Enid Flora Albu wurde in London geboren und besuchte das Cheltenham Ladies' College, bevor sie von 1922 bis 1925 an der London School of Economics studierte. Seit 1926 war sie mit dem Philologie-Professor Robert N. Eichholtz (später Eccles) verheiratet, von dem ihre beiden Töchter stammen.
Während und nach dem Zweiten Weltkrieg organisierte Enid Albu-Eichholtz in London die Family Welfare Association (später Institute of Family Relations) zur Unterstützung ausgebombter und obdachlos gewordener Familien. 1948 beteiligte sie sich an der Gründung des Family Discussion Bureau, dem späteren Tavistock Institute of Marital Studies, und bildete Sozialarbeiter für die Familien- und Eheberatung aus. Gleichzeitig begann sie bei John Rickman an der Tavistock Clinic eine Lehranalyse, die sie nach dessen Tod 1951 bei Donald W. Winnicott fortsetzte. 1952 wurde sie außerordentliches Mitglied der British Psychoanalytical Society (BPAS) und 1954, nach ihrem Vortrag Drei Phasen einer Übertragungsneurose, ordentliches Mitglied.
Im Zusammenhang mit ihrer Arbeit am Tavistock Institute of Human Relations lernte Enid Albu-Eichholtz Michael Balint (1896-1970) kennen, den sie 1953, nach der Scheidung von Eichholtz, heiratete (Abb.). Sie machte ihn mit der fallorientierten Case-Work-Technik vertraut, die sie bei der Ausbildung von Sozialarbeitern und Psychologen einsetzte. Zwischen 1949 und 1954 entwickelten Michael und Enid Balint die Methode der "Balint-Gruppe", bei der eine psychoanalytisch supervidierte Gruppe von Ärzten Fallberichte ihrer Patienten diskutiert und die Übertragung und Gegenübertragung in der Arzt-Patient-Beziehung bearbeitet. Auch nach ihrer Trennung setzten Enid und Michael Balint ihre Zusammenarbeit fort und entwickelten gemeinsam die Methode der Fokaltherapie sowie die sog. Flash-Technik für den Allgemeinarzt.
Seit 1963 war Enid Balint Lehranalytikerin der BPAS, wo sie zur Gruppe der Unabhängigen gehörte. Sie leitete bis 1965 das allgemein-medizinische Ausbildungs- und Forschungsseminar an der Tavistock Clinic und von 1970 bis 1974 das Londoner Institute of Psychoanalysis. In ihren Schriften - 1993 gesammelt in dem Band Before I was I veröffentlicht - bezog sie sich besonders auf die Ansätze von Sándor Ferenczi, Michael Balint und Donald Winnicott. Ihr Interesse galt vor allem der unbewussten Kommunikation, dem Verständnis präverbaler und körperlicher Prozesse sowie der Wechselbeziehung zwischen dem Präverbalen und der Sprache. Ziel ihrer analytischen Arbeit war die Entwicklung einer "imaginativen Wahrnehmung", bei der der Patient das, was er wahrnimmt, imaginiert und sich auf diese Weise seine eigene, teils imaginierte, teils wahrgenommene Welt erschafft. Erst durch Imagination, so Enid Balint, gewinnen äußere Welt und Selbst Realität und Lebendigkeit.
Nach Michael Balints Tod heiratete Enid Balint 1976 den Diplomaten und Historiker Robert Humphrey Gordon (Robin) Edmonds (1920-2009). (Artikelanfang)
Dorothea Helen Ball kam in Lenzie bei Glasgow als das älteste von drei Kindern zur Welt. Ihr Vater starb bald nach ihrer Geburt, und ihre Mutter zog sie und ihre beiden Brüder alleine auf. Sie studierte Medizin an der Universität Glasgow und beendete ihr Studium kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs.
Nach dem Krieg heiratete sie den kanadischen Osteopathen Sidney Ball (1909-1991), von dem ihre beiden Kinder Graham und Calie stammen. Sie begann eine Ausbildung am London College of Osteopathic Medicine, wechselte dann aber zur Psychiatrie und ließ sich zur Psychoanalytikerin ausbilden. Neben ihrer Privatpraxis in London arbeitete Dorothea Ball als Clinical Assistant der Abteilung für Psychologische Medizin am University College Hospital London (UCL). Mit Heinz Wolff und Roger Tredgold entwickelte sie 1958 zur Verbesserung der Arzt-Patient-Beziehung das UCL Student Psychotherapy Scheme: Mit diesem Programm wurde Medizinstudenten die Möglichkeit angeboten, einen Patienten unter Supervision psychotherapeutisch zu behandeln. 1969 war sie Mitautorin eines Berichts über die Ausbildung von Medizinstudenten in patientenzentrierter Medizin, die unter der Leitung von Michael Balint am UCL durchgeführt wurde.
Nach einem Schlaganfall zog sich Dorothea Ball 1999 ins Privatleben zurück. (Artikelanfang)
Mary Rushton Barkas kam in Christchurch in Neuseeland zur Welt, als einziges Kind von Frederick Barkas und Amy Porter, die beide aus England stammten (Abb.). Ihr Vater war Chemiker und Manager der New Zealand Loan and Mercantile Agency Company, ihre Mutter arbeitete vor ihrer Ehe als Gouvernante und Musiklehrerin.
Nach dem Besuch des Victoria University College in Wellington ging sie 1913 nach London, um am King's College Hauswirtschaft zu studieren. Kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs begann sie ein Medizinstudium am St. Marys Hospital und an der London School of Medicin for Women und erhielt 1918 ihre Approbation. 1919 war sie die erste Frau, die als Anstaltsärztin am Bethlem Royal Hospital, Londons berühmtem psychiatrischen Krankenhaus, zugelassen wurde. Durch diese Tätigkeit angeregt, studierte Mary Barkas Medizinische Psychologie, erwarb 1922 ihr Diplom und promovierte 1923 in diesem Fach. Von 1923 bis 1927 arbeitete sie als Ärztin am psychiatrischen Maudsley Krankenhaus in London, wo sie sich auf Psychotherapie spezialisierte und unter William Dawson in der Kinderabteilung tätig war.
Ihre psychoanalytische Ausbildung erhielt sie bei Otto Rank während ihres Aufenthalts in Wien im Jahr 1922. Noch im gleichen Jahr wurde sie außerordentliches Mitglied der British Psychoanalytical Society (BPAS). Mary Barkas hielt Vorträge über psychiatrische Themen, u. a. 1925 vor der BPAS über The treatment of psychotic patients in institutions in the light of psycho-analysis. 1924 nahm sie am Internationalen Psychoanalytischen Kongress in Salzburg teil. Ihr Interesse galt weniger der Theorie der Psychoanalyse als ihrer klinischen Anwendung in der stationären Behandlung von Psychotikern.
Von 1928 bis 1933 war sie Chefärztin von The Lawn Hospital in Lincoln, einer kleinen psychiatrischen Privatklinik mit chronischen finanziellen Problemen. Nachdem ihr Vater 1932 gestorben war, kehrte Mary Barkas nach Neuseeland zurück und ließ sich in Tapu, nördlich von Thames, nieder. Sie gab ihre ärztliche Tätigkeit auf, um sich der Hundezüchtung und dem Studium chinesischer Philosophie zu widmen. (Artikelanfang)
Agnes "Agi" Judith Bene wurde in eine ungarisch-jüdische Familie in Budapest geboren. Sie und ihre Familie überlebten die deutsche Besatzung und den Terror der Pfeilkreuzler mithilfe des schwedischen Gesandten Raoul Wallenberg - mit Ausnahme ihres Vaters, der kurz vor Kriegsende hingerichtet wurde. Agnes Bene emigrierte 1948 in die Schweiz und studierte in Genf bei Jean Piaget Psychologie. 1950 ging sie zusammen mit ihrer Freundin Anne-Marie Weil nach London, um eine psychoanalytische Ausbildung zu absolvieren, zunächst als Kinderpsychotherapeutin bei Anna Freud in Hampstead Child-Therapy Courses und danach bei der British Psycho-Analytical Society (BPAS).
Agi Bene war eine gefragte Lehr- und Kontrollanalytikerin und zählte zu den bedeutenden Persönlichkeiten in der BPAS. Als Kinderanalytikerin spielte sie in der Hampstead Clinic seit den 1960er Jahren in Forschung und Ausbildung eine wichtige Rolle. Sie interessierte sich besonders für Borderline-Fälle bei Kindern und Erwachsenen, die sie in ihren Aufsätzen zur Selbstpathologie bei Kindern behandelte. Im Fall von Kindern mit taubstummen Eltern kam sie zu dem Schluss, dass das Fehlen von Hör- und Sprachkontakt zu kognitiven und Ich-Defiziten beim Kind führt (1977).
Nach ihrer Heirat mit dem aus Deutschland stammenden, 1937 nach Palästina emigrierten Psychiater und Psychoanalytiker Rafael Moses (1924-2001) zog Agi Bene-Moses 1976 nach Israel, wo sie bis zu ihrem vorzeitigen Tod Mitglied der Israel Psychoanalytic Society war. (Artikelanfang)
Die Kinderanalytikerin Esther Bick kam als Esteza Lifsza Wander in Przemysl in Galizien als älteste Tochter orthodox jüdischer Eltern zur Welt. Ihr Vater Samuel Wander stammte aus einer Kleinhändlerfamilie, ihre Mutter Chaja Lea Malawer aus einer Familie von Kaufleuten und Hausbesitzern. Ihre ersten fünf Lebensjahre verbrachte sie bei ihrer Großmutter, kam dann aber wieder zu ihrer psychisch labilen Mutter und zwei jüngeren Geschwistern zurück. Gegen 1916 schloss sich Esther Wander einer zionistischen Jugendorganisation an, brach die Schule ab und bereitete sich auf eine Auswanderung nach Palästina vor. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie sich als Kindermädchen in einem Heim für Kriegswaisen. Hier nahm ihr professionelles Interesse für Kinderpsychologie seinen Anfang.
1924 holte sie das Abitur nach und ging anschließend nach Wien, um an der philosophischen Fakultät bei Charlotte Bühler Psychologie zu studieren. Bühler führte zu dieser Zeit ein Forschungsprojekt zur kindlichen Entwicklung durch. Esther Wander wurde Bühlers Forschungsassistentin, und obwohl sie deren behavioristischen Ansatz nicht teilte, promovierte sie 1935 im Rahmen dieses Projekts über Gruppenbildung im zweiten Lebensjahr. 1936 heiratete sie den Medizinstudenten Philipp Bick (1904-1972), mit dem sie nach dem "Anschluss" Österreichs 1938 in die Schweiz floh. Da sie hier keine Arbeitserlaubnis erhielt, emigrierte sie ohne ihren Ehemann, der in der Schweiz blieb, Ende 1938 weiter nach England. Ihre Ehe wurde 1945 geschieden.
Esther Bick ließ sich in Manchester nieder und begann 1941 eine Analyse bei Michael Balint, die ein Jahr später in eine Lehranalyse umgewandelt wurde. Während dieser Zeit arbeitete sie in einem Kindertagesheim in Salford und von 1942 bis 1945 in einer Child Guidance Clinic in Leeds. Nach Kriegsende zog sie nach London und begann 1947 eine Ausbildung am Institute of Psychoanalysis. Ihre Lehranalyse setzte sie bei Melanie Klein fort, zu deren Anhänger:innen sie fortan zählte. 1948 wurde Esther Bick außerordentliches, 1953 ordentliches Mitglied der British Psychoanalytical Society (BPAS), ihren Einführungsvortrag hielt sie über weibliche Sexualängste (Anxieties underlying phobia of sexual intercourse in a woman).
1949 übernahm Esther Bick auf Einladung von John Bowlby die Leitung eines Ausbildungsgangs für Kinderpsychotherapie in der Tavistock Clinic, die sie bis 1960 innehatte. Gleichzeitig lehrte sie am Institute of Psychoanalysis der BPAS. Esther Bick übte einen maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung der Kinderpsychotherapie in England aus, insbesondere durch ihre Entdeckung des Potentials der Kleinkindbeobachtung ("infant observation"). Ausgehend vom Bühlerschen Ansatz der Verhaltensbeobachtung integrierte sie die systematische Beobachtung kleiner Kinder in ihrem familiären Umfeld in die psychoanalytische Arbeit und entwickelte sie weiter zur Technik der psychoanalytischen Baby- und Kleinkindbeobachtung, wie sie mit Esther Bicks Namen verbunden ist. Neu daran war ihr Fokus auf die Emotionen des Beobachters als Mittel, mit dem Unbewussten des Kindes in Beziehung zu treten.
Wichtige, in die kleinianische Theorie eingebundene Konzepte Esther Bicks sind die "psychische Haut", die primäre Hautfunktion und das Abwehrphänomen der zweiten Haut. Nach Bick ermöglicht das Gefühl der eigenen Haut, sowohl aus dem Inneren wie als Begrenzung durch die Haut der Mutter (skin of self-and-mother), dem Baby in einem sehr frühen Entwicklungsstadium die Erfahrung eines Zusammenhalts seiner Person (primary skin containment). Gelingt dies nicht, bildet sich als Abwehr gegen die vernichtende Erfahrung von Desintegration bzw. einer undichten Grenze, durch deren Löcher das Selbst ausfließen kann, eine zweite Haut aus Muskelpanzerungen. - Mit diesen Überlegungen bereitete Esther Bick Didier Anzieus Begriff des Haut-Ichs vor. (Artikelanfang)
Augusta "Guita" Josephine Bonnard wurde in Russland geboren, ihre Familie emigrierte 1906 nach der gescheiterten Revolution nach England. Augusta Bonnard schloss 1927 ihr Medizinstudium am Londoner University College Hospital (UCH) ab und praktizierte eine Zeitlang als Allgemeinärztin, bevor sie eine Stelle am Paddington Green Children's Hospital antrat. Hier war seit 1923 Donald W. Winnicott als Kinderarzt tätig, der ihr Interesse an der psychoanalytischen Kinderpsychiatrie weckte.
Augusta Bonnard ging nach Wien, um von Sigmund Freud eine Einführung in die Psychoanalyse zu erhalten. Sie absolvierte eine psychoanalytische Ausbildung bei Anna Freud und wurde Mitglied der British Psychoanalytical Society. Als Anna Freud 1952 in London Hampstead Child Therapy Clinic and Course eröffnete, gehörte Bonnard als Honorary Consultant zu ihrem Mitarbeiterstab und beteiligte sich an der Ausbildung von Kandidat:innen.
Seit Ende des Zweiten Weltkriegs war Augusta Bonnard Direktorin der East London Child Guidance Clinic, die sie 1945 im London Jewish Hospital neu eröffnet hatte und wo sie bis zu ihrer Pensionierung im Jahr 1968 als Consultant Psychiatrist tätig war. Sie praktizierte als niedergelassene Psychoanalytikerin in London und arbeitete außerdem im Great Ormond Street Hospital, im UCH, in der Tavistock Clinic sowie in der Lasker Clinic in Jerusalem. Sie war eine klassische Freudianerin und Vertreterin der Ich-Psychologie, ihre Arbeiten zeugen jedoch auch von dem Einfluss Winnicotts.
Augusta Bonnard war seit Ende der 1920er Jahre mit Christopher Brunner (1902-1962), Direktor des Mineralölkonzerns Shell-Mex & BP, verheiratet. (Artikelanfang)
Marjorie Flowers Brierley wurde im Londoner Stadtteil Lewisham geboren als einziges Kind von Thomas Ellis und Louisa Sarah geb. Lanaway. Ihre Mutter soll in der Medico-Psychological Clinic (später Brunswick Square Clinic) gearbeitet haben, der ersten Klinik in England, die psychoanalytische Ausbildung und Therapie anbot.
Marjorie Ellis studierte von 1916 bis 1921 Psychologie am University College London und absolvierte danach ein Medizinstudium, das sie 1928 abschloss. 1922 heiratete sie William B. Brierley (1889-1963), Professor für Botanik und Ex-Ehemann ihrer Freundin Susan Isaacs. Von 1922 bis 1924 machte sie eine persönliche Analyse bei John Carl Flügel und von 1925 bis 1927 eine weitere Analyse bei Edward Glover. 1927 wurde sie außerordentliches und 1930 ordentliches Mitglied der British Psychoanalytical Society (BPAS).
Von 1933 an war Marjorie Brierley Lehr- und Kontrollanalytikerin der BPAS und lehrte am Londoner Psychoanalytischen Institut. In der Kontroverse zwischen Melanie Klein und Anna Freud nahm sie eine vermittelnde Position ein und gehörte später der sog. Middle Group der Unabhängigen an. Zusammen mit Edward Glover und James Strachey leitete sie von 1943 bis 1944 die "Controversal Discussions", in denen sich Kleinianer:innen und Annafreudianer:innen um eine Klärung ihrer unterschiedlichen theoretischen Standpunkte bemühten.
Obwohl Marjorie Brierley Melanie Klein einen Mangel an präziser Definition insbesondere der "inneren Objekte" vorwarf, stimmte sie in vielem mit ihr überein und betrachtete das Klein'sche Konzept der verinnerlichten Objektphantasien als vereinbar mit Sigmund Freuds Grundannahmen. Brierleys zwischen 1932 und 1947 veröffentlichten Aufsätze sind in dem 1951 erschienenen Sammelband Trends in Psycho-Analysis enthalten - mit Ausnahme ihrer beiden Artikel über Probleme der Weiblichkeit. Besonders bekannt wurde ihre Arbeit über Die Affekte in der Theorie und Praxis, in der sie den Affekt als essentielle Ich-Erfahrung vom Trieb unterschied und ihm so wieder seinen Platz in der psychoanalytischen Theorie einräumte.
Marjorie Brierley verfasste zwischen 1931 und 1967 zahlreiche Rezensionen und Abstracts für das International Journal of Psychoanalysis, für das sie bis 1978 als Assistant Editor fungierte. Nachdem ihr Lehranalytiker Edward Glover 1944 die BPAS verlassen hatte, nahm Marjorie Brierley immer weniger an den Aktivitäten der Vereinigung teil. Als ihr Mann 1954 in Pension ging, zog sie sich ebenfalls aus der praktischen Arbeit zurück. Sie übersiedelten in den Lake District, wo Marjorie Brierley bis zu ihrem Tod lebte. (Artikelanfang)
Marion Burgner wurde als Tochter der russisch-jüdischen Einwanderer Mordechai und Sonia Chasik in Marylebone geboren und wuchs in East London auf. Sie studierte am Birkbeck College der Universität London und erwarb Abschlüsse in Englischer Literatur und in Psychologie. 1958 heiratete sie den aus Berlin stammenden Verwaltungsfachmann Thomas "Tom" Burgner (1932-2001), einen Cousin von Hilda Abraham, mit dem sie zwei Söhne hatte.
Marion Burgner ließ sich an Anna Freuds Hampstead Child Therapy Clinic and Course zur Kinderanalytikerin ausbilden und schloss 1976 am Londoner Institute of Psychoanalysis ihre Ausbildung zur Erwachsenenanalytikerin ab. Danach eröffnete sie eine psychoanalytische Privatpraxis und war seit 1984 Lehranalytikerin der British Psychoanalytical Society. Sie lehrte und forschte auf dem Gebiet der Kinderentwicklung und war über 25 Jahre mit dem Anna Freud Centre verbunden. Außerdem war sie für zahlreiche andere Institutionen tätig wie z. B. das Child Guidance Training Centre und das Brent Consultation Centre, lehrte am Department für Psychologische Medizin des University College Hospital und beteiligte sich an verschiedenen Projekten, darunter eine frühe HIV/AIDS-Forschungsgruppe der Tavistock Clinic sowie das von Anne-Marie Sandler geleitete Young Adult Research Programme im Anna Freud Centre. Außerdem war sie Mitgründerin der Zeitschrift Psychoanalytic Psychotherapy.
Im Zentrum von Marion Burgners Arbeit stand die Integration von Anna Freuds Entwicklungsperspektive mit neueren Ansätzen und klinischen Erkenntnissen. Zusammen mit Rose Edgcumbe verfasste sie in den 1970er Jahren eine Reihe wegweisender Arbeiten, in denen sie die Bedeutung der frühen Objektbeziehungen hervorhob. In ihrem wohl bekanntesten Aufsatz The phallic-narcissistic phase. A differentiation between preoedipal and oedipal aspects of phallic development (1975), grenzten Burgner und Edgcumbe, ausgehend von Anna Freuds Konzept der phallisch-narzisstischen Phase, frühe präödipale narzisstische Konstruktionen der Körper-Selbst-Repräsentanz gegenüber der späteren Ausbildung sexueller Identität in der ödipalen Triangulierung ab. (Artikelanfang)
Mary Chadwick war eine frühe Pionierin der Kinderanalyse in England. Die gelernte Krankenschwester erhielt ihre psychoanalytische Ausbildung bei Julia Turner an der Brunswick Square Clinic in London und bei Hanns Sachs am Berliner Psychoanalytischen Institut. Ihr Name wird in einer Reihe mit Ella Sharpe und Nina Searl genannt, alles Schülerinnen von Hanns Sachs, die ähnliche psychoanalytische Ansichten vertraten. Mary Chadwick führte 1922 in London ihre erste Kinderanalyse durch, indem sie die Ideen von Sigmund Freud und Hermine Hug-Hellmuth anwendete.
1923 wurde sie als außerordentliches Mitglied in die British Psychoanalytical Society (BPAS) aufgenommen, der sie bis Mitte der 1940er Jahre angehörte. Die ordentliche Mitgliedschaft wurde ihr durch das Veto einer Minderheit verweigert, obwohl die Mehrheit in der BPAS, darunter auch Ernest Jones, sie unterstützte. Ihre Kollegin Melitta Schmideberg behauptete, Mary Chadwick sei wie Nina Searl von der "kleinianischen Clique" aus der Britischen Vereinigung hinausgedrängt worden - trotz der Tatsache, dass ihr Buch Women's Periodicity die Zustimmung Melanie Kleins gefunden hatte. Einen Schwerpunkt in Mary Chadwicks Publikationen bildete das Thema der Menstruation, das in der psychoanalytischen Literatur bis dahin wenig Beachtung gefunden hatte.
Sie unterrichtete am British College of Nurses und veröffentlichte zahlreiche Arbeiten zur Psychologie des Kindes und der Erziehung. Zu ihren Analysandinnen zählte auch die amerikanische Dichterin Hilda Doolittle, die 1931 drei Monate lang bei ihr in Analyse war. (Artikelanfang)
Estelle Maude Cole wurde in der südarabischen Hafenstadt Aden (anderen Quellen zufolge in Irland) geboren und heiratete 1896 den Elektriker Philip Henry Cole (1874-?). Sie absolvierte eine Analyse bei Ernest Jones und wurde 1919 außerordentliches und 1920 ordentliches Mitglied der British Psycho-Analytical Society (BPAS). Anfang der 1920er Jahre war sie als Amtsärztin an der Psychological Clinic am Brunswick Square in London (Brunswick-Klinik) tätig. Außerdem war sie bis 1927 Ärztin an der London Clinic of Psycho-Analysis, die dem Lehrinstitut der BPAS angegliedert war. 1920 nahm sie am IPA-Kongress in Den Haag teil.
Nachdem sie sich von einer schweren Lungenentzündung erholt hatte, reiste Estelle Cole 1922 zu Sándor Ferenczi nach Budapest, um dessen "aktive Technik" zu erlernen. Ferenczi hielt es jedoch für angebracht, dass sie eine persönliche Analyse bei ihm machte, auf die 1925 eine weitere Tranche folgte.
In den Fallstudien, die Estelle Cole in den 1920er Jahren in der BPAS vorstellte, berichtete sie über die Assoziation des Flötenspiels mit der Urethralerotik, über einen Zusammenhang zwischen Beschneidung und Kastrationskomplex und über die Deutung der Hämorrhoiden einer Patientin als die Erfüllung ihres Männlichkeitswunschs.
