Die Geschichte der Psychoanalyse Österreichs war bis Ende der 1930er Jahre eng mit Leben und Werk von Sigmund Freud (1856-1939) verbunden. Sie spielte sich hauptsächlich in Wien ab, wo der Gründer der Psychoanalyse sein ganzes Leben bis zu seiner erzwungenen Emigration 1938 verbrachte. Für das kulturelle und geistige Klima in der Hauptstadt der krisenhaften österreichisch-ungarischen Monarchie spielte das gebildete liberal-jüdische Bürgertum um die Jahrhundertwende eine wichtige Rolle. Die Mehrzahl der Wiener Juden strebte eine Assimilierung an die Lebensweise der nichtjüdischen Bevölkerung an, so auch die Familie Freud.
Sigmund Freud wurde 1856 in Mähren als Sohn jüdischer Eltern geboren, die 1860 nach Wien übersiedelten. Er absolvierte zwischen 1873 und 1881 sein Medizinstudium in Wien, eröffnete hier 1886 seine erste nervenärztliche Privatpraxis und richtete schließlich 1891 seine Wohnung und Ordination in der Wiener Berggasse 19 ein. Inspiriert durch Josef Breuer, Jean Martin Charcot und Hippolyte Bernheim begann er seine neurotischen und hysterischen Patienten neben der Elektrotherapie zunehmend mit der kathartischen und hypnotischen Methode zu behandeln. Die Hypnose gab er jedoch bald auf zugunsten eines Verfahrens, das er "freie Assoziation" nannte und mit dessen Hilfe sich ihm die Mechanismen von Verdrängung und Widerstand erschlossen.
In den Jahren von 1894 bis 1899 arbeitete Freud die Grundprinzipien der Psychoanalyse aus. In dieser Zeit diskutierte er in seinem Briefwechsel mit dem Berliner HNO-Arzt Wilhelm Fliess die Erkenntnisse seiner Selbstanalyse. 1896 hielt er vor den ungläubigen Mitgliedern des Vereins für Psychiatrie und Neurologie seinen Vortrag Zur Ätiologie der Hysterie, in dem er die Ansicht vertrat, alle Neurosen seien Folge sexuellen Missbrauchs in der Kindheit. Diese sexuelle Trauma- oder Verführungstheorie revidierte er ein Jahr später und ersetzte sie durch das Konstrukt des Ödipuskomplexes, also die Annahme einer infantilen Sexualität.
Zur Jahrhundertwende erschien Die Traumdeutung, das Urbuch der Psychoanalyse über die via regia zum Unbewussten, mit dem Sigmund Freud der Durchbruch gelang. Durch die Analyse der Träume gelangte er zu der Einsicht in das Funktionieren der allgemein-psychischen Instanzen des Bewusst-Vorbewussten und des Unbewussten. Damit entfernte sich Freud von der Psychopathologie und wandte sich der "Normalpsychologie" zu. Um die geht es auch in den Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie (1905), in denen Freud ausführlich seine theoretischen Vorstellungen über den Sexualtrieb darstellt. Neben der Traumdeutung gelten sie als sein bedeutendster Beitrag zur Wissenschaft vom Menschen.
Seit 1902, dem Jahr seiner Ernennung zum außerordentlichen Professor, versammelte Freud in der Psychologischen Mittwoch-Gesellschaft die ersten, überwiegend jüdischen Schüler um sich: Alfred Adler, Max Kahane. Rudolf Reitler und Wilhelm Stekel, zu denen wenig später Paul Federn, Isidor Sadger, Fritz Wittels und Eduard Hitschmann, aber auch "Laien", also Nichtärzte, wie der Jurist Hanns Sachs, der Verleger Hugo Heller und Max Graf, der Vater des kleinen Hans, stießen. 1906 wurde Otto Rank bezahlter Sekretär und Schriftführer der Mittwoch-Gesellschaft, aus der 1908 (offiziell 1910) die Wiener Psychoanalytische Vereinigung (WPV) mit Adler als ihrem ersten Präsidenten hervorging.
