hielt sich zuletzt in Shanghai auf, galt als verschollen und wurde 1933 für tot erklärt.
Rosa Walk bewarb sich Anfang 1928 um eine Gratisanalyse bei der Wiener Psychoanalytischen Vereinigung (WPV), was zunächst vom Lehrausschuss abgelehnt wurde. Sie absolvierte dann ihre Lehranalyse bei Ruth Mack-Brunswick und Edward Bibring und war von 1933 bis 1938 außerordentliches Mitglied der WPV. 1934 eröffnete sie in Wien eine psychoanalytische Privatpraxis.
Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich floh Rosa Walk 1938 nach Frankreich. Während sich das Emergency Committee der American Psychoanalytic Association um ein Affidavit für sie bemühte, pendelte sie zwischen Paris und Mirmande in Südfrankreich. Sie gehörte zu den ausländischen Juden, die bei der am 26. August 1942 von der Vichy-Regierung angeordneten Razzia in der freien Zone verhaftet wurden. Am 2. September 1942 wurde Rosa Walk mit dem Konvoi Nr. 27 von Drancy nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. (Artikelanfang)