Ende 1927 erklärte Estelle Cole ihren Austritt aus der BPAS. Danach schloss sie sich der Adler Society an, die im gleichen Jahr von Dimitrije Mitrinović in London gegründet worden war. In ihren beiden Ratgeberbüchern Three Minute Talks about Children und Education for Marriage behandelte sie die Sexualaufklärung unverheirateter Frauen und Probleme in der Kindererziehung. (Artikelanfang)
Nina Elizabeth Cameron Coltart wurde in Shortlands, Kent, geboren als die älteste von zwei Töchtern eines Allgemeinarztes. Während des Kriegs wurden sie und ihre Schwester Gillian nach Cornwall zu ihrer Großmutter evakuiert. Auf dem Weg zu einem Besuch bei ihren Töchtern kamen ihre Eltern 1940 bei einem Zugunglück ums Leben.
Nina Coltart studierte von 1947 bis 1950 Moderne Sprachen am Somerville College in Oxford, entschied sich dann aber für den Arztberuf und absolvierte ihr Medizinstudium von 1951 bis 1957 am Medical College des St. Bartholomew's Hospital in London. Anschließend arbeitete sie als Ärztin und Psychiaterin beim National Health Service, bevor sie 1961 eine eigene psychotherapeutische Praxis eröffnete.
Ihre psychoanalytische Ausbildung erhielt Nina Coltart von 1960 bis 1966 bei der British Psychoanalytical Society (BPAS), ihre Lehranalytikerin war Eva Rosenfeld, Supervisor:innen waren Armstrong Harris, Masud Khan und Paula Heimann. 1969 wurde sie ordentliches Mitglied und 1971 Lehranalytikerin der BPAS, wo sie zur Gruppe der Unabhängigen zählte. Neben ihrer Mitarbeit in verschiedenen Komitees der BPAS war sie von 1972 bis 1982 Direktorin der London Clinic of Psychoanalysis und von 1984 bis 1987 Vizepräsidentin der BPAS. Neben ihrer Lehrtätigkeit am British Institute of Psychoanalysis hielt sie als Visiting Analyst Vorlesungen und Seminare in den USA, Australien, Neuseeland, Schweden und Israel.
Nina Coltarts Schriften zeichnen sich durch einen lebendigen und literarischen Stil aus. Eine Besonderheit ihres Werks ist die Integration von Psychoanalyse und Buddhismus. Großen Einfluss auf ihr Denken hatte Wilfred Bion mit seiner "mystischen" Psychoanalyse.
1994 trat Nina Coltart aus der BPAS aus und zog sich in ihr Landhaus in Leighton Buzzard zurück. Unter schwerer Osteoporose leidend, nahm sie sich drei Jahre später das Leben. (Artikelanfang)
Die Kinderanalytikerin Rose Marjorie Edgcumbe wurde in London geboren, wo sie am University College London Psychologie studierte. Mitte der 1950er Jahre ging sie in die USA, um dort ihr Psychologiestudium fortzusetzen und als klinische Psychologin in einem Kinderkrankenhaus zu arbeiten. Nach zwei Jahren kehrte sie nach England zurück und war am Booth Hall Children's Hospital in Manchester tätig. 1959 begann sie bei Anna Freud am Hampstead Child Therapy Course and Clinic in London eine Ausbildung zur Kinderanalytikerin, die sie 1963 abschloss.
Rose Edgcumbe wurde Mitglied der British Psychoanalytical Society und arbeitete als Lehranalytikerin und Supervisorin an der Hampstead Clinic, ab 1984 Anna Freud Centre, dessen geschäftsführende Direktorin sie 1992/93 war. Sie veröffentlichte eine Reihe grundlegender Texte zur Theorie und Praxis der Kinderanalyse, z. B. über die sexuelle Entwicklung des Mädchens, über psychologische Aspekte des Spracherwerbs und über Symbolisierung. Ein Schwerpunkt ihres Interesses galt der Darstellung des annafreudianischen Ansatzes, in diesem Zusammenhang schrieb sie ihr vielbeachtetes Buch Anna Freud. A View of Development, Disturbance and Therapeutic Techniques.
Zusammen mit Marion Burgner verfasste sie in den 1970er Jahren drei wegweisende Arbeiten, in denen die Autorinnen die Bedeutung der frühen Objektbeziehungen hervorhoben. Auf besondere Aufmerksamkeit stieß ihr Aufsatz The phallic-narcissistic phase. A differentiation between preoedipal and oedipal aspects of phallic development, in dem Edgcumbe und Burgner, ausgehend von Anna Freuds Konzept der phallisch-narzisstischen Phase, frühe präödipale narzisstische Konstruktionen der Körper-Selbst-Repräsentanz gegenüber der späteren Ausbildung sexueller Identität in der ödipalen Triangulierung abgrenzten.
Rose Edgcumbe war seit 1990 mit Peter Theobald verheiratet. Sie starb im Alter von 67 Jahren an Krebs. (Artikelanfang)
Elisabeth Therese Fanny Marx wurde in Karlsruhe geboren als die ältere von zwei Töchtern des jüdischen Rechtsanwalts Jakob Marx und seiner Frau Henriette geb. Fuchs (Abb.). Sie verließ Deutschland 1934, um eine Internatsschule bei Meran und anschließend eine Handelsschule in Neuchâtel zu besuchen. 1936 ging sie nach England, wo sie von 1937 bis 1941 eine Buchhändlerlehre in einem Londoner Antiquariat machte und sich am Pitman's College zur Sekretärin ausbilden ließ.
1938 emigrierten ihre Eltern nach Frankreich. Ihr Vater starb noch im gleichen Jahr in Nizza, ihre Mutter und ihre Schwester Gertrud wurden 1942 verhaftet und nach Auschwitz deportiert. Elisabeth Marx in London überlebte als einzige. Von 1942 bis 1947 gehörte sie der britischen Armee an, zunächst als Köchin, dann beim Army Education Corps und schließlich als Verwaltungssekretärin. Von 1950 an arbeitete sie als Sekretärin ihres Onkels Siegmund Heinrich Fuchs (1898-1976) aus Karlsruhe, bekannt als S.H. Foulkes, Psychoanalytiker und Pionier der Gruppenanalyse, der 1933 ebenfalls nach England emigriert war. 1952 gehörte sie neben S.H. Foulkes und Norbert Elias zu den sieben Gründer:innen der Group Analytic Society (GAS), wo sie im Laufe der Zeit verschiedene Ämter, u. a. das der Vizepräsidentin, innehatte. 1960 heiratete sie S.H. Foulkes und war bis zu seinem Tod seine Assistentin.
Danach übernahm Elizabeth Foulkes von 1976 bis 1988 die Herausgabe der Zeitschrift Group Analysis International Panel and Correspondence, später Group Analytic Contexts. Sie war für verschiedene Institutionen als Gruppentherapeutin tätig, zuletzt in der Ausbildung von Gruppenpsychotherapeuten am Goldsmith's College in London. Sie vertrat den gestaltpsychologisch inspirierten Ansatz von S. H. Foulkes, für den es keine Individualität ohne Gruppe gibt und psychische Störungen nur in sozialem Zusammenhang versteh- und behandelbar sind. (Artikelanfang)
Liselotte "Lilly" Frankl wurde in eine jüdische Familie in Wien geboren als älteste Tochter des Kaufmanns Robert Frankl und seiner Frau Julie Baum. Nach dem Besuch eines Reformgymnasiums für Mädchen studierte sie ab 1929 an der Wiener Universität Psychologie bei Charlotte Bühler und wurde deren Forschungsassistentin. Gleichzeitig besuchte sie die Vorlesungen Anna Freuds und begann 1935 eine Lehranalyse bei Ernst Kris. Ihre psychoanalytische Ausbildung musste sie gegenüber Bühler, die eine strikte Gegnerin der Psychoanalyse war, allerdings verheimlichen.
1935 promovierte sie über Lohn und Strafe. Versuch einer phänomenologischen Analyse und arbeitete anschließend als Erziehungsberaterin beim Wiener Jugendamt und am Karolinen-Kinderspital. Nach dem Anschluss Österreichs an das "Deutsche Reich" emigrierte sie 1938 nach Schottland, wo sie Mitarbeiterin am Crichton Royal Hospital in Dumfries war. Sie absolvierte bis 1945 ein Medizinstudium an der London School of Medicine for Women und der University of St Andrews in Schottland und war anschließend als Psychiaterin an der East London Child Guidance Clinic tätig.
In London setzte Liselotte Frankl ihre psychoanalytische Ausbildung bei der British Psychoanalytical Society (BPAS) fort und wurde Mitglied und später Lehranalytikerin der BPAS. Sie arbeitete eng mit Anna Freud zusammen und war für die medizinisch-psychiatrische Betreuung und Weiterbildung an der Hampstead Child Therapy Clinic verantwortlich. Gemeinsam mit Ilse Hellmann führte sie in Hampstead ein Forschungsprojekt zur Adoleszenz durch. Wie Anna Freud war sie eine Vertreterin der Ich-Psychologie. Ihre Veröffentlichungen umfassen neben Adoleszenzstudien Themen wie die Neigung zu Unfällen, die Auswirkung traditioneller Wickeltechniken bei albanischen Säuglingen und die Ich-Beteiligung am therapeutischen Bündnis.
1967 ließ Liselotte Frankl sich wegen einer depressiven Periode beurlauben und begab sich in psychiatrische Behandlung. Nach ihrer Genesung kehrte sie nicht mehr in ihre leitende Stellung zurück. Sie starb 78-jährig in London. (Artikelanfang)
Die englische Psychiaterin und Psychoanalytikerin Marjorie Ellen Franklin stammte aus einer wohlhabenden jüdischen Bankiersfamilie. Sie begann zunächst eine Ausbildung als Erzieherin an dem von Charlotte Mason geleiteten House of Education in Ambleside in England, wechselte aber bald zur Medizin. Nach ihrem Examen ging Marjorie Franklin in die USA, wo sie in New York ihre psychiatrische Ausbildung bei Adolf Meyer, dem Mitbegründer der New York Psychoanalytic Society und der American Psychoanalytic Association, erhielt.
Marjorie Franklin machte zwischen 1924 und 1926 eine Analyse bei Sándor Ferenczi und wurde 1927 außerordentliches, 1931 ordentliches Mitglied der British Psychoanalytical Society (BPAS). Ihr Interesse galt weniger der Analyse von Privatpatienten als dem Einsatz der Psychoanalyse für die nicht so Privilegierten. Sie arbeitete in London als Consultant Psychiatrist am British Hospital for Functional Nervous Disorders, bei der Howard League for Penal Reform und am Institute for the Scientific Treatment of Delinquency (später Portman Clinic), zu dessen Gründer:innen sie neben Edward Glover, Grace Pailthorpe und Melitta Schmideberg gehörte.
Anfang der 1920er Jahre hatte sie während ihrer Tätigkeit als Ärztin am Portsmouth Borough Mental Hospital begonnen, sich für den Zusammenhang von psychischen Störungen und der Umgebung der Patienten zu interessieren. Sie entwickelte ein therapeutisches Konzept, das sie "Planned Environment Therapy" (PET) nannte und das in sogenannten Q Camps praktisch erprobt wurde. Gemäß dieser Milieutherapie auf den theoretischen Grundlagen von Donald W. Winnicott, Anna Freud, Otto Shaw und I. D. Suttie leben die Patienten in einer therapeutischen Gemeinschaft und werden von einem psychoanalytisch angeleiteten Team betreut. Die Therapie besteht im Aufbau nicht-autoritärer, liebevoller und akzeptierender Beziehungen.
1936 richtete Franklin gemeinsam mit dem Psychoanalytiker David Wills als erstes praktisches Experiment der Planned Environmental Therapy das Hawkspur Camp für verhaltensgestörte Männer ein, dem in den 1940er Jahren ein Camp für verhaltensgestörte Jungen folgte. Ein weiteres ihrer Projekte war das Children's Social Adjustement (CSA), das ebenfalls die Prinzipien der PET anwendete. 1966 wurde auf ihre Initiative hin der Planned Environmental Therapy Trust (PETT) zur Erforschung und Förderung des PET-Ansatzes ins Leben gerufen. (Artikelanfang)
Die Ärztin und Psychoanalytikerin Kate Friedländer wurde in Innsbruck als Tochter ungarisch-jüdischer Eltern geboren. Ihr Vater Karl Frankl war Kaufmann, seine Familie stammte ebenso wie die seiner Frau Adele aus Preßburg. Käthe Frankl ging zu den Ursulinerinnen in die Schule und schloss sich wie ihre drei Geschwister einer zionistischen Jugendgruppe an. Von 1921 bis 1926 studierte sie in Innsbruck und Berlin Medizin und war danach Volontärärztin an der Nervenklinik der Berliner Charité unter Karl Bonhoeffer. Gleichzeitig begann sie eine Ausbildung am Berliner Psychoanalytischen Institut und machte von 1928 bis 1930 eine Analyse bei Josine Müller-Ebsen, die 1929 in eine Lehranalyse umgewandelt wurde und die sie 1931 bei Wilhelm Reich fortsetzte.
1929 heiratete sie Walter Misch (1889-1943), der damals Oberarzt an der Charité war und wie sie jüdischer Herkunft. Zwei Jahre später wurde ihre Tochter Sybille (Sybil Wolfram) geboren. Gemeinsam verfassten sie 1932 einen Aufsatz über Die vegetative Genese der neurotischen Angst und ihre medikamentöse Beseitigung, der von Wilhelm Reich sehr gelobt wurde. 1933 wurde Käthe Misch-Frankl außerordentliches Mitglied der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft, wo sie zur Gruppe linker Psychoanalytiker:innen um Otto Fenichel gehörte.
Käthe und Walter Misch verließen Deutschland nach dem Reichstagsbrand 1933 und emigrierten nach London. Käthe Misch erwarb einen britischen medizinischen Abschluss sowie ein Diplom in Medizinischer Psychologie und wurde 1933 außerordentliches, 1938 ordentliches Mitglied der British Psychoanalytical Societyn (BPAS). 1934 ließ sie sich von ihrem ersten Mann scheiden und heiratete drei Jahre später Georg Friedländer, einen jüdischen Radiologen aus Breslau.
Kate Friedländer lehnte die in der BPAS dominierenden Ideen Melanie Kleins ab, sie teilte die Anschauungen Anna Freuds, mit der sie in den folgenden Jahren zusammenarbeitete. Nach dem Krieg gab Kate Friedländer den Anstoß zur Gründung des Hampstead Child Therapy Course, wo sie selbst unterrichtete und als Lehranalytikerin tätig war.
Ihr Hauptinteresse galt der Jugendkriminalität, sie entwickelte als erste eine systematische psychoanalytische Theorie der Ursachen von Delinquenz. Als Mitarbeiterin Edward Glovers am Institute for the Study and Treatment of Delinquency knüpfte Kate Friedländer an August Aichhorns Wiener Arbeit mit verwahrlosten Jugendlichen an und führte psychologische Beratungen für auffällige Kinder und jugendliche Rechtsbrecher durch.
1946 gründete Kate Friedländer in Chichester, West Sussex, die erste Erziehungsberatungsstelle Englands, in der nach psychoanalytischen Erkenntnissen gearbeitet wurde. Eine individuelle Psychoanalyse mit jugendlichen Straftätern hielt Friedländer in der Regel jedoch für ungeeignet. Stattdessen kombinierte sie psycho- und soziotherapeutische Maßnahmen und legte großen Wert auf die präventive Aufklärung von Eltern, Lehrern und Sozialarbeitern.
In ihrem Hauptwerk The Psychoanalytic Approach to Juvenile Delinquency beschrieb sie die Entstehung delinquenten Verhaltens wie folgt: Eine latente Verwahrlosungsstruktur - starke unmodifizierte Triebe, ein schwaches, unter der Herrschaft des Lustprinzip stehendes Ich und ein unselbständiges Über-Ich - wird unter dem Einfluss negativer Umweltbedingungen manifest. Anders als beim Neurotiker, der sich Ersatzbefriedigung in der Phantasie verschafft, entlädt sich beim antisozialen Charakter der triebhafte Impuls in einer kriminellen Handlung.
Als Edward Glover, den sie besonders schätzte, 1944 die BPAS verließ, zog Kate Friedländer sich ebenfalls aus der Vereinigung zurück. Sie starb vorzeitig im Alter von sechsundvierzig Jahren an Lungenkrebs. (Artikelanfang)
Alice Goldberger wurde in Berlin als Tochter einer jüdischen Familie geboren. Sie schloss 1916 eine Ausbildung zur Kindergärtnerin und Hortnerin beim Verein Jugendheim in Berlin-Charlottenburg ab und erwarb dort 1930 auch das Zertifikat zur Jugendleiterin. Sie arbeitete
als Erzieherin in verschiedenen Einrichtungen in Berlin, u. a. von 1923 bis 1930 in einem Übergangsheim für Waisenkinder. Anschließend war sie bis 1933 Leiterin des städtischen Obdachlosenheims in Charlottenburg. Von den Nationalsozialisten 1934 in den Ruhestand versetzt, leitete sie den Kindergarten der Jüdischen Gemeinde in Berlin, bis sie 1939 nach England emigrierte.
Dort wurde Alice Goldberger als "enemy alien" eingestuft und kam in das Internierungslager auf der Isle of Man, wo sie einen Kindergarten einrichtete. Durch einen Zeitungsbericht erfuhr Anna Freud von ihrer Initiative und holte sie 1942 in ihr Team. Sie leitete zunächst das Kriegskinderheim in New Barn, Essex, wohin die Kinder aus den Hampstead War Nurseries nach den Luftangriffen auf London evakuiert worden waren. Nach Kriegsende übernahm sie 1945 die Leitung von "Lingfield House" im Landsitz Weir Courtney bei Lingfield, Surrey, einer staatlichen Einrichtung für alleinstehende Kinder, die den Holocaust überlebt hatten und nach England geholt worden waren. 1948 zog Alice Goldberger mit den Kindern nach Isleworth in London um, wo sie bis zur Schließung des Heims im Jahr 1957 lebten.
1947 gehörte Alice Goldberger zur ersten Gruppe von Mitarbeiterinnen der War Nurseries, die eine kinderanalytische Ausbildung zum "psychoanalytical child expert" in den von Anna Freud gegründeten Hampstead Child Therapy Courses erhielten. Ihre Lehranalytikerin war Liselotte Frankl. Sie arbeitete dann in der Hampstead Child Therapy Clinic mit Dorothy Burlingham zusammen in deren Forschungsprojekten mit blinden Kindern und zur gleichzeitigen Analyse von Mutter und Kind. Alice Goldberger starb im Alter von 88 Jahren in London. (Artikelanfang)
Iseult Frederica Grant Duff entstammte einer alten englischen Adelsfamilie. Ihr Vater, Sir Mountstuart Elphinstone Grant Duff, war von 1881 bis 1886 britischer Gouverneur von Madras, wo Iseult als jüngstes von acht Kindern geboren wurde. Ihre Mutter, Anna Julia geb. Webster, war eine gefeierte Schönheit, die Gedichte schrieb und Bilder malte. Nachdem die Familie von Südindien nach England zurückgekehrt war, wuchs Iseult Grant Duff unter der Obhut einer deutschen Gouvernante im Herrenhaus York House in Twickenham auf.
Als junge Frau war Iseult Grant Duff einige Jahre lang als Missionarin in Indien tätig. Nachdem sie ihren Glauben verloren hatte, kehrte sie nach dem Ersten Weltkrieg nach England zurück. Während ihrer Ausbildung an der Brunswick Square Clinic in London lernte sie James Glover und Ella Sharpe kennen. Sie begann eine Lehranalyse bei Edward Glover in London und setzte sie 1928 bei Hanns Sachs in Berlin fort. Nach ihrem Vortrag "Notes on Thérèse Martin" wurde sie 1925 außerordentliches und 1933 ordentliches Mitglied der British Psychoanalytical Society (BPAS), wo sie zu den Anhänger:innen Anna Freuds gehörte. 1930 und 1931 nahm sie als Gast an den Sitzungen der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft in Berlin teil.
Iseult Grant Duff interessierte sich besonders für die Anwendung der Psychoanalyse auf Literatur und Dichtung. Sie übersetzte Sigmund Freuds Aufsatz Der Dichter und das Phantasieren ins Englische und analysierte die Misogynie und oralen Fixierungen von Jonathan Swift oder die Bisexualität der Therese von Lisieux. Zu ihren Psychopathografien zählt auch ihr 1934 in der BPAS gehaltene Vortrag "A psychoanalytic study of Hitler's 'Mein Kampf'", worin sie Adolf Hitlers autobiografische Programmschrift mit Daniel Paul Schrebers Denkwürdigkeiten eines Nervenkranken verglich.
Ende des Zweiten Weltkriegs zog sie sich aus der aktiven psychoanalytischen Arbeit zurück. Im Alter von fünfundsiebzig Jahren nahm sie sich gemeinsam mit ihrer durch Arthritis ans Bett gefesselten Freundin das Leben. (Artikelanfang)
Meena Battiscombe-Gunn wurde am 12. September 1886 als Lillian Florence ("Meena") Meacham in Maidstone, Kent, geboren. Sie wuchs als ältestes von vier Kindern in einem protestantischen Elternhaus auf. Ihr Vater Charles Stephen Meacham war Chemiker, ihre Mutter Florence Peploe Wood stammte aus einer alten schottischen Familie. Ihre jüngste Schwester Gwendoline Emily Meacham, besser bekannt als Wendy Wood, war eine Vorkämpferin für die Unabhängigkeit Schottlands. 1894 zog die Familie nach Südafrika, wo ihr Vater eine leitende Stellung in einer Brauerei einnahm.
Als junge Frau kehrte Meena Meacham nach London zurück, um an der Royal Academy of Music ein Klavierstudium aufzunehmen. Sie verkehrte in Literatenkreisen und war Mitglied der linksintellektuellen Fabian Society. 1907 heiratete sie den irischen Musiker Herbert Hughes (1882-1937), ihr 1908 geborener Sohn Patrick wurde als Spike Hughes bekannt. Nach ihrer Scheidung von Hughes im Jahr 1922 heiratete sie den Ägyptologen Battiscombe George ("Jack") Gunn (1883-1950), der als Konservator und Professor in Kairo, Philadelphia und Oxford tätig war. (Abb.) 1928 wurde ihr Sohn John Battiscombe Gunn geboren. Ihre Ehe wurde 1940 wieder geschieden, und Meena Gunn heiratete den Neurologen und Psychiater Alexander Grey Clarke (1911-1944).
1924 begann sie ihre psychoanalytische Ausbildung als Mitarbeiterin am Wiener Psychoanalytischen Ambulatorium, ging noch im gleichen Jahr nach Budapest und setzte sie vermutlich bei Sándor Ferenczi fort. Sie nahm an den IPV-Kongressen 1924 in Salzburg und 1925 in Bad Homburg teil und eröffnete eine psychoanalytische Praxis in der Londoner Harley Street. Meena Battiscombe-Gunn praktizierte bis in ihr hohes Alter als Psychoanalytikerin, war jedoch nicht Mitglied der British Psychoanalytical Society.
Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete sie mit Anna Freud zusammen, bevor sie England 1960 verließ. Sie lebte eine Zeitlang in Kanada und ab 1965 in den USA, wo sie in Lake Peekskill vorwiegend schizophrene Patient:innen behandelte. Ihre letzten Jahre verbrachte sie wieder in Kanada und starb dort an den Folgen eines Schlaganfalls. (Artikelanfang)
Victoria Edith Hamilton wurde in Aberdeenshire in Schottland geboren als jüngste Tochter von Robert Edward Archibald Udney-Hamilton, dem 11. Lord Belhaven and Stenton, und seiner Frau Sheila de Hauteville Pearson. Sie studierte zunächst Malerei und Design an der Glasgow School of Art sowie Klavier und Orgel an der Royal Scottish Academy of Music, bevor sie 1967 ihren Abschluss in Philosophie an der University of London machte. 1966 lernte sie Ronald D. Laing, den Vertreter der Antipsychiatrie, kennen und machte eine Analyse bei ihm. Anfang der 1970er Jahre absolvierte sie bei John Bowlby an der Tavistock Clinic eine Ausbildung zur Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin. Victoria Hamilton arbeitete in London als Kunsttherapeutin in einer Nervenklinik, als Dozentin am Hornsey College of Art sowie als Förderschullehrerin für die Schulbehörde von Inner London und in Erziehungsberatungsstellen des National Health Service.