Ebenfalls 1908 fand in Salzburg der Erste Congress für Freudsche Psychologie statt, wo sich Anhänger der Psychoanalyse aus mehreren Ländern versammelten. Ein Jahr später reiste Freud in Begleitung von Carl Gustav Jung und Sándor Ferenczi in die USA, um Vorträge an der Clark University in Worcester, Mass., zu halten. 1909 erschien in Wien die erste psychoanalytische Zeitschrift, das Jahrbuch für psychoanalytische und psychopathologische Forschungen; es folgten das Zentralblatt für Psychoanalyse (1910), Imago (1912) und die Internationale Zeitschrift für Psychoanalyse (1913). 1910 wurde auf dem Zweiten Internationalen Psychoanalytischen Kongress in Nürnberg die Internationale Psychoanalytische Vereinigung (IPV) gegründet, deren erster Präsident Sigmund Freuds damaliger Lieblingsschüler C. G. Jung wurde. In diesem Jahr trat mit Margarethe Hilferding, die mit dem sozialdemokratischen Politiker der Weimarer Republik, Rudolf Hilferding, verheiratet war, die erste Frau in die WPV ein. (Abb.: Dritter Internationaler Psychoanalytischer Kongress in Weimar 1911)
Theoretische Differenzen zu Freud führten 1911 bzw. 1912 zum Austritt Adlers und Stekels aus der WPV, deren Leitung Freud nun übernahm. Mit Adler verließen weitere fünf Mitglieder die WPV und schlossen sich seiner individualpsychologischen Schule an. 1912 begannen auch die Spannungen zwischen Freud und Jung, Streitpunkte waren der erweiterte Libidobegriff und die Archetypenlehre des Schweizer Analytikers. Freud nahm dies zum Anlass, ein Geheimes Komitee zu gründen, das - als informelles Gegengewicht zur IPV, deren Präsident Jung war - über die Einhaltung der zentralen psychoanalytischen Ideen wachen sollte. Ihm gehörten neben Freud selbst Otto Rank (dessen Platz nach seinem Zerwürfnis mit Freud ab 1924 Anna Freud einnahm), Karl Abraham, Max Eitingon, Sándor Ferenczi, Ernest Jones und Hanns Sachs an. 1913 kam es zum Bruch zwischen Freud und Jung, und dieser verließ ein Jahr später die psychoanalytische Bewegung und gründete seine eigene Schule, die Analytische Psychologie.
Im Winter 1914/15 organisierte die WPV parallel zu den Vorlesungen Freuds an der Wiener Universität Psychoanalyse-Kurse für Ärzte und interessierte Studenten aller Fakultären. Sie wurden von Victor Tausk durchgeführt. Noch kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs erschien 1914 Freuds Aufsatz Zur Einführung in den Narzißmus, in dem er seine bisherige scharfe Scheidung von Sexual- und Ichtrieben aufhob und erklärte, dass jeder Mensch nicht nur über Objektlibido, sondern ebenso über Ichlibido verfüge - Frauen allerdings über ein größeres Quantum als Männer. Während des Krieges kam die wissenschaftliche Arbeit des WPV weitgehend zum Stillstand, da die meisten Mitglieder Militärdienst leisten mussten. Der erste Internationale Psychoanalytische Kongress nach fünfjähriger Pause fand 1918 in Budapest statt. Dank einer Spende des Ungarn Anton von Freund konnte 1919 in Wien der Internationale psychoanalytische Verlag gegründet werden.
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und dem Auseinanderfallen der Österreichisch-Ungarischen Monarchie verlor die WPV ihre zentrale Stellung innerhalb der psychoanalytischen Bewegung, die während der 20er Jahre das 1920 gegründete Berliner Psychoanalytische Institut einnahm. Einige Wiener Analytiker gingen nach Berlin, um sich dort ausbilden zu lassen oder als Lehranalytiker zu arbeiten, so Hanns Sachs, Theodor Reik, Siegfried Bernfeld, Otto Fenichel und Wilhelm Reich. Die allgemeine Desillusionierung nach dem verheerenden Krieg schlug sich auch in Freuds Schriften nieder, in denen er zunehmend kulturpessimistische Ansichten vertrat. Dies mündete 1920 in der Formulierung seiner Todestriebhypothese in Jenseits des Lustprinzips. Drei Jahre später nahm er in Das Ich und das Es eine seiner letzten großen theoretischen Neuerungen vor: Er ersetzte die bisherige Topik des Unbewussten, Vorbewussten und Bewussten durch die Instanzen Es, Ich und Über-Ich.
In der Wiener Vereinigung gab es nach dem Krieg zwei Fraktionen: auf der einen Seite die "alte Garde", bestehend u. a. aus Federn, Rank, Hitschmann, Reik, Sadger, Felix und Helene Deutsch, Tausk, Hermann Nunberg und Hermine Hug-Hellmuth; auf der anderen Seite die jüngeren Mitglieder der zweiten Generation, zu denen Anna Freud, Willi und Hedwig Hoffer, Richard und Editha Sterba, Wilhelm und Annie Reich, Heinz und Dora Hartmann, Edward und Grete Bibring, Robert und Jenny Wälder, Jeanne de Groot und Otto Fenichel gehörten. Auf Anregung Wilhelm Reichs wurde ein Technisches Seminar für Ausbildungskandidaten gegründet, das unter seiner Leitung von 1924 bis 1930 seine Blütezeit erlebte.
1922 konnte nach Berlin auch in Wien ein psychoanalytisches Ambulatorium (Abb.) für mittellose Patienten eröffnet werden, mit Eduard Hitschmann als Direktor und Wilhelm Reich als sein Stellvertreter; 1929 wurde dem Ambulatorium eine psychiatrische Abteilung angegliedert. Von Anfang an stellte sich hier das Problem der sog. Laienanalyse, da nach österreichischem Recht nur Ärzte Heilbehandlungen durchführen durften. Prominentes Opfer war Theodor Reik, der 1925 wegen Verstoßes gegen das Kurpfuschergesetz angezeigt wurde, weil er ohne medizinische Ausbildung als Analytiker gerbeitet hatte. Sein Fall veranlasste Freud, die "Laienanalyse" ausdrücklich zu befürworten.
Trotz mancher Anfeindungen genoss die Psychoanalyse in den 1920er Jahren ein hohes internationales Ansehen. Die Ausbildung zum Psychoanalytiker wurde nun systematisiert, nach der Berliner Vereinigung führte 1924 auch die WPV die institutionalisierte Lehranalyse ein als unabdingbare Voraussetzung für die Berufsausübung neben dem theoretischen Studium. 1925 erfolgte die offizielle Eröffnung eines Lehrinstituts der WPV unter der Leitung von Helene Deutsch.
Der Ruf Sigmund Freuds zog zahlreiche AnhängerInnen aus Amerika, England und anderen europäischen Ländern nach Wien, die sich von ihm analysieren lassen wollten. Zwischen 1918 und 1924 nahm er auch seine Tochter Anna in Analyse, die seine engste Mitarbeiterin und nach Beginn seiner Krebserkrankung 1923 seine Statthalterin bei offiziellen Anlässen wurde. Von 1924 an wurde die WPV von Sigmund Freud als Obmann sowie Paul Federn und ab 1933 Anna Freud als seine Stellvertreter geleitet (Abb.).
Federn, der Mitglied der SPÖ war, betrachtete die Psychoanalyse als ein Instrument der Verbesserung sozialer Verhältnisse - eine Ansicht, die von Freud nicht geteilt wurde. Sozial und politisch sensibilisiert durch die Jugendbewegung und den Krieg suchte ein Teil der zweiten Analytikergeneration marxistische und psychoanalytische Ideen zu verbinden, zu ihnen zählten insbesondere Bernfeld, Fenichel und Reich. Wilhelm Reich und die kommunistische Ärztin Marie Frischauf gründeten 1928 die Sozialistische Gesellschaft für Sexualberatung und Sexualforschung und eröffneten in Wien Sexualberatungsstellen für Arbeiter, an denen u. a. Annie Angel, Edith Buxbaum und Annie Reich tätig waren. Da Freud und die Mehrheit seiner Schüler politische Konsequenzen der Psychoanalyse ablehnten, wurde Reich 1934 - nach dem Erscheinen seiner Massenpsychologie des Faschismus - aus der IPV ausgeschlossen. In der wissenschaftlichen Diskussion setzte sich eine Position durch, die die Psychoanalyse als "wertneutrale" Wissenschaft und Behandlungstechnik jenseits von Weltanschauungen sah.