1975 ging sie in die USA und heiratete ein Jahr später Nicholas Tufnell. Sie ließ sich in Los Angeles nieder und eröffnete dort eine psychotherapeutische Praxis. 1978 wurde ihr Sohn Samuel geboren. Victoria Hamilton setzte ihre Ausbildung in Erwachsenenanalyse am Los Angeles Institute of Psychoanalytic Studies fort und promovierte 1991 im Fach Psychoanalyse an der University of London mit einer empirischen Untersuchung zu Mustern der Übertragungsdeutung (Patterns of transference interpretation). Sie praktizierte über 30 Jahre lang als Psychoanalytikerin und Kinder- und Familienpsychotherapeutin und war Lehr- und Kontrollanalytikerin am Institute of Contemporary Psychoanalysis in Los Angeles. Außerdem lehrte sie am Columbia University Center for Psychoanalytic Training and Research in New York, wo sie seit 2000 lebt.
Victoria Hamiltons psychoanalytischer Ansatz basiert auf den Konzepten der Bindungs- und Objektbeziehungstheorie. In ihrem Buch Narcissus and Oedipus greift sie die griechischen Mythen wieder auf, die Sigmund Freud zur Erläuterung seiner Theorien der psychischen Entwicklung benutzt hatte, ergänzt sie durch spätere psychoanalytische Erkenntnisse und konfrontiert sie mit ihren eigenen Beobachtungen an Kindern. Für ihr 1996 erschienenes Buch The Analyst's Preconscious befragte Victoria Hamilton 65 PsychoanalytikerInnen in Großbritannien und den USA über die Beziehung zwischen ihren theoretischen Einstellungen und den Anforderungen der analytischen Praxis. (Artikelanfang)
Martha "Mattie" Gemmell Dunlop Harris wurde als ältestes von vier Kindern auf der Farm ihrer Eltern in Beith, Ayrshire (Schottland), geboren. Ihr Vater Gabriel Dunlop war Landwirt, ihre Mutter Margaret McLure war vor ihrer Ehe Schneiderin mit eigener Werkstatt. Als Martha acht Jahre alt war, zog die Familie nach Turner's Hill in Sussex, wo sie die East Grinstead Grammar School besuchte. Von 1938 bis 1940 studierte sie Englisch am University College London und arbeitete während und nach dem Zweiten Weltkrieg als Lehrerin an Sekundarschulen.
1941 heiratete sie den Forstwirtschaftler Harry Thompson, von dem sie sich 1949 wieder scheiden ließ. Ihr zweiter Ehemann wurde der Dichter und Englischlehrer Roland Harris (1919-1969). Von ihm stammten ihre beiden Töchter Meg und Morag.
Nach einem Psychologiestudium in Oxford kam Martha Harris 1950 an die Tavistock Clinic, um den Ausbildungsgang in Kinderpsychotherapie zu absolvieren, den Esther Bick ein Jahr zuvor auf Einladung von John Bowlby eingerichtet hatte. Ende der 1950er Jahre machte sie ihre psycboanalytische Ausbildung am Institute of Psychoanalysis und wurde Lehr- und Kontrollanalytikerin der British Psychoanalytical Society. 1960 übernahm sie von Esther Bick die Leitung der Kindertherapie-Ausbildung an der Tavistock Clinic, die sie bis 1980 innehatte. Wie Esther Bick war Martha Harris eine Anhängerin der Ideen Melanie Kleins und eine Pionierin der systematischen Kleinkindbeobachtung. Ein weiterer wichtiger Lehrer war Wilfred Ruprecht Bion für sie.
Nach dem Tod von Roland Harris heiratete sie in dritter Ehe den kleinianischen Psychoanalytiker Donald Meltzer (1922-2004), mit dem gemeinsam sie "The Child-in-the-Family-in-the-Community" entwickelte, eine psychoanalytische Arbeitseinheit für Schulen und therapeutische Institutionen. Von Mitte der 1970er bis Mitte der 1980er Jahre hielten Donald Meltzer und Martha Harris Vorlesungen und Supervisionen in Italien ab und halfen die Ausbildung von Kinderpsychotherapeuten nach dem Tavistock-Modell in den wichtigsten italienischen Instituten zu etablieren. Das gleiche leisteten sie auch für die Einführung dieser Ausbildung in Indien.
Martha Harris starb 1987 an den Folgen eines schweren Autounfalls. (Artikelanfang)
Lisbeth (Liesel) Edith Neumann wurde in Wien als Tochter wohlsituierter jüdischer Eltern geboren. Ihr Vater war ein sozialistischer Politiker, ihre Mutter in der Bauhausbewegung aktiv. In den 1930er Jahren floh die Familie vor den Nationalsozialisten nach Palästina. Nach Kriegsende ging Lisbeth Neumann nach England, wo sie an der Universität in Cardiff eine Ausbildung zur psychiatrischen Sozialfürsorgerin machte. Anschließend war sie bei der National Association for Mental Health tätig und leitete in einem Londoner Arbeiterviertel eine Gruppe von Müttern mit Borderline-Störungen.
1948 heiratete sie den ebenfalls aus Wien stammenden Stephen Hearst [Stefan Hirschtritt] (1919-2010), der in Oxford Geschichte studierte und ein leitender BBC-Mitarbeiter wurde. Nach einer Familienpause, in der Lisbeth Hearst ihre beiden Kinder Daniela und David großzog, arbeitete sie in einer psychiatrischen Kinder- und Familienklinik in Hertfordshire und ließ sich zur Psychotherapeutin ausbilden. 1971 begann sie bei S. H. Foulkes [Siegmund Heinrich Fuchs], dem Begründer der Gruppenanalyse, eine Gruppenanalyse-Ausbildung am neugegründeten Institute of Group Analysis (IGA) in London. Nach Beendigung ihrer Ausbildung 1974 leitete sie Therapiegruppen für Eltern, Ehepaare, Adoptiveltern, Pflegepersonal und Lehrer in Schulen und Kinderheimen.
Neben ihrer Privatpraxis im North London Centre for Group Analysis war Liesel Hearst als Gruppenlehranalytikerin und Supervisorin am IGA tätig. Sie war langjährige Vorsitzende des Overseas Sub-Committees des Instituts und beteiligte sich am Aufbau gruppenanalytischer Institute und Kurse in Dänemark, Norwegen, Deutschland und der Schweiz. So unterstützte sie Mitte der 1970er Jahre die Gründung von Gruppenanalyseseminare e. V. (GRAS) in Deutschland und beteiligte sich 1982 am Aufbau des Seminars für Gruppenanalyse Zürich (SGAZ). Bis 1997 war sie Ehrenmitglied von GRAS, außerdem war sie Ehrenmitglied des Instituts für Gruppenanalyse in Heidelberg sowie der Group Analytic Society in London.
In ihren Publikationen widmete sie sich der Theorie und Praxis der Gruppenanalyse nach Foulkes, insbesondere ihrer Anwendung bei Therapiegruppen mit narzisstisch schwer gestörten Müttern. Außerdem behandelte sie Fragen der Supervision und der Ausbildung zum Gruppenanalytiker. Lisbeth Hearst starb kurz vor ihrem 101. Geburtstag nach einer Coronainfektion in London. (Artikelanfang)
Paula Heimann wurde in Danzig geboren als jüngste Tochter russisch-jüdischer Eltern, des Kaufmanns Salomon Klatzko und seiner Frau Fanny geb. Edelmann. Nach dem Besuch der Victoriaschule in Danzig studierte sie ab 1918 Medizin in Königsberg, Berlin und Frankfurt am Main und legte 1923 ihr Staatsexamen in Breslau ab. 1924 heiratete sie den Internisten Franz Heimann (1898-?) und zog mit ihm nach Heidelberg, wo ein Jahr später ihre Tochter Mirza geboren wurde. Paula Heimann begann ihre psychiatrische Facharztausbildung an der Heidelberger Psychiatrischen Universitätsklinik und promovierte 1925 zu dem Thema Über atypische Eisenreaktionen bei progressiver Paralyse.
1927 übersiedelte sie nach Berlin und arbeitete dort an verschiedenen Kliniken, u. a. an der Psychiatrischen und Nervenklinik Charité. Auf Anregung von Elisabeth Naef begann sie 1929 eine Ausbildung am Berliner Psychoanalytischen Institut. Sie machte eine dreijährige Lehranalyse bei Theodor Reik, bis dieser 1932 Berlin verließ. Kontrollanalytiker:innen waren Karen Horney, Hanns Sachs und Otto Fenichel, an dessen "Kinderseminar" sie auch teilnahm. Ihre Ausbildung in Berlin war 1933 abgeschlossen.
Nach der Machtübernahme Hitlers emigrierte sie 1933 mit ihrer Tochter nach London, während ihr Mann in Lausanne arbeitete. Ihre Ehe ging nach dieser Trennung in die Brüche. Paula Heimann wurde Ende 1933 außerordentliches und 1939 ordentliches Mitglied der British Psychoanalytical Society (BPAS). 1937 erwarb sie in Edinburgh ein britisches Litentiat in Medizin.
Der Beginn von Paula Heimanns Freundschaft mit Melanie Klein, deren Betonung der Aggression und des Todestriebs sie besonders ansprach, fiel in das Jahr 1934. Ein Jahr später begann sie ihre Analyse bei Melanie Klein, die mit Unterbrechungen bis 1953 dauern sollte. Als enge Vertraute Kleins verfocht sie während der Freud-Klein-Kontroversen der 1940er Jahre neben Joan Riviere und Susan Isaacs entschieden die kleinianischen Positionen gegenüber den "Wienern" um Anna Freud. 1940 wurde sie Kontrollanalytikerin und 1944 Lehranalytikerin der BPAS, wo sie ab 1949 der Ausbildungskommission angehörte. Sie machte außerdem eine Ausbildung zur Kinderanalytikerin mit Donald Winnicott als Supervisor.
Mitte der 1950er Jahre kam es zum Bruch zwischen Melanie Klein und Paula Heimann. Den äußeren Anlass bildete Heimanns Vortrag On countertransference, den sie 1949 auf dem Psychoanalytischen Kongress in Zürich gehalten hatte. In ihrem Beitrag, der einen Wendepunkt in der psychoanalytischen Theoriebildung darstellte, vertrat Heimann eine Auffassung der Gegenübertragung, die sich von der kleinianischen unterschied. Für Melanie Klein bedeutete die Gegenübertragung lediglich eine Störung des psychoanalytischen Prozesses, Paula Heimann hingegen betrachtete die emotionale Reaktion des Analytikers auf seinen Patienten als ein zentrales Instrument zum Verständnis von dessen Unbewusstem.
Paula Heimann verließ 1955 die Gruppe der Kleinianer und schloss sich der Gruppe der Unabhängigen in der BPAS an. In den folgenden Jahren plädierte sie für eine Synthese von freudianischen und kleinianischen Positionen, indem sie grundlegende Freud'sche Konzepte mit neueren Erkenntnissen der Ich-Psychologie und der Objektbeziehungstheorie verknüpfte. Zu ihren Lehranalysand:innen zählten u. a. Betty Joseph, Martha Eicke-Spengler, Emilio Rodrigu und Alexander Mitscherlich, den sie beim Aufbau seines Frankfurter DPV-Instituts (Sigmund-Freud-Institut) unterstützte. Zu diesem Zweck reiste sie 1959 erstmals wieder nach Deutschland.
Paula Heimann, die ebenso für ihren Charme wie für ihre Strenge und Willensstärke bekannt war, starb 83-jährig in London. (Artikelanfang)
Ilse Rosa Hellmann (Hellman) wuchs als jüngstes von drei Kindern in einer wohlhabenden jüdischen Industriellenfamilie in Wien auf. Ihre Eltern, Paul Hellmann, Jurist und Besitzer mehrerer Textilfabriken, und Irene Hellmann-Redlich, führten während der 1920er Jahre in Wien und Altaussee einen berühmten Kultursalon. Ilse Hellmann absolvierte nach der Matura eine zweijährige Ausbildung zur Fürsorgerin, mit dem Schwerpunkt jugendliche Delinquenz (Diplom 1931). Sie ging dann nach Frankreich, wo sie 1931/32 in der Nähe von Paris in einem Heim für straffällig gewordene Kinder und Jugendliche arbeitete. Von 1933 bis 1935 betreute sie in der Clinique Médico-Pédagogique Paris XIVe Kinder aus Multiproblemfamilien. Gleichzeitig besuchte sie Abendkurse in Psychologie an der Sorbonne.
1935 kehrte Ilse Hellmann nach Wien zurück und setzte ihr Psychologiestudium bei Charlotte Bühler fort. Nach ihrer Promotion 1937 folgte sie Bühler nach England, um mit ihr eine Studie über behinderte Kinder am Parents' Association Institute in London durchzuführen. Während des Zweiten Weltkriegs kümmerte sie sich ab 1941 bis Kriegsende in Anna Freuds Hampstead War Nurseries um Kinder, die durch die Bombardierung Londons von ihren Familien getrennt worden waren. Die weitere Entwicklung dieser "Kriegskinder", die in Hampstead in einer therapeutischen Gemeinschaft lebten, war auch in den nächsten Jahrzehnten noch Gegenstand ihrer Forschung.
1942 begann Ilse Hellman am Londoner Institute of Psychoanalysis eine psychoanalytische Ausbildung, ihre Lehranalytikerin war Dorothy Burlingham. 1945 wurde sie außerordentliches und 1952 ordentliches Mitglied der British Psychoanalytical Society. Seit 1955 war sie Lehranalytikerin und zählte in den 1950er Jahren zu den führenden Persönlichkeiten der B-Gruppe der Annafreudianer:innen. Ilse Hellman gehörte zum Mitarbeiterstab von Anna Freuds Hampstead Child Therapy Course and Clinic, wo sie einige Jahre zusammen mit Liselotte Frankl für die Arbeit mit Jugendlichen zuständig war und ein Forschungsprojekt zur Adoleszenz durchführte. Außerdem beteiligte sie sich an Dorothy Burlinghams Forschungsprojekt zur Simultananalyse von Mutter und Kind.
1948 heiratete Ilse Hellman den niederländischen Kunsthistoriker Arnold Noach (1911-1976), der später Professor für Kunstgeschichte an der Universität in Leeds war. Ihre Tochter Margaret wurde 1949 geboren. Im Alter von 84 Jahren gab Ilse Hellman Noach aus gesundheitlichen Gründen ihre psychoanalytische Praxis auf. (Artikelanfang)
Ethilda Budgett Meakin wurde in Red Hill, Surrey, geboren als Tochter von Edward E. Meakin und Sarah Anne Budgett. Ihr Vater war vor ihrer Geburt Teepflanzer in Indien und gründete 1884 die Times of Morocco, nachdem die Familie zwei Jahre zuvor nach Tanger gezogen war. Für eine bessere Schulbildung wurde Ethilda nach Göttingen geschickt, danach besuchte sie die North London Collegiate School für Mädchen. Sie arbeitete zwei Jahre lang in den Slums von Glasgow, bevor sie ihr Medizinstudium an der London Royal Free Hospital School of Medicine for Women begann. Nach ihrer Graduierung 1898/1899 war sie Assistenzärztin am Camberwell Infirmary und am Grove Hospital.
1902 ging sie nach Indien, um dort als Missionsärztin zu arbeiten, zunächst am Zenana Hospital in Hyderabad, dann am Cama Hospital in Bombay und schließlich von 1904 bis 1907 als Chefärztin am Victoria Hospital for Women and Children in Kalkutta. 1907 heiratete sie Oscar Haarbleicher (1868-1953), einen in Kalkutta tätigen Kaufmann deutsch-jüdischer Herkunft. Aus ihrer Ehe gingen vier Kinder hervor: Harold, Martin, Sylvia und George. Die folgenden Jahre verbrachte Ethilda B. Meakin Haarbleicher teils in Indien, teils in Europa, wo sie sich an Universitäts-Frauenkliniken in Genf, München, Berlin und Königsberg fortbildete. 1910 und 1911 erschienen drei Aufsätze von ihr zu gynäkologischen Themen.
Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs änderte Oscar Haarbleicher wegen der antideutschen Stimmung seinen Namen in Herford. 1917 kehrte die Familie nach England zurück und ließ sich in Reading nieder. Ethilda B. Meakin Herford absolvierte eine psychoanalytische Ausbildung an der Londoner Medico-Psychological Clinic, auch Brunswick Square Clinic genannt, und war dort als Mitarbeiterin tätig. 1920 wurde ihr die Aufnahme in die British Psychoanalytical Society (BPAS) zunächst verweigert, deren Präsident Ernest Jones die "wilde" Brunswick-Analyse ablehnte. Sie machte eine erste Analyse bei John Carl Flügel, eine weitere 1920 bei Karl Abraham in Berlin und 1922/23 ihre Lehranalyse bei Sándor Ferenczi in Budapest. 1921 wurde sie außerordentliches und 1934 ordentliches Mitglied der BPAS.
Ethilda B. M. Herford spezialisierte sich auf die psychoanalytische Behandlung funktioneller nervöser Störungen und leitete das British Hospital for Functional Nervous Disorders in Camden Town. Sie praktizierte als Ärztin und Psychoanalytikerin in Reading und war Mitarbeiterin am Institute for the Scientific Treatment of Delinquency und an der London Clinic of Psychoanalysis. Außerdem übersetzte sie drei Arbeiten Sigmund Freuds ins Englische. (Artikelanfang)
Juliet Hopkins wurde als Juliet Virginia Phelps Brown geboren, die Tochter von Ernest Henry Phelps Brown und Evelyn geb. Bowlby. Ihr Vater war Professor für Arbeitsökonomie und wurde 1989 geadelt. Ihre Mutter, die jüngere Schwester von John Bowlby, dem Schöpfer der Bindungstheorie, interessierte sich ebenfalls für die Psychoanalyse und ließ sich von Joan Riviere analysieren.
Juliet Phelps Brown besuchte das Newnham College und studierte Biologie und Psychologie an der Cambridge-Universität. Sie arbeitete im Yale Child Study Centre in den USA, bevor sie 1960 eine kinderpsychotherapeutische Ausbildung an der Tavistock Clinic begann. Ihre Lehranalytikerin war Enid Balint, Kontrollanalytiker war Donald W. Winnicott. 1963 heiratete sie den Historiker und Soziologen Keith Hopkins (1934-2004), von dem ihre drei Kinder Edmund, Ben und Rachel stammen Die Ehe wurde 1989 geschieden.
Juliet Hopkins absolvierte eine Ausbildung zur psychoanalytischen Psychotherapeutin für Kinder und später auch für Erwachsene sowie eine familientherapeutische Ausbildung. Bis zu ihrem Ruhestand im Jahr 2000 war sie als Psychotherapeutin in der Tavistock Clinic und dem Londoner Child Guidance Training Centre tätig. Sie war Mitinitiatorin der unabhängigen Kinderpsychotherapie-Ausbildung der British Association of Psychotherapists, deren Senior-Mitglied sie heute ist. Außerdem ist sie Mitglied der Association of Child Psychotherapists, der British Confederation of Psychotherapists und des British Psychoanalytic Council. Ihre langjährige Privatpraxis als Psychotherapeutin für Erwachsene und Kinder hat sie aufgegeben, lehrt aber noch an der Tavistock Clinic.
Juliet Hopkins gehört der Gruppe der Unabhängigen an, sie hat sich sowohl von den Ideen Winnicotts und Bowlbys als auch Melanie Kleins und Anna Freuds inspirieren lassen. Im Zentrum ihrer Veröffentlichungen stehen die Kinderpsychotherapie und die kindliche Entwicklung, wobei ihr Interesse besonders der frühen Kindheit und dem Bindungsverhalten gilt. Der Band Bindung und das Unbewusste enthält eine Sammlung ihrer Aufsätze, in denen es um die Umsetzung psychoanalytischer Theorie und Bindungstheorie in klinische Praxis geht. (Artikelanfang)
Susan Sutherland Isaacs war eine der wichtigsten Vertreter:innen der psychoanalytischen Pädagogik in England. Sie wurde in Bromley Cross nahe Bolton (Lancashire) als neuntes Kind des Journalisten und Methodistenpredigers William Fairhurst geboren. Ihre Mutter Miriam Sutherland starb, als Susan sechs Jahre alt war. Wegen ihrer Abkehr vom Glauben musste sie auf Druck ihres Vaters mit fünfzehn das Boltoner Gymnasium verlassen und arbeitete zunächst als Hauslehrerin und Gouvernante. Sie ließ sich dann in Manchester zur Erzieherin ausbilden und studierte anschließend Philosophie an der Universität in Manchester sowie Psychologie am Newnham College in Cambridge. Nach Abschluss ihres Studiums bildete sie Erzieherinnen am Darlington Training College aus (1913/14) und lehrte Logik an der Universität Manchester (1914/15).
1914 heiratete sie den Botanikprofessor William B. Brierley (1889-1963) und zog mit ihm nach London, wo sie von 1916 an als Psychologie-Tutorin an der Universität tätig war. Damals vertrat sie, wie ihr Buch An Introduction to Psychology zeigte, noch einen biologischen Ansatz. Nachdem sie während des Ersten Weltkriegs an Psychoanalyse-Kursen der Brunswick Square Clinic teilgenommen hatte, ging Susan Isaacs nach Berlin, um bei Otto Rank eine Analyse zu machen, die sie dann bei John Carl Flügel und ab 1922 bei der Kleinianerin Joan Riviere in London fortsetzte. 1921 wurde sie außerordentliches, 1923 ordentliches Mitglied der British Psychoanalytical Society. Sie ließ sich von William Brierley scheiden - der der Ehemann ihrer Freundin Marjorie wurde - und heiratete 1922 den Metallurgen und Erziehungswissenschaftler Nathan Isaacs (1895-1966).
Von 1924 bis 1927 leitete Susan Isaacs die berühmte Malting House School in Cambridge. Inspiriert durch Melanie Kleins Ideen, war es das Ziel dieses pädagogischen Projekts, die freie Entwicklung der Phantasie bei zweieinhalb- bis siebenjährigen Kindern zu fördern. Mit den Ergebnissen dieses Experiments, dargestellt in Intellectual Growth in Young Children und Social Development of Young Children, beeinflusste Isaacs u. a. auch Jean Piagets Denken. Dass die Kinder zur Äußerung ihrer sexuellen Neugierde ermutigt wurden, führte 1927 zur Schließung der Einrichtung.
Danach lehrte Susan Isaacs Entwicklungspsychologie am University College London und leitete von 1933 bis 1943 das von ihr gegründete Department of Child Development an der Londoner Universität. Unter dem Pseudonym "Ursula Wise" beantwortete sie zwischen 1929 und 1936 Elternfragen zur Erziehung in Nursery World. Ihr zufolge sind die intellektuelle und die emotionale Entwicklung eines Kindes eng miteinander verknüpft. Anfangs ging sie davon aus, dass eine repressionsfreie Erziehung Entwicklungs- und Lernstörungen vorbeugt, übernahm dann aber die Auffassung Melanie Kleins, dass zu viel Freiheit in der Erziehung zwar die besondere Strenge des aus den ersten Lebensjahren stammenden Über-Ichs mildern könne, zugleich aber die mit ihm verbundenen Schuldgefühle und Aggressionen freisetze.
Als scharfsinnigste Wortführerin Melanie Kleins im Disput mit Anna Freud und deren Anhänger:innen eröffnete Susan Isaacs 1943 die Controversial Discussions mit ihrer Abhandlung The nature and function of phantasy, die als eine der bedeutendsten Schriften der kleinianischen Literatur gilt. Darin definierte sie Phantasie - die unbewusste "phantasy" von "fantasy", den Tagträumen, abgrenzend - als psychische Repräsentanz der Triebe. Unbewusste Phantasien bildeten den primären Inhalt aller seelischen Vorgänge und die Grundlage aller unbewussten und bewussten Denkprozesse.
Susan Isaacs' klinische und theoretische Aufsätze sind zum Großteil in dem Sammelband Childhood and After enthalten. Sie erlag 1948 einem Krebsleiden. (Artikelanfang)
Die Kleinianerin Betty Joseph wurde in Edgbaston, einem Vorort von Birmingham, geboren. Sie war die Tochter eines Elektroingenieurs, dessen jüdische Vorfahren aus dem Elsass stammten und zu Beginn des 18. Jahrhundert nach England ausgewandert waren. Betty Joseph machte an der Birmingham University und der London School of Economics eine Ausbildung zur psychiatrischen Sozialarbeiterin und beteiligte sich am Aufbau einer Child Guidance Clinic in Salford bei Manchester. 1940 begann sie in Manchester eine Analyse bei Michael Balint, die sie nach Kriegsende in London fortsetzte. Sie wurde 1950 Mitglied und Mitte der 1950er Jahre Lehranalytikerin der British Psychoanalytical Society, wo sie sich der Gruppe um Melanie Klein anschloss. Von 1951 bis 1954 machte sie eine weitere Analyse bei Paula Heimann.
Betty Joseph arbeitete vor allem die technischen Implikationen der Klein'schen Konzepte heraus, insbesondere die der projektiven und introjektiven Identifizierung. Ihr Ausgangspunkt war die Frage, auf welche Weise bestimmte Patienten ihr oft schmerzvoll erlebtes seelisches Gleichgewicht aufrechtzuerhalten suchen, obwohl sie bewusst eine Veränderung wünschen. Dies führte Betty Joseph zu einer eigenen Technik, die eine Weiterentwicklung von Melanie Kleins Konzept der "totalen Übertragungssituation" darstellt. Die Betonung liegt dabei auf der Interaktion zwischen Patient und AnalytikerIn im unmittelbaren Hier und Jetzt der analytischen Situation. Ihre besondere Aufmerksamkeit galt dem Gegenübertragungs-Enactment des Analytikers, d. h. seiner Neigung, sich an der Inszenierung der inneren Objektbeziehungen des Patienten zu beteiligen.
Die wichtigsten Aufsätze Betty Josephs sind in dem 1989 erschienenen Sammelband Psychic Equilibrium and Psychic Change (Psychisches Gleichgewicht und psychische Veränderungen) enthalten. Für ihre Leistungen auf dem Gebiet der Psychoanalyse wurde sie 1994 mit dem Sigourney Award ausgezeichnet. (Artikelanfang)
Hanna "Hansi" Engl wurde in Colonia bei Wien als die jüngere von zwei Töchtern in eine wohlhabende jüdische Familie geboren. Ihre Eltern, Oskar Engl und Gertrud geb. Kohn, hatten böhmische Vorfahren. Ihr Vater leitete die familieneigene Hutfabrik, die er aus wirtschaftlichen Gründen 1934 nach London verlegte. 1939, nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich, folgte ihm seine Familie in die Emigration.
In London arbeitete Hansi Engl von 1941 bis 1945 in den von Anna Freud und Dorothy Burlingham gegründeten Hampstead War Nurseries mit Kindern, die im Krieg ihre Eltern verloren hatten. Ab 1942 studierte sie Psychologie am Kings College, dann am Birkbeck College und erwarb 1945 das Diplom in diesem Fach. Nach Kriegsende arbeitete sie von 1947 an vier Jahre lang als Kindertherapeutin in der von Kate Friedländer gegründeten Erziehungsberatungsstelle in Chichester in West Sussex. Während dieser Zeit absolvierte sie ihre Ausbildung zur Kinderpsychoanalytikerin ("psychoanalytical child expert") an dem von Anna Freud 1947 ins Leben gerufenen Hampstead Child Therapy Course. Ihre Lehranalyse machte sie bei Dorothy Burlingham. 1949 heiratete Hansi Engl den Kaufmann Gerhard Helmut Kahn, der als Soldat den Namen Gerald Kennedy angenommen hatte. Ihre beiden Söhne wurden 1952 bzw. 1955 geboren.
Ab 1952 arbeitete Hansi Kennedy als psychoanalytische Kindertherapeutin in eigener Praxis und in der von Anna Freud im gleichen Jahr eröffneten Hampstead Child Therapy Clinic. Ab 1978 teilte sich Hansi Kennedy mit Anna Freud die Leitung von Hampstead Child Therapy Course and Clinic. Nach Anna Freuds Tod 1982 wurde das Zentrum in Anna Freud Centre umbenannt und bis 1987 von Hansi Kennedy und Clifford Yorke geleitet. Bis sie 1993 in den Ruhestand ging, arbeitete und lehrte Hansi Kennedy als Principal Child Therapist am Anna Freud Centre und saß von 1978 bis 1993 im Redaktionsbeirat des Bulletin of the Hampstead Clinic, später Bulletin of the Anna Freud Centre. Von 1984 bis 2002 gehörte sie außerdem der Redaktion der Zeitschrift Psychoanalytic Study of the Child an.
Ihr Interesse galt besonders der Entwicklung der Erinnerung und ihrer unvermeidlichen Verfälschung im Laufe der Zeit durch Phantasie und Verdrängung sowie ihrer Rekonstruktion in der Kinderanalyse. Durch ihre Erfahrung in Forschung und Praxis gelangte Kennedy zu neuen Erkenntnissen über die Einsichtsfähigkeit von Kindern in verschiedenen Entwicklungsstadien und zu einer Verfeinerung der Technik der Kinderanalyse. (Artikelanfang)
Pearl Helen Mellows King wurde in East Croydon, Surrey, geboren. Ihre Kindheit verbrachte sie bis zur Einschulung in Tanganjika (Ostafrika), wo ihre Eltern Louise und Stanley King Missionare waren. Sie studierte von 1937 bis 1941 Psychologie, mit Nebenfach Soziologie, am Bedford College der Londoner Universität und spezialisierte sich anschließend als Sozial- und Arbeitspsychologin.
Von 1946 bis 1950 absolvierte Pearl King ihre psychoanalytische Ausbildung am Institute of Psychoanalysis in London. Ihr Lehranalytiker war der Kleinianer John Rickman, der noch während ihrer Analyse das kleinianische Lager verließ; Kontrollanalytiker:innen waren Marion Milner, Michael Balint und Donald Winnicott. Zur gleichen Zeit führte sie industriepsychologische Untersuchungen am Tavistock Institute of Human Relations durch. Nach Rickmans Tod im Jahr 1951 machte sie eine weitere Analyse bei Marion Milner.
1951 wurde sie außerordentliches, 1954 ordentliches Mitglied der British Psychoanalytical Society, wo sie zur Gruppe der Unabhängigen gehörte. Seit 1955 war sie als Lehranalytikerin tätig. Pearl King hatte innerhalb der BPAS verschiedene Funktionen inne, u. a. - als erste Nichtmedizinerin - von 1982 bis 1984 das Amt der Präsidentin. Auch auf internationaler Ebene nahm sie wichtige Positionen in psychoanalytischen Organisationen ein, so war sie von 1957 bis 1961 Sekretärin der IPA und von 1963 bis 1967 Sekretärin der EPF.
Neben ihrem Interesse für die Analyse älterer Menschen bildete die Geschichte der Psychoanalyse einen Schwerpunkt Pearl Kings. Sie leitete von 1984 bis 1994 das Archiv der BPAS und initiierte ein Computersuchprogramm zur Geschichte der Psychoanalyse in England. Gemeinsam mit Riccardo Steiner veröffentlichte sie ein Buch über die berühmte Kontroverse zwischen Melanie Klein und Anna Freud während der 1940er Jahre.
1992 erhielt sie zusammen mit Hanna Segal den Sigourney Preis für hervorragende Leistungen auf dem Gebiet der Psychoanalyse. (Artikelanfang)
Melanie Klein spielte in der Geschichte der Psychoanalyse eine bedeutende Rolle als Begründerin einer eigenen Schule, deren Schwerpunkt auf der Analyse der präödipalen Entwicklung und der frühen Objektbeziehungen liegt. Sie wurde in einer jüdischen Familie in Wien geboren und war das jüngste von vier Kindern des aus Galizien stammenden Allgemeinarztes Moriz Reizes und seiner Frau Libussa geb. Deutsch. Melanie Reizes' Beziehung zu ihrer tyrannischen Mutter war ambivalent; besonders eng verbunden war sie mit ihrem früh verstorbenen einzigen Bruder Emanuel.
Entgegen ihrem ursprünglichen Wunsch, Medizin zu studieren, schrieb sie sich an der Wiener Universität für Kunst und Geschichte ein, heiratete aber mit 21 Jahren den Chemieingenieur Arthur Klein. Sie zog mit ihm nach Rosenheim, wo ihre beiden Kinder Melitta (1904) und Hans (1907) zur Welt kamen. Ihr jüngster Sohn Ernst wurde 1914 in Budapest geboren, wo die Familie seit 1909 lebte.
Etwa 1914 begab sich die chronisch depressive Melanie Klein zu Sándor Ferenczi in Analyse, der sie dazu ermutigte, sich der damals noch in den Anfängen steckenden Kinderanalyse zu widmen. Ihre ersten Probanden waren ihre eigenen Kinder. Mit ihrem Einführungsvortrag Der Familienroman in statu nascendi - basierend auf der Analyse ihres Sohnes Erich - wurde sie 1919 Mitglied der Budapester Psychoanalytischen Vereinigung. Melanie Klein trennte sich von ihrem Mann und ging 1921 nach Berlin, wo sie 1924 eine Analyse bei Karl Abraham begann, der jedoch ein Jahr später starb. 1923 wurde sie ordentliches Mitglied der Berliner Psychoanalytischen Vereinigung und eröffnete eine psychoanalytische Praxis in Berlin. In dieser Zeit entwickelte sie für die Analyse von Kindern eine Technik, bei der Spielhandlungen an die Stelle der freien verbalen Assoziationen treten.
Als nach Karl Abrahams Tod ihre Situation in Berlin wegen der Anfeindungen besonders durch Franz Alexander und Sándor Radó untragbar wurde, folgte sie einer durch Alix Strachey vermittelten Einladung Ernest Jones' und ließ sich 1926 in London nieder. In England, wo sie 1927 Mitglied und 1929 Lehranalytikerin der British Psychoanalytical Society (BPAS) wurde, erfuhren ihre Ansichten zur Kinderanalyse eine sehr viel höhere Wertschätzung als in Berlin oder Wien. Zu ihren Anhänger:innen gehörten u. a. Joan Riviere, Susan Isaacs, John Rickman, später Paula Heimann, Hanna Segal, Herbert Rosenfeld, Donald W. Winnicott und Wilfred Ruprecht Bion. Es gab aber auch eine antikleinianische Opposition, die anfangs vor allem aus Edward Glover und Melanie Kleins Tochter Melitta Schmideberg bestand und 1938 durch die vor den Nazis nach London geflüchtete "Wiener Gruppe" um Anna Freud verstärkt wurde.
Die Gegnerschaft zwischen Melanie Klein und Anna Freud datierte aus dem Jahr 1927, als Melanie Klein auf dem Londoner Symposium zur Kinderanalyse Anna Freud angriff, die in ihrem Buch Einführung in die Technik der Kinderanalyse die Ansichten Kleins kritisiert hatte. Die Differenzen bezogen sich vor allem auf die Entstehung des Über-Ichs, das sich nach Sigmund und Anna Freud aus dem Ödipus-Komplex entwickelt. Im Unterschied dazu resultiert das archaische, sehr strenge Klein'sche Über-Ich aus frühen Entzugserfahrungen und hat seinen Ursprung in sadistischen Impulsen des Kindes, nicht in der Identifikation mit den Eltern. Melanie Klein schilderte eine von der äußeren Welt weitgehend unabhängige Innenwelt des Kindes, die von phantasmatischen, den Triebkonflikten entstammenden "guten" und "bösen" (Teil-)Objekten bevölkert ist.
Diese inneren Objekte, die durch Projektions- und Introjektionsprozesse mit realen Objekten interagieren, sind letztlich Erscheinungsformen einer angeborenen konflikthaften Triebstruktur. Dabei berief sich Klein auf Sigmund Freuds Todestriebtheorie. Motor der psychischen Entwicklung sei die Angst als Reaktion auf destruktive Impulse, in denen Klein Abkömmlinge des Todestrieb sah.
Die Grundlagen ihrer Theorie präsentierte Melanie Klein in ihrem 1932 erschienenen Hauptwerk Die Psychoanalyse des Kindes (The Psycho-Analysis of Children). Eine Weiterentwicklung bedeuteten die wichtigen, der Konflikthaftigkeit gleichzeitiger Liebes- und Hassgefühle Rechnung tragenden Konzepte der paranoid-schizoiden und der depressiven Position, die sie in ihren Abhandlungen A contribution to the psychogenesis of manic-depressive states (1935), Mourning and its relation to manic-depressive states (1940) und Notes on some schizoid mechanism (1946) beschrieb. Charakteristisch für diese Positionen sind Mechanismen der Spaltung, projektiven Identifizierung und Wiedergutmachung.
Die entscheidenden Debatten zwischen Kleinianer:innen und Annafreudianer:innen, die sog. Controversial Discussions, wurden mitten im Zweiten Weltkrieg ausgetragen und hatten 1946 die offizielle Etablierung von drei verschiedenen Strömungen innerhalb der BPAS zur Folge: Die A-Gruppe der Kleinianer, die B-Gruppe um Anna Freud und die Mittelgruppe der Unabhängigen.
Melanie Klein zog sich nach Kriegsende weitgehend aus der BPAS zurück und war vorwiegend als Lehr- und Kontrollanalytikerin tätig. Auf ihre Initiative hin wurde 1955 der Melanie Klein Trust gegründet. Zu ihren wichtigsten Spätwerken zählte 1957 die Schrift Envy and Gratitude, in der sie den Neid als einen angeborenen, für die Entwicklung des Kindes sehr bedeutsamen Destruktionstrieb bezeichnete.
Melanie Klein starb nach einer erfolgreichen Darmkrebsoperation an den Folgen eines Hüftgelenkbruchs. Mit ihrer Tochter Melitta hat sie sich nicht mehr versöhnt. (Artikelanfang)
Barbara Lantos, als Borbála Ripper in Budapest geboren, studierte Medizin an der Budapester Universität und promovierte 1918. Während ihres Studiums verkehrte sie in Studentenzirkeln wie dem linksintellektuellen Galilei-Kreis, dem auch Therese Benedek, Edith Gyömröi und Lili Hajdu angehörten. Ihr erster Ehemann war der kommunistische Medizinstudent Albert Lantos (1892-1943), der 1919 nach dem Zusammenbruch der ungarischen Räterepublik in die Sowjetunion floh.
Barbara Lantos emigrierte über Wien nach Leipzig, wo sie ihre in Budapest bei Sándor Ferenczi begonnene Analyse als Lehranalyse bei Therese Benedek fortsetzte und dann bei Hanns Sachs in Berlin beendete. 1927 wurde außerordentliches, 1929 ordentliches Mitglied der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft, wo sie zum Kreis marxistischer Psychoanalytiker:innen um Otto Fenichel und Wilhelm Reich gehörte.
Nach der Machtübernahme Hitlers floh sie zunächst nach Paris, wo 1934 ihr Sohn geboren wurde. Sie folgte dann 1935 ihrer Freundin Käthe Misch nach London und wurde wie diese Mitglied der British Psychoanalytical Society (BPAS). Beide Analytikerinnen lehnten die Ideen Melanie Kleins ab und unterstützten während der Freud-Klein-Kontroverse die 1938 ebenfalls nach London emigrierte Anna Freud. Barbara Lantos arbeitete als Dozentin und Lehranalytikerin an dem von Anna Freud nach dem Zweiten Weltkrieg gegründeten Hampstead Child Therapy Course und repräsentierte ab 1953 die Gruppe der Annafreudianer im Ausbildungsausschuss der BPAS. Später vertrat sie als wissenschaftliche Sekretärin der BPAS eine unabhängigere Position.
Auf der Grundlage der Ich-Psychologie verfasste Barbara Lantos Beiträge über das Wesen der Arbeit, die auch später noch Beachtung fanden. So bezeichnete Herbert Marcuse ihren Aufsatz Work and the instincts als den seinerzeit weitestgehenden Versuch, die Frage nach der Triebstruktur der Arbeit zu beantworten. Lantos definierte Arbeit als eine hochintegrierte Ich-Aktivität im Dienste der Selbsterhaltungstriebe, im Unterschied zum Spiel, das von prägenitalen Impulsen bestimmter Selbstzweck ist.
Barbara Lantos, die zuletzt mit dem aus Ungarn stammenden Zahnarzt Sándor Rakos verheiratet war, starb im Alter von 66 Jahren an Krebs. (Artikelanfang)
Marie Eglé Laufer wurde in Wien geboren als Tochter von Sigrid und Imre Vajda, einer österreichischen Kinderpsychiaterin und eines ungarischen Wirtschaftswissenschaftlers. Ihre Eltern ließen sich Anfang der 1930er Jahre scheiden, und ihre Mutter heiratete den österreichischen Flugzeugingenieur Edwin Pribram. Sie emigrierten nach London, als Eglé sieben Jahre alt war.
Eglé Laufer graduierte in Mathematik und Physik am King's College in London und heiratete 1947 den Physiker Sigurd Zienau (1921–1976), mit dem sie einen Sohn hatte. Sie entschloss sich dann aber zu einer psychoanalytischen Ausbildung, die sie in den 1950er Jahren am Londoner Institute of Psychoanalysis absolvierte. Sie machte ihre Lehranalyse bei einem Analytiker der Anna Freudian Group und wurde 1959 Mitglied, später Lehranalytikerin der British Psychoanalytical Society.
1960 ließ sie sich von Zienau scheiden und heiratete 1965 den aus Kanada stammenden Psychoanalytiker Moses (Moe) Laufer (1928-2006), dessen Schwerpunkt auf der Behandlung von verhaltensgestörten Jugendlichen lag. Eglé Laufer begann sich ebenfalls mit den Psychopathologien von Jugendlichen zu beschäftigen, durch ihre Arbeit mit schwangeren Mädchen und Frauen galt ihr Interesse vor allem der Entwicklung der weiblichen Sexualität. 1967 gründete sie zusammen mit Moses Laufer und anderen in London das Brent Adolescent Centre zur Erforschung und Behandlung von Adoleszenzstörungen.
Eglé und Moses Laufer gelten als Pioniere der Jugendlichenpsychoanalyse. Die von ihnen entwickelte Adolescent Exploratory Therapy beruht auf Sigmund Freuds These, dass sich in der Pubertät die endgültige sexuelle Identität ausbildet, die sie als Kompromisslösung zwischen Gewünschtem und Erlaubtem beschreiben. Eine wichtige Rolle spielt hierbei die zentrale Onaniephantasie, welche die verschiedenen regressiven Befriedigungsmodalitäten und die sexuellen Hauptidentifizierungen enthält. Zu einem Zusammenbruch der Entwicklung in der Adoleszenz kommt es, wenn die regressiven Wünsche zu stark sind und nicht in die Realität des sexuell reifen Körpers integriert werden können. Seine unbewusste Ablehnung manifestiert sich in Symptomen wie Essstörungen, Selbstverletzungen, Suizidversuche und psychotische Störungen. (Artikelanfang)
Hilde Lewinsky wurde in Berlin geboren. Nach Hitlers Machtergreifung im Jahr 1933 verließ sie Deutschland und emigrierte zunächst nach Paris und dann nach Manchester. Hier heiratete sie 1934 den jüdischen Zahnarzt Werner Lewinsky (?-1952), der ebenfalls aus Berlin nach England geflohen war. Die Ehe wurde 1939 wieder geschieden.
Hilde Lewinsky gehörte zu einer Gruppe von Psychoanalytiker:innen, die während des Zweiten Weltkriegs versuchten, einen Zweig der British Psychoanalytical Society (BPAS) in Manchester zu etablieren. Sie studierte Psychologie an der Universität Manchester und erwarb dort 1941 ihren Master of Science. Ihre psychoanalytische Ausbildung absolvierte sie an dem von Michael Balint und Alfred Gross 1940 gegründeten Manchester Training Center. Lewinsky war Mitglied und ab 1945 Lehranalytikerin der BPAS. Bis 1951 praktizierte sie in Manchester als niedergelassene Psychoanalytikerin und arbeitete in Child Guidance-Kliniken. Danach verließ sie England und eröffnete eine psychoanalytische Praxis in New York, wo sie Mitglied der American Psychoanalytic Association wurde.
Ihre Publikationen handeln von Themen wie Schüchternheit, Zwangsvorstellung, Homosexualität, Masochismus und pathologische Großzügigkeit. Bekannt wurde besonders ihr Aufsatz On some aspects of masochism, in dem sie den narzisstischen Gewinn beschrieb, den ein Masochist aus seinem inszenierten Leiden zieht als Beweis seiner Fähigkeit, Schmerzen auszuhalten. In ihrem letzten Aufsatz The closed circle, den sie 1955 auf dem IPA-Kongress in Genf vortrug, behandelte sie die Phantasie eines geschlossenen Kreislaufs oralen und genitalen Austauschs zwischen Mutter und Kind (Perpetuum Mobile).
Infolge einer Scharlacherkrankung in ihrer Kindheit litt Hilde Lewinsky zeit ihres Lebens unter chronischer Arthritis und starb bereits im Alter von 48 Jahren. (Artikelanfang)
Margaret Isabel Little kam in Bedford als zweitältestes von fünf Kindern zur Welt. Ihr Vater war Mathematiklehrer, ihre Mutter war künstlerisch begabt und musikalisch, aber auch chaotisch und kontrollsüchtig. Margaret Little studierte Medizin und beendete 1927 ihre klinische Ausbildung am St. Mary's Hospital. Von 1928 bis 1939 führte sie in Edgware in West London eine Praxis als Allgemeinärztin. Während dieser Zeit war sie von 1936 bis 1939 Assistenzärztin an der Londoner Tavistock Clinic, wo sie sich zur Psychotherapeutin ausbilden ließ.
Wegen persönlicher Probleme machte Margaret Little von 1936 bis 1938 eine erste Analyse bei einem Jungianer, den sie "Dr. X" nannte. Danach war sie von 1940 bis 1947 bei Ella Sharpe in Analyse, die ihre Lehranalytikerin wurde. 1945 wurde sie außerordentliches und 1946 ordentliches Mitglied der British Psychoanalytical Society (BPAS). Dr. X und Ella Sharpe hatten jedoch den psychotischen Charakter ihrer Ängste nicht erkannt, weshalb Margaret Little sich 1949 ein weiteres Mal in Analyse begab, nämlich zu Donald W. Winnicott. Über diese Analyse, die 1955 bzw. 1957 erfolgreich beendet wurde, berichtete sie ausführlich in ihrem Buch Psychotic Anxieties and Containment (Die Analyse psychotischer Ängste). Seit 1949 war Margaret Little Lehranalytikerin der BPAS und gehörte wie Winnicott der Gruppe der Unabhängigen an.
Bekannt geworden ist sie vor allem durch ihre Arbeiten zur Gegenübertragung. Sie ging in ihrem 1951 erschienenen Aufsatz Countertransference and the patient's response to it über Paula Heimanns zur gleichen Zeit vertretene Auffassung der Gegenübertragung als Signal für den Analytiker noch hinaus. Nach Margaret Littles Ansicht spielt die Gegenübertragung eine ebenso wichtige Rolle in der Analyse wie die Übertragung: Der Patient bemerke oft unbewusst die Gegenübertragung des Analytikers, und wenn dieser deren Existenz nicht anerkenne, glaube der Patient auch nicht an die Übertragung.
1980 zog sich Margaret Little aus dem Berufsleben zurück. Neben ihrer Arbeit als Analytikerin malte sie und schrieb Gedichte. Ein Sammelband ihrer Aufsätze und Gedichte erschien 1981 unter dem Titel Transference Neurosis and Transference Psychosis. (Artikelanfang)
Constance Ellen Long zählt zu den Pionier:innen in der Frühgeschichte der Psychoanalyse in England. Sie wurde in Reading als eines von sieben Kindern des Leinenhändlers John Long und Sarah Ann Colebrook geboren und war Kunstlehrerin in South Kensington, bevor sie an der London School of Medicine for Women studierte. Nach Abschluss ihres Studium 1896 arbeitete sie u. a. als Ärztin in einem Waisenhaus in Hawkhurst in Kent und praktizierte als Allgemeinärztin in London.