Im sozialdemokratischen "roten Wien" der 1920er Jahre bildete sich eine pädagogisch orientierte Psychoanalyse heraus, vertreten vor allem durch Hermine Hug-Hellmuth - von der die erste Veröffentlichung über die Technik der Kinderanalyse stammte -, August Aichhorn, Anna Freud, Siegfried Bernfeld und Willi Hoffer. August Aichhorn vertrat ab 1918 als Leiter der Fürsorgeerziehungsanstalt Oberhollabrunn und ab 1923 als Erziehungsberater der Wiener Bezirksjugendämter einen psychoanalytischen Ansatz in den Bereichen Fürsorge und Erziehung. Sein 1925 erschienenes Buch Verwahrloste Jugend wurde ein Klassiker der Fürsorgeerziehung. Er arbeitete eng mit Bernfeld und Hoffer zusammen, die nach dem Ersten Weltkrieg das Kinderheim Baumgarten für jüdische Kriegswaisenkinder leiteten, sowie mit Anna Freud, Eva Rosenfeld und Dorothy Burlingham, die 1927 eine "freie Schule" eröffneten, in der Kinder und Jugendliche Projektunterricht erhielten und von analytisch geschulten Lehrern betreut wurden.
Im Rahmen der WPV fanden Fortbildungskurse für Lehrer-, Erzieher-, Sozialarbeiter- und FürsorgerInnen statt, und 1923 wurde dem psychoanalytischen Ambulatorium eine Erziehungsberatungsstelle unter der Leitung von Hug-Hellmuth angeschlossen. Drei Jahre später erschien die erste Ausgabe der Zeitschrift für psychoanalytische Pädagogik. Eine zweite Erziehungs- und Jugendberatungsstelle der WPV wurde von 1932 bis 1938 von Aichhorn geleitet, MitarbeiterInnen waren Anna Freud, Editha Sterba und Willi Hoffer.
Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme in Deutschland wurde Wien während der 1930er Jahre wieder das Zentrum der psychoanalytischen Bewegung, da hier die Bedrohung durch den klerikalen Austrofaschismus geringer war. In diesen Jahren erschienen die Schriften, welche der in den USA so erfolgreichen Ich-Psychologie den Weg bereiteten: Anna Freuds Das Ich und die Abwehrmechanismen (1936) und Heinz Hartmanns Ichpsychologie und Anpassungsproblem (1939). Hartmann, der Begründer der Ich-Psychologie, nahm anders als Sigmund Freud einen autonomen, konfliktfreien Bereich des Ich an und relativierte die zentrale Bedeutung der Triebe.
Die antisemitische Stimmung gegen die Psychoanalyse, von der es hieß, dass sie als "jüdische Wissenschaft" für die nichtjüdische Seele keine Gültigkeit besäße, nahm jedoch zu. Die Psychoanalytiker reagierten entweder mit politischer Abstinenz und Selbstzensur und konzentrierten sich auf die Ausbildung und klinische Arbeit, oder sie verließen das Land. Es gab aber auch WPV-Mitglieder, die einer verbotenen politischen Aktivität nachgingen, wie Annie Angel, Edith Buxbaum und die Ausbildungskandidatinnen Marie Langer, Tea Genner-Erdheim und Muriel Gardiner. Paul Federns Sohn Ernst Federn, der spätere Mitherausgeber der Protokolle der WPV, wurde als Trotzkist und Jude nach Buchenwald verschleppt und verbrachte sieben Jahre im Konzentrationslager.
Mit dem "Anschluss" Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland kam 1938 auch hier die Zerschlagung der psychoanalytischen Bewegung. Die WPV lehnte eine "Rettung" der österreichischen Psychoanalyse nach deutschem Vorbild ab und empfahl stattdessen ihren Mitgliedern die Emigration. Noch 1938 wurde die WPV durch den Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich aufgelöst. Dank des Einsatzes von Marie Bonaparte und Ernest Jones auf höchster diplomatischer Ebene wurde es dem schwerkranken Sigmund Freud und seiner Tochter Anna im Juni 1938 gestattet, Wien zu verlassen und über Paris nach London zu emigrieren (Abb.). Mit ihnen gingen beinahe alle Wiener Psychoanalytiker:nnen ins Exil (ca. 100 Analytiker:nnen und Kandidat:nnen). Am 23. September 1939 starb Sigmund Freud, drei Wochen nach Beginn des Zweiten Weltkriegs. Nur eine kleine Gruppe unter der Führung von August Aichhorn blieb in Österreich und setzte während der Kriegsjahre die psychoanalytische Ausbildung notgedrungen im Rahmen der Wiener Arbeitsgemeinschaft des Deutschen Instituts für psychologische Forschung und Psychotherapie ("Göring-Institut") fort.