Constance Long, die in ihrem psychotherapeutischen Ansatz Hypnosetechniken mit psychoanalytischer Traumdeutung kombinierte, war Mitglied der Psycho-Medical Society (vorher Medical Society fo the Study of Suggestive Therapeutics) und der Society for Psychical Research, die sich der Erforschung parapsychologischer Phänomene widmete. 1913 gehörte sie zu den Gründungsmitgliedern der von Ernest Jones initiierten London Psycho-Analytical Society, und im gleichen Jahr beteiligte sie sich - neben Jessie Murray und Julia Turner - an der Gründung der Medico-Psychological Clinic, später Brunswick Square Clinic.
1913/1914 absolvierte sie eine Analyse bei C. G. Jung in Zürich, dessen Theorien sie als eine Erweiterung der Psychoanalyse betrachtete. Sie nahm auch nach dem Bruch zwischen Jung und Freud an den Sitzungen der London Psycho-Analytical Society teil - sehr zum Ärger von Ernest Jones, der die Londoner Gesellschaft auflöste und 1919 ohne die Jungianer:innen als British Psycho-Analytical Society neugründete. Constance Long wurde zur Wegbereiterin der Ideen Jungs in England, u. a. indem sie 1916 einen Sammelband seiner Texte unter dem Titel Collected Papers on Analytical Psychology herausgab.
1919 nahm sie an der International Conference of Women Physicians in New York teil und plante, zusammen mit ihrer Freundin Beatrice Hinkle und anderen den ersten Jung-Club in den USA aufzubauen. Sie erkrankte jedoch schwer und kehrte nach der Konferenz nach England zurück. An der Gründung des C. G. Jung Clubs 1922 in London beteiligte sie sich nicht, weil sie inzwischen wieder in die USA gereist war, wo sie ein Jahr später starb. Offenbar hatte sie sich auch von den Ideen Jungs abgewandt, nachdem sie 1921 eine Anhängerin des russischen Mystikers Peter D. Ouspensky geworden war. (Artikelanfang)
Barbara Low wurde 1874 als Alice Leonora Loewe* in London geboren, sie war das jüngste von elf Kindern einer jüdischen Familie. Ihr Vater Maximilian Loewe war an der ungarischen Revolution von 1848 beteiligt und nach deren Niederschlagung nach England geflohen. Ihre Mutter Therese Schacherl war die Tochter eines österreichischen Rabbis. Barbara Low besuchte die von Mary Buss geführte Camden School for Girls und danach das University College London. Am Maria Grey Training College ließ sie sich zur Lehrerin ausbilden und übte anschließend diesen Beruf mehrere Jahre lang aus. Unter anderem war sie von 1913 bis 1915* Dozentin für Pädagogik, Literatur und Geschichte am London County Council Lehrerkolleg in Fulham. Sie war Mitglied der Labour Party und der linksintellektuellen Fabian Society.
Eingeführt in die Psychoanalyse wurde Barbara Low durch David Eder, den Ehemann ihrer Schwester Edith, der 1913 die London Psycho-Analytical Society mitgegründet hatte. 1919 gehörte sie dann selbst als einzige Frau zu den Gründungsmitgliedern der British Psycho-Analytical Society. Sie machte eine Analyse bei Hanns Sachs in Berlin und eine Lehranalyse bei Ernest Jones in London. Damit sie ihre Lehranalyse bezahlen konnte, schenkte ihr D. H. Lawrence, mit dem sie befreundet war und dessen Interesse an der Psychoanalyse sie förderte, das Manuskript von Sea and Sardinia.
Barbara Low setzte sich dafür ein, dass 1926 in London eine psychoanalytische Poliklinik eröffnet wurde, wo nach Berliner Vorbild mittellose Patienten unentgeltlich behandelt wurden. Wie Susan Isaacs und Nina Searl war sie besonders an der Anwendung der Psychoanalyse in der Pädagogik interessiert und veröffentlichte zu diesem Thema mehrere Artikel im International Journal of Psychoanalysis. Melanie Kleins Ansichten zur Kinderpsychoanalyse lehnte sie ab, und in den Freud-Klein-Kontroversen stand sie entschieden auf der Seite Anna Freuds, deren Einführung in die Psychoanalyse für Pädagogen sie ins Englische übersetzte.
1920 erschien Barbara Lows Einführung Psycho-Analysis. A Brief Account of the Freudian Theory. Darin prägte sie den Ausdruck "Nirwanaprinzip", auf den Sigmund Freud sich in Jenseits des Lustprinzips berief. Low bezeichnete damit das Verlangen, zu einem pränatalen Zustand wunschloser Allmacht zurückzukehren - mit Freuds Worten: das Bestreben nach Herabsetzung, Konstanterhaltung und Aufhebung der inneren Reizspannung.
Neben ihren Aktivitäten am Londoner Psychoanalytischen Institut, wo Barbara Low mehrere Jahre lang die Bibliothek betreute, war sie Kodirektorin der Imago Publishing Company und als Dozentin und Therapeutin am Institute for the Study and Treatment of Delinquency tätig. Zuletzt lebte sie zurückgezogen mit ihrer ebenfalls unvereiratet gebliebenen älteren Schwester Florence in Hampstead Garden Suburb. (Artikelanfang)
© Archiv für die Geschichte
der Soziologie in Österreich
Julia Mannheim wurde als Károlyne Júlia (Juliska) Láng in Budapest geboren, wo sie von 1911 bis 1916 Sprachen, Philosophie und Psychologie an der Eötvös-Loránd-Universität studierte. Hier machte sie 1918 ihr Diplom in Psychologie bei Géza Révész und promovierte 1919 in diesem Fach. Sie war Lehrbeauftragte an der Budapester Universität und Mitarbeiterin von Géza Révész an dessen Laboratorium für Experimentalpsychologie.
Júlia Láng war seit 1917 Mitglied der Ungarischen Gesellschaft für Philosophie und schloss sich dem "Sonntagskreis" an, einem linksgerichteten literarisch-philosophischen Zirkel, in dem auch Edith Gyömröi verkehrte. Dort lernte sie ihren späteren Ehemann Karl Mannheim (1893-1947) kennen, der an der Budapester Geisteswissenschaftlichen Universität Philosophie lehrte, bis er 1919 nach der Niederschlagung der ungarischen Räterepublik emigrierte. 1920 folgte sie ihm nach Deutschland ins Exil, wo sie 1921 in Heidelberg heirateten. Karl Mannheim war Lehrbeauftragter für Soziologie an der Heidelberger Universität, bevor er 1930 zum Professor für Soziologie und Nationalökonomie an die Frankfurter Universität berufen wurde.
Mit der praktischen Anwendung der Psychoanalyse kam Julia Mannheim während ihrer Tätigkeit in der Heidelberger kinder- und jugendpsychiatrischen Beratungsstelle in Berührung, die von August Homburger geleitet wurde, einem an der Psychoanalyse interessierten Pionier der Kinderpsychiatrie. Anfang der 1930er Jahre begann sie in Frankfurt eine psychoanalytische Ausbildung, die sie jedoch unterbrechen musste, weil Karl Mannheim 1933 wegen seiner jüdischen Herkunft seinen Lehrstuhl verlor.
Das Ehepaar Mannheim emigrierte zunächst in die Niederlande und dann nach England. Julia Mannheim setzte ihre psychoanalytische Ausbildung in London fort und wurde 1944 Mitglied der British Psychoanalytical Society. Neben ihrer Arbeit als Psychoanalytikerin in eigener Praxis und als Dozentin in Anna Freuds Kinderanalyse-Seminar widmete sich Julia Mannheim nach dem Tod ihres Mannes der Herausgabe seiner Manuskripte. Außer einem vielversprechenden Aufsatz über ihre Analyse einer rauschgiftsüchtigen Patientin liegen keine Veröffentlichungen von ihr vor. (Artikelanfang)
Isabel Menzies Lyth, britische Psychoanalytikerin in der Tradition von Melanie Klein und Wilfred R. Bion, war eine Pionierin der Psychoanalyse von Organisationen. Sie wurde in Dysart, Fife, in Schottland geboren als viertes Kind des Pfarrers Hugh Menzies und einzige Tochter aus seiner zweiten Ehe mit Sarah Curran Ness. Isabel Menzies besuchte das Madras College in St Andrews und studierte danach Psychologie und Wirtschaftswissenschaft an der St Andrews University. Nach Abschluss ihres Studiums war sie dort von 1939 bis 1945 Lehrbeauftragte für Wirtschaftswissenschaft.
Während des Kriegs arbeitete sie als Psychologin mit einer Gruppe um Wilfred R. Bion zusammen, die am War Office Selection Board (WOSB) Methoden für die Auswahl von Offizieren entwickelte und am Civil Resettlement Headquarters die psychosoziale Situation britischer Kriegsgefangener untersuchte. 1946 gehörte sie als einzige Frau zu der Gruppe von Psychiatern und Psychologen, darunter Bion, Eric Trist and John Bowlby, die das Tavistock Institute of Human Relations (TIHR) in London gründete. Sie machte eine Lehranalyse bei Bion und wurde 1954 Mitglied und 1960 Lehranalytikerin der British Psychoanalytical Society. 1957 qualifizierte sie sich als Kinderanalytikerin.
Neben ihrer psychoanalytischen Privatpraxis war sie als Organisationsberaterin tätig und führte bis 1975 für das TIHR zahlreiche Forschungsprojekte durch, vor allem im Gesundheitsbereich. Unter anderem untersuchte sie am Royal National Orthopaedic Hospital in Stanmore, wie die Situation von Kindern in längerer stationärer Behandlung verbessert werden kann. 1975 heiratete sie den Psychoanalytiker Oliver Lyth (1908-1981) und übersiedelte nach Oxford.
1959 wurde Isabel Menzies' bahnbrechende Arbeit The functioning of social systems as a defense against anxiety erstmals veröffentlicht, in der sie am Beispiel des Londoner King's College Hospital die Abwehrfunktion bestimmter sozialer Strukturen nachwies. Menzies zeigte, dass die mit ihrer Tätigkeit verbundene unbewusste Angstabwehr von Krankenschwestern sich in einer unpersönlichen, gleichgültigen Beziehung zu den Patienten manifestiert. Dies werde institutionell gefördert z. B. durch Uniformierung und eine rigide Aufgaben- und Rollenhierarchie. Solche sozialen Strukturen sind nach Menzies geprägt von Abwehrmechanismen, wie sie Melanie Klein mit dem Begriff der paranoid-schizoiden Abwehr beschrieben hat. (Artikelanfang)
Merrell (Merell, Merrill) Philippa Middlemore wurde in Warwickshire in England geboren als Tochter von John Throgmorton Middlemore und Mary Middlemore geb. Price. Ihr Vater war Abgeordneter und Leiter der Children's Emigration Homes in Birmingham. Merrell Middlemore studierte Medizin und promovierte 1923 an der London School of Medicine. Sie war Mitglied der British Psychoanalytical Society, wo sie zu den Anhänger:innen Melanie Kleins zählte. Mit ihrer Erfahrung als Geburtshelferin war sie in den 1930er Jahren eine der wenigen Psychoanalytiker:innen, deren Erkenntnisse auf der empirischen Beobachtung von Säuglingen in den ersten beiden Lebensjahren beruhten.
Merrell Middlemore verfasste in den 1930er Jahren zahlreiche Buchrezensionen im International Journal of Psychoanalysis. In ihrem posthum erschienenen Buch The Nursing Couple, das die frühe Interaktion von Mutter und Säugling zum Thema hat, zeigte sie, wie variabel und komplex bereits früheste Reaktionen eines Neugeborenen sind und wie ausschlaggebend seine ersten Erfahrungen - wie er gehalten und gesäugt wird - für die Entwicklung seiner Gefühle und Phantasien sind. In der Art und Weise, wie ein Säugling die Nahrung aufnimmt, zeigen sich, so Middlemore, rudimentäre psychische Prozesse, aus denen sich nach einigen Monaten Phantasien bilden.
Merrell Middlemore starb an einem plötzlichen Herzversagen. (Artikelanfang)
Nina Marion Blackett wurde in London als jüngstes von drei Kindern geboren. Ihr Vater Arthur Blackett war bis 1917 als Makler an der Londoner Börse tätig, ihre Mutter Caroline Maynard war eine begeisterte Malerin. Ihr Bruder Patrick Blackett erhielt 1948 den Nobelpreis für Physik. Nach einer Ausbildung zur Montessori-Lehrerin studierte Marion Blackett bis 1923 Psychologie und Physiologie am University College London und war danach Mitarbeiterin von Cyril Burt am National Institute of Industrial Psychology. 1927 ging sie mit einem Forschungsstipendium in die USA nach Boston, um die Seminare des Arbeitspsychologen Elton Mayo zu besuchen, der zu der Zeit seine berühmten Hawthorne-Studien durchführte.
Im gleichen Jahr heiratete sie Dennis Milner (1892–1954), einen Stückeschreiber, Erfinder und Amateurökonom, der durch seine Forderung nach einem Mindesteinkommen für alle bekannt wurde. 1932 kam ihr Sohn John zur Welt. 1943 wurde die Ehe wieder geschieden.
Nachdem ihr Bruder Patrick ihr Interesse für die Psychoanalyse geweckt hatte, machte Marion Milner ihre erste Analyseerfahrung bei Irma Putnam in Boston, die damals noch Jungianerin war. 1929 kehrte sie nach England zurück und arbeitete von 1933 bis Kriegsbeginn 1939 als Psychologin beim Girls' Public Day Schools Trust, für den sie eine Untersuchung der Probleme "schwieriger" Schülerinnen durchführte, 1938 unter dem Titel The Human Problem in Schools veröffentlicht. Außerdem hielt sie Psychologievorlesungen für die Workers Education Association ab. 1934 erschien (unter dem Pseudonym "Joanna Field") A Life of One's Own, das erste ihrer auf eigenen Tagebuchaufzeichungen beruhenden Bücher.
1940 begann Marion Milner eine Lehranalyse bei Sylvia Payne und ließ sich am Londoner Psychoanalytischen Institut zur Analytikerin für Kinder und Erwachsene ausbilden. Unter der Supervision von Melanie Klein analysierte sie deren elfjährigen Enkel Michael und beschrieb seinen Fall in ihrem Aufsatz Aspects of symbolism in comprehension of the not-self. 1943 wurde sie Mitglied der British Psychoanalytical Society, wo sie zu den "Unabhängigen" gehörte. Sie machte eine weitere Analyse bei Donald W. Winnicott und behandelte gleichzeitig eine schizoide junge Frau, "Susan", die Winnicotts Frau Alice als Pflegetochter angenommen hatte. Deren von 1943 bis 1959 dauernde Analyse schilderte Milner in ihrem Buch The Hands of the Living God. Ihre eigene Analyse setzte sie 1949 bei Clifford Scott fort.
Marion Milners Interesse galt besonders dem Zusammenhang von Kreativität und Symbolbildung. Ausgehend von der These Melanie Kleins, Symbolik sei die Grundlage aller Sublimierung, definierte sie Kreativität als die Fähigkeit, Symbole zu bilden - nicht bloß im Dienste der Abwehr (Ernest Jones) oder zum Zweck der Wiedergutmachung (Melanie Klein), sondern um etwas Neues zu schaffen. Die künstlerische Tätigkeit wiederhole - bewusst - die Illusion von Allmacht in der Verschmelzung von Außen und Innen, wie man sie als Kind mit der Mutter erlebt hat.
In ihrem wohl bekanntesten Buch On Not Being Able to Paint zeigte Marion Milner, die selbst Malerin war und Zeichnen und Malen als therapeutisches Mittel einsetzte, dass Schaffenshemmungen auf der Angst vor der Regression in einen undifferenzierten Zustand beruhen, wo die Grenzen zwischen Selbst und Objekt verschwimmen. Eine Vermischung von Innen und Außen zulassen zu können, betrachtete Milner als Bedingung psychischer Gesundheit. Sie war eine der wenigen, die Psychoanalyse mit mystischen Erfahrungen verbanden.
Marion Milner gehörte der 1954 gegründeten Imago Society an, die sich der Anwendung der Psychoanalyse auf die Kunst und andere nicht-klinische Bereiche widmete. Seit Ende der 1970er Jahre war sie Ehrenpräsidentin der British Association of Art Therapists. (Artikelanfang)
Juliet Mitchell wurde in Christchurch in Neuseeland geboren, wo ihre Mutter als Botanikerin an einem Forschungsprojekt beteiligt war. 1944 kehrten sie nach England zurück, und Juliet Mitchell besuchte bis zu ihrem siebzehnten Lebensjahr die King Alfred School, eine progressive Schule in London. Von 1958 bis 1962 studierte sie Englisch am St Anne College in Oxford und war anschließend Dozentin für Englische Literatur an den Universitäten Leeds (1962/63) und Reading (1965-1971). Sie war in der "Neuen Linken" aktiv und gehörte 1963 als einzige Frau der Redaktion der Zeitschrift The New Left Review an, mit dessen Herausgeber Perry Anderson (*1938) sie seit 1962 verheiratet war. Ende der 1960er Jahre zählte sie zu den Gründer:innen der Londoner Anti-Universität und arbeitete mit David Cooper, Ronald D. Laing und der Antipsychiatrie-Bewegung zusammen.
Juliet Mitchell betrachtete als erste angelsächsische Feministin die Psychoanalyse als Mittel zur Frauenbefreiung. Unter dem Eindruck der Kritik amerikanischer Feministinnen an Sigmund Freuds Weiblichkeitstheorien, begann sie sich mit der Psychoanalyse auseinanderzusetzen und veröffentlichte 1974 als Antwort ihr bekanntestes Buch Psychoanalyse und Feminismus. Darin betonte sie, dass die Psychoanalyse keine Verklärung der patriarchalischen Gesellschaft sei, sondern deren Analyse. Feministische Kritikerinnen würden meist übersehen, dass Freud - z. B. im Zusammenhang mit dem Penisneid - von unbewussten Mechanismen und nicht von bewussten Inhalten oder Normen spreche. Er habe - trotz mancher Fehlleistungen - das theoretische Rüstzeug geliefert, die Unterdrückung der Frauen zu begreifen und zu bekämpfen. In diesem Sinne, so das Fazit von Mitchells implizit lacanianischer Lesart Freuds, habe dieser der Frauenbewegung mehr zu bieten als die scheinbar radikaleren Ansätze Wilhelm Reichs oder Ronald D. Laings.
Ihre psychoanalytische Ausbildung absolvierte Juliet Mitchell erst nach dem Erscheinen ihres Hauptwerks. Sie war von 1974 bis 1978 Kandidatin des Londoner Institute of Psychoanalysis, ihre Lehranalytikerin war Enid Balint. 1978 wurde sie außerordentliches und 1988 ordentliches Mitglied der British Psychoanalytical Society, wo sie zur Gruppe der Unabhängigen zählte. Sie eröffnete in London eine Privatpraxis und führte dort von 1978 bis 1996 Analysen durch.
Juliet Mitchell ist emeritierte Professorin für Psychoanalyse und Gender Studies der University of Cambridge und Emeritus Fellow des Jesus College in Cambridge. (Artikelanfang)
Die englische Gruppenanalytikerin Adele Mittwoch wurde als eine von drei Schwestern in Berlin geboren. Ihr Vater Eugen Mittwoch war ein bedeutender deutsch-jüdischer Orientalist und Professor für Semitistik an der Berliner Universität. Ihre Mutter Hermine geb. Lipmann war Ärztin, übte diesen Beruf aber nicht aus. 1939 floh die Familie Mittwoch vor den Nationalsozialisten nach Großbritannien.
Adele Mittwoch studierte Chemie, Physik und Mathematik und machte den Masterabschluss in organischer Chemie. Zunächst als Chemikerin in der Nahrungsmittelindustrie tätig, wechselte sie dann als wissenschaftliche Mitarbeiterin zum Medical Research Council in London. Anfang der 1960er Jahre begann sie eine psychoanalytische Ausbildung bei der British Association of Psychotherapists (BAP). Ein Jahrzehnt später gehörte sie wie Liesel Hearst zu den ersten, die eine gruppenanalytische Ausbildung am 1971 gegründeten Institute of Group Analysis (IGA) in London absolvierten.
Adele Mittwoch war Lehranalytikerin und Supervisorin am IGA und am London Centre for Psychotherapy. Sie arbeitete als Psychotherapeutin und Gruppenanalytikerin in privater Praxis und im Rahmen der Londoner Group Analytic Practice, wo sie für schwierige Patienten zuständig war. Mitte der 1970er Jahre beteiligte sie sich an der Gründung von GRAS (Gruppenanalyseseminare) in Deutschland. Adele Mittwoch war Mitglied, zuletzt Ehrenmitglied der Group Analytic Society (GAS), Schatzmeisterin und Mitglied der Ethikkommission des IGA sowie Redaktionsmitglied der Zeitschrift Group Analysis. 2001 hielt sie die 25. Foulkes Lecture der GAS in London über das Thema Our place in the world of science. What is at stake?. (Artikelanfang)
Lois Mary Munro studierte Medizin und erwarb 1931 an der London School of Medicine for Women den Doktorgrad. Sie ließ sich in den 1930er Jahren an der Tavistock Clinic zur Psychotherapeutin ausbilden und setzte ihre Ausbildung am Londoner Psychoanalytischen Institut mit einer Lehranalyse bei Paula Heimann fort. 1948 wurde sie außerordentliches und 1951 ordentliches Mitglied der British Psychoanalytical Society, wo sie als "unabhängige Kleinianerin" galt. Von 1960 bis 1969 leitete sie die London Clinic of Psychoanalysis, und 1971 war sie Mitgründerin des Royal College of Psychiatry. Bis zu ihrem Tod amtierte sie als Schatzmeisterin der European Psychoanalytical Federation. Lois Munro war wegen ihrer Intuition und Empathie, aber auch wegen ihrer Fähigkeit als "storyteller" sehr geschätzt. Zu ihren Lehranalysand:innen zählte in den 1950er Jahren Elizabeth Bott Spillius. Eine ihrer letzten Analysand:innen war Anfang der 1970er Jahre Clare Winnicott.
Auch auf internationaler Ebene setzte sie sich für die Psychoanalyse ein. So sorgte sie in den 1950er Jahren dafür, dass der Kontakt zwischen der illegalen psychoanalytischen Gruppe in Prag und deren Kolleg:innen im Westen aufrecht erhalten blieb, und Ende der 1960er Jahre förderte sie als Mitglied eines Unterstützungskomitees der IPA die Bildung einer psychoanalytischen Arbeitsgruppe in Australien. (Artikelanfang)
Jessie Margaret Murray war keine ausgebildete Psychoanalytikerin, spielte aber als Mitgründerin und Direktorin der Medico-Psychological Clinic eine wichtige Rolle in der Geschichte der Psychoanalyse in England. Sie wurde als Älteste von drei Schwestern in Hazaribagh in Indien geboren, wo ihr Vater Hugh Murray als Leutnant der Royal Artillery diente. 1880 kehrte die Familie nach Großbritannien zurück. Jessie Murray begann 1900 ein Medizinstudium an der London School of Medicine for Women, das sie 1909 mit dem Bachelor der University of Durham abschloss; ihr Schwerpunkt war Medizinische Psychologie. Anschließend hörte sie Vorlesungen über Klinische Psychologie bei Pierre Janet in Paris. Zwischen 1908 und 1920 studierte sie mit Unterbrechungen Psychologie am University College London und promovierte 1919 an der Universität von Durham zum Doktor der Medizin.
1913 gründete Jessie Murray zusammen mit ihrer Freundin Julia Turner und anderen in London die Medico-Psychological Clinic, später bekannt als Brunswick Square Clinic, deren Direktorin sie bis zu ihrem Tod war. Die Medico-Psychological Clinic bot als erste Klinik in England psychoanalytische Therapie und Ausbildung an - sehr zum Unmut von Ernest Jones, der in dieser Institution eine Konkurrenz zu seiner London Psycho-Analytical Society sah. 1915 richtete Jessie Murray an der Klinik den ersten psychoanalytischen Ausbildungskurs ein, der drei Jahre dauerte und die Absolvierung einer persönlichen Analyse einschloss. Die Analysen wurden in der Regel von Jessie Murray und Julia Turner durchgeführt. Zahlreiche bekannte englische Psychoanalytiker:innen erhielten hier ihre erste Analyse bzw. ihre Ausbildung, darunter Nina Searl, Susan Isaacs, Sylvia Payne, Iseult Grant-Duff, James Glover, Mary Chadwick und Ella Sharpe. Die meisten Student:innen hatten kein Medizinstudium absolviert.
Jessie Murray war u. a. Mitglied der Society for Psychical Research, der British Society for the Study of Sex Psychology und der Women's Freedom League. Sie starb 1920 an Eierstockkrebs. Zwei Jahre später wurde die hochverschuldete Medico-Psychological Clinic geschlossen. (Artikelanfang)
Edna Mary Yates wurde in Didsbury, einem Vorort von Manchester, geboren als Tochter von Percy Yates, Inhaber einer Saatgutfirma, und Edith geb. Wright. Sie hatte einen älteren Bruder, Frank Yates, der später ein berühmter Mathematiker wurde, und drei jüngere Schwestern. 1928 heiratete sie Lindley Henshaw (1893-1977), mit dem sie drei Töchter hatte.
Anfang der 1940er Jahre führte Edna Henshaw als Schulpsychologin beim Mental Health Emergency Committee eine Untersuchung zur jugendlichen Delinquenz an staatlichen und kirchlichen Schulen in Bradford durch. Sie promovierte zum Dr. phil und war Assistentin für Pädagogik an der Universität in Manchester.
1941 begann sie eine psychoanalytische Ausbildung am neu gegründeten Manchester Training Center, machte eine Lehranalyse bei Michael Balint (1896-1970) und wurde Mitglied der British Psychoanalytical Society. Sie ließ sich von ihrem ersten Mann scheiden, um 1944 Michael Balint zu heiraten und mit ihm nach London zu ziehen. Die Ehe scheiterte bald und nach ihrer Scheidung 1952 heiratete sie fünf Jahre später Stephen Oakeshott.
Edna Oakeshott lehrte am Institute of Education der Londoner Universität das Fach "Education of Maladjusted Children" und wurde für ihre Verdienste auf dem Gebiet der Erziehung verhaltensgestörter Kinder mit dem O.B.E. geehrt. Eine Sammlung von Selbstzeugnissen Edna Oakeshotts hat 2003 ihre Tochter Joanna Rotberg veröffentlicht. (Artikelanfang)
Edna O'Shaughnessy wurde in Südafrika geboren als das ältere von zwei Kindern einer aus Osteuropa stammenden jüdischen Familie. Ihr Vater Philip Rutovitz war Besitzer einer Seifenfabrik in Johannesburg. Edna Rutovitz begann ein Studium an der Witwatersrand-Universität in Johannesburg, bevor sie Anfang der 1950er Jahre mit ihrem Mann, dem Neurobiologen Harold (Harry Max) Daitz (1923-1952) nach England ging. Sie studierte Philosophie an der Universität Oxford und lehrte dort anschließend dieses Fach. Nach dem frühen Tod ihres ersten Mannes heiratete sie 1954 den australischen Philosophen Brian O’Shaughnessy (1925-2010), mit dem sie drei Kinder hatte: Ben, Kathy und Rosalind.
Edna O'Shaughnessy zog nach London, wo sie am Bedford College der London University lehrte und sich an der Tavistock Clinic zur Kinderpsychotherapeutin ausbilden ließ. Ihre Fälle wurden von Esther Bick, Betty Joseph und Hanna Segal supervidiert. Sie besuchte auch Seminare von Melanie Klein und Wilfred R. Bion. In dieser Zeit begann sie 1954 eine Analyse bei Charles Anderson, die sie, als dieser 1956 starb, bei Roger Money-Kyrle fortsetzte. In den 1960er Jahren absolvierte sie eine Ausbildung bei der British Psycho-Analytical Society (BPAS), supervidiert von Herbert Rosenfeld und Hanna Segal, und wurde Lehranalytikerin für Kinder- und Erwachsenenanalyse. Sie zählte zur Gruppe der Kleinianer:innen in der BPAS und war 1975 Mitherausgeberin der Writings of Melanie Klein.
Sie unterrichtete an dem von Susan Isaacs gegründeten Department of Child Development des Institute of Education der Londoner Universität und war Supervisorin an der Fitzjohn’s Unit und dem Child and Family Department der Tavistock Clinic. Ihr theoretisches und technisches Denken basierte auf ihren Kenntnissen in Philosophie und Logik und zeichnete sich durch erkenntnistheoretisch valide Konzeptualisierung wie durch klinische Unmittelbarkeit aus. Geprägt durch Melanie Klein und Bion, steht die Erkundung unbewusster Phantasien im Zentrum ihres Werks, die sie im Kleinschen bzw. Isaacsschen Sinne als den primären Inhalt aller psychischen Prozesse definierte. Dabei kam es ihr besonders auf das In-Worte-Fassen der in der Dynamik von Übertragung und Gegenübertragung aktualisierten Phantasien an. (Artikelanfang)
Die Malerin und Psychoanalytikerin Grace Winifred Pailthorpe wurde in Sutton, Surrey, geboren als drittes von zehn Kindern des Börsenmaklers Edward Pailthorpe und der Näherin Anne Lavinia geb. Green. Sie studierte Medizin an der London School of Medicine und der University of Durham in Newcastle, wo sie 1914 mit dem MB/BS abschloss. Während des Ersten Weltkriegs arbeitete sie als Ärztin für das Französische und Britische Rote Kreuz.
Nach ausgedehnten Reisen und einer zweijährigen Tätigkeit als Ärztin in Australien und Neuseeland kehrte Grace Pailthorpe 1922 nach London zurück, um sich zur Psychoanalytikerin ausbilden zu lassen. Sie begann eine siebenjährige Lehranalyse bei Ernest Jones und wurde 1923 außerordentliches Mitglied der British Psychoanalytical Society (BPAS). 1925 promovierte sie an der Durham University zum Doktor der Medizin.
Grace Pailthorpe spezialisierte sich in medizinischer Psychologie und wurde eine Pionierin auf dem Gebiet der psychoanalytischen Forensik. In den 1920er Jahren führte sie eine fünfjährige kriminalpsychologische Untersuchung mit weiblichen Insassen in Gefängnissen und Erziehungsheimen durch. Über die psychoanalytisch gedeuteten Ergebnisse ihrer Interviews berichtete sie in ihren Büchern Studies in the Psychology of Delinquency und What We Put in Prison and in Preventive and Rescue Homes. 1931 initiierte Grace Pailthorpe die Association for the Scientific Treatment of Criminals, aus der unter der Beteiligung von Edward Glover und Kate Friedländer das Institute for the Scientific Treatment of Delinquency hervorging. 1933 eröffnete das Institut die Psychopathic Clinic, die später in Portman Clinic umbenannt wurde.
1935 lernte sie den Maler und Dichter Reuben Mednikoff (1906-1972) kennen, und beide begannen, automatisches Zeichnen und Malen als therapeutisches Mittel einzusetzen. In ihrem Artikel The scientific aspect of surrealism vertrat Grace Pailthorpe die Ansicht, Surrealismus und Psychoanalyse verfolgten letztlich dasselbe Ziel, nämlich die Befreiung des Individuums. Mithilfe surrealistischer Techniken würden Verdrängungen aufgehoben und unbewusste Phantasien freigesetzt und wieder bewusst. 1936 beteiligte sie sich an der International Surrealist Exhibition in London, wo ihre Bilder die Bewunderung André Bretons fanden.
Grace Pailthorpe ließ sich besonders von den Ideen Melanie Kleins inspirieren. Ein wichtiges Thema ihrer Arbeit bildeten das Geburtstrauma und die frühe Mutter-Kind-Beziehung. 1938 schuf sie dazu eine Reihe von Bildern, die Birth Trauma Series, die auch Gegenstand ihres 1938 vor der BPAS gehaltenen Vortrags waren. 1941 erschien ihr Aufsatz Deflection of energy, as a result of birth trauma, in dem sie für eine stärkere Beachtung des Geburtstraumas in der Analyse plädierte.
1940 verließen Pailthorpe und Mednikoff England und zogen über New York nach Berkeley, Kalifornien, bevor sie sich 1942 in Vancouver niederließen. Grace Pailthorpe arbeitete 1942/43 in der psychiatrischen Anstalt Essondale in British Columbia, und 1944 hatten sie und Mednikoff eine gemeinsame Ausstellung in der Vancouver Art Gallery. 1946 kehrte das Paar nach England zurück. Grace Pailthorpe eröffnete Anfang der 1950er Jahre eine psychoanalytische Privatpraxis in London und richtete zusammen mit Reuben Mednikoff (jetzt Richard Pailthorpe) die erste Schule für Kunsttherapie in Dorking ein. In den 1960er Jahren wandten beide sich der fernöstlichen Mystik zu. Grace Pailthorpe starb im Alter von 89 Jahren an Krebs. (Artikelanfang)
Sylvia May Payne stammte aus Wimbledon in Surrey, wo sie mit acht Geschwistern als Tochter des Pfarrers Edward William Moore und seiner Frau Letitia aufwuchs. Sie besuchte die High School in Wimbledon und wollte mit dreizehn auf eine Musikhochschule gehen, beschloss dann aber Ärztin zu werden. Sie absolvierte das Westfield College und studierte Medizin an der London School of Medicine for Women, wo sie 1906 ihren Abschluss machte. Anschließend arbeitete sie als Ärztin am Royal Free Hospital, bis sie 1908 den Arzt John Ernest Payne (1877-1956) heiratete, mit dem sie drei Söhne hatte: John, Kenneth und Anthony.
Während des Ersten Weltkriegs diente Sylvia Payne als leitende Stabsärztin am Torquay Red Cross Hospital. Durch ihre Arbeit mit Kriegsneurotikern hörte sie erstmals von den Ideen Sigmund Freuds und begann nach dem Krieg eine Lehranalyse bei James Glover in London. 1920 ging sie nach Berlin, um sich von Hanns Sachs analysieren zu lassen. Zurück in England wurde sie 1922 außerordentliches und 1924 ordentliches Mitglied der British Psychoanalytical Society.
Sie eröffnete eine psychoanalytische Praxis in Eastborne, wo ihr Ehemann als Allgemeinarzt praktizierte. 1926 begann sie ihre Tätigkeit an der London Clinic of Psychoanalysis, 1927 wurde sie in den Ausbildungsausschuss der BPAS gewählt, und 1929 übernahm sie von John Rickman das Sekretariat des Londoner Institute of Psychoanalysis und wurde geschäftsführende Sekretärin der BPAS.
Während der 1940er Jahre nahm Sylvia Payne in den Auseinandersetzungen zwischen den beiden Lagern von Anna Freud und Melanie Klein eine unabhängige Position ein, obwohl sie eher den Auffassungen Melanie Kleins zuneigte. So ging sie z. B. in ihrem Aufsatz Some observations on the ego development of the fetishist vom Klein'schen Konzept einer frühen Ich-Entwicklung aus. Paynes These lautete, dass Fetischismus noch vor der Phase der phallischen Kastrationsangst entsteht, in einer früheren Phase der Ich-Entwicklung, in der das männliche wie das weibliche Kind Partialobjekte von Mutter und Vater in seine Innenwelt introjiziert.
Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs verließ Ernest Jones London und betraute Sylvia Payne mit der Führung der BPAS, wo mitten im Krieg die Freud/Klein-Kontroverse eskalierte. Es war ihr Verdienst, dass es nach Kriegsende zu keiner Spaltung der BPAS kam. 1944 wurde Sylvia Payne für drei Jahre in das Amt der Präsidentin der BPAS gewählt, das sie von 1954 bis 1956 ein weiteres Mal ausübte. (Artikelanfang)
Die kleinianische Psychoanalytikerin Irma M. Brenman Pick wurde als Irma Marion Lief in Pretoria, Südafrika, als drittes Kind jüdischer Emigranten aus Lettland geboren. Ihr Vater Joseph Lief arbeitete in einer Möbelfabrik. Nach seinem frühen Tod wurde ihre Mutter Min geb. Jacobs eine erfolgreiche Geschäftsfrau und gründete eine Schule für Sekretärinnen. Mit 17 begann Irma Lief ein Studium an der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität von Witwatersrand in Johannesburg, das sie mit Auszeichnung abschloss.
1955 heiratete sie den Arzt Abe Pick (1925-1961) und ging im gleichen Jahr mit ihm nach London, wo beide eine psychoanalytische Ausbildung absolvierten. Irma Pick ließ sich von 1956 bis 1960 an der Tavistock Clinic zur Kinderpsychotherapeutin ausbilden und anschließend bei der British Psychoanalytical Society (BPAS) zur Kinder- und Erwachsenenanalytikerin. Ihr Lehranalytiker war der Kleinianer Hans Thorner.
1960 wurde ihr Sohn Daniel geboren, der heute ebenfalls Psychoanalytiker ist. Ein Jahr später starb Abe Pick im Alter von nur 35 Jahren. Irma Pick heiratete 1975 ihren Kollegen, den in London geborenen Psychiater und Psychoanalytiker Eric Brenman (1920-2012).
Neben ihrer Tätigkeit als Lehr- und Kontrollanalytikerin übte Irma Brenman Pick verschiedene Funktionen in der BPAS aus, u. a. als Präsidentin von 1997 bis 2000. Außerdem war sie Vorsitzende der Ausbildungskommission der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung. Besondere Beachtung fand ihr Aufsatz Durcharbeiten in der Gegenübertragung über den richtigen Umgang des Analytikers mit seinen Reaktionen auf die Projektionen des Patienten. Vom inneren Durcharbeiten seiner Gegenübertragungen hänge die Qualität seiner Deutungen ab, die Brenman Pick zufolge das Ziel haben, eine Entwicklung von der paranoid-schizoiden zur depressiven Position herbeizuführen - was nicht nur für den Patienten, sondern auch für den Analytiker gelte.
Irma Brenman Pick starb im Alter von 89 Jahren an Lungenkrebs. (Artikelanfang)
Dinora Pines wurde in Luzk (damals in Russland) als ältestes von drei Kindern jüdischer Eltern geboren. Ihr Vater Noe Pines war Augenchirurg, auch ihre Mutter Miriam Rebecca Jaschunsky hatte Medizin studiert. Ihr Bruder Malcolm Pines wurde ebenfalls Psychoanalytiker. Während des russischen Bürgerkriegs emigrierte die Familie über Antwerpen 1921 nach London, wo ihr Vater sich als praktischer Arzt niederließ. Nach dem Studium moderner Sprachen am University College London schrieb Dinora Pines sich 1940 an der London School of Medicine for Women ein, die ärztliche Approbation erhielt sie 1945. Anschließend war sie als Hautärztin am Londoner Elizabeth Garrett Anderson Hospital, einer Frauenklinik, tätig, wo sie Hilda Abraham kennenlernte und sich für die Psychoanalyse zu interessieren begann..
1947 heiratete Dinora Pines den Rechtsanwalt Anthony Lewison (1921-1993) und bekam zwei Söhne. Sie praktizierte als Allgemeinärztin in London und begann 1959 eine psychoanalytische Ausbildung bei Anna Freud am Hampstead Child Therapy Course and Clinic. 1965 wurde sie Mitglied der British Psychoanalytical Society und eröffnete eine eigene psychoanalytische Praxis in London. Sie war Lehranalytikerin, Supervisorin und Dozentin am Londoner Institute of Psychoanalysis und arbeitete außerdem am Brent Consultation Centre für Jugendliche. In der BPAS gehörte sie zur annafreudianischen B-Gruppe.
Dinora Pines setzte sich in ihren Veröffentlichungen vor allem mit den Körpererfahrungen von Frauen auseinander, wie Schwangerschaft, Unfruchtbarkeit, Abtreibung etc.. Dabei galt ihr Interesse der Frage, in welcher Weise sich Deprivations-, Schmerz- und Angsterleben in physische Störungen umsetzt. Ein Sammelband dieser Arbeiten erschien 1993 unter dem Titel A Woman's Unconscious Use of her Body (Der weibliche Körper. Eine psychoanalytische Perspektive).
Einen weiteren Schwerpunkt bildete ihre therapeutische Arbeit mit Frauen, die den Holocaust überlebt hatten. Pines beschrieb deren Überlebensstrategien sowie die Auswirkung ihrer Erfahrungen auf ihre Kinder. (Artikelanfang)
Ruth Riesenberg wurde als älteste von zwei Schwestern in Suwalki in Polen geboren. Ihr Vater hatte Chemie studiert, sich dann aber als Anhänger der Linken dem Journalismus und der Politik verschrieben. Ihre Mutter hatte Literatur studiert. Nachdem ihr Vater 1935 Polen aus politischen Gründen verlassen musste, wanderte die Familie nach Chile aus. Mehrere ihrer in Polen gebliebenen Angehörigen wurden von den Nazis ermordet.
Ruth Riesenberg besuchte in Chile ein englisches College und studierte danach Psychologie. Anschließend begann sie am Institut der Asociación Psicoanalítica Chilena (APCh) eine psychoanalytische Ausbildung, ihr Lehranalytiker war Ramón Ganzaraín. Anfang der 1960er Jahre ging sie für ein Jahr nach London und ließ sich an der Tavistock Clinic zur Kinderanalytikerin ausbilden. Nach Beendigung ihrer Lehranalyse wurde sie Mitglied der APCh, wo sie eine der ersten Kinderanalytiker:innen war.
1963 zog Ruth Riesenberg nach England, um dort als Kinderpsychotherapeutin zu arbeiten, zuerst in Essex und dann in London, wo sie eine psychoanalytische Privatpraxis eröffnete. Sie absolvierte eine zweite Analyse bei Betty Joseph und wurde Mitglied und Lehranalytikerin der British Psychoanalytical Society (BPAS). In England lernte Ruth Riesenberg auch ihren Mann, den amerikanischen Philosophen Norman Malcolm (1911-1990), kennen, der an der Cornell University in New York lehrte. Sie heirateten in den USA und lebten dort zwei Jahre lang, bis Norman Malcolm 1978 Visiting Professor am Kings College in London wurde.
Ruth Riesenberg-Malcolm gehörte zur Gruppe der Kleinianer:innen in der BPAS; sie war Mitglied der Ausbildungskommission der BPAS und des Melanie Klein Trusts. Seit den 1970er Jahren war sie außerdem Supervisorin der Sociedad Española de Psicoanálisis in Barcelona. Mit ihrem Buch On Bearing Unbearable States of Mind [Unerträgliche seelische Zustände erträglich machen] erschien 1999 eine Sammlung ihrer wichtigsten Arbeiten aus den Jahren 1970 bis 1998. Ausgehend von den Theorien Melanie Kleins und Wilfred R. Bions, widmete sich Ruth Riesenberg vor allem den Fragmentierungen und Abwehrkonstellationen, welche besondere Hindernisse in der Analyse darstellen - wie hyperbolisches Verhalten, Als-ob-Einsicht, Selbstbestrafung, Pseudokooperation oder bedeutsames Vergessen. (Artikelanfang)
Joan Riviere wurde in Brighton, Sussex, als das älteste von drei Kindern geboren. Ihr Vater Hugh John Verrall, ein unkonventioneller, sozial gesinnter Rechtsanwalt, gehörte einer hochgebildeten Familie des englischen Landadels an. Ihre Mutter Anna geb. Hodgson, Tochter eines Landpfarrers, hatte vor ihrer Ehe als Gouvernante gearbeitet. Joan Hodgson Verrall hing sehr an ihrem Vater, während das Verhältnis zu ihrer Muttter eher distanziert war. Sie besuchte das angesehene Mädcheninternat Wycombe Abbey und verbrachte mit siebzehn ein Jahr in Gotha, um die deutsche Sprache zu lernen. Danach arbeitete sie eine Zeitlang als Modellschneiderin in der Hofschneiderei Ada Nettleship in London.
Ihre akademische Bildung erhielt Joan Verrall nicht an der Universität, sondern im Hause ihres Onkels Arthur W. Verrall und dessen Frau Margret Verrall. Beide lehrten als Altphilologen an der Universität Cambridge und waren Mitglieder der Society for Psychical Research, wo Joan Verralls Interesse für die Psychoanalyse geweckt wurde. Sie hatte auch Verbindung zum Bloomsbury-Kreis und war in der Suffragetten-Bewegung aktiv.
1906 heiratete sie den Gerichtsanwalt Evelyn Riviere (1876-1945), zwei Jahre später wurde ihre Tochter Diana geboren. Als 1909 ihr Vater starb, erlitt Joan Riviere einen Nervenzusammenbruch und war danach häufig krank. 1916 begann sie eine therapeutische Analyse bei Ernest Jones, die später in eine Lehranalyse umgewandelt wurde und bis 1921 dauerte. Die Analyse war ein Fehlschlag, weshalb Joan Riviere 1922 eine zweite, erfolgreichere Analyse bei Sigmund Freud in Wien machte.
Joan Riviere gehörte 1919 zu den Gründungsmitgliedern der British Psycho-Analytical Society (BPAS). Sie war von 1920 bis 1937 Übersetzungsredakteurin des International Journal of Psychoanalysis und bildete gemeinsam mit James und Alix Strachey die Übersetzer-Troika der 1924/25 erschienenen Collected Papers, der ersten englischen Freud-Ausgabe. Rivieres Übersetzungen gelten als besonders gelungen wegen ihres literarischen Stils, der auch ihre eigenen Schriften auszeichnet.
1924 begann Joan Rivieres Freundschaft mit Melanie Klein, deren Texte sie ebenfalls übersetzte. Sie wurde eine eloquente Verfechterin der Klein'schen Ideen und griff 1927 in ihrem Beitrag Symposium on child analysis erstmals die Positionen Anna Freuds an. Unter anderem widersprach sie deren Ansicht, dass in der Kinderanalyse keine Übertragung auf den Analytiker stattfinden könne, da Kinder sich noch in der Ödipussituation mit den ursprünglichen Objekten - den Eltern - befänden. Riviere hielt dagegen, die Objekte ödipaler und prägenitaler Phantasien seien mitnichten die realen Eltern, sondern unbewusste Vater- und Mutter-Imagines, die auf die realen Eltern übertragen werden. Wegen dieser Auffassung warf Sigmund Freud ihr vor, einen Weg zur Irrealisierung der Analyse einzuschlagen.
1930 wurde Joan Riviere Lehranalytikerin und Mitglied im Ausbildungsausschusses der BPAS. Gemeinsam mit Melanie Klein hielt sie Vorlesungen am Londoner Psychoanalytischen Institut, die 1937 unter dem Titel Love, Hate, and Reparation als Buch erschienen. Noch vor Klein führte sie 1932 in ihrem Aufsatz Jealousy as a mechanism of defense die Eifersucht auf den von der Urszene ausgelösten Neid zurück, und 1936 entwickelte sie als erste das Konzept der Wiedergutmachung. Ihr in Wien gehaltener Vortrag Zur Genese des psychischen Konfliktes im frühen Lebensalter, in dem sie die psychische Innenwelt des "kleinianischen Säuglings" beschrieb, gilt als einer der brillantesten Essays über kleinianisches Denken.
Am bekanntesten ist heute wohl ihr Aufsatz Weiblichkeit als Maske über den Typus der intellektuellen, beruflich erfolgreichen Frau, die gleichzeitig sehr weiblich wirkt. Joan Riviere zeigte, dass die Exhibition "männlicher" Fähigkeiten, gleichgesetzt mit der Aneignung des väterlichen Penis, bei diesen Frauen Vergeltungsangst auslöst, wogegen sie sich durch betont weibliches Verhalten zu schützen suchten. Weiblichkeit kann so als Maske dienen, um den Besitz von Männlichkeit zu verbergen. Vor allem Rivieres Schluss, zwischen echter Weiblichkeit und solcher Maskerade bestünde kein Unterschied, inspirierte Jacques Lacan und die Gender-Diskussion der 1990er Jahre.
Ende 1938 zog Joan Riviere sich nach einer schweren Krankheit aus den Führungsgremien der BPAS zurück, ihre Lehrveranstaltungen setzte sie jedoch fort, ebenso ihre Tätigkeit als Lehr- und Kontrollanalytikerin. In den Freud/Klein-Kontroversen der 1940er Jahre blieb sie eher im Hintergrund. Während der 1950er Jahre wurde ihr Verhältnis zu Melanie Klein distanzierter, u. a. teilte sie nicht deren Interesse für die Analyse von Psychotikern.