Es waren die Mitglieder dieser Gruppe, die nach dem Zweiten Weltkrieg 1946 die WPV neu gründeten, insbesondere August Aichhorn, der die Präsidentschaft übernahm, Alfred von Winterstein, Wilhelm Solms-Rödelheim, Tea Genner-Erdheim und Igor Caruso. Die WPV wurde 1949 wieder in die Internationale Psychoanalytische Vereinigung aufgenommen. Der erhoffte Rückstrom emigrierter Wiener Analytiker blieb jedoch aus - Ausnahmen waren Otto Fleischmann und Robert Jokl, die jedoch bald in die USA gingen. Viele Emigrant:nnen, darunter Anna Freud, betraten erst 1971 beim 27. IPV-Kongress in Wien wieder österreichischen Boden. Fortbestehende Vorurteile sorgten dafür, dass die Psychoanalyse in Österreich bis Ende der 1960er Jahre wenig Anerkennung fand. Die WPV verfügte über kein eigenes Publikationsorgan, und es mangelte ihr an wissenschaftlichem Austausch, finanziellen Mitteln und größeren Publikationen.
Nach Aichhorns Tod übernahm Alfred von Winterstein von 1949 bis 1957 die Leitung der WPV, sein Nachfolger war bis 1972 Solms-Rödelheim. 1961 entstand eine Abteilung für Kinderanalyse in der WPV unter der Leitung von Hedda Eppel. Zur populärwissenschaftlichen Verbreitung der Psychoanalyse war 1950 die August-Aichhorn-Gesellschaft gegründet worden, die unter der Leitung von Lambert Bolterauer bis 1968 Vorträge für interessierte Laien veranstaltete und Beratungen durchführte. In diesem Jahr wurde die Sigmund Freud Gesellschaft ins Leben gerufen, die die ehemalige Wohnung und Ordination Freuds in ein Museum umwandelte, um sein Werk einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen (Sigmund Freud Museum).
Igor Caruso, wegen seiner Nähe zur NS-Psychiatrie auch umstritten, ergänzte die Psychoanalyse durch eine christlich geprägte personalistisch-philosophische Anthropologie und schuf 1947 den Wiener Arbeitskreis für Tiefenpsychologie. In den 1960er Jahren orientierte sich der Arbeitskreis wieder stärker an Freud und wurde 1988 in Wiener Arbeitskreis für Psychoanalyse (WAP) umbenannt.
Wie anderswo auch stieß die Lehre Freuds in den 1970er Jahren auf wachsende Resonanz in der österreichischen Öffentlichkeit. Vor allem das Interesse der Studentenbewegung für die Psychoanalyse trug zu diesem Aufschwung bei, aber auch die Berufung des WPV-Mitglieds Hans Strotzka zum Leiter des neugegründeten Instituts für Psychotherapie und Tiefenpsychologie an der medizinischen Fakultät der Wiener Universität. 1973 wurde als Reaktion auf den gestiegenen Bedarf eine Beratungsstelle der WPV für Kinder und Jugendliche eingerichtet. Von 1974 bis 1978 leitete Harald Leupold-Löwenthal die WPV, anschließend Solms-Rödelheim, Peter Schuster, Wolfgang Berner und Wilhelm Burian. Von 1998 an übernahmen mit Krista Placheta die Frauen die Präsidentschaft. Auf sie folgten Sylvia Zwettler-Otte, Christine Diercks, Elisabeth Skale, Hemma Rössler-Schülein und Renate Kohlheimer. 1999 wurde auch das Ambulatorium der WPV wiedereröffnet. 2006 gründeten die WPV und der WAP die Wiener Psychoanalytische Akademie. Seit 1984 erscheint das Bulletin der WPV.
1969 wurde unter Carusos Führung der Salzburger Forschungs- und Arbeitskreis für Tiefenpsychologie und Psychosomatik am Psychologischen Institut der Universität gegründet. 1974 konstituierte sich der Salzburger Arbeitskreis für Tiefenpsychologie als eigenständiger Verein, der sich ab 1988 Salzburger Arbeitskreis für Psychoanalyse (SAP) nennt. Seit 1981 gab die von Caruso, Rosa Tanco Duque und anderen gegründete Österreichische Studiengesellschaft für Kinderpsychoanalyse die Studien zur Kinderanalyse heraus, bis diese 2004 ihr Erscheinen einstellten. 1984 gründeten Studenten von Igor Caruso, der (als erster Psychoanalytiker) seit 1972 Professor für Psychologie in Salzburg war, das Werkblatt - Zeitschrift für Psychoanalyse und Gesellschaftskritik, das bis 2019 eine kritische Einstellung jenseits der institutionalisierten Psychoanalyse vertrat.