1962 starb Joan Riviere an den Folgen eines Lungenemphysems. (Artikelanfang)
Dina Rosenblüth wurde in Berlin-Wilmersdorf geboren. Ihr Vater, der Richter Felix Rosenblüth (Pinchas Rosen), wanderte 1926 nach Palästina aus und wurde 1948 Israels erster Justizminister. Dina Rosenbluth emigrierte nach der Machtergreifung der Nazis 1933 mit ihrer Mutter Annie Lesser und ihrem Bruder Hans nach England. Sie besuchte die King Alfred School und studierte dann Psychologie am University College London (UCL).
1950 begann Dina Rosenbluth bei Esther Bick an der Tavistock Clinic eine Ausbildung zur Kinderpsychotherapeutin und erlernte die Technik der psychoanalytischen Kleinkindbeobachtung. Sie gehörte mit James Robertson und Mary Boston zum Gründungsteam der Separation Research Unit, die der Bindungsforscher John Bowlby 1948 eingerichtet hatte, um die Auswirkungen früher Mutter-Kind-Trennungen auf die Persönlichkeitsentwicklung zu erforschen. In ihrer Studie A two-year old goes to hospital, einer schriftlich und filmisch aufgezeichneten systematischen Beobachtung eines zweieinhalbjährigen Mädchens getrennt von seiner Mutter während eines achttägigen Krankenhausaufenthalts, zeigten Dina Rosenbluth und James Robertson, dass selbst kurzzeitige Trennungen erhebliche emotionale Störungen zur Folge haben können.
Nach einer ersten Analyse bei Harold Bridger am Tavistock Institute machte Dina Rosenbluth eine weitere Analyse bei dem Kleinianer Herbert Rosenfeld. Sie absolvierte Ende der 1950er Jahre eine Ausbildung am Institute of Psychoanalysis und wurde Mitglied der British Psychoanalytical Society. Wie ihre Freundin Martha Harris war sie eine Anhängerin von Melanie Klein. Dina Rosenbluth war bis 1970 in der Tavistock Clinic für die Ausbildung der Kindertherapeut:innen verantwortlich, danach konzentrierte sie sich auf ihre psychoanalytische Privatpraxis. (Artikelanfang)
© Association of Jewish
Refugees
Isca Salzberger wurde in Frankfurt am Main als jüngste von drei Töchtern des liberalen Rabbiners Georg Salzberger und seiner Frau Natalie „Nenny“ Caro geboren. Sie besuchte das Frankfurter Philanthropin, eine Schule der israelitischen Gemeinde, bis ihre Familie 1939 nach England emigrieren musste.
Isca Salzberger machte Anfang der 1940er Jahre in Yorkshire eine einjährige Ausbildung zur Kinderkrankenschwester und arbeitete danach in einem Kriegskinderheim in Hemel Hempstead. Mit einem Stipendium des Jewish Refugee Committe studierte sie ab 1943 Sozialwissenschaften an der Universität Birmingham und schloss mit einem BA ab. 1956 begann sie an der Tavistock Clinic in London eine Ausbildung in der von John Bowlby eingerichteten Abteilung für Kinderpsychotherapie. Den Schwerpunkt bildete das Seminar von Esther Bick, in dem sie die Praxis und Theorie der psychoanalytischen Säuglingsbeobachtung vermittelte.
Wie Esther Bick wurde Isca Salzberger eine Anhängerin der Schule Melanie Kleins. Sie ging viereinhalb Jahre zu dem Kleininaner Sonny S. Davidson in die Analyse, die sie nach dessen Tod von 1962 bis 1968 bei Wilfred R. Bion fortsetzte. Später machte sie noch eine Ausbildung zur Erwachsenentherapeutin.
1965 nahm Isca Salzberger-Wittenberg ihre Tätigkeit als Senior Tutor an der Tavistock Clinic auf, wo sie 25 Jahre lang Kinder- und Jugendpsychotherapeut:innen ausbildete und Seminare zur Säuglings- und Kleinkindbeobachtung abhielt. Zehn Jahre amtierte sie als Vizepräsidentin des Ausbildungskomitees. 1988 schied sie offiziell aus der Tavistock Clinic aus, arbeitete aber neben ihrer Privatpraxis in Teilzeit weiter. Ein Standardwerk ist ihr Buch Psycho-Analytic Insight and Relationships. A Kleinian Approach, in dem sie erklärt, wie sich die Konzepte Melanie Kleins in der Sozialarbeit anwenden lassen.
Nach dem Tod ihrer Schwester Lore kümmerte sich Isca Salzberger um deren Söhne Raphael und Jonathan und heiratete dann 1963 Lores Witwer, den aus Polen stammenden Ingenieur Adolf „Adi“ Wittenberg (1921-2007). Sie starb im Dezember 2023 im Alter von 100 Jahren. (Artikelanfang)
Anne-Marie Weil wurde in Genf geboren, ihre Eltern waren jüdischer Herkunft und stammten beide aus Deutschland. Ihr Vater Otto Weil war Angestellter, später Generaldirektor eines Genfer Kaufhauses, ihre Mutter Hildegard Oberdorf hatte vor ihrer Ehe in Hamburg Französisch unterrichtet. Anne-Marie Weil studierte in Genf Psychologie bei Jean Piaget, dessen Assistentin sie von 1947 bis 1950 war. Unter seiner Anleitung führte sie für die UNESCO eine Studie über Heimatgefühl und Fremdheitsverstehen von Kindern durch.
1950 ging sie nach London und ließ sich bei Anna Freud an der Hampstead Clinic zur Kinderpsychoanalytikerin ausbilden. Während dieser Zeit machte sie eine Lehranalyse bei Augusta Bonnard. Nach Abschluss ihrer Ausbildung 1954 arbeitete sie am Child Department des St. George's Hospital und beteiligte sich an einem Forschungsprojekt mit blinden Kindern. 1957 heiratete sie den aus einer jüdischen Familie in Südafrika stammenden Psychoanalytiker Joseph "Joe" Sandler (1927-1998). Sie bekamen zwei Kinder, Catherine (*1958) und Paul (*1962), zusätzlich zu Sandlers Tochter Trudy aus dessen ersten Ehe. Von 1965 bis 1968 machte Anne-Marie Sandler eine Ausbildung in Erwachsenenpsychoanalyse und absolvierte eine weitere Lehranalyse bei Edith Gyömröi. Sie wurde Lehranalytikerin und Supervisorin der British Psychoanalytical Society (BPAS) und eröffnete eine psychoanalytische Privatpraxis in London.
1979 erhielt Joe Sandler den Sigmund Freud-Lehrstuhl an der Hebrew University of Jerusalem, und im Jahr darauf zog Anne-Marie Sandler ebenfalls nach Jerusalem, wo sie bis 1985 lebten. Gemeinsam mit ihrem Mann verfasste sie eine Reihe von Aufsätzen und engagierte sich in der European Psychoanalytical Federation (EPF), deren Präsidentin Anne-Marie Sandler von 1983 bis 1987 war. Von 1990 bis 1993 amtierte sie als Präsidentin der BPAS, und von 1993 bis 1996 war sie Direktorin des Anna Freud Centre. Sie ist außerdem Ehrenmitglied der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft und des Frankfurter Sigmund-Freud-Instituts.
Obwohl eine loyale Anhängerin von Anna Freud, hat sich Anne-Marie Sandler auch von den Ideen Melanie Kleins inspirieren lassen. Ihr Buch Innere Objektbeziehungen. Entstehung und Struktur, eine Sammlung programmatischer Beiträge von Joseph und Anne-Marie Sandler, liefert die Grundlagen für eine Integration der kleinianischen Objektbeziehungstheorie in eine weiterentwickelte Ich-Psychologie.
1998 erhielt Anne-Marie Sandler den Sigourney Award für ihre bedeutenden Beiträge auf dem Feld der Psychoanalyse. (Artikelanfang)
Melitta Schmideberg wurde im österreich-ungarischen Rosenberg als das älteste von drei Kindern der Psychoanalytikerin Melanie Klein und des Chemieingenieurs Arthur Klein geboren. 1910 zog die Familie nach Budapest, wo Melanie Klein ihre ersten Kinderanalysen mit Melitta (Fall "Lisa") und ihren beiden Brüdern durchführte. Bereits mit fünfzehn Jahren durfte Melitta Klein an den Sitzungen der Budapester Psychoanalytischen Vereinigung teilnehmen, deren Mitglied ihre Mutter war.
1921 ging Melanie Klein nach Berlin, wohin ihr Melitta Klein nach dem Abitur folgte, um Medizin zu studieren. In Berlin lernte Melitta Klein den Wiener Psychoanalytiker Walter Schmideberg (1890-1954) kennen, den sie 1924 heiratete. Sie schloss ihr Studium 1927 ab und promovierte 1929 über die Geschichte der homöopathischen Bewegung in Ungarn. 1928 begann sie eine Lehranalyse bei Karen Horney und wurde 1931 außerordentliches Mitglied der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung.
Die Bedrohung durch den Nationalsozialismus veranlasste die Schmidebergs zur Emigration nach London, wo Melanie Klein bereits seit 1926 lebte. Melitta Schmideberg nahm seit 1930 an den Sitzungen der British Psychoanalytical Society (BPAS) teil und absolvierte eine weitere Analyse bei Edward Glover, einem Gegner Melanie Kleins Wie ihr Mann wurde sie 1933 ordentliches Mitglied, später Lehranalytikerin der BPAS.
Sie teilte anfangs die kleinianischen Auffassungen, wich aber schon in ihrem Einführungsvortrag The play analysis of a three-year-old girl davon ab, indem sie die Probleme des Mädchens auf ein Fehlverhalten der Mutter, also auf reale äußere Faktoren, zurückführte. Im Laufe ihrer Analyse bei Glover entfremdete sich Melitta Schmideberg zunehmend von ihrer Mutter. Sie begann sie öffentlich anzugreifen und die empirische Grundlage der Klein'schen Theorien in Frage zu stellen. Ihr Wunsch nach Unabhängigkeit von der Mutter wandelte sich zu unversöhnlichem Hass.
1945 ging Melitta Schmideberg nach New York, wo sie mit straffälligen Jugendlichen arbeitete und 1950 die Association for the Psychiatric Treatment of Offenders mitgründete. Sie entfernte sich von der Psychoanalyse und schied 1962, ein Jahr nach ihrer Rückkehr nach London, aus der BPAS aus. Auch in England widmete sie sich der Behandlung und Wiedereingliederung von Straffälligen und gab seit 1957 die Zeitschrift International Journal of Offender Therapy heraus. (Artikelanfang)
Anneliese Schnurmann wurde in Karlsruhe in eine wohlhabende jüdische Fabrikantenfamilie geboren. Sie verlor früh ihre Eltern - ihr Vater Jacob Schnurmann, Direktor einer Papierfabrik, starb kurz nach ihrer Geburt, und ihre Mutter Alice geb. Auerbach starb 1915 an Tuberkulose. Ihre elf Jahre ältere Schwester Leonore kümmerte sich um sie, und Anneliese Schnurmann zog Anfang der 1920er Jahre mit ihr nach Berlin. Hier freundete sie sich mit der Familie Bonhoeffer an, 1932 gründete sie mit Dietrich Bonhoeffer die "Jugendstube" in Charlottenburg, eine Tagesunterkunft für arbeitslose Jugendliche.
Nach einer Ausbildung zur Hauswirtschafterin studierte Anneliese Schnurmann moderne Sprachen (Heidelberg 1929) und Ökonomie (Genf 1930) und schrieb sich dann an dem von Karl Mannheim geleiteten Soziologischen Seminar der Universität Frankfurt ein. Nach Mannheims Entlassung im Jahr 1933 setzte sie ihr Studium der Sozialwissenschaften in Genf fort und schloss es dort 1935 ab. Es folgten postgraduale Studien in Psychologie und Erziehungswissenschaften in Genf und in Basel.
1939 emigrierte sie nach London, wo sie von 1942 bis 1945 in Anna Freuds Hampstead War Nurseries Kinder betreute, die durch die Bombardierung Londons von ihren Familien getrennt worden waren. 1947 gehörte Anneliese Schnurmann zu den ersten, die eine vierjährige Ausbildung zur Kinderanalytikerin ("psychoanalytical child expert") in den Hampstead Child Therapy Courses erhielten. Ihre Lehranalytikerin war Kate Friedländer, bei der sie von 1945 bis 1949 in Analyse war.
Von 1948 bis 1956 arbeitete sie als Kinderpsychotherapeutin, zuerst in der East London und dann in der Chichester Child Guidance Clinic. Ab 1952 war sie als Lehranalytikerin und Supervisorin in der Ausbildung von psychoanalytischen "Child Experts" an der Hampstead Child Therapy Course and Clinic tätig. Von 1961 bis 1965 absolvierte sie auch die Ausbildung zur Erwachsenenanalytikerin am British Psychoanalytical Institute, ihr Lehranalytiker war Konrad Gomperts. Anschließend arbeitete sie in London als Psychoanalytikerin in eigener Praxis, bis sie 1983 in den Ruhestand ging. Ihre letzten Lebensjahre verbrachte sie in Bern, wo sie im Alter von 98 Jahren starb. (Artikelanfang)
Mary Nina Searl wurde in Forest Gate, Chippenham in Wiltshire geboren. Sie besuchte die Sidcup High School in London, bevor sie 1901 ihr Studium an der University of London begann. Ihre psychoanalytische Ausbildung erhielt sie an der Brunswick Square Clinic in London und bei Hanns Sachs in Berlin. Sie interessierte sich vor allem für die Anwendung der Psychoanalyse in der Pädagogik und war eine frühe Pionierin der Kinderanalyse in der British Psychoanalytical Society (BPAS). Noch bevor die kinderanalytischen Arbeiten Melanie Kleins in England bekannt wurden, führte Nina Searl 1920 ihre erste Analyse mit einem sechsjährigen Mädchen durch. Sie war vermutlich auch die erste, die in der BPAS über die Technik der Kinderpsychoanalyse referierte.
Nina Searl war Lehranalytikerin und Supervisorin am Londoner Psychoanalytischen Institut und beteiligte sich mit zahlreichen Artikeln und Vorträgen an der wissenschaftlichen Diskussion. Seit Mitte der 1920er Jahre zählte sie zu den Anhänger:innen Melanie Kleins und wurde deren Mitstreiterin in den Auseinandersetzungen mit Anna Freud. Zu ihren Supervisanden gehörten u. a. John Bowlby, Donald Winnicott und Clifford Scott.
1934 reiste Nina Searl zum IPA-Kongress in Luzern und referierte dort über "Infantile ideals". Ihre psychoanalytische Laufbahn endete jedoch abrupt, als sie 1937 ihren Austritt aus der BPAS erklärte. Melitta Schmideberg warf den Kleinianern vor, seit 1932 eine Kampagne gegen Searl geführt zu haben. Nina Searl selbst begründete ihre Entscheidung u. a. damit, dass die Psychoanalyse ihrer Ansicht nach offen für ein religiöses Ideal sein sollte und dass sie mit einer Gruppe zusammenarbeiten wollte, die sich für Geistheilung interessierte. Sie soll sich schließlich in ein Kloster zurückgezogen haben.
Einer ihrer letzten Aufsätze, Some queries on principles of technique (1936), ein Beitrag über die Bedeutung der Widerstandsanalyse, gilt als ein hervorragendes, spätere Entwicklungen antizipierendes Beispiel einer ich-psychologischen Behandlung des psychoanalytischen Prozesses. (Artikelanfang)
Hanna Segal gilt als eine der bedeutendsten Schüler:innen Melanie Kleins. Sie wurde in Lodz in Polen geboren und wuchs in Warschau als jüngste Tochter polnisch-jüdischer Intellektueller auf. Ihr Vater Czeslaw Poznanski war Rechtsanwalt, ihre Mutter Isabelle geb. Weintraub war mit der Psychoanalytikerin Eugénie Sokolnicka befreundet, die Hanna schon als Kind kennenlernte. Nach dem Bankrott seiner Anwaltskanzlei ließ sich Poznanski mit seiner Familie 1931 in Genf nieder, wo er als Redakteur einer Zeitschrift arbeitete.
Hanna Poznanska kehrte 1934 nach Warschau zurück, um dort ihr Abitur zu machen und Medizin zu studieren. Bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs war sie gerade in Paris, wo ihre Eltern seit 1938 lebten. Sie setzte ihr Medizinstudium in Paris fort, bis sie 1940 vor den deutschen Besatzungstruppen nach England fliehen musste. 1943 promovierte sie an der Polish Medical School der Edinburgh University.
In Edinburgh war sie ein Jahr lang bei dem Kleinianer David Matthew in Analyse, ging aber 1943 nach London, um sich am Institute of Psychoanalysis ausbilden zu lassen. Gleichzeitig arbeitete sie als Ärztin am Paddington Green Hospital und als Psychiaterin am Long Grove Hospital. Ihre Lehranalyse machte sie bei Melanie Klein. 1945 beendete sie ihre psychoanalytische Ausbildung und wurde 1949 ordentliches Mitglied der British Psychoanalytical Society. Ihren Einführungsvortrag hielt sie zum Thema Some aspects of the analysis of a schizophrenic. 1952 wurde sie zur Lehranalytikerin ernannt. 1946 heiratete sie den Mathematiker Paul Segal (?-1996), mit dem sie drei Söhne hatte.
Hanna Segal wurde ebenso durch ihre luziden Einführungen in Melanie Kleins Werk wie durch ihre eigenen Beiträge zur psychoanalytischen Theorie und Praxis bekannt. Von ihr stammt eine der klarsten kleinianischen Definitionen des Todestriebs: Dieser ist für sie kein biologischer Drang, zum Anorganischen zurückzukehren, sondern ein psychischer Wunsch, die durch die Geburt herbeigeführte plötzliche Veränderung zunichte zu machen.
Segal war eine Pionierin der kleinianischen Analyse von Psychotikern, für deren Unfähigkeit, zwischen Symbol und Symbolisiertem zu unterscheiden, sie den Ausdruck "symbolische Gleichsetzung" schuf. Sie entwickelte die Klein'sche Symboltheorie weiter und beschrieb die wichtige Rolle der depressiven Position bei der Symbolbildung und in der künstlerischen Kreativität. In ihren Beiträgen zur Ästhetik beleuchtete sie den kreativen Gebrauch von Symbolen im Alltagsleben wie im Kunstwerk.
Hanna Segal übte mehrere wichtige Funktionen in der BPAS aus, darunter von 1977 bis 1980 das Amt der Präsidentin. 1977 wurde sie auf den Freud Memorial Chair am University College London berufen. 1992 erhielt sie für ihre Leistungen auf dem Gebiet der Psychoanalyse den Sigourney Award. (Artikelanfang)
Ilse Seglow, eine Pionierin der Gruppenanalyse, wurde als Ilse Magdalene Seligmann in Hamburg geboren, das dritte von vier Kindern des liberalen Rabbiners Caesar Seligmann und seiner Frau Ella geb. Kauffmann. Als sie zwei Jahre alt war, zog die Familie nach Frankfurt am Main, wo Ilse Seligmann die Schule besuchte. Sie arbeitete dann als Kindergärtnerin und Sozialarbeiterin und absolvierte eine Schauspielausbildung bei Louise Dumont in Düsseldorf.
1926 heiratete sie den Arzt Martin Goldner (1902-1987) und zog mit ihm nach Berlin. 1930 begann sie ein Studium der Soziologie, Psychologie und Geschichte an der Berliner Universität. Nach der Scheidung von Goldner 1931 wechselte sie zum Soziologiestudium bei Karl Mannheim an die Frankfurter Universität. Ihre Doktorarbeit über Schauspiel und Gesellschaft wurde von Norbert Elias betreut. Sie beschloss Psychoanalytikerin zu werden und begann 1932 eine Analyse bei Karl Landauer. Wegen Hitlers Machtübernahme konnte sie weder ihre Dissertation noch ihre psychoanalytische Ausbildung in Deutschland beenden.
1933 floh Ilse vor den Nazis nach Paris. Hier heiratete sie 1934 den Dramaturg Joseph Ziegellaub (1905-1949), im gleichen Jahr wurde ihr Sohn Peter geboren. Sie kehrten mit falschen Papieren nach Deutschland zurück und lebten ab 1935 in Berlin, wo Ilse Ziegellaub im psychoanalytischen Kindergärtnerinnenseminar ihrer Freundin Nelly Wolffheim arbeitete. 1937 emigrierten die Ziegellaubs nach England. Ilse Ziegellaub absolvierte eine Ausbildung zur psychiatrischen Sozialarbeiterin an der London School of Economics und arbeitete anschließend in Erziehungsberatungsstellen und an Schulen. 1944 ließ sie sich scheiden und nannte sich fortan Ilse Seglow.
Ab 1944 machte Ilse Seglow eine Analyse bei Hilde Maas in London. 1949 ging sie nach Wien, um mit einer Lehranalyse bei Otto Fleischmann und Supervision durch August Aichhorn in die Wiener Psychoanalytische Vereinigung aufgenommen zu werden. Ihr Vorhaben scheiterte, da Aichhorn noch im gleichen Jahr starb und Fleischmann in die USA emigrierte. Sie kehrte nach London zurück und war in den folgenden Jahren als psychiatrische Sozialarbeiterin und seit 1960 als niedergelassene Psychotherapeutin tätig.
1952 nahm Ilse Seglow an den ersten gruppenanalytischen Sitzungen von S. H. Foulkes (Siegmund Heinrich Fuchs) teil und wurde Mitglied der im gleichen Jahr gegründeten Group Analytic Society. Ebenfalls 1952 beteiligte sie sich an der Gründung der British Association of Psychotherapists (BAP), eines Berufsverbands nichtärztlicher Psychotherapeuten, ab 1971 London Centre for Psychotherapy (LCP). Nach einer Spaltung der BAP eröffnete sie 1973 das LCP neu und leitete es bis in ihr hohes Alter. Ilse Seglow betrachtete die Gruppenanalyse nicht nur als Therapie, sondern auch als ein gesellschaftskritisches Konzept. (Artikelanfang)
Ella Agnes Freeman Sharpe, eine der ersten Kinderanalytikerinnen in England, wurde in Sudbury, Suffolk, geboren als älteste Tochter von Mary Ann Freeman und dem Seidenweber Frank Sharpe. Als sie sechs war, zog die Familie nach Nottingham, wo ihr Vater bis zu seinem Tod 1910 ein Café betrieb. Ella Sharpe hing sehr an ihrem Vater, der ihr seine Liebe zu Shakespeare und der englischen Literatur vermittelte. Sie absolvierte in Nottingham eine Lehrerinnenausbildung und studierte drei Jahre lang englische Literatur an der Nottingham University. Danach unterrichtete sie dieses Fach an mehreren Schulen, schließlich von 1904 bis 1916 am Teachers' Training College in Hucknall.
Als eine zerbrochene Freundschaft und der Tod von Freunden und ehemaligen Schülern im Ersten Weltkrieg eine Depression bei ihr auslösten, ging sie 1917 nach London, um sich in der Medico-Psychological Clinic am Brunswick Square behandeln zu lassen. Ihre Psychotherapie bei Julia Turner und James Glover war erfogreich und weckte ihr Interesse an der Psychoanalyse. Sie begann 1917 eine psychoanalytische Ausbildung an der Brunswick Square Clinic und übernahm ab 1919 gemeinsam mit Turner und Glover die Verantwortung für die analytische Ausbildung. 1920 ging sie nach Berlin, um eine Analyse bei Hanns Sachs zu machen - wie nach ihr Mary Chadwick, Sylvia Payne und Nina Searl. Ein Jahr später wurde sie außerordentliches und 1923 ordentliches Mitglied der British Psychoanalytical Society (BPAS).
Ella Sharpe wurde eine hochgeschätzte Lehranalytikerin der BPAS. Sie leitete zu Beginn des Zweiten Weltkriegs das Institute of Psychoanalysis und nahm in der Kontroverse zwischen Kleinianern und Annafreudianern der 1940er Jahre die Rolle einer Moderatorin ein. Obwohl sie Melanie Kleins Einsichten in das unbewusste Phantasieleben von Kindern und Erwachsenen bewunderte, lehnte sie deren radikale Abkehr von Sigmund Freuds Denken ab. Sie verfolgte ihren eigenen Weg zwischen Freud und Klein und wurde der Middle Group der Unabhängigen zugeordnet.
Zu den Schwerpunkten Ella Sharpes gehörten Fragen der psychoanalytischen Technik, so betonte sie in ihren Vorlesungen z. B. schon früh die Rolle der Gegenübertragung. Außerdem interessierte sie sich für die Bedingungen künstlerischer Kreativität. Ihrer Ansicht nach verfügt der Künstler im Unterschied zum Neurotiker über ein realitätstüchtiges Ich und ist daher in der Lage, die Schöpfungen seiner Phantasie zu externalisieren, anstatt sie wie der Neurotiker in der Realität auszuleben. Als ihr bedeutendster Beitrag zur psychoanalytischen Theorie wird ihre Arbeit über die Traumanalyse angesehen. Sie erkannte 1937 als erste, dass Traumarbeit und Symbolisierung die gleichen Mechanismen aufweisen wie die poetische Sprache - eine Entdeckung, die zwanzig Jahre später Jacques Lacan mit seiner Formel "l'inconscient est structuré comme un langage" wieder aufgriff.
Ella Freeman Sharpe hatte ein chronisches Herzleiden und starb an einem Herzinfarkt. (Artikelanfang)
Helen Sheehan-Dare, geboren in Hatfield, Hertfordshire, zählt zu den frühen Kinderanalytikerinnen in England. Ihr Vater, John Raymond Sheehan-Dare, war Musiklehrer und Direktor einer Jungenschule in Hatfield, ihre Mutter Caroline Eliza geb. Angell Lane (Schwester des Friedensnobelpreisträgers Norman Angell) leitete dort eine Mädchenschule. Helen Sheehan-Dare studierte Moderne Sprachen und erwarb einen BA-Abschluss an der Londoner Universität.
1912 gründete sie zusammen mit ihrer Schwester May Jacoby die St. Etheldreda’s School für Mädchen in Bexhill. 1922 zog die Schule nach Battle um und wurde in Battle Abbey School umbenannt, deren Direktorin sie (vermutlich mit Unterbrechungen) bis Ende der 1950er war. Während des Ersten Weltkriegs war sie in der vom Munitionsministerium organiserten industriellen Wohlfahrtspflege tätig.
Ihre psychoanalytische Ausbildung erhielt Helen Sheehan-Dare Ende der 1920er, Anfang der 1930er Jahre am Londoner Institute of Psychoanalysis. Seit den 1930er Jahren war sie außerdem Mitglied des von Grace Pailthorpe 1931 initiierten Institute for the Scientific Treatment of Delinquency in London. 1932 wurde sie ordentliches Mitglied und 1935 Lehr- und Kontrollanalytikerin der British Psychoanalytical Society (BPAS). Bei ihr waren u. a. Donald Winnicott, Charles Rycroft und Ignacio Matte Blanco in Supervision. Als Kinderpsychoanalytikerin übernahm sie zwar viele Ideen Melanie Kleins, zählte sich aber nicht zu deren Anhänger:innen. In den 1930er und 1940er Jahren verfasste sie zahlreiche Rezensionen zu Publikationen über Kinderpsychoanalyse in der Zeitschrift International Journal of Psychoanalysis. (Artikelanfang)
Elizabeth Bott wurde in Kanada geboren als die jüngste von drei Töchtern der Psychologen Helen McMurchie Bott und Edward Alexander Bott. Sie studierte Psychologie in Toronto und Anthropologie in Chicago, wo sie 1949 mit dem M.A. abschloss. Im gleichen Jahr ging sie nach London, um Anthropologie an der London School of Economics zu lehren und als Anthropologin am Tavistock Institute of Human Relations (TIHR) zu arbeiten. 1956 promovierte sie in Sozialanthropologie an der University of London, ihre Dissertation über Family and Social Network wurde bald zu einem anthropologischen Standardwerk.
Durch ihre Forschungstätigkeit am TIHR kam Elizabeth Spillius mit den Ideen Melanie Kleins in Berührung und begann 1957 eine Ausbildung am Londoner Psychoanalytischen Institut, ihre Lehranalytikerin war Lois Munro. 1958 unterbrach sie diese Ausbildung für zwei Jahre, um gemeinsam mit ihrem Mann, dem kanadischen Anthropologen James Spillius, im südpazifischen Königreich Tonga ein anthropologisches Forschungsprojekt durchzuführen.
1964 wurde sie Mitglied der British Psychoanalytical Society und war ab 1975 als Lehr- und Kontrollanalytikerin tätig. Neben ihrer direkten Lehrtätigkeit beteiligte sie sich an der Konzeption der Ausbildung in der BPAS, wo sie z. B. für eine systematische Integration der von Esther Bick entwickelten Methode der Säuglingsbeobachtung in die psychoanalytische Ausbildung sorgte. Von 1988 bis 1998 war sie Herausgeberin der Reihe New Library of Psychoanalysis, die in Zusammenarbeit mit dem London Institute of Psychoanalysis beim Routledge Verlag erscheint.
Elizabeth Bott Spillius gilt als eine der renommiertesten Vertreter:innen der Kleinianischen Psychoanalyse. Ihr Beiträge zeichnen sich durch die doppelte Perspektive einer Psychoanalytikerin und Anthropologin aus. International bekannt wurde sie vor allem durch ihre prägnanten und verständlichen Einführungen in das Werk Melanie Kleins. Darüber hinaus widmete sie sich der Weiterentwicklung der kleinianischen Theorie und Technik. (Artikelanfang)
Catherine Elizabeth "Karin" Stephen war die jüngste Tochter von Frank Costelloe, einem zum Katholizismus konvertierten Nordiren, und Mary Whitall Smith, die aus einer Quäkerfamilie in Philadelphia stammte. Ihre Mutter, selbst Kunsthistorikerin, verließ die Familie um 1900 und heiratete den Kunsthistoriker Bernard Berenson. Als Karin zehn war, starb ihr geliebter Vater, so dass sie und ihre Schwester Ray (Abb.1) bei ihrer Quäker-Großmutter aufwuchsen. Beide besuchten das Newnham College für Frauen in Cambridge, wo Karin Costelloe Schülerin ihres Onkels Bertrand Russell und des Philosophen George Edward Moore war. 1912 wurde sie in die Aristotelian Society aufgenommen, wahrscheinlich verfasste sie in dieser Zeit ihr Buch The Misuse of Mind über den Philosophen Henri Bergson.
Sie schloss sich dem Bloomsbury-Kreis an und heiratete 1914 Adrian Stephen (1883-1948), den jüngeren Bruder von Virginia Woolf (Abb.2). 1915 und 1918 wurden ihre beiden Töchter Ann und Judith geboren (Abb.3). Die mit sozialistischen Ideen sympathisierende Karin Stephen und ihr Mann waren Kriegsgegner und arbeiteten während des Ersten Weltkriegs auf einer Farm in Essex. Nach Kriegsende absolvierten beide auf Drängen von Ernest Jones ein Medizinstudium und begannen dann eine Analyse bei James Glover. Als Glover 1926 starb, beendete Karin Stephen ihre Lehranalyse bei Sylvia Payne und wurde 1927 außerordentliches, 1931 ordentliches Mitglied der British Psychoanalytical Society. 1927 ging sie für eine Zeit nach Baltimore, um am Sheppard and Enoch Pratt Hospital zu arbeiten, und machte dort eine weitere Analyse bei Clara Thompson. Nach der Freud-Klein-Kontroverse der 1940er Jahre schlossen sich Karin und Adrian Stephen zur Middle Group der Unabhängigen an.
Karin Stephen lag besonders die Vermittlung psychoanalytischen Wissens an Nicht-Analytiker am Herzen. Sie hielt in Cambridge die erste Reihe von öffentlichen Vorträgen zur Psychoanalyse, eine sehr gerühmte Einführung in die Psychoanalyse für Medizinstudenten, die 1933 unter dem Titel Psychoanalysis and Medicine als Buch erschien.
Viel diskutiert wurde auch ihr Aufsatz über Relations between the superego and the ego, in dem sie die Ansicht vertrat, dass das Über-Ich als eigenständige mahnende und strafende Instanz ein pathologisches Phänomen sei, während normalerweise die Funktion der Selbstkontrolle vom Ich ausgeübt werde. In diesem Zusammenhang erklärte sie die kleinianischen inneren Objekte zu einer Fiktion des Analytikers.
Schon seit ihrem Studium in Cambridge litt Karin Stephen unter Schwerhörigkeit und musste ein Hörrohr benutzen. Nach mehreren erfolglosen Operationen zur Verbesserung ihrer Hörfähigkeit kam eine partielle Gesichtslähmung hinzu. Sie hatte immer wieder mit Depressionen zu kämpfen und beging schließlich Suizid. (Artikelanfang)
Alix Strachey kam in der Künstlerkolonie Nutley, New Jersey, zur Welt. Kurz nach ihrer Geburt ertrank ihr Vater, der amerikanische Musiker Harry Smyth-Florence, und ihre Mutter, die englische Malerin Mary Sargant, kehrte mit Alix und ihrem älteren Bruder Philip nach England zurück. Von 1911 bis 1914 studierte Alix Sargant-Florence moderne Sprachen am Newnham College in Cambridge. Sie war schon damals für ihren scharfen Verstand und ihre Ironie bekannt, litt jedoch vermutlich an Magersucht und erlebte mit zwanzig eine erste melancholische Krise. Während des Ersten Weltkriegs lebte sie mit ihrem Bruder in Bloomsbury und schloss sich dem Kreis um Lytton Strachey und Virginia Woolf an. Dort begegnete sie James Strachey (1887-1967), den sie 1920 heiratete.
Noch im gleichen Jahr gingen die Stracheys nach Wien, um bis 1922 eine Analyse bei Sigmund Freud zu machen. Gleichzeitig begannen sie mit der Übersetzung der Werke Freuds ins Englische. 1922 wurde Alix Strachey außerordentliches, 1923 ordentliches Mitglied der British Psychoanalytical Society. Auf Freuds Empfehlung hin begab sie sich 1924 nach Berlin zu einer weiteren Analyse bei Karl Abraham. Aus dieser Zeit stammt ihr berühmter Briefwechsel mit James Strachey, in dem sie ein lebendiges Bild der Berliner Psychoanalytiker-Szene zeichnete. Hier lernte sie Melanie Klein kennen und war von deren Ideen sehr beeindruckt. Durch ihre Vermittlung wurde Melanie Klein 1925 von der BPAS zu einer Vortragsreihe nach London eingeladen. Alix Strachey übersetzte u. a. ihr grundlegendes Werk Die Psychoanalyse des Kindes ins Englische.
Nach Abrahams Tod setzte Alix Strachey ihre Analyse 1926 in London bei Edward Glover, später bei Sylvia Payne fort. Im Laufe der Auseinandersetzungen zwischen Kleinianer:innen und Annafreudianer:innen in der BPAS wuchs ihr Unbehagen an der Weiterentwicklung der Klein'schen Theorie, dem sie in ihrem Aufsatz A note on the use of the word internal Ausdruck verlieh. Sie schloss sich wie ihr Mann der Middle Group der Unabhängigen an.
Seit Ende der 1940er Jahre arbeiteten Alix und James Strachey an der Herausgabe der Standard Edition, der englischen Ausgabe von Sigmund Freuds Werken, deren Großteil sie beide übersetzten. Darüber hinaus übertrug Alix Strachey gemeinsam mit Douglas Bryan eine Auswahl aus Karl Abrahams Schriften ins Englische und erarbeitete ein Verzeichnis psychoanalytischer Termini.
Alix Strachey interessierte sich besonders für die psychosozialen Voraussetzungen des Kriegs. Als eine solche Voraussetzung beschrieb sie in ihrem Buch The Unconscious Motives of War die regressiven und potentiell destruktiven Gruppenphänomene, auf denen Institutionen wie Schule, Kirche, Armee und der Nationalstaat beruhen. In der Gruppe werde das Über-Ich des Einzelnen durch eine Autorität von außen ersetzt und eine unrealistische Denkweise sowie Gleichgültigkeit bzw. Feindseligkeit gegenüber den außerhalb der Gruppe Stehenden gefördert. Mithilfe der Erkenntnisse der Psychoanalyse, glaubte sie, könnten solche destruktiven Tendenzen abgemildert werden. (Artikelanfang)
Ruth Thomas stammte aus Australien, sie wurde in Sydney geboren und studierte Psychologie an der University of Sydney. Anschließend unterrichtete sie ab 1924 am Claremont Teacher Training College in Perth. 1933 zog sie nach London, wo sie am St. Gabriel's Teacher Training College in Camberwell lehrte und danach im London Child Guidance Training Centre arbeitete. Während des Zweiten Weltkriegs war Ruth Thomas Mitarbeiterin der Central Association for Mental Welfare (später National Association for Mental Health), die sich um Kinder kümmerte, die durch den Krieg von ihren Familien getrennt worden waren. Sie leitete in den 1940er Jahren ein Wohnheim für schwierige Kinder und trug durch Vorlesungen, Radiosendungen und populäre Broschüren zur Verbreitung psychoanalytischen Wissens über die kindliche Psyche bei.
1939 begann sie ihre Ausbildung am Londoner Institute of Psychoanalysis und machte eine Lehranalyse bei Anna Freud. Als Mitglied der British Psychoanalytical Society zählte sie zu Anna Freuds B Group und vertrat einen ich-psychologischen Ansatz. Sie war Lehr- und Kontrollanalytikerin der 1947 gegründeten Hampstead Child Therapy Courses (ab 1952 Hampstead Child Therapy Clinic and Course), wo sie von 1950 bis 1976 Ausbildungsleiterin war. Ruth Thomas gehörte 1949 zu den Gründungsmitgliedern der Association of Child Psychotherapists (ACP) und war maßgeblich an der Entwicklung von Qualitätsstandards für die Ausbildung von Kinderpsychotherapeut:innen beteiligt. (Artikelanfang)
Margret Tönnesmann bzw. Tonnesmann wurde in Düsseldorf geboren. Sie begann 1944 ihr Medizinstudium in Göttingen, setzte es nach Kriegsende in Bonn fort und legte 1951 in Hamburg das Staatsexamen ab. Von 1950 bis 1951 studierte sie Psychologie in Kiel, es folgten drei Semester Psychologie und Soziologie in Zürich. 1958 promovierte sie an der Universität Kiel. Im gleichen Jahr gab sie zusammen mit dem Soziologen René König das Sonderheft Probleme der Medizin-Soziologie der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie heraus, das den Beginn der Medizinsoziologie in Deutschland markierte. Darin war sie mit ihrem Aufsatz Einige Aspekte zur Entwicklung einer Medizinsoziologie und Sozialpsychologie in Deutschland vertreten, einer Bestandsaufnahme der medizinisch-soziologischen Forschung seit 1945.
1959 zog Margret Tönnesmann nach London, wo sie sich als Fachärztin für Psychiatrie spezialisierte und eine psychoanalytische Ausbildung machte. Sie wurde Mitglied der British Psychoanalytical Society und gehörte dort der "Middlegroup" der Unabhängigen an, die sich weder als Kleinianer:innen noch als Annafreudianer:innen verstanden. Sie arbeitete als Psychoanalytikerin in eigener Praxis und als Dozentin und Supervisorin am Institute of Psychoanalysis sowie in verschiedenen anderen Institutionen, darunter die Tavistock Clinic, das University College London und die British Association of Psychotherapists. Außerdem wurde sie regelmäßig zu Ausbildungswochenenden nach Frankfurt, Darmstadt, Düsseldorf und Zürich eingeladen.
Tönnesmann vertrat den Ansatz der englischen Objektbeziehungstheorie nach Donald W. Winnicott. 1989 gab sie unter dem Titel About Children and Children-No-Longer eine von ihr kommentierte Ausgabe der Schriften Paula Heimanns aus den Jahren 1942 bis 1980 heraus. Darüber hinaus galt ihr besonderes Interesse der Geschichte der Psychoanalyse, wozu sie mehrere Aufsätze publizierte.
Nach über einem halben Jahrhundert in London kehrte Margret Tönnesmann aufgrund einer schweren Erkrankung nach Deutschland zurück, wo sie im Alter von 89 Jahren in Bonn starb. (Artikelanfang)
Julia Turner war keine ausgebildete Psychoanalytikerin, spielte aber als Mitgründerin der Medico-Psychological Clinic eine wichtige Rolle in der Geschichte der Psychoanalyse in England. Sie wurde in Dagenham in Essex geboren, als Tochter des Rechtsanwalts Alfred Turner und seiner Frau Marianne geb. Venton. Sie studierte am University College London und schloss 1889 mit dem Bachelor in Klassischen Sprachen ab. Von 1900 bis 1904 war sie Konrektorin der privaten Fir Grove House Ladies' School in Godalming. Wie ihre Freundin Jessie Murray unterstützte sie die Sufragetten-Bewegung.
1913 gründeten Jessie Murray und Julia Turner gemeinsam mit anderen in London die Medico-Psychological Clinic, später bekannt als Brunswick Square Clinic. Die Medico-Psychological Clinic bot als erste Klinik in Großbritannien psychoanalytische Therapie und Ausbildung an - sehr zum Unmut von Ernest Jones, der in dieser Institution eine Konkurrenz zu seiner London Psycho-Analytical Society sah.
Die Analysen wurden in der Regel von Jessie Murray und Julia Turner durchgeführt. Nach Murrays vorzeitigem Tod im Jahr 1920 übernahmen Julia Turner und ihr Analysand James Glover die Leitung der Brunswick Square Clinic. Es kam jedoch zum Konflikt, da Turner neben freudianischen auch jungianische Elemente verwendete, während Glover - inzwischen "ordentlich" analysiert von Karl Abraham in Berlin - nur noch die reine Freud'sche Psychoanalyse zulassen wollte. Julia Turner verließ die Klinik und gründete 1921 die Psychological Aid Society. Das Zerwürfnis beschleunigte das Ende der hochverschuldeten Medico-Psychological Clinic, die 1922 geschlossen wurde. (Artikelanfang)
Die Kinderanalytikerin Frances Tustin wurde im nordenglischen Darlington geboren, sie war das einzige Kind tief religiöser Eltern. Nach deren Trennung 1926 lebte Frances Vickers bei ihrer Mutter und sah ihren Vater, dem sie sehr nahestand, über fünfzehn Jahre lang nicht mehr. Sie machte von 1932 bis 1934 am Whitelands College in Putney, London, eine Ausbildung zur Lehrerin. 1938 heiratete sie John Taylor, einen Verwaltungsbeamten, von dem sie sich 1946 scheiden ließ. Zwei Jahre später ehelichte sie den Physikprofessor Arnold Tustin (1899-1994).
Frances Tustin war mehrere Jahre lang als Lehrerin tätig, bevor sie 1943 durch Vorlesungen Susan Isaacs' auf die Psychoanalyse aufmerksam wurde. 1950, nach dem Tod ihres ersten Kindes, begann sie an der Tavistock Clinic in London eine dreijährige Ausbildung zur Psychotherapeutin für Kinder. Sie begann eine Analyse bei dem Kleinianer Wilfred Ruprecht Bion, die mit Unterbrechungen vierzehn Jahre dauerte. 1953 ging sie nach Boston und machte ein Praktikum an dem von Beata Rank und Marian Putnam geleiteten James Jackson Putnam Center, einem der ersten Zentren, wo autistische Kinder behandelt wurden.
Frances Tustin war Mitglied der Association of Child Psychotherapists, Ehrenmitglied der British Psychoanalytical Society und lehrte an der Tavistock Clinic. Sie integrierte die autistische Pathologie in die Theorien Melanie Kleins und wurde eine international anerkannte Autorität auf dem Gebiet des Autismus. Auf der Grundlage kleinianischer bzw. neo-kleinianischer Annahmen entwickelte sie 1972 eine Typologie des Autismus, die heute als klassisch gilt.
Für Tustin besteht der kindliche Autismus aus zwei Phasen: Die erste zeichnet sich aus durch eine ungewöhnlich enge Beziehung zur Mutter, häufig in Verbindung mit einem ausgeschlossenen oder abwesenden Vater, die zweite durch die vorzeitige Wahrnehmung körperlicher Getrenntheit von der Mutter. Diese Wahrnehmung wirkt traumatisierend, da das Kleinkind noch nicht in der Lage ist, das Abwesende zu symbolisieren. Es erlebt dann sein Getrenntsein nicht nur als Verlust des Objekts, sondern als eigene körperliche Vernichtung, wogegen es sich durch autistische Formen und Objekte und durch die Konstruktion einer autistischen Schale zu schützen sucht. (Artikelanfang)
Clare Winnicott wurde als ältestes von vier Kindern in Scarborough, Yorkshire, geboren. Ihr Vater James Nimmo Britton, von Beruf Maler oder Klempner, war baptistischer Geistlicher geworden, ihre Mutter Elsie Clare Slater war ebenfalls in der Baptistenkirche aktiv. Nach dem Besuch der High School machte Clare Britton von 1929 bis 1930 eine Lehrerinnenausbildung am Selly Oak College in Birmingham und war danach bei der Young Women's Christian Association (YWCA) tätig. Für ihre sozialpädagogische Weiterbildung absolvierte sie 1937/38 einen einjährigen Lehrgang für Sozialwissenschaften an der London School of Economics (LSE) und 1940 den Mental Health Course am LSE.
Während des Zweiten Weltkriegs betreute Clare Britton in Oxfordshire evakuierte, von ihren Familien getrennte und häufig traumatisierte Kinder. Dabei lernte sie ihren späteren Mann kennen, den Psychoanalytiker Donald Woods Winnicott (1896-1971), der diese Arbeit als psychiatrischer Berater betreute. Von 1947 bis 1958 leitete sie den vom Britischen Innenministerium und der LSE eingerichteten Child Care Course, einen Lehrgang für Sozialarbeiter, an dem sich auch Donald W. Winnicott mit Vorlesungen beteiligte. Nach der Auflösung des Child Care Course unterrichtete Clare Winnicott bis 1964 am Applied Social Studies Course der LSE.
1951 heiratete sie Winnicott, mit dem sie durch gemeinsame Interessen, Temperament und gegenseitige Inspiration eng verbunden war. Wichtige Ideen wie z. B. das Konzept des Übergangsobjekts finden sich in Fallbeschreibungen Clare Winnicotts, noch bevor Donald Winnicott sie theoretisch ausformulierte. 1948 hatte sie eine Analyse bei dem Kleinianer Clifford Scott begonnen, die sie nach dessen Übersiedelung nach Kanada 1954 bei Melanie Klein fortsetzte. Obwohl deren Theorien sie beeindruckten, kritisierte Clare Winnicott die mangelnde Berücksichtigung der Umweltfaktoren und die Betonung der negativen Momente in der Übertragung.
1960 wurde Clare Winnicott Mitglied der British Psychoanalytical Society, praktizierte aber zunächst nicht als Psychoanalytikerin. Von 1964 bis 1971 leitete sie als Direktorin der Child Care Studies im Innenministerium die Ausbildung von Sozialarbeitern in der Kinderfürsorge. Nach dem Tod ihres Mannes machte Clare Winnicott eine weitere Analyse bei Lois Munro und eröffnete 1972 eine eigene psychoanalytische Praxis. Daneben arbeitete sie zehn Jahre lang als Supervisorin und Dozentin für die British Association of Psychotherapists, einem Ausbildungszentrum für psychoanalytische Psychotherapie.
Mit ihrem Ansatz psychoanalytisch inspirierter Sozialarbeit übte Clare Winnicott zu ihrer Zeit großen Einfluss auf die britische Kinderfürsorge aus. Schwerpunktthemen ihrer Schriften sind das Verständnis der innerpsychischen Welt des Kindes, insbesondere bei Verlust und Trennung, Techniken der Kommunikation mit Kindern, die Rolle des Sozialarbeiters als "Übergangsfigur" und die Gegenübertragung in der Beziehung zwischen Helfern und Hilfsbedürftigen.
Clare Winnicott erlag 1984 einem langjährigen Krebsleiden. (Artikelanfang)